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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.06.2005
Aktenzeichen: 2 TaBV 9/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
Ist zwischen den Betriebsparteien streitig, ob ein Arbeitsplatz nicht mehr von der höchsten Tarifgruppe erfasst wird, ist das Zustimmungsersetzungsverfahren durch zuführen. Die gilt auch dann, wenn der MA zuvor auf einem anderen außertariflichen Arbeitsplatz beschäftigt war.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2004 - 6 BV 320/03 - abgeändert:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, wegen der Eingruppierung des Mitarbeiters RHals AT-Angestellter das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe: I. Die Beteiligten streiten im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren darum, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, das Zustimmungsersetzungsverfahren zur Eingruppierung des Angestellten R H einzuleiten und durchzuführen. Durch Vorlage vom 04.07.2003 wurde der Antragsteller, der bei der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat, zur Versetzung des Mitarbeiters R H auf den Arbeitsplatz als stellvertretender Leiter der Plattenherstellung angehört. Die bisherige Tätigkeit des Mitarbeiters R H war als außertarifliche Tätigkeit bewertet worden. Bei der Anhörung war erneut als Eingruppierung "AT" angegeben. Der Betriebsrat stimmte der Versetzung zu, verweigerte jedoch seine Zustimmung zur Eingruppierung mit der Begründung, der Mitarbeiter R H sei bei der neu zugewiesenen Tätigkeit in die Gehaltsgruppe D 9 des Gehaltstarifvertrages einzugruppieren. Er sieht deshalb zum Einen in der Zuordnung des Mitarbeiters H zum außertariflichen Bereich einen Verstoß gegen den Tarifvertrag nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sowie weiterhin eine Benachteiligung des betroffenen Arbeitnehmers nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG, da durch die Ausgliederung aus dem Tarifvertrag der Mitarbeiter nicht mehr an den automatischen Tariflohnerhöhungen teilnimmt. Unstreitig besteht im Betrieb der Arbeitgeberin kein eigenständiges Vergütungssystem für Mitarbeiter, die Tätigkeiten verrichten, welche von dem tarifvertraglichen Vergütungssystem nicht mehr erfasst werden. Die tarifliche Vergütung nach der vom Betriebsrat für zutreffend gehaltene Tarifgruppe D 9 beträgt 4.117,00 € brutto, die mit dem Mitarbeiter H vereinbarte Vergütung beträgt 4.300,00 € zuzüglich Zulage. Die Stellenausschreibung hinsichtlich der vom Mitarbeiter H neu übernommenen Stelle enthielt unter der Rubrik "Eingruppierung" die Bemerkung "AT". Der Gehaltstarifvertrag für die Angestellten der Druck- und Medienindustrie im Land Nordrhein Westfalen vom 01.04.2003, den die Arbeitgeberin im Betrieb anwendet, enthält unter B II c Gruppe 9 folgende Tätigkeitsbeschreibung: Aufgaben mit sachlicher und personeller Dispositionsbefugnis, für die eine langjährige Erfahrung in der Mitarbeiterführung und vertiefte Fachkenntnisse auch in den angrenzenden Bereichen erforderlich ist. Die Arbeitgeberin vertritt die Ansicht, dass wegen der Zuordnung des Mitarbeiters zum außertariflichen Bereich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG nicht bestehe. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen, weil es die Ansicht vertritt, der Betriebsrat müsse bereits im vorliegenden Verfahren substantiiert darstellen, dass die Position des betroffenen Mitarbeiters tatsächlich noch in den tariflich geregelten Vergütungsbereich fällt. Der Antragsteller beantragt im Beschwerdeverfahren unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2004 - 6 BV 320/03 -,

1. der Antragsgegnerin aufzugeben wegen der Eingruppierung des Mitarbeiters R H als AT-Angestellter das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen;

2. hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben wegen der Eingruppierung des Mitarbeiters R H als AT-Angestellter die Zustimmung des Antragstellers zu beantragen und im Falle der Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten und durchzuführen.

