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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.06.2009
Aktenzeichen: 3 TaBV 40/09
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 98
Bei instanzgerichtlicher Kritik gegenüber einer bestimmten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann bis zu einer erneuten Auseinandersetzung des Bundesarbeitsgerichts mit dieser LAG-Rechtsprechung keine offensichtliche Unzuständigkeit i. S. v. § 98 ArbGG angenommen werden.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 13.05.2009 - 8 BV 38/09 d - abgeändert. Der Richter am Arbeitsgericht Düsseldorf O wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Verhandlung eines Sozialplans anlässlich der Stilllegung des Betriebs der Beteiligten zu 2. in D bestellt und die Zahl der Beisitzer je Seite wird auf zwei festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle.

Die Beteiligte zu 2) beschäftigt in ihrem Betrieb in D 28 Arbeitnehmer. Der Antragsteller ist der dort am 27.03.2009 erstmalig gewählte Betriebsrat.

Bereits im Februar 2009 traf die Geschäftsführung die unternehmerische Entscheidung, den o.g. Betrieb zum 31.03.2009 zu schließen. Dem stimmte der bei der Beteiligten zu 2) gebildete Beirat mit Beschluss vom 25.02.2009 zu. Unmittelbar anschließend begann die Beteiligte zu 2) mit der Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses und stellte die Betriebsmittel zum Verkauf, begann mit der Suche nach Mietern für die Betriebsimmobilie, handelte mit einer Transfergesellschaft einen Transfervertrag aus und bereitete die Kündigung der Arbeitsverhältnisse für den Fall vor, dass die Arbeitnehmer mit einem Wechsel in die Transfergesellschaft nicht einverstanden sein sollten. Auf einer Betriebsversammlung am 18.03.2009 wurden die Arbeitnehmer entsprechend informiert. Am 20.3.2009 erstatte die Beteiligte zu 2) eine Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit und stellte am 26.03.2009 sämtlichen Arbeitnehmern die Kündigungsschreiben per Boten zu.

Am 27.03.2009 wurde die Wahl des Betriebsrats durchgeführt und der Antragsteller konstituierte sich noch am selben Tag. Er forderte die Beteiligte zu ebenfalls noch am 27.03.2009 auf, mit ihm in Verhandlungen über einen Sozialplan zu treten. Dies lehnte die Beteiligte zu 2) ab. Mit der am 24.02.2009 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Antragsschrift begehrt der Antragsteller im Wege des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens die Bestellung eines Vorsitzenden sowie die Festsetzung der nötigen Beisitzeranzahl für eine Einigungsstelle über den Abschluss eines Sozialplans.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13.05.2009 die Anträge zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die begehrte Einigungsstelle sei nach Auffassung des Gerichts offensichtlich unzuständig, da eine Sozialplanpflicht aufgrund der im Zeitpunkt der Wahl des Antragstellers bereits vorliegenden und in der Folgezeit umgesetzten unternehmerischen Entscheidung nicht in Betracht komme. Die gegenteilige Argumentation der 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln im Beschluss vom 05.03.2007 verkenne den systematischen Zusammenhang zwischen dem im vorliegenden Fall nicht mehr möglichen Interessenausgleich und dem begehrten Sozialplan.

Gegen diesen ihm am 27.05.2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 08.06.2009 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er meint weiterhin die Einigungsstelle sei im vorliegenden Fall nicht offensichtlich unzuständig, da die vom Arbeitsgericht vertretene Rechtsauffassung zur fehlenden Sozialplanpflicht jedenfalls nicht einhellig sei. Zwar entspreche sie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Diese werde aber in jüngerer Zeit von mehreren Instanzgerichten kritisiert.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 13.05.2009 - 8 BV 38/09 d - abzuändern und den Richter am Arbeitsgericht Düsseldorf O zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Verhandlung eines Sozialplans anlässlich der eingeleiteten Stilllegung des Betriebs der Beteiligten zu 2) in D zu bestellen und die Anzahl der Beisitzer der Einigungsstelle auf jeweils drei festzulegen.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2) rügt zunächst die Unzulässigkeit der Beschwerde und meint, der Antragsteller habe sich nicht hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt. Im Übrigen tritt sie der erstinstanzlichen Entscheidung bei und hält die Einigungsstelle im Hinblick auf die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung für offensichtlich unzuständig. Schließlich hält sie eine Besetzung der Einigungsstelle mit drei Beisitzern nicht für erforderlich.

