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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 20.01.2006
Aktenzeichen: 4 (9) Sa 1254/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a
Hinweis: Im vorliegenden Fall wurde ein Betriebsübergang im Gegensatz zu dem von der erkennenden Kammer im Urteil vom 08.03.2004 (4 Sa 1115/03) entschiedenen Fall verneint.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 22.04.2005 - 9 Ca 5656/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufungsinstanz einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit seit dem 02.09.2004 und um eine Sozialplanabfindung. Dabei geht der Streit im Wesentlichen darum, ob die Streithelferin den Filmtheaterbetrieb der Beklagten zum 02.09.2004 übernommen hat.

Der Kläger war in dem Kino der Beklagten in A beschäftigt. Das Kino ist Teil des sogenannten K Karrees in A . Dieses wurde in den Jahren ab 1998 unter Um- und Ausbau der denkmalgeschützten Hauptpost und Errichtung weiterer Gebäude erstellt. Das dort gebaute Multiplex-Kino wurde von der Grundstücksgesellschaft im Jahre 2000 an die U GmbH & Co KG vermietet. Eröffnet wurde das Kino am 18.12.2001. Nachdem die U GmbH & Co KG insolvent geworden war, wurde unter dem 28.04.2003 mit der Beklagten ein neuer Mietvertrag geschlossen. Der Kinobetrieb wurde seinerzeit nahtlos fortgesetzt. Die Beklagte hatte mit rückläufigen Besucherzahlen und Verlusten zu kämpfen. Es stellten sich auch brandschutztechnische Probleme ein, u. a. deshalb, weil die Lüftungs- und Entrauchungsanlagen jeweils mehrerer Kinosäle zusammengefasst und darüber hinaus die Lüftungs- mit den Entrauchungsanlagen gekoppelt waren. Die Ausführung erwies sich als fehleranfällige Gebäudetechnik. Im März 2003 ereignete sich ein Vorfall, bei dem sich bei einem Fehlalarm und fälschlicher Weise einsetzender Entrauchung ein Unterdruck in einem Kinosaal einstellte, so dass die Saalausgangstüren nicht mehr geöffnet werden konnten. Daraufhin wurden die Kinosäle 1 bis 3 zunächst geschlossen. Am 08.03.2004 wurde eine vorläufige Innutzungnahme wieder bewilligt. Im Zusammenhang mit diesen vorübergehenden Schließungen und rückläufigen Umsatzentwicklungen führten die Beklagte und die Grundstücksgesellschaft Verhandlungen über die Fortsetzungen des Mietverhältnisses. Im März, April und Mai 2004 kam jeweils zu außerordentlichen Kündigungen des Mietverhältnisses.

In der Nacht vom 19. auf den 20.04.2004 entfernte die Beklagte die komplette Kino- und Vorführtechnik, d. h. die Projektionstechnik einschließlich der Lautsprecher. Des weiteren wurden von der Beklagten sämtliche fest eingebauten 2.466 Kinostühle entfernt. Ebenso entfernte sie das gesamte Kassen-, IT- und Ticketsystem, die Konzessionsgeräte (für Getränke, Popcorn, Nachos etc.), soweit die Geräte nicht fremd angemietet waren, schließlich die gesamte Einrichtung der Büro- und Nebenräume. Weiter entfernte die Beklagte die Popcornmaschine. Die zurückbelassenen Konzessionsgeräte standen nicht im Eigentum der Beklagten, sondern der jeweiligen Miet- bzw. Leasinggesellschaften und wurden von diesen aus dem Objekt entfernt.

Im Kino verblieben die Wandbespannung, der Teppichboden, Bild/Kaschierwände, der Bühnenvorhang eines von neun Sälen sowie die Beleuchtung, insbesondere die Decken- und Wandbeleuchtung.

Von den Bildwänden konnten später nur drei weiter benutzt werden, die übrigen waren beschädigt und defekt. Bei der Wandbeleuchtung in den Kinosälen fehlte die Abdeckung. Die Stufenbeleuchtung war irreparabel defekt und wurde später komplett ausgetauscht. Die Teppichböden mussten gereinigt werden und der Parkettboden abgeschliffen werden.

Mit Schreiben der Stadt A vom 26.04.2004 wurde die Gestattung vorzeitiger Innutzungnahme des Kinos vom 08.03.2004 vor dem Hintergrund der technischen Probleme und der faktischen Einstellung des Spielbetriebes aufgehoben.

Am 26.05.2004 vereinbarte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb in A gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, in dessen Folge sie noch im Mai 2004 allen Arbeitnehmer kündigte und sie freistellte. Am 22.06.2005 wurde der Sozialplan abgeschlossen.

