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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.04.2004
Aktenzeichen: 2 TaBV 66/03
Rechtsgebiete: MTV, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

MTV § 4 privates Versicherungsgewerbe
ZPO § 256
BetrVG § 99
Sachbearbeiter in der Schadenabteilung einer Rechtsschutzversicherung sind nicht Arbeitnehmer im "Bereich Recht" sondern im Bereich der Schadens - und Vertragsbearbeitung der Versicherung
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 TaBV 66/03

In Sachen

Verkündet am 19.04.2004

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 02.02.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Anspach und die ehrenamtliche Richterin Frau Bachmann

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 08.05.2003 - 1 BV 82/02 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Mit den im Beschwerdeverfahren verfolgten Feststellungsanträgen erstrebt der Antragsteller die allgemeine Feststellung eines Eingruppierungsrahmens, der bei Eingruppierungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG seitens der Arbeitgeberin beachtet werden soll.

Die Arbeitgeberin ist eine Rechtsschutzversicherung, der Antragsteller der bei ihr gebildete Betriebsrat. Die Eingruppierungsentscheidungen bezüglich der beschäftigten Arbeitnehmer sind auf Grund des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe zu treffen, den die Arbeitgeberin auf alle Arbeitsverhältnisse anwendet.

Bis ca. zum Jahre 1995 hat die Arbeitgeberin Sachbearbeiter in der Schadenssachbearbeitung der Rechtsschutzversicherung in die Gehaltsgruppe VII des § 4 Abs. 1 MTV eingruppiert. In der Folgezeit ist sie dazu übergegangen, die Eingruppierung neu eingestellter Arbeitnehmer niedriger vorzunehmen. Neu eingestellte Arbeitnehmer werden nunmehr überwiegend in Tarifgruppe V des oben genannten MTV eingruppiert. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer zwei juristische Staatsexamina vorweisen können, aber keinerlei Erfahrung im Bereich der Rechtsschutzversicherung mitbringen.

Die Tätigkeit eines Sachbearbeiters in der Rechtsschutzversicherung beinhaltet drei Aufgabengebiete. Zum einen muss geklärt und festgestellt werden, welche Rechtsschutzversicherungsbedingungen auf den Rechtsschutzantrag anwendbar sind. Hier führen die unterschiedlichen Rechtsschutzbedingungen und Vertragsvarianten dazu, dass bis zu 150 verschiedene Vertragsmodelle für Rechtsschutz bestehen. Weiterhin gehört zur sachbearbeitenden Tätigkeit die kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten. Nach Abschluss des Rechtsstreits muss der Sachbearbeiter auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen (BRAGO) die anwaltlichen Abrechnungen überprüfen. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten liegt in der Beurteilung, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt, ob der Rechtsschutzfall zeitlich und inhaltlich in den abgesicherten Vertrag fällt und ob vertragliche Hindernisse bzw. Risikoausschlüsse und Ähnliches der Regulierung entgegenstehen. Ein selbstständig arbeitender Sachbearbeiter bearbeitet täglich zwischen 50 und 60 Akten. Er muss ungefähr 3100 Neuzugänge an Rechtsschutzfällen pro Kalenderjahr verantworten. Ein Sachbearbeiter in der Einarbeitungszeit, der keine Vorkenntnisse des Versicherungsvertrags- und Kostenrechts hat, erhält ein Dezernat zugeteilt, welches sich zu Beginn der Einarbeitung auf 1/10 des regelmäßigen Dezernats beläuft. Er erhält einen Ausbilder zugeteilt, mit dem die Schadensvorgänge besprochen werden und der die Entscheidungsverantwortung trägt.

Die Gehaltsgruppen des einschlägigen Tarifvertrages lauten wie folgt:

Gehaltsgruppe V

Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse voraussetzen, wie sie durch mehrjährige einschlägige Erfahrungen erworben werden, oder Tätigkeiten, die umfassende theoretische Kenntnisse erfordern.

Beispiele:

- Antrags- und Vertragssachbearbeitung mit erhöhten Anforderungen

- Schadens- und Leistungssachbearbeitung mit erhöhten Anforderungen

- ...

- Sachbearbeitung im Bereich Steuer und Recht

- ...

Gehaltsgruppe VI

Tätigkeiten, die besonders gründliche und besonders vielseitige Fachkenntnisse erfordern, oder Tätigkeiten, die den Anforderungen der Gehaltsgruppe V entsprechen und mit besonderer Entscheidungsbefugnis verbunden sind. Dem gleichzusetzen sind Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordern.

