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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.09.2007
Aktenzeichen: 2 TaBV 42/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 84
BetrVG § 85
BetrVG § 87
Bei einer Arbeitnehmerbeschwerde über eine fehlerhafte oder benachteiligende Schichtplaneinteilung, kann die Einigungsstelle nicht nach § 85 BetrVG angerufen werden, denn der Arbeitgeber kann der Beschwerde nicht einseitig abhelfen. Ob ein Dienstplan die Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG richtig beachtet und entsprechend den abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen umsetzt, kann der Betriebsrat aus eigenem Recht überprüfen. Er kann insoweit entweder einen Unterlassungsanspruch geltend machen, die Einigungsstelle nach § 87 BetrVG anrufen oder die Betriebsvereinbarung kündigen, wenn sie zu einer strukturellen Benachteiligung führt, die der Betriebsrat nicht mehr mittragen will.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 10.07.2007 - 17 BV 115/07 - abgeändert und der Antrag abgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG wegen einer Arbeitnehmerbeschwerde.

Die 5 beschwerdeführenden Arbeitnehmer waren zunächst aufgrund befristeter Arbeitsverträge bei der Arbeitgeberin eingestellt worden. Sie waren in der sog. "Nur-Nachtschicht" eingesetzt. Nach Ende des letzten befristeten Vertrages wurde durch das Arbeitsgericht festgestellt, dass sich die 5 Arbeitnehmer in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinden. Nach einer Unterbrechung beschäftigte die Arbeitgeberin die 5 Arbeitnehmer seit Ende März 2007 weiter. Dabei setzte sie sie allerdings nicht in der sog. "Nur-Nachtschicht" ein, sondern ordnete sie einer Schicht mit ständig wechselndem Arbeitsbeginn zu.

Im Betrieb der Arbeitgeberin ist eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitgestaltung im Bodenverkehrsdienst abgeschlossen worden, die die Dienstplangestaltung regelt. Diese erfolgt in insgesamt 6 Phasen. Im Januar und August wird in der drittenPhase das sog. Dienstplankonzept festgelegt. Dieses entscheidet darüber, welcher einzelne Mitarbeiter welcher Dienstplangruppe zugeordnet wird, ob er z. B. Rufbereitschaft macht, als Springer oder im Schichtdienst eingesetzt wird, ob er feste Dienste leistet, Wechseldienst oder Nur-Nachtdienst, Bereitschaftsdienst oder Splitdienst. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass der Betriebsrat bei einer Einstellung jeweils eine Mitteilung erhält, zu welcher der verschiedenen Gruppen des Dienstplankonzeptes ein Mitarbeiter gehört. Bei dieser Mitteilung bleibt es solange, bis sich die Einteilung ändert. In diesem Fall erhält der Betriebsrat eine Änderungsmitteilung. Nach Aussage des Betriebsrats sei der Wechsel zwischen den verschiedenen Dienstplangruppen betriebsverfassungsrechtlich wie eine Versetzung gehandhabt worden.

Hinsichtlich der Phase 4 (Festlegung des Dienstplanschemas) regelt die Betriebsvereinbarung, dass bei der Dienstplangestaltung der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist. Weiterhin sind verschiedene im Einzelnen zulässige oder unzulässige Gestaltungsmöglichkeiten für die Arbeitgeberin benannt, z. B. die Zahl der zulässigen Dienstplanänderungen oder die Anzahl der zulässigen Nachtdienste ohne Unterbrechung. In einer Ergänzung zu dieser Betriebsvereinbarung haben die Parteien darüber hinaus ausdrücklich geregelt, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat die monatlichen Dienstplanschemata sowie die Dienstplanänderungen des Bodenverkehrsdienstes (Phase 5 und 6) in Papierform zur Ausübung seiner Kontroll- und Prüfrechte vorlegt, dass darüber hinaus die Notwendigkeit der Zustimmung des Betriebsrats zu den einzelnen Dienstplänen aber nicht besteht. Wie die Kontroll- und Prüfrechte bei einem festgestellten Verstoß umgesetzt werden, regelt die Betriebsvereinbarung nicht ausdrücklich. Vielmehr erklärt sie lediglich, dass bei Verstößen gegen die Betriebsvereinbarung entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.

Der Betriebsrat vertritt die Ansicht, dass der Einsatz der 5 Beschwerdeführer im Wechselschichttageseinsatz eine Ungleichbehandlung darstelle, da die unbefristeten Mitarbeiter, die bei Ende der befristeten Verträge in der "Nur-Nachtschicht" eingesetzt waren, auch derzeit noch "Nur-Nachtschicht" ableisten.