Am 28.05.2004 schloss die Beklagte mit der Vermieterin eine Vereinbarung über die Beendigung des Mietverhältnisses (Anl. B 3), auf die Bezug genommen wird. Danach wurde das Mietverhältnis zum 31.05.2004 beendet.

Von der Streithelferin eingereichte Fotos (Bl. 241 ff. d. A.) zeigen den Zustand nach Auszug der Beklagten.

In der Folgezeit wurden die technischen Probleme im Zusammenwirken mit den Behörden beseitigt. Die Streithelferin richtete das Kino mit großzügiger bemessenen 2.218 klappbare Kinostühlen, einer komplett Filmvorführ- und Tontechnik, bisher nicht vorhandenen Bühnenvorhängen in acht von neun Vorführsälen, einer neuen Stufenbeleuchtung, teilweisen neuen Bildwänden und -rahmen ein. Sie ließ ein neues IT-Kassensystem und neue Ticketautomaten sowie eine neue Bürocomputerausstattung installieren. Die Elektrotechnik, der Konzessionsbereich, der Kinokassenbereich sowie die Büro- und Nebenräume wurden neu ausgestattet. Es wurde eine erneute Genehmigung für die Innutzungnahme des Objekts erteilt.

Während die Beklagte den vormaligen Namen "U P " fortgeführt hatte, eröffnete die Streithelferin in den Räumlichkeiten ein neues Kino mit den Namen "C K A ."

Die Arbeitnehmer der Beklagten wurden nicht von der Streithelferin übernommen. Der vormalige Theaterleiter der Beklagten, Herr D , wurde in einem Kino der Beklagten in I eingesetzt.

Die Streithelferin verfügt im Gegensatz zu der Beklagten über eine Schankerlaubnis.

Der Kläger hatte gegen die ihm von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung, die das Beendigungsdatum 31.01.2005 vorsah, zunächst Kündigungsschutzklage erhoben, diese jedoch zurückgenommen. Mit der vorliegenden Klage begehrt er Zahlung der Gehälter von September 2004 bis Januar 2005 auf der Basis eines der Höhe nach unstreitigen monatlichen Bruttogehaltes von 1.422,00 €. Er lässt sich darauf erhaltenes Arbeitslosengeld anrechnen. Desweiteren begehrt er Auszahlung der Sozialplanabfindung, deren Höhe ebenfalls unstreitig ist. Wegen der Berechnung der Klageansprüche wird auf Bl. 1 bis 3, 233 ff. d. A. Bezug genommen.

Der Kläger und die Streithelferin sind im Gegensatz zu der Beklagten der Auffassung, dass die Streithelferin nicht im Wege des Betriebsübergangs den Betrieb der Beklagten übernommen habe.

Dazu tragen der Kläger und die Streithelferin vor:

Die Vermieterin habe auch die Kassen- und Verkaufsstände sowie die beiden Kassenhäuschen entfernt.

Die Streithelferin habe folgende Ausgaben für Neuinvestitionen gehabt: Komplette Bestuhlung ca. 500.000,00 €, Projektionstechnik und Tontechnik ca. 500.000,00 €, Kassen- und Ticketsystem sowie Bürocomputer 120.000,00 €, Konzessionsgeräte/Schreinerarbeiten 190.000,00 €, Vorhänge (acht von insgesamt neun) und Stufenbeleuchtung 140.000,00 €.

Der Kinobetrieb sei auch äußerlich nicht mehr ähnlich. Das Kinofoyer sei durch Begrünung, Möblierung, große herabhängende Filmbanner und computergesteuerte Lichtinszenierungen völlig neu gestaltet worden.

Zwischenzeitlich sei es möglich, dass die Kunden sich ohne erst eine Eintrittskarte erwerben zu müssen, frei im gesamten Komplex bewegen könnten. Der bisherige Free-Flow-Bereich des Foyers sei in einen Bedienungsbereich umgewandelt worden. Der Eingangsbereich, der bisher einen reinen Kassendurchgangsbereich dargestellt habe, sei damit mit einer besonderen Aufenthaltsqualität versehen worden. Darüber hinaus seien künftig weitere gastronomische Einrichtungen, wie Bistro/Restaurant; Café/Sektbar geplant.

