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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.09.2008
Aktenzeichen: 2 TaBV 44/08
Rechtsgebiete: BetrVG, SGB IX


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 100
SGB IX § 81
SGB IX § 95
Die fehlende gesonderte Information der Schwerbehindertenvertretung darüber, dass die innerbetrieblich ausgeschriebene Stelle behindertengeeignet ist, berechtigt nicht zur Zustimmungsverweigerung, wenn sich auf die Stelle kein Schwerbehinderter beworben hat.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg - AZ.: 2 BV 2/08 - abgeändert:

Die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Herrn R S vom Leiter Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung zum Leiter Mechanische Fertigung wird ersetzt.

Der Antrag zu 2) ist nicht zur Entscheidung angefallen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Zustimmungsersetzung zur Versetzung des Mitarbeiters R S von seiner bisherigen Position als Leiter Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung zum Leiter Mechanische Fertigung.

Der Mitarbeiter S ist seit dem 01.07.1989 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Die Stelle des Leiters der Mechanischen Fertigung, die bereits seit dem 01.03.2006 nicht besetzt ist, wurde innerbetrieblich ausgeschrieben. Hierauf bewarben sich der Mitarbeiter S sowie zwei weitere Mitarbeiter, die sämtlich nicht schwerbehindert sind. Im Jahr 2006 war der Mitarbeiter S bereits sechs Monate kommissarisch mit den Tätigkeiten dieser Stelle betraut. Am 01.10.2007 wurde der Betriebsrat um Zustimmung zur Versetzung gebeten. In diesem Schreiben wird dem Betriebsrat mitgeteilt, die interne Stellenausschreibung sei gemäß SGB IX an die Arbeitsagentur weitergegeben worden. Der Agentur für Arbeit waren mit Schreiben vom 24.09.2006 die wesentlichen Daten des Stellenprofils mitgeteilt worden. Erst mit E-Mail vom 17.10.2007, dem ein streitiges gleichartiges Telefonat in der Woche vom 08. Bis 13.10.2007 vorausgegangen sein soll, teilte die Agentur für Arbeit mit, dass keine geeigneten schwerbehinderten Bewerber vorgeschlagen werden können. Die Beklagte hatte auch nicht vor, den Arbeitsplatz mit einem externen Bewerber zu besetzen. Die Arbeitgeberin beschäftigt mehr Schwerbehinderte, als sie nach § 71 Abs. 1 SGB IX beschäftigen müsste.

Da keine Bewerbung von schwerbehinderten Mitarbeitern vorlag, hat die Arbeitgeberin die Schwerbehindertenvertretung nicht eingeschaltet. Sie hat auch im Übrigen die Schwerbehindertenvertretung nicht hinsichtlich der Beurteilung, ob der Arbeitsplatz nach § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann, eingeschaltet, da sie ohnehin zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Arbeitsplatz grundsätzlich für schwerbehinderte Menschen geeignet ist.

Der Betriebsrat hat der Versetzung mit Schreiben vom 08.10.2007 wiedersprochen. Er hat sich zum einen darauf berufen, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt wurde. Dies sei erforderlich gewesen, da der Arbeitgeber nicht alleine feststellen dürfe, ob ein Arbeitsplatz für Schwerbehinderte geeignet sei. Zudem sei die Prüfung der Agentur für Arbeit nach § 81 Abs. 1 Satz 3 SGB IX noch nicht abgeschlossen gewesen, als das Zustimmungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat in Gang gesetzt wurde.

Weiterhin hat der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung auf § 99 Abs. 2 Ziff. 6 BetrVG gestützt. Er hat geltend gemacht, dass der Mitarbeiter S gegen die Betriebsvereinbarung "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" verstoßen habe und die Personalkommission "Mobbing" hierzu ein Ergebnis im März 2007 formuliert habe. Herr S habe die Kompetenz der paritätischen Kommission in Frage gestellt und ein Kommissionsmitglied verunglimpft. In einem Kritikgespräch habe Herr S geäußert, er verstehe immer noch nicht, welches Verhalten ihm zur Last gelegt werde. Die soziale Kompetenz des Mitarbeiters S beurteilt der Betriebsrat geringer als diejenige der beiden Mitbewerber.