II.

1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 98 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 98 Abs. 2 Satz 2, 87 Abs. 2 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

a) Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG scheidet die gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle nur dann aus, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Das ist der Fall, wenn sich dies bereits aus dem eigenen Tatsachenvorbringen des Antragstellers auf der Grundlage einer gefestigten Rechtsmeinung ergibt, zu der eine Gegenmeinung nicht existiert oder nicht ernsthaft vertretbar erscheint, oder aber dann, wenn die zuständigkeitsbegründende Tatsachengrundlage zwar streitig ist, die Richtigkeit der für die Unzuständigkeit der Einigungsstelle sprechenden Tatsachen dem Gericht im Sinne von § 291 ZPO jedoch offenkundig ist oder gemacht wird (LAG Köln, Beschluss vom 05.12.2001 - 7 TaBV 71/01 - NZA-RR 2002, 586; LAG Köln, Beschluss vom 21.07.2004 - 3 TaBV 39/04 -; LAG Hamm, Beschluss vom 08.11.2002 - 10 (13) TaBV 59/02 - NZA-RR 2003, 543; Küttner-Kreitner, Personalbuch, 16. Aufl. 2009, Einigungsstelle Rz. 17 m.w.Nachw.).

b) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Es fehlt an der erforderlichen gefestigten und nicht in Zweifel gezogenen Rechtsmeinung.

Zwar entspricht es der ständigen und insofern auch gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass grundsätzlich weder eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Verhandlung über einen Interessenausgleich noch zur Verhandlung über einen Sozialplan besteht, der eine Betriebsänderung zum Gegenstand hat, die auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, die vor der Konstituierung des Betriebsrats getroffen wurde. Dies hat die Beteiligte zu 2) im Einzelnen unter Nennung einer Vielzahl von Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts von 1982 bis 2003 zutreffend ausgeführt. Andererseits hat sich jedoch die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln mit Beschluss vom 05.03.2007 (- 2 TaBV 10/07 - ArbuR 2007, 395) mit dieser Rechtsprechung kritisch auseinandergesetzt und ein Mitbestimmungsrecht auch bei einer derart späten Konstituierung des Betriebsrats bejaht.

Ob dieser Kritik in der Sache zu folgen ist, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls erscheint die von der 2. Kammer geäußerte Kritik nicht gänzlich unvertretbar im oben genannten Sinn. Bis zu einer erneuten Auseinandersetzung des Bundesarbeitsgerichts mit dieser Instanzrechtsprechung kann daher eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht angenommen werden. Eine Aussage zum Bestehen eines Mitbestimmungsrechts im konkreten Fall ist damit nicht getroffen. Die Klärung dieser Frage bleibt vielmehr der Einigungsstelle oder - wie in der heutigen Erörterung angesprochen - einer arbeitsgerichtlichen Klärung vorbehalten.

c) Hinsichtlich der Person des vom Antragsteller beantragten Einigungsstellenvorsitzenden hat die Beteiligte zu 2) keine Einwände erhoben. Herr O , Richter am Arbeitsgericht Düsseldorf, war daher antragsgemäß zum Vorsitzenden zu bestellen.

2. Die Zahl der Beisitzer wird auf zwei je Seite festgelegt. Dies entspricht der üblichen Besetzung einer Einigungsstelle mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad (vgl. LAG Niedersachsen, Beschluss vom 15.08.2006 - 1 TaBV 43/06 - NZA-RR 2006, 644). Anhaltspunkte für eine höhere Beisitzeranzahl sind nicht zuletzt angesichts der geringen Betriebsgröße nicht ersichtlich. Die weitergehende Beschwerde des Antragstellers war daher zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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