Die betroffenen Arbeitnehmer sind nach ihrem Arbeitsvertrag per Direktionsrecht zu jeder Tätigkeit für die Arbeitgeberin verpflichtet, eine vertragliche Festlegung auf eine bestimmte Schichtform ist nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht hat die Einigungsstelle eingesetzt. Die Arbeitgeberin vertritt zum Einen die Ansicht, die Beschwerde beziehe sich nur auf den Dienstplan April und behandele damit eine ausschließlich in der Vergangenheit abgeschlossene Angelegenheit. Zudem mache der Betriebsrat einen vermeintlichen Rechtsanspruch der Mitarbeiter für diese geltend, so dass die Einigungsstelle nicht zuständig sei. Auch habe der Betriebsrat die monatlichen Dienstpläne erhalten, ohne von seinem Kontroll- und Prüfrecht Gebrauch zu machen. Er habe statt dessen ausdrücklich den Weg der Individualbeschwerde nach § 85 BetrVG gewählt.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 10.07.2007 - 17 BV 115/07 - abzuändern und den Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle zur Beurteilung der Berechtigung der Beschwerde der Mitarbeiter A M , M M , T K , B D , H A und C A vom 26.03.2007 abzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er behauptet, die Arbeitnehmer hätten sich auch in den folgenden Monaten und auch im Bezug auf die vorliegende Beschwerde erneut darüber beim Betriebsrat beschwert, dass sie immer noch nicht in den "Nur-Nachtschicht" zurückversetzt wurden. Sie hätten hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Beschwerde jedenfalls mündlich aufrecht erhalten wollten. Eine Änderungsmitteilung zur Versetzung der Arbeitnehmer, von der "Nur-Nachtschicht" in die Tageswechselschicht sei dem Betriebsrat nicht vorgelegt worden.

II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.

Die Beschwerde der 5 Arbeitnehmer, die dahin geht, den Dienstplan derart zu ändern, dass sie in Zukunft nicht mehr in wechselnder Tagschicht, sondern ausschließlich in "Nur-Nachtschicht" eingesetzt werden, ist unzulässig. Denn die Arbeitgeberin kann der Beschwerde nicht abhelfen. Die Dienstplangestaltung und Einteilung in den Dienstplan stellt ein originäres Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 2 BetrVG dar. Hierbei hat der Betriebsrat insbesondere bei der Festlegung genereller Regelungen die Interessen sämtlicher Mitarbeiter zu berücksichtigen. Weder kann die Arbeitgeberin die 5 betroffenen Arbeitnehmer einseitig und ohne Mitbestimmung des Betriebsrats der "Nur-Nachtschicht" zuordnen, noch ist eine solche Entscheidung möglich, ohne die Interessen der anderen in "Nur-Nachtschicht" beschäftigten Arbeitnehmer zu berühren. Der Betriebsrat muss deshalb anhand der vorliegenden Betriebsvereinbarung prüfen, ob er einen Unterlassungsanspruch aus § 3, 3. Phase der Betriebsvereinbarung 02/2005 vom 03.01.2005 geltend machen will. Nach seiner Sachverhaltsdarstellung hat er dem Einsatz der betroffenen Mitarbeiter in "Nur-Nachtschicht" zugestimmt. Damit sind Dienstpläne, die dieser Zuordnung nicht entsprechen betriebsvereinbarungswidrig.

Sollte es durch die Unterbrechung der Beschäftigung der 5 beschwerdeführenden Arbeitnehmer und zwischenzeitlicher Organisationsentscheidungen der Arbeitgeberin zu einer Überbelegung im "Nur-Nachtschicht"-Dienstplan gekommen sein, muss eine Auswahlentscheidung getroffen werden, welche der Arbeitnehmer aus der "Nur-Nachtschicht" in einen anderen Schichtbereich versetzt werden. Diese Auswahlentscheidung ist ebenfalls mitbestimmt nach § 87 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat muss dabei die Interessen aller Beschäftigten berücksichtigen. Wollte man in einem solchen Fall eine Einzelbeschwerde zulassen, so erscheint es möglich, dass einerseits die Einigungsstelle im Hinblick auf die Individualbeschwerde den Arbeitgeber zu einer Abhilfe i. S. einer Dienstplanänderung verpflichtet, für die nach § 87 Abs. 2 BetrVG eine möglicherweise anders besetzte Einigungsstelle zuständig ist. Gegen deren Spruch könnte sich dann erneut ein anderer Arbeitnehmer im Wege der Individualbeschwerde an den Betriebsrat wenden.

Damit steht fest, dass in dem Fall, in dem die Beschäftigung der Arbeitnehmer und ihrer Einteilung zu einer bestimmten Schicht mit Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 BetrVG erfolgt ist, eine hiergegen gerichtete Individualbeschwerde nach § 85 BetrVG nicht gegeben sein kann. Eine Abhilfe allein durch den Arbeitgeber ist nicht möglich. Sind die Rechte des Betriebsrats nicht gewahrt worden, so kann dieser dem Schichtplan widersprechen und seine originären Rechte aus § 87 BetrVG wahrnehmen. Hat der Betriebsrat allerdings, wovon die Arbeitgeberin ausgeht, dem Einsatz der betroffenen Arbeitnehmer im Wechseltagschichtdienst zugestimmt, so ist das Beschwerderecht nach § 84 BetrVG ebenfalls nicht gegeben, denn durch die Zustimmung und Mitwirkung des Betriebsrats ist ausgeschlossen, dass es sich um eine arbeitgeberseitige Benachteiligung oder ungerechte Behandlung handelt.

Aus diesem Grund konnte auch dahingestellt bleiben, ob das Verfahren deshalb erledigt ist, weil ab Oktober/November ohnehin wegen des Weggangs der Firma D insgesamt eine Umstrukturierung der Schichtdienste erforderlich wird.

Ein weiteres Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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