Am 12.10.2007 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, dass die Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei, weil der Mitarbeiter S hinsichtlich der bevorstehenden ERA-Einführung die anstehenden Eingruppierungsgespräche mit 42 Mitarbeitern führen solle. Auch dem widersprach der Betriebsrat am 16.10.2007. Da kein Zwang bestehe, ERA bereits zum 01.01.2008 einzuführen, verbleibe genug Zeit, die anstehenden Gespräche durch den bisher mit den Arbeiten betrauten Geschäftsführer führen zu lassen.

Die Arbeitgeberin hat am 19.10.2007 die Zustimmungsersetzung beim Arbeitsgericht beantragt sowie die Feststellung, dass die vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Das Arbeitsgericht hat beide Anträge zurückgewiesen. Es hat in der noch nicht abgeschlossenen Anhörung der Agentur für Arbeit einen Gesetzesverstoß im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gesehen. Über die Frage, ob die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden musste und ob hieraus ebenfalls ein Zustimmungsverweigerungsgrund folgt, hat das Arbeitsgericht nicht entschieden, ebenso nicht über die Frage des betriebsstörenden Verhaltens. Das Arbeitsgericht hat auch die vorläufige Versetzung als nicht erforderlich im Sinne des § 100 Abs. 1 BetrVG angesehen, da angesichts der langen Vakanz auf der Stelle und der nicht gegebenen Dringlichkeit bei der ERA-Einführung die anstehenden Personalgespräche auch durch den Geschäftsführer geführt werden könnten.

Mit der Beschwerde wendet sich die Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts und trägt vor, dass die Gesetzesverletzung, die möglicherweise in einem noch nicht vollständig abgeschlossenen Verfahren bei der Anhörung der Agentur für Arbeit gegeben sei, die konkrete Stellenbesetzung nicht hindern dürfe. Das Verfahren nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX habe zum einen auf den Entschluss, die Stelle mit einem internen Bewerber zu besetzen, keine Auswirkungen, zum anderen habe die Agentur für Arbeit keinen geeigneten Bewerber vorschlagen können, so dass auch bei Abschluss des Verfahrens keine andere Entscheidung als die Besetzung durch den Mitarbeiter S in Frage gekommen sei. Hierdurch sei Schwerbehinderten keinerlei Nachteil entstanden. Gleiches gelte für die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung, da sich auf die Stelle keine Schwerbehinderten beworben hatten. Die Tatsache, dass die Arbeitsstelle für schwerbehinderte Menschen geeignet gewesen sei, sei unzweifelhaft, wie sich bereits daraus ergeben habe, dass die Arbeitgeberin das Arbeitsamt am 24.09.2007 eingeschaltet habe. Die gesamte schwierige Materie der Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung führe jedenfalls im Einzelfall nicht dazu, dass dann, wenn sich kein Schwerbehinderter auf die Stelle beworben habe, die Auswahl des Mitarbeiters S für die Stellenbesetzung verboten sei.

Hinsichtlich des Zustimmungsverweigerungsgrundes aus § 99 Abs. 2 Nr. 6 (Störung des Betriebsfriedens) reiche die einmalige Feststellung, ein Verhalten des Mitarbeiters S sei "nicht akzeptabel" nicht aus, um eine konkrete schwerwiegende Störung des Betriebsfriedens zu prognostizieren.

Die Beteiligten wurden währen des Beschwerdeverfahrens auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.06.2008 - 1 ABR 20/07 - hingewiesen.

Die Arbeitgeberin beantragt als Antragstellerin,

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg - 2 BV 2/08 - vom 16.04.2008 abzuändern und die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Herrn R S vom Leiter Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung zum Leiter Mechanische Fertigung zu ersetzen.

