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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.02.2004
Aktenzeichen: 3 Ta 430/03
Rechtsgebiete: KSchG, ArbGG


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 5
KSchG § 5 Abs. 1
KSchG § 5 Abs. 4 Satz 2
ArbGG § 69 Abs. 2
Sofern ein Arbeitnehmer wegen Ortsabwesenheit gehindert ist von zugegangenen Kündigungsschreiben Kenntnis zu erlangen, ist die verspätet erhobene Kündigungsschutzklage regelmäßig nachträglich zuzulassen. Urlaub und unentschuldigte Abwesenheit sind dabei grundsätzlich gleich zu behandeln.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 25.11.2003 - 17 Ca 11076/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 4.596 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Die Parteien streiten vorab über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage.

Der Kläger ist seit dem 02.04.2001 bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, als Busfahrer tätig. Er beantragte für die Zeit vom 15.09.2003 bis 12.10.2003 Erholungsurlaub, der ihm mit Urlaubsschein vom 27.06.2003 genehmigt wurde. Von Mittwoch, dem 13.08.2003 bis Freitag, dem 15.08.2003 war der Kläger arbeitsunfähig. Am 13./14.08.2003 reiste er mit einem Bekannten, der ihm eine Mitfahrgelegenheit angeboten hatte, in die Ukraine, um dort einen vierwöchigen Urlaub zu verbringen. Am 14.09.2003 kam er von dieser Reise zurück. Zwischenzeitlich hatte der Geschäftsführer der Beklagten am Montag, dem 18.08.2003 vergeblich versucht, den Kläger in seiner Wohnung zu erreichen. Weitere Versuche des Betriebsratsvorsitzenden an den Folgetagen blieben gleichermaßen erfolglos. Am 21.08.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. Das Kündigungsschreiben wurde am gleichen Tag in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Der Kläger fand das Kündigungsschreiben nach seiner Rückkehr am 14.09.2003 vor und hat am 23.09.2003 durch seinen Prozessbevollmächtigten Kündigungsschutzklage verbunden mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung gemäß § 5 KSchG erhoben.

Der Kläger macht geltend, er habe irrtümlich für den oben genannten Zeitraum Urlaub beantragt. Richtigerweise habe er für die Zeit vom 15.08.2003 bis 14.09.2003 Urlaub beantragen wollen. Er habe versehentlich den Urlaubszeitraum um einen Monat verschoben.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit Beschluss vom 25.11.2003 nachträglich zugelassen. Gegen diesen ihr am 01.12.2003 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 15.12.2003 sofortige Beschwerde eingelegt.

II. Die nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht nachträglich zugelassen. Das Beschwerdegericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug. Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung geben lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

Gemäß § 5 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG zu erheben. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Soweit die Beklagte darauf abstellt, es fehle an einer unverschuldeten Versäumung der Klagefrist, da sich der Kläger bei unterstellter Richtigkeit seines Vortrags jedenfalls in einem verschuldeten Irrtum bezüglich seines Urlaubszeitraums befunden habe, vermischt sie unzulässigerweise die materielle Rechtsfrage des Kündigungsgrundes mit derjenigen der Verhinderung einer rechtzeitigen Klageerhebung. Nur der zuletzt genannten Gesichtspunkt ist für die nachträgliche Zulassung gemäß § 5 KSchG maßgeblich. Unstreitig war der Kläger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs nicht zu hause, sondern befand sich bis zum 13.09.2003 in der Ukraine. Er erlangte erstmalig am 14.09.2003 Kenntnis von der Kündigung. Eine vorherige, rechtzeitige Klageerhebung war ihm aufgrund seiner Ortsabwesenheit unmöglich. Das Arbeitsgericht hat daher zu Recht die auf einem unentschuldigten Fehlen beruhende Ortsabwesenheit des Klägers einer urlaubsbedingten Abwesenheit gleichbehandelt. Dies entspricht auch der ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum (KR-Friedrich, 6. Aufl., § 5 KSchG Rz. 59; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. Rz. 1854; APS/Ascheid, § 5 KSchG Rz. 48; Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, 5. Aufl., § 5 KSchG Rz. 10; Küttner-Eisemann, Personalbuch 10. Aufl. 2003, Kündigungsschutz Rz. 139 jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Frage der Vorwerfbarkeit des klägerischen "Urlaubsirrtums" betrifft demgegenüber allein den materiellen Kündigungsgrund.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten war der Kläger auch nicht verpflichtet, während seiner Ortsabwesenheit ständig erreichbar zu sein. Es bestand aus seiner Sicht keine Veranlassung mit einer Kündigung rechnen zu müssen. Er brauchte daher keine Vorkehrungen zur Postnachsendung oder anderweitigen Benachrichtigung durch dritte Personen über die zu hause eingehende Post zu veranlassen (vgl. ErfK/Ascheid, 4. Aufl., § 5 KSchG Rz. 17 mit weiteren Nachweisen).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung beruht auf § 12 Abs. 7 ArbGG.

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