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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.04.2002
Aktenzeichen: 2 TaBV 31/01
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 40
Der Betriebsrat muss zur Ausfüllung seines Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Erforderlichkeit von Arbeitsmitteln (hier Computer) auch Überlegungen anstellen, wieviel Arbeitszeit erforderlich ist, um die vom Arbeitgeber in Papierform handschriftlich gegebenen Informationen erstmals in den Computer einzugeben. Spricht für das gewünschte Arbeitsmittel nur eine erhöhte Bequemlichkeit bei der Erledigung der Betriebsratsarbeit ist der Beurteilungsspielraum des Betriebsrats überschritten und Erforderlichkeit nicht gegeben.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 2 TaBV 31/01

Verkündet am: 29.04.2002

In dem Beschlussverfahren

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 29.04.2002 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Schauerte und Meaubert

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 15.02.2001 - 1 BV 44/00 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Der antragstellende Betriebsrat begehrt vom Arbeitgeber die zur Verfügungstellung eines Personalcomputers mit Drucker und erforderlicher Software, eines Telefaxgerätes und eines Kopierers als Sachmittel für die Betriebsratsarbeit.

Der Antragsteller wurde als gemeinsamer Betriebsrat für 31 Filialen mit durchschnittlich 113 Mitarbeitern im Bereich T gebildet. Das Betriebsratsbüro befindet sich in B bei T . Die Vorsitzende des Betriebsrates ist gleichzeitig die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, der bei der Beklagten eingerichtet ist. Das Gesamtbetriebsratsbüro befindet sich in P in der Nähe von M . Die Betriebsratsvorsitzende ist insgesamt von der Arbeit freigestellt, wobei sich diese Freistellung teilweise auf ihre Betriebsratstätigkeit, teilweise auf ihre Tätigkeit als Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats bezieht. Ihr steht ein Laptop mit Drucker zur Verfügung. Ein Kopierer befindet sich im Gesamtbetriebsratsbüro sowie unmittelbar neben der Verkaufsstelle, der die freigestellte Betriebsratsvorsitzende regelmäßig zugeordnet ist. Vom Sitz des Betriebsrats aus ist der nächste Kopierer sechs Kilometer entfernt.

Der Betriebsrat hat dargelegt, dass er die geforderten Sachmittel wie folgt einsetzen möchte: Der Computer diene zur schnelleren und besseren Personalverwaltung. Mit ihm könne die Ist-Besetzung und die Zeiterfassung besser überprüft werden. Eine Aushilfenkartei geführt werden, die Zeitpläne besser kontrolliert werden und die Urlaubsplanung besser durchgeführt werden. Insbesondere beabsichtigt der Betriebsrat die handschriftlich geführten Zeiterfassungsnachweise und die Arbeitszeit- und Pausenpläne für sämtliche Mitarbeiter im Tabellenprogramm in den Computer einzugeben, um dann besser kontrollieren zu können, ob der Ist-Zustand vom Planzustand abweicht, insbesondere ob die einzelnen Arbeitszeiten eingehalten oder überschritten werden und hierdurch Mitbestimmungsrecht und Betriebsvereinbarungen tangiert werden. Hinsichtlich des Telefaxgerätes vertritt der Betriebsrat die Ansicht, dass dieses erforderlich sei, um mit Prozessbevollmächtigten zu kommunizieren. Die Filialen selbst sind nicht mit Telefaxgeräten ausgestattet. Der Kopierer werde benötigt, um unter anderem Einladungen zu kopieren. Bereits erstinstanzlich wurde der Betriebsrat darauf hingewiesen, dass die Darlegung der Erforderlichkeit nicht dadurch erfolgen kann, dass lediglich eine effektivere Arbeitsbewältigung durch die gewünschten Sachmittel erreicht wird. Das Arbeitsgericht Siegburg hat den Antrag des Betriebsrates zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt und beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 15.02.2001 - 1 BV 44/00 - aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller folgende Sachmittel zur Verfügung zu stellen: Ein Personalcomputer mit Drucker und erforderlicher Software, ein Telefaxgerät, einen Kopierer.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Rahmen des zweitinstanzlichen Verfahrens wurde der Antragsteller nochmals darauf hingewiesen, dass zur Abwägung im Rahmen der Erforderlichkeit auch Überlegungen angestellt werden müssen, wie viel Arbeitszeit konkret durch die Benutzung der geforderten Sachmittel eingespart wird und wie viel Arbeitszeit aufgewendet werden muss, um die gewünschten Tabellen zu erstellen und Eingaben in den PC zu machen.