2. Festzustellen, dass die ab dem 15.10.2007 durchgeführte vorläufige Versetzung des Herrn R S als Leiter der Mechanischen Fertigung aus sachlichen Gründen erforderlich ist.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht teilten die Beteiligten mit, dass vorsorglich im März 2008 die Stelle erneut ausgeschrieben wurde. Auf diese Ausschreibung hätten sich zwei schwerbehinderte Mitarbeiter sowie der Zeuge S beworben. Die Arbeitgeberin habe sich erneut für den Mitarbeiter S entschieden. Ein weiteres Zustimmungsersetzungsverfahren sei anhängig. Jedoch sei nicht erneut das Verfahren nach § 100 BetrVG eingeleitet worden, obwohl der Mitarbeiter S nach wie vor auf der Stelle beschäftigt werde.

II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters S vom Leiter Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung zum Leiter Mechanische Fertigung ist zu ersetzen, da Zustimmungsverweigerungsgründe aus § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 6 BetrVG nicht gegeben sind.

Hinsichtlich der Frage, ob die möglicherweise noch nicht vollständig abgeschlossene Anhörung der Agentur für Arbeit zur Stellenbesetzung und die fehlende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Beurteilung der Frage, ob der Arbeitsplatz für Schwerbehinderte geeignet ist, sowie die fehlende Inkenntnissetzung der Schwerbehindertenvertretung von den nicht schwerbehinderten Bewerbern Zustimmungsverweigerungsgründe im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darstellen, legt das Landesarbeitsgericht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 17.06.2008 - 1 ABR 20/07 - zugrunde. Das Bundesarbeitsgericht hat darin seine ständige Rechtssprechung vertieft, wonach eine Zustimmungsverweigerung nur dann rechtmäßig ist, wenn die Maßnahme (hier die Versetzung des Mitarbeiters S vom Arbeitsplatz Leiter Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung auf den Arbeitsplatz Leiter Mechanischer Fertigung) selbst gegen ein Gesetz einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt. Dabei muss es sich bei der Norm nicht um ein Verbotsgesetz im technischen Sinne handeln, das unmittelbar die Unwirksamkeit der Maßnahme herbeiführt. Es muss aber hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass der Zweck der betreffenden Norm darin besteht, die personelle Maßnahme selbst zu verhindern. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist bei Versetzungen deshalb nur dann gegeben, wenn das Ziel der Verbotsnorm allein dadurch erreicht werden kann, dass die Versetzung insgesamt unterbleibt.

Das Bundesarbeitsgericht hat hieraus gefolgert, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Pflichten aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX bei internen Versetzungen nicht im oben genannten Sinne relevant ist, also nicht zum Verbot der Versetzung führt. Das Bundesarbeitsgericht hat dies damit begründet, dass sich die Pflichten des § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX vorrangig daraus herleiten, dass Nachteile von schwerbehinderten arbeitslosen Menschen bei der Arbeitssuche ausgeglichen werden sollen. Demgegenüber wird die Vermeidung von Nachteilen für bereits beschäftigte schwerbehinderte Mitarbeiter durch § 81 Abs. 2 SGB IX geregelt. Die Versetzung eines nicht schwerbehinderten Mitarbeiters von einem Arbeitsplatz auf den anderen betrifft die Chancen für schwerbehinderte arbeitslose Mitarbeiter nicht. Schwerbehinderte Beschäftigte waren im konkreten Fall nicht betroffen, weil sie sich auf die Stellenausschreibung nicht beworben hatten. Sie wurden durch die Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin nicht benachteiligt. Die Frage, ob die Anhörung der Agentur für Arbeit durch telefonische Rückmeldung des Arbeitsamtes bereits abgeschlossen war, kann deshalb insgesamt dahinstehen, da infolge der internen Besetzung der Stelle keinerlei Nachteile für arbeitslose Schwerbehinderte durch die Versetzung des Mitarbeiters S entstehen konnten.