Das von der Streithelferin entwickelte Betreiberkonzept unterscheide sich erheblich von dem der Beklagten. Eine höhere Kunden- und Serviceorientierung gehe einher mit einem standortbezogenen Film- und Entertainmentangebot. Die programmatische Ausrichtung sei unter anderem auch auf das b Kinopublikum und einen hohen Studentenanteil ausgerichtet worden. Es werde kostenfreies Open-Air-Kino veranstaltet, Sneak-Preview-Vorführungen fänden statt, Filme würden im O-Ton gezeigt, Filmklassiker und Familienvorstellungen kombiniert mit Brunch, Kinoveranstaltungen mit Tanzschulen, Vereinen usw.

Die Kunden- und Serviceorientierung sei mit einer personellen Neuausrichtung verbunden gewesen, u. a. an Bedientheken, Begleitservice einschließlich Platzanweiser, Eispause und persönlichem Führungsstil.

Es gebe ein sogenanntes Center-Marketing in Zusammenarbeit mit anderen Mietern des K wie gemeinsamen Veranstaltungen, Open-Air-Kino, aktiver Beteiligung in der Werbegemeinschaft.

Das Gebäude sei schließlich ohne großen Aufwand auch anderweitig nutzbar, da es sich - was als solches unstreitig ist - um eine sogenannte gestelzte Konstruktion handele.

Was die Kunden anbelange, so sei ein Kundenstamm nicht von der Streithelferin übernommen worden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ohnehin das Kino erst seit kurzer Zeit existiert habe. Der Betrieb der Beklagten sei durch zahlreiche Pannen gekennzeichnet gewesen, die programmatische Ausrichtung sei teilweise verändert. Auch sei der viereinhalbmonatige Stillstand des Kinos zu berücksichtigen. Die Kundschaft der Beklagten sei aufgrund der Misswirtschaft bereits zur Konkurrenz übergelaufen gewesen.

Wegen der erstinstanzlichen Anträge des Klägers wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, wegen der Übernahme der Räumlichkeiten, der Wasserlieferung und der Energielieferung sowie eines Teils des Inventars handele es sich um einen Betriebsübergang. Die Unterbrechung der Tätigkeit habe nur drei Monate gedauert. Auch die programmatische Ausrichtung sei nicht wesentlich anders. Die Streithelferin zeige kommerzielle Filme.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz verfolgen die Parteien und die Streithelferin ihr Prozessziel im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages mit Rechtsausführungen weiter. Insoweit wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 22.04.2005 - 9 Ca 5656/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und die Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien und der Streithelferin wird auf zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg.

A. Zu Recht hat das Arbeitsgericht einen Betriebübergang auf die Streithelferin verneint.

Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit einer Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnende Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf allerdings nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen Merkmalen, wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehende Betriebsmitteln (z. B. BAG 14.05.1998 - 8 AZR 328/96 -).

I. Die Streithelferin hat die Räumlichkeiten übernommen, in denen auch die Beklagte einen Kinobetrieb führte. Die erkennende Kammer hat in dem den Parteien bekannten Urteil vom 08.03.2004 (4 Sa 1115/03) ausgeführt, dass ein Kinobetrieb zunächst geprägt ist durch den Einsatz erheblicher Immobiliarwerte. Ein Kino ist in der Tat stark und in erster Linie durch die Immobilie geprägt. Die Immobilie indes kann nicht allein für die Identität des Betriebes ausschlaggebend sein. So hat die Kammer in dem zitierten Urteil bereits darauf hingewiesen, dass ein Kino auch einer spezifischen Ansammlung von beweglichen materiellen Gütern wie Stuhlreihen, Leinwänden, Vorhängen, Projektoren und Beleuchtung bedarf.

II. Von diesen Mobiliargütern hat die Beklagte nichts Wesentliches übernommen, was nicht wie Bodenbeläge und Wandbespannung eher als Teil der Räumlichkeiten anzusehen ist. Sie hat die leeren Räumlichkeiten übernommen, die der wesentlichen kinotypischen, kostenaufwendigen Mobiliarwerte beraubt waren. So hat sie insbesondere die aus mehreren tausend Stühlen bestehende Bestuhlung nicht übernommen. Sie hat die gesamte Projektionstechnik und die Tontechnik nicht übernommen. Die Beleuchtung hat sie nur teilweise übernommen, insbesondere nicht die kinotypische, aufwendige Beleuchtung der Stuhlreihen. Des weiteren hat sie nicht das Kassen- und Ticketsystem sowie die Möblierung aller Büros und Nebenräume übernommen. Ebenfalls nicht übernommen wurden im Wesentlichen die für den Verkauf von Waren gerade in einem Multiplexkino nicht unbedeutsamen Stände und Einrichtungen (z. B. die Popcornmaschine). Zu Recht sind die erstinstanzlichen Entscheidungen davon ausgegangen, dass sich mit den entleerten Räumlichkeiten ein Kino nicht betreiben lässt.