Die Arbeitgeberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie vertritt die Ansicht, es habe gar keine Umgruppierung vorgelegen, da der Mitarbeiter H nach wie vor Tätigkeiten verrichte, die vom Tarifvertrag nicht erfasst würden. Von einer "Ausgruppierung" könne nur gesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer aus dem tariflichen Bereich in den außertariflichen Bereich wechsele. Da der Mitarbeiter auch nicht in das tarifliche System eingruppiert werden solle, handele es sich auch nicht um eine Eingruppierung. II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die erkennende Kammer teilt zunächst die Ansicht des Betriebsrats, dass das Anhörungsschreiben zur Versetzung des Mitarbeiters H vom 04.07.2003 stillschweigend auch den Antrag zur Eingruppierung, nämlich zu einer Eingruppierung außerhalb des tarifvertraglich geregelten Vergütungssystems, enthielt. Diesem konkludenten Eingruppierungsverlangen hat der Betriebsrat rechtzeitig und mit ausreichenden Gründen durch Schreiben vom 11.07.2003 widersprochen. Nach dem im Betrieb anwendbaren Gehaltstarifvertrag besteht ein Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats auch dann, wenn zwischen den Betriebsparteien streitig ist, ob die Tätigkeiten eines Arbeitnehmers gerade noch unter die höchste Vergütungsgruppe des Tarifvertrags fallen oder in ihrer Wertigkeit und Bedeutung die Obergrenze dieser Tarifgruppe bereits überschritten haben. Hätte die Arbeitgeberin Recht, dass die Vereinbarung einer oberhalb der höchsten tarifvertraglichen Vergütungsgruppe gelegenen Vergütung ausreichend ist, um das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats, ob die ausgeübten Tätigkeiten noch ins Tarifgefüge gehören, entfallen zu lassen, so wäre eine Grenzziehung zwischen der Obergrenze der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe und Tätigkeiten, die über die Inhalte der höchsten Tarifgruppen hinausgehen nicht mehr mitbestimmt. Unterstellt man einmal rein hypothetisch, dass die Tätigkeiten des Mitarbeiters H tatsächlich als solche der Entgeltgruppe 9 zu bewerten wären, würde nach der Ansicht des Arbeitgebers die fehlerhafte Behandlung als AT-Angestellter dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats entzogen bleiben. Nach der Ansicht des Arbeitsgerichts hätte der Betriebsrat bereits im vorliegenden Verfahren voll umfänglich darstellen müssen, dass die Entgeltgruppe 9 die zutreffende Eingruppierung beinhaltet und damit das materielle Ergebnis des Zustimmungsersetzungsverfahrens bereits vorweg nehmen müssen. Die erkennende Kammer stützt sich bei dem hier vertretenem Ergebnis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.10.2004 - 1 ABR 37/03 - AP Nr. 29 zu § 99 BetrVG Eingruppierung. Danach liegt eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung auch dann vor, wenn dem Mitarbeiter Tätigkeiten zugeordnet werden, die höherwertige Qualifikationsmerkmale enthalten als die höchste Vergütungsgruppe aufweist. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer allerdings zuvor im tariflichen Bereich beschäftigt gewesen. Letztlich kann es allerdings keine Rolle spielen, welche Tätigkeiten ein Mitarbeiter verrichtet hat, bevor er die nun zur Beurteilung anstehende Tätigkeit aufgenommen hat. Denkbar ist, dass ein Mitarbeiter aus dem tariflichen Bereich neue Tätigkeiten übernimmt, die nicht mehr vom Tarifvertrag abgedeckt werden. Ebenso ist es möglich, dass ein zunächst im außertariflichen Bereich eingesetzter Mitarbeiter neue Tätigkeiten übernimmt, die tatsächlich von einer Tarifgruppe erfasst werden. Ebenso ist es denkbar, dass ein neu eingestellter Mitarbeiter ohne Vorbeschäftigung Tätigkeiten zugeordnet erhält, deren Wertigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber umstritten ist. Für alle diese Fälle gilt: Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats zur Eingruppierung wird dadurch ausgelöst, dass eine (neue) Zuordnung von Tätigkeiten zu einem Mitarbeiter erfolgt. Letztlich ist damit das tarifvertragliche Vergütungsgruppensystem um eine weitere ungeschriebene Gruppe zu ergänzen, die alle diejenigen Tätigkeiten umfasst, die von der höchsten Tarifgruppe nicht mehr umschrieben werden. Soweit der Arbeitgeber hinsichtlich der außertariflichen Mitarbeiter darüber hinaus noch innerbetriebliche Strukturen aufstellt und anwendet, kann diese ungeschriebene Vergütungsgruppe darüber hinaus noch unterteilt werden. Soweit im außertariflichen Bereich keine weiteren Eingruppierungsstrukturen bestehen, ist dieser Bereich als eine einzige Vergütungsgruppe im Sinne des § 99 BetrVG anzusehen. Die inhaltliche Richtigkeit der Beurteilung, ob die Entgeltgruppe 9 oder der außertarifliche Tätigkeitsbereich für die Eingruppierung zutreffend ist, ist dem Zustimmungsersetzungsverfahren vorbehalten. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da sich die Ergebnisse aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.10.2004 eindeutig ableiten lassen.

Ende der Entscheidung

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