Auch die Tatsache, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht bei der Prüfung eingeschaltet war, ob der Arbeitsplatz grundsätzlich mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann, stellt keinen versetzungsrelevanten Gesetzesverstoß im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG dar. Die Arbeitgeberin ist auch ohne Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Stelle für Schwerbehinderte grundsätzlich geeignet ist und hat sich aus diesem Grund nach § 81 Abs. 1 an die Agentur für Arbeit gewandt. Zwar regelt § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX ausdrücklich, dass bei der Prüfung der Geeignetheit eines Arbeitsplatzes für Schwerbehinderte die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen ist. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass hinsichtlich eines bereits als geeignet anerkannten Arbeitsplatzes die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ein anderes Ergebnis herbeiführen könnte.

Zudem verweist § 81 Abs. 1 Satz 6 auf das Verfahren des § 95 Abs. 2 SGB IX. Nach § 95 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Beurteilung eines Arbeitsplatzes als schwerbehindertengeeignet der Schwerbehindertenvertretung mitzuteilen. Die fehlende Mitteilung der Eignungsentscheidung rechtfertigt aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in § 95 Abs. 2 Satz 2 aber nur die Aussetzung der Versetzung bis zur Nachholung der Beteiligung. Gleichzeitig verweist § 95 Abs. 2 Satz 3 wiederum auf § 81 Abs. 1 SGB IX. Wie sich ein Arbeitgeber bei diesem Verweisungspingpong richtig zu verhalten hat, wenn sich überhaupt kein Schwerbehinderter auf die innerbetrieblich ausgeschriebene und zu besetzende Stelle bewirbt, braucht letztlich nicht abschließend geklärt zu werden. Denn die Regelung des § 95 Abs. 2 Satz 2 regelt ausdrücklich, dass bei mangelhafter Beteiligung lediglich ein Aussetzen der Vollziehung in Betracht kommt, nicht aber das völlige Unterbleiben der geplanten Maßnahme. Sieht man als Entscheidung, zu der die Schwerbehindertenvertretung anzuhören war, die Beurteilung der Schwerbehinderteneignung des Arbeitsplatzes an, so ergibt hier die Nachholung der Beteiligung keinen Sinn, denn auch ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist die Arbeitgeberin vorliegend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Stelle grundsätzlich auch für Behinderte geeignet sein kann. Die konkrete Besetzungsentscheidung betraf danach weder einen schwerbehinderten einzelnen Mitarbeiter noch die schwerbehinderten Menschen als gesamte betriebliche Gruppe, da trotz Ausschreibung kein Bewerber aus diesem Personenkreis gegeben war. Eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 Satz 1 war deshalb nicht erforderlich. Auch eine Unterrichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 4 kam mangels Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen nicht in Betracht.

Ein Gesetzesverstoß, der eine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG hindern würde, ist auch nicht deshalb gegeben, weil der Betriebsrat selbst nach § 93 SGB IX i. V. m. § 81 Abs. 1 Satz 6 nicht beteiligt wurde, obwohl er beteiligt werden musste. Zum einen ist fraglich, ob die Rechte des Betriebsrats wegen der fehlenden Information weiter gehen als die Rechte der Schwerbehindertenvertretung, die nach § 95 Abs. 2 S. 2 nur die Aussetzung der Versetzung bis zur Nachholung der Information verlangen kann. Zum anderen ist in dem Zustimmungsantrag vom 01.10.2007 die Mitteilung enthalten, dass die Arbeitgeberin die interne Stellenausschreibung gemäß SGB IX an die Arbeitsagentur weitergegeben hatte. Hieraus konnte der Betriebsrat unschwer entnehmen, dass die Arbeitgeberin die Stelle im Sinne des § 81 Abs. 1 S. 1 als für schwerbehinderte Menschen geeignet ansah. Mehr als dieses Ergebnis hätte auch bei einer vorgezogenen, gesonderten Anhörung zur Schwerbehinderteneignung des Arbeitsplatzes nicht erreicht werden können.