II. Die fristgerechte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Dabei ist der Antrag dahin auszulegen, dass die nähere Spezifikation der dem Grunde nach benannten Sachmittel dem Arbeitgeber verbleiben soll und solche Sachmittel auszuwählen sind, die mittlerer Art und Güte entsprechen. Mit dieser Auslegung ist der Antrag bestimmt genug, um der Zwangsvollstreckung zugänglich zu sein. Er ist allerdings nicht begründet. Der Anspruch des Betriebsrates kann sich nur auf § 40 Abs. 2 BetrVG ergeben.

Dabei ergibt sich aus der Neufassung des § 40 Abs. 2, in dem nunmehr ausdrücklich Informations- und Kommunikationstechnik mit aufgenommen wurde nicht, dass für diese technischen Betriebsmittel die Einschränkung, dass sie nur im erforderlichen Umfang zur Verfügung zu stellen sind, nicht gelten soll. Vielmehr ist mit der Einfügung nur klargestellt worden, dass Informations- und Kommunikationstechnik zu den modernen Sachmitteln im Sinne des § 40 Abs. 2 BetrVG gehören. Für die Frage, in welchem Umfange diese jedoch erforderlich sind, kann auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden, da der Gesetzgeber dieses Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Überarbeitung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht geändert hat (vgl. LAG Köln vom 27.09.2001 - 10 TaBv 38/01 -).

Das Gericht legt seiner Entscheidung damit insbesondere die Grundsätze zu Grunde, die das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 11.03.1998 - 7 ABR 59/96 - AP Nr. 57 zu § 40 BetrVG 1972 und vom 12.05.1999 - 7 ABR 36/97 - AP Nr. 65 zu § 40 BetrVG 1972 aufgestellt hat.

Danach unterliegt der gerichtlichen Überprüfung, ob die verlangte technische Ausstattung der Wahrnehmung gesetzlicher Aufgabenstellung dienen soll und der Betriebsrat seine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen hat. Ein solches pflichtgemäßes Ermessen liegt dann vor, wenn er die berechtigten Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats und die Interessen des Arbeitgebers, insbesondere einer Begrenzung seiner Kostenbelastung, angemessen berücksichtigt hat.

Der Betriebsrat hat dargestellt, dass er sowohl die Schreib- als auch die Tabellen- und Rechnerfunktionen des PCŽs zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgabenstellung, insbesondere seine Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG einsetzen möchte. Hierzu gehört daneben auch die Überprüfung, ob Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Auch die Kommunikation mit den Prozessbevollmächtigten fallen im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenstellungen des Betriebsrates an, da insoweit auch Beschlussverfahren vor den Arbeitsgerichten anfallen können. Dass im Rahmen dieser Tätigkeiten auch Zweitschriften oder Kopien gefertigt werden müssen, bewegt sich im Rahmen gesetzlicher Aufgabenstellung des Betriebsrates.

Der Betriebsrat hat aber seinen Beurteilungsspielraum, den er nach pflichtgemäßem Ermessen ausfüllen muss überschritten, da er nicht darzulegen vermochte, dass die von ihm geforderte technische Ausrüstung auch nach Abwägung der Interessen der Belegschaft an der sachgerechten Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben mit dem Interesse des Arbeitgebers an Begrenzung der Kostenbelastung durch das Betriebsratsamt sachgerecht abgewogen wurde. Denn als Belegschaftsinteresse bzw. als Eigeninteresse an dem Erhalt der technischen Ausrüstung kann der Betriebsrat allenfalls Erleichterungen seiner Betriebsratsarbeit geltend machen, die in einer effizienteren Datenverwaltung und einer bequemeren Datenhandhabung liegen. Diese Erleichterungen sind nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber nicht ausreichend, um einen Anspruch nach § 40 Abs. 2 BetrVG zu begründen.