- Qualifizierte Antrags- und Vertragssachbearbeitung

- qualifizierte Schadens- und Leistungssachbearbeitung

- ...

- Sachbearbeitung im Bereich Steuer und Recht mit erhöhten Anforderungen

- ...

Gehaltsgruppe VII

Tätigkeiten, die hohe Anforderungen an das fachliche Können stellen und mit erweiterter Fach- und Führungsverantwortung verbunden sind.

Beispiele:

- besonders qualifizierte Antrags- und Vertragssachbearbeitung

- besonders qualifizierte Schadens- und Leistungssachbearbeitung

- ...

- qualifizierte Sachbearbeitung im Bereich Steuer und Recht

- ...

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass für neu eingestellte Mitarbeiter in der Schadenbearbeitung von Rechtsschutzversicherungen die Vergütungsgruppen I bis V des Tarifvertrages nicht anwendbar seien. Aus dem Zusammenhang des Tarifvertrages ergebe sich, dass Tätigkeiten im Bereich Steuer und Recht von vornherein jeweils eine Vergütungsgruppe höher anzusiedeln seien als andere Tätigkeiten. Dies folge daraus, dass bei den Beispielen die qualifizierenden Merkmale für Tätigkeiten im Bereich Steuer und Recht jeweils erst in der nächst höheren Vergütungsgruppe erforderlich seien. Die Schadens- und Leistungssachbearbeitung bei Rechtsschutzversicherungsverträgen sei immer Sachbearbeitung im Bereich Recht. Der Sachverhalt sei auch so, dass ein Bedürfnis bestehe, im Wege der allgemeinen Feststellung Rechtssicherheit zu schaffen. Dadurch, dass neu eingestellte Mitarbeiter regelmäßig nach einem halben Jahr in Vergütungsgruppe VI eingruppiert würden, sei es im Regelfall nicht möglich, eine rechtskräftige Entscheidung über die Anfangseingruppierung in Vergütungsgruppe V zu erlangen. Zudem komme es nach dem Tarifvertrag auf die übertragenen Tätigkeiten und nicht auf die Fähigkeit, diese tatsächlich auch verrichten zu können, an.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, dass juristische Sachbearbeiter in der Schadenssachbearbeitung von Rechtsschutzfällen bei der Antragstellerin auch in einer etwaigen Probezeit mindestens in die Tarifgruppe VI gemäß Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe einzugruppieren sind;

hilfsweise

festzustellen, dass er berechtigt ist, bei der Eingruppierung von juristischen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen in der Schadenssachbearbeitung in einer der Tarifgruppen I bis V des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe die Zustimmung mit der Begründung zu verweigern, dass diese Eingruppierung zu niedrig ist und somit gegen den genannten Tarifvertrag verstößt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag als unzulässig nach § 256 Abs. 1 ZPO analog abgewiesen. Der Antrag sei nicht auf Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses gerichtet. Den Hilfsantrag hat es abgewiesen, da er tatsächlich eine Vielzahl von Fällen umfasse, die äußerst unterschiedlich seien und sein könnten und die deshalb einer allgemeinen Beurteilung nicht zugänglich seien.

Der Beschluss vom 08.05.2003 wurde auf Grund eines Versehens offensichtlich nicht zugestellt. Der Betriebsrat legte am 30.10.2003 gleichwohl Beschwerde ein und begründete diese nach zwischenzeitlicher Zustellung innerhalb der absoluten Beschwerdebegründungsfrist am 08.12.2003.

Er beantragt nunmehr,

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 08.05.2003 - 1 BV 82/02 - aufzuheben;

2. festzustellen, dass juristische Sachbearbeiter in der Schadenssachbearbeitung von Rechtsschutzfällen bei der Antragstellerin auch in einer etwaigen Probezeit mindestens in die Tarifgruppe VI gemäß Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe einzugruppieren sind;

festzustellen, dass der Antragsgegner und Beteiligte zu 2) berechtigt ist, bei der Eingruppierung von juristischen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen in der Schadenssachbearbeitung in eine der Tarifgruppen I bis V des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe die Zustimmung mit der Begründung zu verweigern, dass diese Eingruppierung zu niedrig ist und somit gegen den genannten Tarifvertrag verstößt;