Auch eine Benachteiligung der gesamten Gruppe der Schwerbehinderten im Bewerbungsverfahren auf die ausgeschriebene Stelle kann durch die unterbliebene Information der Schwerbehindertenvertretung hinsichtlich der Geeignetheit der Stelle für Schwerbehinderte nicht angenommen werden. Durch die Ausschreibung im Betrieb war das Anforderungsprofil hinreichend deutlich für alle Betriebsangehörigen. Eine irgendwie geartete Erschwerung der Bewerbung gerade von Schwerbehinderten ist nicht ersichtlich.

Da aufgrund der neuen Ausschreibung und Versetzungsanhörung im März 2008 unstreitig die Schwerbehindertenvertretung nunmehr angehört wurde und die Beteiligungsrechte jedenfalls zum Entscheidungszeitpunkt des Landesarbeitsgerichts gewahrt waren, kommt selbst eine Aussetzung der Vollziehung der Versetzung aus § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nicht in Betracht.

Legt man die Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts aus der Entscheidung vom 17.06.2008 - 1 ABR 20/07 - zugrunde, so ist die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters S auch deshalb zu erteilen, weil selbst dann, wenn sich einzelne Schwerbehinderte möglicherweise auf die Stelle beworben hätten, wenn die Schwerbehindertenvertretung aufgrund der individuellen Erörterung mit ihr über die Behinderteneignung der Stelle Behinderte angesprochen hätte und diese zur Bewerbung aufgefordert hätte. Denn eine Benachteiligung bei der konkreten Besetzung, also bei der Auswahlentscheidung ist nur dann feststellbar, wenn der Behinderte einen Anspruch auf die Besetzung der Stelle gehabt hätte. Nur wenn ein Behinderter eine rechtlich erhebliche Anwartschaft auf die ausgeschriebene Position gehabt hätte und diese wegen der fehlenden Anhörung der Schwerbehindertenvertretung verloren hätte, müsste die Versetzung des Mitarbeiters S unterbleiben. Eine solche Situation war nicht feststellbar.

Auch der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG ist nicht gegeben. Es kann dahinstehen, ob das in der Vergangenheit liegende Verhalten des Mitarbeiters S geeignet ist, die Prognose abzugeben, er werde in Zukunft den Betriebsfrieden auf dem neuen Arbeitsplatz durch gesetzwidriges Verhalten oder grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 erteilten Grundsätze stören. Denn es ist nicht ersichtlich, dass mögliches, zukünftiges, betriebsstörendes Verhalten des Mitarbeiters S mit dem Arbeitsplatz in Zusammenhang steht, der von diesem neu besetzt werden soll. Es ist nicht dargelegt, dass gerade an dem neuen Arbeitsplatz der Betriebsfrieden gestört wird, während bei einer Belassung am alten Arbeitsplatz keine solche Störung eintreten wird. Die Versetzung kann wegen der Besorgnis der Störung des Betriebsfriedens nicht mit Hinweis auf allgemeine Verhaltensschwierigkeiten versagt werden. Vielmehr müsste ein Zusammenhang zwischen den erwarteten Störungen des Betriebsfriedens und den konkreten Arbeitsumständen am neuen Arbeitsplatz herzustellen sein. Hierfür ist keinerlei Anhaltspunkt ersichtlich. Ist das betriebsstörende Verhalten unabhängig von dem zugewiesenen Arbeitsplatz, so kann der Betriebsrat seine Rechte aus § 104 BetrVG geltend machen. Vorliegend kann deshalb nicht festgestellt werden, dass die vom Betriebsrat befürchteten zukünftigen Störungen des Betriebsfriedens gerade durch die Versetzung an den neuen Arbeitsplatz hervorgerufen werden.