Vorliegend ist dabei vor allem ausschlaggebend, dass der Betriebsrat in keiner Weise Überlegungen dazu angestellt hat, wie viel Arbeitszeit dafür erforderlich ist, die handschriftlich mitgeteilten Arbeitszeitnachweise und Arbeitszeitpläne zunächst in den Computer einzugeben, damit dieser dann die nötigen Rechenschritte vornehmen kann. Dem Vorbringen des Betriebsrats ist zu entnehmen, dass er die vollständigen Tabellen noch einmal in den PC eingeben möchte d. h., dass nicht lediglich die Funktion eines Taschenrechners genutzt werden soll, die im Übrigen, weil es sich um kleine Zahlen der Beschäftigungsstunden handelt, auch im Kopf addiert werden könnten, sondern dass er die vollständige Tabelle einschließlich Name und Arbeitstag zunächst komplett eingeben möchte. Inwieweit es danach überhaupt noch zu einer Arbeitserleichterung kommt, konnte der Betriebsrat trotz Hinweis nicht darstellen. Insoweit sind im Rahmen der Interessen des Arbeitgebers an der Begrenzung der Kostenbelastung nämlich nicht nur die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten der gewünschten technischen Einrichtungen, sondern auch die Personalkosten, die bei der Schulung der Betriebsratsmitglieder zur Benutzung des PC's anfallen und die Kosten der Arbeitszeit, die aufgewendet wird, um die entsprechenden Daten überhaupt in den PC einzugeben. Damit ergibt sich, dass ohne diese konkrete Zeitgegenüberstellung nicht nachvollzogen werden kann, ob der Betriebsrat überhaupt seinen Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen ihm die Beurteilung der Erforderlichkeit obliegt, richtig festgesetzt hat. Arbeitsmittel, die nicht zu einer erkennbaren Einsparung von Arbeitszeit führen, sondern allenfalls die Aufgabenerledigung komfortabler machen, sind bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht erforderlich im Sinne der BAG-Rechtsprechung.

Zudem gehört zu der vom Betriebsrat anzustellenden Ermessenserwägung, die im Verfahren dargestellt werden muss, auch, dass der Betriebsrat alternative Lösungsmöglichkeiten mit in seine Abwägung einbezieht. Hierzu hat das BAG in der Entscheidung vom 19.09.2001 - 7 ABR 32/00 - hinsichtlich der Schulung von Ersatzmitgliedern des Betriebsrates ausgeführt, dass zu dem pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsrates auch gehört, die Erforderlichkeit der Schulung gegen die Möglichkeit, bei kurzfristiger Abwesenheit von Betriebsratsmitgliedern die Betriebsratssitzung zu verlegen, abzuwägen. Das Bundesarbeitsgericht gibt in dieser Entscheidung dem Betriebsrat ausdrücklich auf, dass er sämtliche Möglichkeiten zur Beseitigung und Reduzierung des Vertretungsbedarfs, die ohne Schulung möglich erscheinen, in Betracht ziehen muss.

Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, dass der Betriebsrat auch darlegen muss, warum eine eventuelle zeitliche Verzögerung, die dann eintritt, wenn der Laptop der Betriebsratsvorsitzenden sowie der Kopierer im Gesamtbetriebsratsbüro benutzt werden, nicht mehr hinnehmen kann. Es müsste dargestellt werden, dass eine Arbeitsorganisation der Betriebsratsarbeit, die eine Verteilung der Schreib- und Kopieraufgaben in der Weise, dass diese dann vorgenommen werden, wenn die Betriebsratsvorsitzende den Laptop nicht für die Gesamtbetriebsratsarbeit benötigt, die Erfüllung der Betriebsratsaufgaben verhindert insbesondere, dass auch die Kopien, die benötigt werden, so dringend hergestellt werden müssen, dass die zeitliche Verzögerung, die dadurch eintritt, dass sie von der Betriebsratsvorsitzenden im Gesamtbetriebsratsbüro gefertigt werden, die Erfüllung von Arbeitsaufgaben des Betriebsrats wegen Zeitablaufs unmöglich macht. Da der Betriebsrat auch insoweit nichts dafür dargelegt hat, dass ein zeitliches Verschieben der Kopieraufgaben zur Vernachlässigung oder Nichtausübung seiner Rechte und Pflichten nach dem Betriebsverfassungsgesetz führt, ist auch insoweit nicht festzustellen, dass der Betriebsrat den Beurteilungsspielraum richtig zu Grunde gelegt hat. Gleiches gilt für die Erforderlichkeit des Faxgerätes. Der Arbeitgeber hat ausdrücklich eingeräumt, dass er Postlaufzeiten bei der Kommunikation mit dem Betriebsrat in Kauf nehme, zumal er selber ebenfalls den von ihm ausgehenden Schriftverkehr per Post an den Betriebsrat weiterleitet. Dass gesetzliche Aufgaben des Betriebsrates nicht oder nicht mehr erfüllt werden können, wenn Betriebsratspost mit eintägiger Verzögerung bei seinem Prozessbevollmächtigten ankommt, vermochte der Betriebsrat ebenfalls nicht darzulegen. Insgesamt ist damit festzustellen, dass keine konkret bezeichneten Betriebsratsaufgaben behindert oder vereitelt werden bzw. liegen bleiben, wenn der Betriebsrat seine Tätigkeiten mit den bisher zur Verfügung gestellten Sachmitteln durchführt.

Ende der Entscheidung

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