äußerst hilfsweise

festzustellen, dass der Antragsgegner und Beteiligte zu 2) berechtigt ist, bei der Eingruppierung von juristischen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen, die das zweite juristische Staatsexamen erfolgreich absolviert haben, in der Schadenssachbearbeitung in eine der Tarifgruppen I bis V des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe die Zustimmung mit der Begründung zu verweigern, dass diese Eingruppierung zu niedrig ist und somit gegen den genannten Tarifvertrag verstößt;

3. Der Beschwerdegegnerin zu untersagen, einseitig ohne Zustimmung des Antragstellers den Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe mit der Maßgabe anzuwenden, dass für neu eingestellte juristische Schadenssachbearbeiter- und Schadenssach-bearbeiterinnen, die das zweite juristische Staatsexamen erfolgreich absolviert haben, die Grundvergütung sich nach der Tarifgruppe I bis V richtet;

4. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Entscheidung entsprechend dem Antrag zu 3. ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gesetzt wird, anzudrohen.

Beide Beteiligten vertiefen ihre Rechtsausführungen zur Frage, ob die zwischen ihnen streitige Frage im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage im vorliegenden Verfahren geklärt werden kann, sowie ob die Tarifgruppe V zur Eingruppierung der Berufsanfänger in der Schadenssachbearbeitung der Rechtsschutzversicherung zutreffend ist.

II. Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Hinsichtlich der Anträge zu 1) und 2) einschließlich der Hilfsanträge ist allerdings bereits zweifelhaft, ob das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO für den Betriebsrat gegeben ist. Denn zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass dem Betriebsrat bei der Eingruppierung der neu eingestellten Mitarbeiter der Rechtsschutzversicherung das Mitbestimmungsrecht aus § 99 BetrVG, welches im eigentlichen Sinne ein Mitbeurteilungsrecht ist, zusteht. Tatsächlich streiten die Beteiligten darum, ob neu eingestellte Sachbearbeiter in der Rechtsschutzversicherung eine derart homogene Gruppe darstellen, dass sich unabhängig von der tatsächlich durchgeführten Tätigkeit und weiteren Besonderheiten des Einzelfalles, die sich aus Vorkenntnissen oder vorheriger Ausbildung ergeben können, diesen Mitarbeitern stets eine Mindestvergütungsgruppe zuordnen lässt. Letztlich geht es damit um eine abstrakte Auslegung des Tarifvertrages. Für ein Feststellungsinteresse spricht, dass zwar die betroffenen Arbeitnehmer im Einzelfall ihre richtige Vergütung im Klagewege durchsetzen können und hierdurch eine Klärung der streitigen Rechtsfrage erfolgen kann, unterbleibt die Klärung durch die Arbeitnehmer aber und sind die Verfallfristen abgelaufen oder nach absolvierter Probezeit eine Höhergruppierung eingetreten, so besteht seitens des Betriebsrates im Regelfall wegen der kurzen Verweildauer in der Vergütungsgruppe V keine rechtskraftfähige Klärungsmöglichkeit hinsichtlich der Richtigkeit der arbeitgeberseitigen Eingruppierung.

Auch unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 01.02.1989 (4 ABR 86/88), in dem das Bundesarbeitsgericht die Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrages angenommen hatte. In diesem zitierten Fall ließ sich nämlich eine in sich abgrenzbare Vorfrage der Eingruppierungsbeurteilung herausarbeiten, nämlich die Frage, ob durch den sog. Absenkererlass eine mitbestimmungswidrige Änderung des Lohngefüges nach § 87 BetrVG einseitig durch den Arbeitgeber in Kraft gesetzt worden war. Nicht streitig zwischen den Beteiligten des damaligen Verfahrens war, welche Vergütungsgruppe maßgeblich war, falls der Absenkererlass anzuwenden war. Damit ging es mittelbar auch hier um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nämlich darum, ob Rechte des Betriebsrates bei der Mitbestimmung des Lohngefüges nach § 87 BetrVG missachtet worden waren bzw. ob der Arbeitgeber berechtigt war, den Absenkererlass ohne Mitwirkung des Betriebsrates umzusetzen. Der vorliegende Rechtsstreit unterscheidet sich insoweit von dieser Konstellation, als zwischen den Beteiligten nicht die Anwendung des Tarifvertrages als solches oder das Bestehen des Mitbestimmungsrechts streitig ist, sondern der Inhalt und die Tragweite der tarifvertraglichen Eingruppierungsvorschriften. Deren Anwendbarkeit beruht aber in erster Linie auf den Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und ergibt sich aus den übertragenen Aufgaben und der Art und Weise, wie diese erledigt werden sollen.

