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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.12.2007
Aktenzeichen: 3 Ta 305/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 5
Allein das Vorliegen einer psychischen Erkrankung rechtfertigt nicht die Annahme, dass ein Arbeitnehmer ohne das Hinzutreten weiterer Umstände an der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gehindert gewesen wäre. Der Kläger muss vielmehr glaubhaft machen, während welcher Zeit und im welchem Umfang eine erhebliche Einschränkung des Urteilsvermögens bestanden hat.
Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.08.2007 - 6 Ca 1087/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 6.324,00 €.

Gründe:

I. Der Kläger begehrt die nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage.

Er ist bei der Beklagten seit dem Jahr 1975 als Elektriker-Meister beschäftigt. Sein Verdienst betrug zuletzt 2.108,00 € brutto. Der Kläger leidet an einer schweren Suchterkrankung und war seit April 2006 mehrfach diesbezüglich in stationärer Behandlung; dies zuletzt seit dem 14.03.2007. Anlass dieser stationären Aufnahme ist eine Erkrankung im psychiatrischen Formenkreis. Mit ärztlichem Attest vom 12.04.2007 bestätigte die Universitätsklinik B , dass der Kläger ab Oktober 2006 bis zum Beginn des Monats April nicht mehr in der Lage war, strukturierte Alltagstätigkeiten durchzuführen. Auf das Attest vom 12.04.2007 (Bl. 12 d. A.) wird Bezug genommen.

Zuvor hatte die Beklagte mit Schreiben vom 29.01.2007 gegenüber dem Kläger die außerordentliche Kündigung unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist bis zum 30.09.2007 ausgesprochen. Daraufhin wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 22.03.2007 an die Geschäftsstelle des v N S in S und erbat rechtlichen Beistand. Das Schreiben lautet wie folgt:

"Außerordentliche Kündigung H N

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bitte hiermit um Jur. Unterstützung in Sache meiner Kündigung.

Momentan befinde ich mich in den Uni-Kliniken B .

Ich werde mich in den nächsten Tagen per Telefon bei Ihnen melden.

Mit freundlichen Grüßen

H. N "

Am 17.04.2007 unterzeichnete der Kläger die Prozessvollmacht und stellte seinen Prozessbevollmächtigten die notwendigen Unterlagen zur Verfügung. Diese lagen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.04.2007 vor. Mit Telefaxschreiben vom 20.04.2007 erhob der Kläger sodann, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Bonn und beantragte gleichzeitig die nachträgliche Zulassung der Klage.

Er hat die Auffassung vertreten, aufgrund seiner Erkrankung sei es ihm nicht möglich gewesen, schneller auf die Kündigung zu reagieren. Erst mit dem 12.04.2007 sei von einer Behebung des Hindernisses im Sinne von § 5 Abs. 3 KSchG auszugehen.

Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, das ärztliche Attest vom 12.04.2007 sei zu pauschal gehalten und ersetze keinen substantiierten Sachvortrag. Zudem sei nicht erkennbar, wie aufgrund der Behandlung seit dem 14.03.2007 eine Aussage über den Zeitraum ab Oktober 2006 habe getroffen werden können. Schließlich fehle eine Erklärung für den Zeitraum vom 23.03.2007 bis 17.04.2007 ebenfalls.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.08.2007 den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Zur Begründung hat es dabei im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe die 2-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht eingehalten. Aus den Ausführungen des Klägers und dem vorgelegten Attest vom 12.04.2007 ergebe sich kein konkreter Sachvortrag, warum der Kläger über einen derart langen Zeitraum nicht in der Lage gewesen sein solle, strukturierte Alltagstätigkeiten durchzuführen. Selbst wenn er in diesem Zeitraum nicht habe aktiv werden können sei jedenfalls ungeklärt, warum er nach der ersten Kontaktaufnahme mit der Gewerkschaft am 23.03.2007 weitere 4 Wochen bis zur Klageerhebung zugewartet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des vorgenannten Beschlusses wird auf Bl. 27 ff. d. A. Bezug genommen.

Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 06.09.2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 19.09.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, das Arbeitsgericht sei bei seiner Entscheidung von übertriebenen Sorgfaltsanforderungen ausgegangen. Es müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger an einer schweren Alkoholabhängigkeit bzw. entsprechenden Erkrankung seit 2001 leide und seit April 2006 mehrere Wochen in stationärer Behandlung gewesen sei. Außerdem habe er sich seit dem 14.03.2007 in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum B wegen einer psychiatrischen Erkrankung befunden. Aus diesen objektiven Erkrankungstatsachen und den entsprechenden ärztlichen Stellungnahmen sei ausreichend erkennbar, dass eine schwere Erkrankung mit daraus folgenden Auswirkungen auf seine Lebensführung vorgelegen habe. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei eine solche Erkrankung nicht mit dem Ablauf eines bestimmten Tages ausgeheilt. Im übrigen sei diese Art der Erkrankung typischerweise mit einem Kontrollverlust bei der Bewältigung psychischer und körperlicher Probleme verbunden. Letzteres sei auch dem Schreiben vom 23.03.2007 an die Gewerkschaft zu entnehmen. Dieses habe lediglich einen ersten Hilferuf und eine Bitte um juristische Unterstützung enthalten. Gerade der Umstand, dass der Kläger sich dann zunächst nicht mehr gemeldet habe, mache deutlich, in welcher psychischen Verfassung sich der Kläger befunden haben müsse. Erst am 17.04.2007 sei es ihm dann möglich gewesen, die für die Klageerhebung erforderlichen Unterlagen beizubringen.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zwar zulässig, insbesondere ist die an sich statthafte Beschwerde in gesetzlicher Form und Frist eingelegt worden.

Sie ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

1. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist auf Antrag des Arbeitnehmers die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach der erfolgten Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Dieser Antrag ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig und muss gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG die Angabe, die die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.

2. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger die 2-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gewahrt.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers gelten die rechtlichen Anforderungen für die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage unabhängig davon, ob die Klagefrist wegen einer physischen oder psychischen Erkrankung nicht eingehalten worden ist. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei psychischen Erkrankungen regelmäßig geringere Anforderungen zu stellen sind, weil diese das Urteilsvermögen des Klägers einschränken. Letzteres kann zwar im Einzelfall vorliegen, ob solche Einschränkungen aber tatsächlich gegeben sind, bedarf der konkreten Feststellung bzw. Glaubhaftmachung. Zudem muss ersichtlich sein, während welcher Zeiten und in welchem Umfang es zu einer erheblichen Einschränkung des Urteilsvermögens durch psychische Erkrankungen gekommen ist. Allein das Vorliegen einer solchen Erkrankung rechtfertigt jedenfalls nicht die Annahme, dass ein Arbeitnehmer ohne Hinzutreten weiterer Umstände an der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gehindert gewesen wäre (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01.03.2007 - 7 Ta 27/07 -).

Im vorliegenden Fall kann dem vom Kläger vorgelegten Attest vom 12.04.2007 nicht entnommen werden, warum der Kläger über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nicht in der Lage gewesen sein soll, strukturierte Alltagstätigkeiten durchzuführen. Von daher liefert das vorgenannte Attest für sich betrachtet keine ausreichenden Anhaltspunkte, um von einer durchgängigen krankheitsbedingten Beeinträchtigung des Klägers dahingehend ausgehen zu können, dass er an einer Klageerhebung gehindert gewesen sei. Gegen einer solche durchgängigen Beeinträchtigung des Klägers spricht gerade das von ihm am 22.03.2007 verfasste Schreiben an seine nunmehrigen Prozessbevollmächtigten. Wenn der Kläger sich - wie geschehen - am 22.03.2007 an seine Prozessbevollmächtigten mit der Bitte um juristische Unterstützung wegen der ihm zugegangenen außerordentlichen Kündigung wenden konnte, so wäre er in gleicher Weise in der Lage gewesen, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Erwägenswert wäre allenfalls ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten wegen ihres Untätigbleibens nach dem vorgenannten Schreiben des Klägers vom 22.03.2007. Auch dies kann jedoch den Kläger nicht entlasten, da ihm ein Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten jedenfalls gemäß § 85 Abs. 2 ZPO nach der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts zuzurechnen ist (vgl. zuletzt LAG Köln, Beschluss vom 10.03.2006 - 3 Ta 47/06 - mit umfassenden weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Ausgehend vom 23.03.2007 hätte daher der Kläger spätestens am 10.04.2007 bei Gericht einen Antrag auf nachträgliche Zulassung stellen müssen. Die am 24.04.2007 beim Arbeitsgericht eingegangene Antragsschrift ist daher verspätet.

Zu Recht hat im übrigen das Arbeitsgericht hilfsweise darauf hingewiesen, dass selbst wenn man aufgrund des ärztlichen Attest vom 12.04.2007 von der dort bescheinigten Beeinträchtigung des Klägers bis zum Beginn des Monats April ausgehen würde, der am 20.04.2007 beim Arbeitsgericht eingegangene Antrag auf nachträgliche Zulassung die 2-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gewahrt hat.

3. Insgesamt war daher der erstinstanzliche Beschluss zu bestätigen und der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung als unzulässig abzuweisen.

III. Nach allem war somit die sofortige Beschwerde des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist im Verfahren nach § 5 KSchG nicht statthaft (BAG, Beschluss vom 20.08.2002 - 2 AZB 16/02 -; AP-Nr. 14 zu § 5 KSchG 1969).

Ende der Entscheidung

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