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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: 3 SaGa 9/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 929 Abs. 2
1) Bei einer einstweiligen Verfügung muss der Gläubiger innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO von dem Titel Gebrauch machen. Hierfür ist jedenfalls eine Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb erforderlich.

2) Ein Antrag auf Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung kann nicht im Verfahren der Berufung gegen die erste einstweilige Verfügung beim Berufungsgericht gestellt werden. Möglich bleibt nur ein neuer erstinstanzlicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.


Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 09.04.2009 - 1 Ga 24/09 - abgeändert und die Anträge des Klägers werden zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die erstinstanzlichen Kosten haben der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte rufschädigende Äußerungen über den Kläger zu unterlassen hat.

Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage überwiegend stattgegeben und der Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, zu behaupten, der Kläger habe führende Mitarbeiter massiv unter Druck gesetzt und Gewaltanwendung durch albanische Schlägertrupps angedroht, wenn diese Mitarbeiter ihm nicht in die Firma J GmbH folgen würden, und die Familie des Klägers schrecke nicht davor zurück, zwei Grundschulkinder eines Mitarbeiters der Beklagten auf dem Schulhof massiv verbal anzugreifen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen, und bereits nach ihrem eigenen Vortrag und den von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen ergebe sich nicht die Wahrheit der in ihrem Rundschreiben aufgestellten Behauptungen. Da die Beklagte die Richtigkeit ihres Vorwurfs stets bekräftigt und außergerichtlich die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt habe, sei auch die erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben. Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass die Verbreitung der nicht erweislich wahren Tatsachen zu einer Gefährdung des Ansehens des Klägers führe. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des vorgenannten Urteils (Bl. 79 ff d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 18.04.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15.05.2009 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie ist der Auffassung, die von ihr in dem streitbefangenen Schreiben aufgestellten Behauptungen seien jedenfalls hinsichtlich ihres Tatsachenkerns inhaltlich richtig. Von daher sei es nicht nachvollziehbar, wenn das Arbeitsgericht der Beklagten "mit feinsinnigen semantischen Abgrenzungen" die Weitergabe solcher Vorgänge untersagen wolle. Im Übrigen rügt die Beklagte, dass das erstinstanzliche Urteil jedenfalls bereits wegen der Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO abzuändern und der klägerische Antrag zurückzuweisen sei. Die vorliegend allein erfolgte Amtszustellung des Urteils genüge für eine Vollziehung im Sinne der vorgenannten Vorschrift nicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 09.04.2009 abzuändern, die einstweilige Verfügung vom 09.04.2009 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

hilfsweise,

der Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für den Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, nachstehende Behauptungen wörtlich oder sinngemäß aufzustellen oder zu verbreiten:

a. Der Kläger setzte führende Mitarbeiter der Beklagten massiv unter Druck und drohte Gewaltanwendungen durch albanische Schlägertrupps an, wenn diese Mitarbeiter ihm nicht in die Firma Jansen' s Landmarkt Obst- und Gemüsehandelsvertretung GmbH folgen würden;

b. die Familie des Klägers schreckte nicht davor zurück, zwei Grundschulkinder eines der Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten auf dem Schulhof massiv verbal anzugreifen.

Die Beklagte beantragt,

den auf Erlass einer neuerlichen einstweiligen Verfügung gerichteten Hilfsantrag zurückzuweisen.

Der Kläger tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei und meint, es liege keine bloße Meinungsäußerung der Beklagten, sondern eine unwahre Tatsachenbehauptung vor, die überdies ehrenrührig sei. Auch habe eine fristwahrende Vollziehung der einstweiligen Verfügung durch Zustellung im Parteibetrieb nur im Regelfall zu erfolgen. Für die Unterlassungsverfügung gelte dies gerade nicht. Sofern das Gericht dieser Rechtsauffassung nicht folge, begehre er den erneuten Erlass einer einstweiligen Verfügung desselben Inhalts. Er meint, dies sei auch in der Berufungsinstanz möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene erstinstanzliche Urteil ist abzuändern und die Anträge des Klägers sind zurückzuweisen, da der Kläger die Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht gewahrt hat.

Nach § 62 Abs. 2 ArbGG, § 936 ZPO i.V.m. § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem sie verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch sie erging, zugestellt wurde, ein Monat verstrichen ist. Deshalb muss eine einstweilige Verfügung innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen werden. Unter "Vollziehung" in diesem Sinne ist die Einleitung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung zu verstehen. Eine solche erfolgt nie von Amts wegen, sondern setzt immer eine Initiative des Gläubigers voraus. Deshalb muss der Gläubiger innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO aktiv werden, indem er von dem Titel Gebrauch macht. Hierfür ist jedenfalls eine Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb erforderlich. Dies gilt auch für eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung. Die erkennende Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, auf die wegen der weiteren Begründung Bezug genommen wird (BAG, Urteil vom 18.09.2007 - 9 AZR 672/06 - AP Nr. 64 zu Art. 33 GG).

Der Kläger hat hier diese einmonatige Frist des § 929 Abs. 2 ZPO verstreichen lassen. Sie begann mit der Verkündung des Urteils am 09.04.2009 und endete demgemäß mit Ablauf des 09.05.2009. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger keine Vollziehungsmaßnahme im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO ergriffen. Das erstinstanzliche Urteil war daher entsprechend abzuändern.

III. Der damit angefallene, auf Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung desselben Inhalts gerichtete Hilfsantrag des Klägers ist unzulässig. Zwar entspricht es der allgemeinen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass der Gläubiger nach Ablauf der Vollziehungsfrist sogleich einen neuen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellen kann, sofern Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund erneut glaubhaft gemacht werden. Dies steht nicht im Widerspruch zum Normzweck des § 929 Abs. 2 ZPO, denn das Vorliegen aller erforderlichen Voraussetzungen muss vor Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung nochmals geprüft werden (für alle: MüKo/ZPO-Drescher, 3. Aufl., § 929 Rz. 14 mit umfassenden weiteren Nachweisen).

Dieser Antrag auf Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung kann allerdings nicht im Verfahren der Berufung gegen die erste einstweilige Verfügung gestellt werden (vgl. MüKo/ZPO-Drescher, a.a.O.; Thomas/Putzo-Reichold, ZPO. 29. Aufl., § 929 Rz. 5 jeweils mit umfassenden weiteren Nachweisen). Die namentlich von Vollkommer vertretene Gegenauffassung (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 929 Rz. 23) überzeugt nicht. Der erstmalige Erlass einer einstweiligen Verfügung in der Berufungsinstanz rechtfertigt sich insbesondere nicht aus dem Eilcharakter dieses Verfahrens. Das Berufungsgericht ist nur dann für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zuständig, wenn es Hauptsachegericht ist (vgl. MüKo/ZPO-Drescher, a.a.O.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Ließe man gleichwohl die erstmalige Beantragung einer einstweiligen Verfügung in der Berufungsinstanz zu, würden damit die Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Beklagten in unzulässiger Weise eingeschränkt, ohne dass hierfür eine begründete Veranlassung erkennbar wäre.

IV. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger als insoweit unterlegene Partei gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Wegen der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung erster Instanz, da die Entscheidung des Arbeitsgerichts nach dem seinerzeitigen Sach- und Streitstand zu Recht ergangen ist und das Obsiegen der Beklagten in der Berufungsinstanz ausschließlich auf neuen Umständen beruht.

Ende der Entscheidung

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