Wegen der Unmöglichkeit, für den Betriebsrat eine rechtskraftsfähige Entscheidung über die seiner Ansicht nach richtige Auslegung des Tarifvertrages zu erlangen und wegen der faktischen Auswirkung, dass eine Entscheidung zur materiellen Tarifvertragsauslegung geeignet ist, die Vielzahl von Zustimmungsersetzungsverfahren, die anderenfalls durch die Arbeitgeberin einzuleiten wären, zu vermeiden, ist die Zulässigkeit des Antrags zu bejahen. Dies führt zumindest für die Arbeitgeberin auch dazu, dass künftige Zustimmungsverweigerungen aus den im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Gründen unbeachtlich wären.

Die Anträge zu 1) und 2) einschließlich der Hilfsanträge sind unbegründet. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass auch unter Berücksichtigung der vom Betriebsrat herausgearbeiteten Sachverhaltsgruppen "Arbeitnehmer in der Probezeit" und "Arbeitnehmer mit zwei juristischen Staatsexamina" nicht festgestellt werden kann, dass in allen Fällen die Einordnung in die Gehaltsgruppe V fehlerhaft wäre. Abgesehen davon, dass der Vortrag im vorliegenden Verfahren auch nicht annähernd einem Eingruppierungsvortrag in einem entsprechenden Klageverfahren entspricht und es deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelnen Sachbearbeitern tatsächlich Tätigkeiten nach Gehaltsgruppe VI oder höher übertragen wurden, kann jedenfalls im vorliegenden Verfahren gesagt werden, dass die Schadenssachbearbeiter in der Rechtsschutzversicherung nicht deshalb in Gehaltsgruppe VI einzugruppieren wären, weil sie Sachbearbeitung im Bereich Steuer und Recht mit erhöhten Anforderungen durchführen würden. Der Betriebsrat unterliegt insoweit dem Irrtum, dass die Schadenssachbearbeitung bei der Rechtsschutzversicherung keine Sachbearbeitung im Bereich Steuer und Recht ist, sondern als Antrags-, Vertrags-, Schadens- und Leistungssachbearbeitung zu bewerten ist.

Der Manteltarifvertrag stellt ein Eingruppierungsschema für Mitarbeiter sämtlicher Versicherungszweige zur Verfügung. Dementsprechend ist mit dem Bereich Steuer und Recht nicht gemeint, ob sich Sachbearbeiter im Rahmen der Antrags- und Vertragssachbearbeitung oder der Schadens- und Leistungssachbearbeitung mit rechtlichen Fragen auseinandersetzen müssen, sondern ob sie innerhalb der Versicherung in deren Rechts- bzw. Steuerabteilung eingesetzt sind. Auch die Sachbearbeitung, die sich auf die Feststellung der Vertragsbedingungen, der Schadensbeurteilung und der Leistungsabwicklung bei einer Rechtsschutzversicherung bezieht, ist deshalb "normale" Vertrags-, Schadens- und Leistungssachbearbeitung, nicht aber eine Tätigkeit im Bereich Steuer und Recht einer Versicherung.

Damit kommt es für die Zuordnung zu den Beispielen der jeweiligen Gehaltsgruppe auf die Unterscheidung an, ob die Mitarbeiter Vertrags- oder Schadenssachbearbeitung mit erhöhten Anforderungen (Gehaltsgruppe V) oder qualifizierte Vertrags- oder Schadenssachbearbeitung (Gehaltsgruppe VI) durchführen. Nicht richtig ist die Ansicht, dass bereits eine Schadens- oder Vertragssachbearbeitung mit lediglich erhöhten Anforderungen in Gehaltsgruppe VI anzusiedeln wäre. Insoweit unterscheidet der Tarifvertrag nicht zwischen Versicherungen verschiedener Sparten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Schadenssachbearbeiter beispielsweise einer Kfz-Versicherung weniger rechtliche Kenntnisse im Bereich der Rechtsprechung zur Unfallverursachung/Fahrlässigkeit vorhalten müssen, als es die Mitarbeiter einer Rechtsschutzversicherung bei der Vertragssachbearbeitung müssen. Würde man den Tarifvertrag hier anders auslegen, so müssten auch die KFZ-Schadensachbearbeiter dem Bereich Recht zugeordnet werden. Zudem wird auch von einem eingearbeiteten Mitarbeiter der Rechtsschutzversicherung nicht erwartet, dass er 50 bis 60 erschöpfende Beurteilungen der Erfolgsaussichten beabsichtigter Klagen pro Tag abgibt, so dass die Tätigkeit jedenfalls nicht zu einem überwiegenden Teil auf diejenigen Kenntnisse zurückgreift, die während des juristischen Studiums und der Referendarzeit erworben werden.