Da die Zustimmung des Betriebsrats durch das Landesarbeitsgericht ersetzt wurde, ist der Antrag über die vorläufige Versetzung nicht mehr zur Entscheidung angefallen. Er hat sich erledigt. Es kann dahinstehen, ob die Durchführung der Personalgespräche zur Umsetzung des ERA-Abkommens, die lediglich zwei Wochen in Anspruch genommen haben, zur Entlastung des Geschäftsführers unverzüglich erforderlich war und ob es nicht auch möglich gewesen wäre, diesen Teil des neuen Arbeitsplatzes vorübergehend und befristet zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben des Mitarbeiters S diesem zu übertragen, wodurch möglicherweise nicht einmal der Versetzungstatbestand erfüllt worden wäre. Denn durch die die Zustimmung ersetzende Entscheidung des Beschwerdegerichts ist die Beschäftigung des Mitarbeiters S am neuen Arbeitsplatz nicht mehr betriebsverfassungswidrig.

Die Entscheidung über die Zustimmungsersetzung hat keinen im Sinne des § 85 ArbGG vollstreckbaren Inhalt (vgl. Germelmann/Mattes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Auflage, § 85 Randnummer 3). Insbesondere ist das Verfahren nicht auf Abgabe einer Willenserklärung des Betriebsrates gerichtet, sondern auf die Feststellung, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat das Recht hat, einen Mitarbeiter mit einer bestimmten Tätigkeit zu beschäftigen. Hätte die Entscheidung vollstreckbaren Inhalt, wäre eine vorläufige Vollstreckung ohne weiteres zulässig. Die (zunächst noch) vorläufige Feststellung, dass die Versetzung des Mitarbeiters nicht betriebsverfassungswidrig ist, kann nach Ansicht der Kammer deshalb nur zur Folge haben, dass der Arbeitgeber auch ohne die besonderen Voraussetzungen des § 100 BetrVG die Versetzung (vorläufig) umsetzen darf.

Die Regelung des § 100 BetrVG ergreift nur diejenigen vorläufigen Maßnahmen, die aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sind. Dabei erhält der Arbeitgeber sogar das Recht, einen Arbeitnehmer auch in dem Falle weiter zu beschäftigen, bis die Rechtskraft der Entscheidung eingetreten ist, in dem das Arbeitsgericht die Zustimmung nicht ersetzt hat. Würde man für die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem neuen Arbeitsplatz die Rechtskraft der die Zustimmung ersetzenden Entscheidung für erforderlich halten, so dürfte der Arbeitgeber trotz Obsiegen den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen, wenn zu diesem Zeitpunkt keine Eilbedürftigkeit mehr gegeben ist. Die vorläufige, noch nicht rechtskräftige Zustimmungsersetzung berechtigt nach Ansicht der erkennenden Kammer den Arbeitgeber deshalb vorläufig und bis zur Rechtskraft einer widersprechenden Entscheidung die Versetzung des Arbeitnehmers umzusetzen, auch wenn dringende sachliche Gründe zum Zeitpunkt der zustimmungsersetzenden Entscheidung nicht oder nicht mehr gegeben sind. Das Recht des Betriebsrats, vom Arbeitgeber die Unterlassung der Versetzung verlangen zu können, endet damit nicht nur in den Fällen des § 100 BetrVG, sondern auch dann, wenn die Zustimmung durch das Gericht ersetzt wurde. Anderenfalls ergäbe sich das Ergebnis, dass ein Arbeitgeber eine zwar dringende aber materiell unzulässige Versetzung bis zwei Wochen nach Rechtskraft aufrechterhalten darf, während eine nicht oder nicht mehr dringende Versetzung vor Rechtskraft einer zustimmenden Entscheidung gar nicht umgesetzt werden könnte. Der Arbeitgeber, der mit seiner beabsichtigten Maßnahme nicht durchdringen kann, erhält mehr Schutz als der Arbeitgeber, dessen Betriebsrat zu Unrecht der Maßnahme widersprochen hat.

Für eine feststellende Entscheidung, ob die Maßnahme bis zum Beschluss des Landesarbeitsgerichts aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, fehlt das Rechtsschutzinteresse, da es sich hierbei nur noch um die Begutachtung eines in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts handelt.

Ende der Entscheidung

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