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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 09.09.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 746/09
Rechtsgebiete: WissZeitVG, TzBfG
Vorschriften:
WissZeitVG § 2 Abs. 2 | |
TzBfG § 14 |
2. Bei einer Drittmittelbefristung muss nach dieser Prognose Kongruenz von Beschäftigungsdauer und Dauer der Drittmittelbewilligung bestehen.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 12.03.2009 - 1 Ca 2707/08 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des zwischen ihnen zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrages.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung für den Zeitraum vom 01.06.2007 bis 31.12.2008 endet. Darüber hinaus hat es den Beklagten verurteilt, den Kläger über den 31.12.2008 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Angestellten weiter zu beschäftigen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils (Bl. 101 ff d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 22.05.2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.06.2009 Berufung eingelegt und diese am 22.07.2009 begründet. Der Beklagte hält die Befristung weiterhin für rechtswirksam und meint, fehlende Kongruenz zwischen der Dauer der Drittmittelbewilligung und der Befristungsdauer sei insoweit rechtlich ohne Bedeutung. Entscheidend sei allein, dass der Kläger in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses getroffenen Prognose insgesamt zumindest überwiegend mit den Drittmittelprojekten beschäftigt werden sollte. Dies sei auch unter Einbeziehung des letzten Quartals 2008 der Fall, da sich über die gesamte Vertragsdauer von 16 Monaten ein berechtigt prognostizierter Drittmittelbeschäftigungsumfang von mehr als 65 % der Arbeitszeit des Klägers ergebe. Dass eine Beschäftigung des Klägers in dem Projekt Desire im Jahr 2008 nicht erfolgen würde, sei bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar gewesen. Diese Projekte seien aus der Abteilung "Robotik Labor", in der der Kläger damals beschäftigt war, in eine andere Abteilung AR übernommen worden, für die bereits ab März 2007 wiederum neue Konzepte entwickelt worden seien. Zu diesem Zeitpunkt sei sodann der streitgegenständliche Arbeitsvertrag des Klägers abgeschlossen worden. Noch im Jahr 2007 habe sich eine erneute Veränderung ergeben. Der Projektleiter des Projekts Desire sei nunmehr in die Abteilung ART gewechselt und habe das Projekt Desire mitgenommen und dort insgesamt neu ausgerichtet. Erst damit sei der Tätigkeitsbedarf für den Kläger in diesem Projekt entfallen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 12.03.2009, Az. 1 Ca 2707/08, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei und hält die Befristung weiterhin für rechtsunwirksam. Unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens behauptet der Kläger nunmehr, er sei für die gesamte Laufzeit des befristeten Vertrages vom 01.06.2007 bis einschließlich 31.12.2008 nicht überwiegend in den Projekten Desire und Profibot beschäftigt gewesen. Dabei habe er an dem Projekt Desire weder im Jahr 2007 noch im Jahr 2008 überhaupt gearbeitet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Die erkennende Kammer nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug und macht sich diese zu Eigen. Mit dem Arbeitsgericht kann auch zweitinstanzlich dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung der Befristung nach §§ 14 Abs. 4 TzBfG, 125 Satz 1 BGB formnichtig ist. Denn jedenfalls fehlt es an einem sachlichen Grund für die Befristung, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 WissZeitVG nicht vorliegen. Die Ausführungen beider Parteien in der Berufungsinstanz geben insoweit zu folgenden ergänzenden Anmerkungen Anlass:
1. Gemäß § 2 Abs. 2 WissZeitVG ist die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird. Zutreffend geht der Beklagte insoweit zunächst davon aus, dass es sich hierbei um eine Prognoseentscheidung handelt, für die es allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages ankommt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 19.10.2005, AP Nr. 19 zu § 14 TzBfG sowie die weiteren Nachweise aus der Rechtsprechung bei APS/Backhaus, 3. Aufl., § 14 TzBfG Nr. 12). Für die Berechtigung dieser Prognose ist der Arbeitgeber, der das Vorliegen eines Sachgrundes dartun und beweisen muss, insgesamt darlegungs- und beweispflichtig (APS/Backhaus, a.a.O., § 14 TzBfG Rn. 76 ff m.w.N.).
Dieser Darlegungslast ist der Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Nach seinem Sachvortrag kann nicht festgestellt werden, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Prognose berechtigt war, dass der Kläger überwiegend in den beiden Drittmittelprojekten Desire und Profibot tätig sein würde.
Der prognostizierte prozentuale Beschäftigungsumfang des Klägers in den beiden vorgenannten Projekten wird von der Beklagten mit 30 % für das Projekt Profibot sowie 40 % für das Projekt Desire angegeben. Nachdem der Kläger erstinstanzlich bestritten hatte, nur im Jahr 2008 nicht im Projekt Desire tätig gewesen zu sein, hat er dies zweitinstanzlich dahingehend konkretisiert, er habe während der gesamten Vertragsdauer von Beginn des streitgegenständlichen befristeten Vertrages im Juni 2007 an keine Tätigkeiten in dem Projekt Desire erbracht. Es wäre somit Aufgabe des Beklagten gewesen, darzulegen und ggf. nachzuweisen, dass jedenfalls in dem von ihm behaupteten Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 29.05.2007 die gegenteilige Prognose einer Beschäftigung des Klägers in dem Projekt Desire mit 40 % berechtigt war.