Um eine Eingruppierung in Vergütungsgruppe VI zu rechtfertigen, muss es sich deshalb auch bei der Antrags- und Vertragssachbearbeitung oder Schaden- und Leistungssachbearbeitung innerhalb einer Rechtsschutzversicherung um qualifizierte Tätigkeiten und nicht nur um Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen handeln. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht ohne genaue Darlegung der einzelnen Arbeitsvorgänge bezogen auf den einzelnen Sachbearbeiter überprüfen.

Auf die Frage, ob der Tarifvertrag auch dann schon eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe V rechtfertigt, wenn zwar Tätigkeiten übertragen werden, die gründliche oder vielseitige Fachkenntnisse voraussetzen, diese Fachkenntnisse aber noch gar nicht vorhanden sind, sondern erst während der Tätigkeit erworben werden, kommt es vorliegend nicht an, da die Arbeitgeberin jedenfalls davon ausgeht, dass die tatsächlich durchgeführte Vertragssachbearbeitung oder Schadenssachbearbeitung der Berufsanfänger in der Rechtsschutzversicherung bereits eine solche Sachbearbeitung mit erhöhten Anforderungen beinhaltet. Aus dem Vergleich mit der Vergütungsgruppe VI und der dort geregelten Voraussetzung der besonderen Entscheidungsbefugnis ergibt sich jedenfalls, dass in der Zeit, in der die Entscheidungsbefugnis des einzuarbeitenden Mitarbeiters noch eingeschränkt ist und die Verantwortung vom Vorgesetzten oder einarbeitenden Kollegen getragen wird, zu Recht eine Differenzierung zwischen den Tätigkeiten innerhalb der ersten sechs Monate und den späteren Tätigkeiten getroffen wird.

Letztlich ist die niedrigere Eingruppierung während der Einarbeitung dadurch gerechtfertigt, dass den Sachbearbeitern zu Beginn der Tätigkeit lediglich vorbereitende Tätigkeiten im Rahmen der Entscheidung eines anderen übertragen wird und erst dabei die qualifizierenden Kenntnisse der Gehaltsgruppe VI erwerben werden. Da nach dem Tarifvertrag eine höhere Vergütungsgruppe erst dann dauerhaft übertragen ist, wenn sie sechs Monate ausgeübt wurde, führt auch das langsame Hereinwachsen in die Tätigkeit des selbständig arbeitenden Sachbearbeiters nicht zu einer früheren Höhergruppierung.

Nach alle dem ergibt sich, dass wegen der fehlenden Entscheidungsbefugnis und der fehlenden besonders gründlichen und besonders vielseitigen Fachkenntnisse für Schadenssachbearbeiter von Rechtsschutzfällen eine Eingruppierung in Gehaltsgruppe VI nicht immer zutreffend, zumindest aber nicht zwingend ist, dass eine Eingruppierung in Tarifgruppe V nicht in jedem Fall zu niedrig ist und dass auch der Abschluss des zweiten juristischen Staatsexamens im Hinblick auf den Schwerpunkt der Tätigkeiten nicht die besonders gründlichen oder besonders vielseitigen Fachkenntnisse ersetzt.

Der Antrag zu 3) war abzuweisen, da er dahingehend auszulegen war, dass zwischen den Parteien nicht grundsätzlich streitig ist, dass die Durchführung des Eingruppierungsverfahrens nach § 99 BetrVG und ggf. die Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens erforderlich ist. Da aber nach Klärung der Rechtsfragen in den vorher gestellten Anträgen feststeht, dass mit der bisherigen Begründung eine Zustimmung zur Eingruppierung nun nicht mehr verweigert werden kann, steht erst recht fest, dass der Arbeitgeber eine solche gleichwohl erfolgende Zustimmungsverweigerung nun nicht mehr beachten muss. Damit entfällt auch die Androhung eines Ordnungsgeldes.

Da im vorliegenden Verfahren sowohl die Rechtsfrage des Feststellungsinteresses als auch die richtige Auslegung eines Tarifvertrages entscheidungserheblich war, wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Ende der Entscheidung

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