Die Streithelferin hat ausgeführt, welche erheblichen Mittel sie für die Instandsetzung und Wiederherrichtung des Kinobetriebs aufgewandt hat.

Sofern die Beklagte meint, damit genüge die Streithelferin nicht ihrer Darlegungs- und Beweislast, so verkennt die Beklagte, dass sie selbst die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass im vorliegenden Fall ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Die Beklagte wehrt sich nämlich mit rechtsvernichtenden Einwendungen gegen die in ihrer Entstehung unstreitigen klägerischen Ansprüche. Für solche rechtsvernichtenden Einwendungen trägt die Beklagte nach allgemeinen prozessualen Regelungen die Darlegungs- und Beweislast.

III. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Streithelferin relevante immaterielle Werte übernommen hat.

1. Dieses gilt zunächst - im Gegensatz zu dem Sachverhalt in der Entscheidung der erkennenden Kammer vom 08.03.2004 für den Namen des Kinos.

2. Es kann im vorliegenden Fall auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte einen wesentlichen Teil der bisherigen Kundschaft übernommen hat bzw. die Chance hatte, diese zu übernehmen. Zwar kann die Lage des Kinos für die Kundschaft relevant sein. Im vorliegenden Fall hat die Streithelferin indes eine Reihe von Anhaltspunkten vorgetragen, die dafür sprechen, dass kein wesentlicher Teil der Kundschaft übernommen wurde:

Der Betrieb des Kinos durch die Beklagte war durch Pannen und wirtschaftlichen Niedergang betroffen.

Das Kino hat zudem knapp 4 1/2 Monate stillgestanden. Die Berechnung dieser Zeit ergibt sich daraus, dass die Beklagte in der Nacht vom 19. auf den 20.04.2004 die Vorführtechnik ausgebaut hat. Ab diesem Zeitpunkt konnte ein Kino nicht mehr betrieben werden. Die Streithelferin hat erst am 02.09.2004 den Kinobetrieb aufgenommen.

Die Dauer einer Betriebsunterbrechung ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des BAG im Übrigen als selbständiges Kriterium im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 22.05.1997 - 8 AZR 101/96 - die Frage der Betriebsunterbrechung bei einem Einzelhandelsgeschäft behandelt. Es hat nach unten keine feste Grenze gezogen, sondern ausgeführt, dass jedenfalls im dortigen Fall (9 Monate) und in einem Fall, in dem auch die längsten Kündigungsfristen nach § 622 BGB überschritten sind, die Tätigkeitsunterbrechung so relevant ist, dass diese als solche zu einer Verneinung des Betriebsübergangs führt. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Handel mit Mode und Kleidung stark saisonabhängig sei.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade bei einem Einzelhandelsgeschäft eine Kundenbindung aufgrund des Sortiments, der Bedienung und ähnlicher Dinge stärker ist als bei einem Kino. Auch wird Kleidung typischerweise nicht kontinuierlich gekauft, sondern in saisongeprägten Abständen. Bei einem Kinobetrieb ist einerseits die Kundenbindung generell weniger stark, zum anderen besucht ein Kinobesucher ein bestimmtes Kino typischerweise nicht in regelmäßigen größeren Zeitabständen. Bei einem Stillstand eines Kinobetriebes von 4 1/2 Monaten, zumal bei einem durch Pannen geprägten vorherigen Betrieb, liegt es nahe, dass die Kundschaft zur Konkurrenz übergeht und erst neu gewonnen werden muss. Jedenfalls kann aufgrund der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass ein Kundenstamm übernommen worden ist oder dass auch nur eine reale Chance bestand, diesen zu einem wesentlichen Teil übernehmen.

IV. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass Personal übernommen worden ist, jedenfalls wurde nicht eine eingespielte Arbeitsorganisation übernommen.

Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Nichtübernahme von Personal generell noch als Negativkriterium für die Verneinung eines Betriebsübergangs herangezogen werden kann. Im vorliegenden Fall ist indes wiederum zu berücksichtigen, dass der Kinobetrieb über 4 1/2 Monate stillstand und das die Arbeitnehmer bereits im Mai freigestellt worden waren. In einem solchen Fall haben sich für einen späteren Übernehmer typischerweise sogar die Chancen verflüchtigt, eine eingespielte Belegschaft und eine bisherige Arbeitsorganisation zu übernehmen. Gegenteiliges hat die darlegungsbelastete Beklagte nicht vorgetragen.

V. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Tätigkeit identisch geblieben wäre. Zwar betreibt die Streithelferin auch ein Kino. Sie hat indes vorgetragen, dass, was die sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeiten, insbesondere den Verkauf von Waren anbelangt, ein neues Konzept eingeführt worden sei, welches eine Neuorientierung auch im Personalbereich bedinge. Die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, dass insoweit noch eine Ähnlichkeit mit ihrem Betrieb bestehe. Sie hat nicht dargetan, wie im Einzelnen ihr Kinobetrieb konzipiert und organisiert war.

VI. Soweit die Beklagte schließlich darauf abhebt, dass die Streithelferin Wasser und Energie so beziehe, wie sie, die Beklagte, zuvor, so erscheint dieses Kriterium der Kammer irrelevant. Wasser- und Energiebezug ist kein prägendes Merkmal eines Kinobetriebes. Zahlreiche andere Dienstleistungsbetriebe brauchen auch Wasser und Energie. Die Identität des Kinos ist dadurch nicht geprägt.

VII. Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist zu berücksichtigen, dass nicht festgestellt werden kann, dass die Streithelferin mehr als die ihrer prägenden Einrichtungen beraubten Räumlichkeiten übernommen hat. Es kann mithin nicht festgestellt werden, dass die Streithelferin einen Betrieb fortführte, der mit dem bisherigen identisch war.

B. Ist die Streithelferin mithin nicht zum 02.09.2004 in das Arbeitsverhältnis des Klägers eingetreten, so ist auch zu diesem Zeitpunkt nicht die Entgeltzahlungspflicht von der Beklagten auf die Streithelferin gemäß § 613 a Abs. 1 BGB übergegangen.

C. Ebenso ist die Geschäftsgrundlage für den Sozialplan schon deshalb nicht weggefallen, da kein Betriebsübergang vorliegt.

Dahinstehen kann dabei, dass nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 28.08.1996 - 10 AZR 886/95 - AP Nr. 104 zu § 112 BetrVG 1972) der Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zu einem Erlöschen der Ansprüche führt. Der Arbeitgeber kann allenfalls - ggf. über die Einigungsstelle - mit dem Betriebsrat eine Anpassung des Sozialplanes vornehmen. Solange ein solches Verfahren durchgeführt wird, sind nach dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfahren über Sozialplanansprüche gemäß § 148 ZPO auszusetzen. Die Beklagte hat aber nicht behauptet, überhaupt jemals mit dem Betriebsrat über eine Anpassung des Sozialplans verhandelt zu haben. Es sind inzwischen 1 1/2 Jahre seit der Betriebsstilllegung vergangen. Es erschiene im Rahmen des Ermessens nach § 148 ZPO unangemessen, den Rechtsstreit dann noch auszusetzen. Hinzukommt, dass die Beklagte ihre Betriebsgemeinschaft vollständig aufgelöst hat und nicht einmal erkennbar ist, dass noch ein Betriebsrat mit einem Restmandat bestünde oder ggf. zusammengerufen und beteiligt werden könnte.

Dahinstehen kann schließlich auch, dass die Kammer selbst dann, wenn es sich über einen Betriebsübergang handeln würde, erhebliche Zweifel hätte, ob die Voraussetzungen vorliegen, die das Bundesarbeitsgericht für den Wegfall einer Geschäftsgrundlage aufgestellt hat. Nach der zitierten Entscheidung entfällt die Geschäftsgrundlage des für die Stilllegung vereinbarten Sozialplans, wenn alsbald nach Ausspruch der Kündigungen der Betrieb von einem Dritten übernommen wird, der sich bereit erklärt, alle Arbeitsverhältnisse zu den bisherigen Bedingungen fortzuführen. Weder kann im vorliegenden Fall festgestellt werden, dass der Betrieb alsbald nach Ausspruch der Kündigungen übernommen worden ist, noch, dass sich die Streithelferin jemals bereit erklärt hätte, die Arbeitsverhältnisse zu den bisherigen Bedingungen fortzuführen. Gerade angesichts der Zweifelhaftigkeit eines Betriebsübergangs war es den Arbeitnehmern nicht zuzumuten, ggf. Rechtsstreitigkeiten mit der Streithelferin über den Betriebsübergang zu führen.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.

Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, da aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles ein Betriebsübergang zu verneinen ist und es im vorliegenden Fall nicht grundsätzlich darauf ankommt, wann bei einem Kinobetrieb ein Betriebsübergang stattfinden kann. Im vorliegenden Fall erscheint ein Betriebsübergang im Gegensatz zu dem am 08.03.2004 von der erkennenden Kammer entschiedenen Fall fernliegend.

Ende der Entscheidung

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