Hieran fehlt es jedoch. Der Beklagte hat vielmehr lediglich vorgetragen, bereits ab März 2007 sei das Projekt Desire aus der Abteilung des Klägers an die Abteilung AR weitergegeben worden, in der auch der Projektleiter des Projekts Desire habe tätig werden sollen. In der Folgezeit sei eine weitere Umorganisation vorgenommen worden und der Projektleiter sei mit dem Projekt Desire in eine andere Abteilung, nämlich die Abteilung ART gewechselt. Ob dies vor oder nach dem Vertragsschluss mit dem Kläger gewesen ist, lässt sich dem Sachvortrag des Beklagten nicht entnehmen. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten konnte auch in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts diesen Umstand nicht näher erläutern. Hierauf kommt es jedoch für die Richtigkeit der Prognoseentscheidung maßgeblich an, da bei einem Wechsel des Projekts Desire in die Abteilung ART vor der Vertragsunterzeichnung mit dem Kläger eine entsprechende Befristungsprognose offensichtlich nicht mehr begründet gewesen wäre. Aufgrund der oben dargestellten Darlegungs- und Beweislastverteilung geht dies zu Lasten der Beklagten, so dass eine belastbare Prognose hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers in dem Projekt Desire nicht möglich ist.
Ohne das Projekt Desire verbleibt lediglich ein drittmittel- und projektbezogener Beschäftigungsumfang des Klägers für den streitgegenständlichen befristeten Vertrag im Umfang von 30 %. Eine überwiegende drittmittelfinanzierte Beschäftigung, wie von § 2 Abs. 2 WissZeitVG gefordert, liegt damit nicht vor.
2. Darüber hinaus scheitert die Wirksamkeit der Befristung auch - wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - an der fehlenden Kongruenz von Beschäftigungsdauer und Drittmittelbewilligungszeitraum. Der streitgegenständliche Arbeitsvertrag ist für die Zeit vom 01.06. 2007 bis 31.12.2008 befristet. Die maßgebliche Drittmittelbewilligung erfolgte für das Projekt Desire bis einschließlich 30.09.2008 und für das Projekt Profibot zunächst nur bis zum 30.06.2008 und wurde im Juni 2008 bis zum 30.09.2008 verlängert. Der Beklagte begründet die insgesamt drei Monate über den Drittmittelbewilligungszeitraum hinausgehende Befristung mit von vornherein feststehenden, notwendigen Nacharbeiten im Nachgang zu den abgeschlossenen Projekten.
Dies vermag die vorliegende Drittmittelbefristung nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss die Dauer der Befristung bei einer Drittmittelbefristung regelmäßig dem Bewilligungszeitraum der Drittmittel entsprechen, da die inhaltliche Fremdbestimmung der Tätigkeit durch den Drittmittelgeber das wesentliche Merkmal der Drittmittelforschung darstellt. Überschreitet die Befristung den Bewilligungszeitraum, ist eine Rechtfertigung der Befristung mit dem Drittmittelprojekt nicht mehr möglich (vgl. Preis, WissZeitVG, § 2 Rn. 59; ebenso für das allgemeine Befristungsrecht nach dem TzBfG APS/Backhaus, 3. Aufl., § 14 TzBfG Rn. 47). Dem steht auch nicht die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegen, wonach für die Beurteilung, ob eine überwiegende Drittmittelfinanzierung vorliege, eine Gesamtbetrachtung des befristeten Arbeitsverhältnisses vorzunehmen sei (vgl. BAG, Urteil vom 22.11.1995 - 7 AZR 248/95, NZA 1996, 1092). Gegenstand dieser Entscheidung war eine fünfjährige, befristete, drittmittelfinanzierte Tätigkeit, die im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses für einen ungefähr eineinhalbjährigen Zeitraum vom Arbeitgeber teilweise eigenmittelfinanziert wurde. Diese Sachverhaltskonstellation ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Anders als im Fall des Bundesarbeitsgerichts deckt hier der Zeitraum der Drittmittelbewilligung den Befristungszeitraum gerade nicht ab, sondern der Beklagte verlängert den Bewilligungszeitraum um weitere drei Monate. Würde man den Begriff der überwiegenden Drittmittelfinanzierung aus § 2 Abs. 2 WissZeitVG auch auf eine solche von vornherein angelegte Überschreitung des Drittmittelzeitraums im Sinne einer Gesamtbetrachtung anwenden, hätte dies zur Folge, dass drittmittelfinanzierte befristete Arbeitsverhältnisse bei einer 100%igen drittmittelbezogenen Tätigkeit jeweils auf nahezu die doppelte Dauer des Bewilligungszeitraums befristet werden könnten, da auf diese Weise jedenfalls eine über 50%ige Drittmittelfinanzierung bezogen auf den gesamten Tätigkeitszeitraum sichergestellt wäre. Eine solche Vertragsgestaltung ist aber offensichtlich mit dem Normzweck des § 2 Abs. 2 WissZeitVG nicht vereinbar.
3. Aus der Unwirksamkeit der Befristung ergibt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch (vgl. BAG, Urteil vom 13.06.1985, NZA 1986, 562).
III. Da der Beklagte das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss er nach § 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung tragen.
Die Revision war nicht nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere ging es nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da die entscheidungserheblichen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind und im Übrigen die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.
Ende der Entscheidung
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