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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 10.02.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 1135/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 2
Anforderungen an den Vortrag zu einer Organisationsentscheidung als dringendem betrieblichem Grund für eine (Änderungs-)kündigung
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.06.2005 - 5 Ca 134/05 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

(Wegen des Tatbestandes wird auf das erstinstanzliche Urteil und die Berufungsschriftsätze Bezug genommen, § 69 ArbGG.)

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte in der Sache keinen Erfolg.

Es kann bereits nicht die Betriebsbedingtheit der Änderungskündigung festgestellt werden. Daher kommt es auf die soziale Auswahl nicht mehr an.

1. Die die ordentliche Änderungskündigung sozial rechtfertigenden dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1, § 2 KSchG setzen voraus, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist. Dies kann auf einer unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen eines Betriebes oder einzelner Arbeitsplätze beruhen (vgl. BAG, 20.04.2004, AP KSchG 1969, § 2 Nr. 74).

Eine Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entfällt. Liegt eine unternehmerische Entscheidung vor, so ist sie selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit zu prüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. z.B. BAG 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - ).

Reduziert sich die Organisationsentscheidung aber auf eine Personalreduzierung und damit praktisch auf die Kündigung als solche, kommt also die Organisationsentscheidung dem Entschluss zur Kündigung selbst nahe oder deckt sie sich mit ihm, sind diese beiden Entscheidungen ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden. Deshalb sind die Anforderungen an den vom Arbeitgeber zu erbringenden Tatsachenvortrag, der die Kündigung bedingen soll, nicht zu niedrig anzusetzen. Vielmehr kann in solchen Fällen nicht von vorneherein vermutet werden, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen. Der Arbeitgeber muss im Prozess konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auswirkt (BAG, 12.04.2002 - 2 AZR 740/00 - ).

2. Die Beklagte hat sich auf den Vorstandsbeschluss aus der Sitzung vom 13.09.2004 berufen, der in der Anlage B 3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28.01.2005 (Bl. 31 ff. d.A.) niedergelegt ist. Aus dieser Vorstandsentscheidung zur Vertriebsstruktur 2005 und dem dazu abgeschlossenen Interessenausgleich zur Vertriebsstruktur 2005 (Anlage B 4, Bl. 74 ff. d.A.) folge - was als solches unstreitig ist - dass für den Vertriebsinnendienst der Bezirksdirektion Köln ab dem 01.01.2005 insgesamt noch 7 Arbeitskapazitäten vorgesehen seien. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, sie habe sich entschieden, den aufgrund der Umsetzung der Vertriebsstruktur 2005 erforderlichen Personalabbau in der Bezirksdirektion K im Umfang von 2 Arbeitskapazitäten befristet bis zum 31.12.2006 nur über die natürliche Fluktuation abzubauen. Der danach noch verbleibende Personalüberhang (im Ergebnis eine Stelle) habe trotz aller Versuche leider nicht im Einvernehmen mit den im Innendienst beschäftigten Mitarbeitern beseitigt werden können. Deshalb sei die ordentliche Kündigung des Klägers erforderlich gewesen.

Nachdem der Kläger auf die vorliegend zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dem Fall, dass die Organisationsentscheidung nahe an den Kündigungsentschluss als solchen heranrückt, hingewiesen hatte (Bl. 91 d.A.) und gerügt hatte, der Vortrag der Beklagten werde den Anforderungen an die obliegende Darlegungslast nicht gerecht, hat die Beklagte folgendes Weiteres vorgetragen: Der Vorstandsbeschluss vom 13.09.2004 zur "Vertriebsstruktur 2005" (Anlage B 3) beinhalte - auf den Vertriebsinnendienst der Bezirksdirektionen bezogen - die Entscheidung, dass vom Vertriebsinnendienst der jeweiligen Bezirksdirektion künftig nur noch so viele Vertriebsinnendienstaufgaben des in der Anlage B 3 enthaltenen Aufgabenkatalogs "Vertriebsinnendienst der Bezirksdirektion" erledigt werden solle, wie dies von der gemäß dem Stellenplan der "Vertriebsstruktur 2005" vorgesehenen Zahl der Mitarbeiter des Vertriebsinnendienstes der jeweiligen Bezirksdirektionen vertragsgemäß sowie dauerhaft leistbar sei.

Bezogen auf die Bezirksdirektion K bedeute dies, dass der Leiter der Bezirksdirektion Herr K S zu entscheiden habe, welche Aufgaben und in welchem Umfang von den 7 Arbeitskapazitäten des Vertriebsinnendienstes der Bezirksdirektion K erledigt werden sollten und zwar so, dass dies von diesen Vertriebsinnendienstmitarbeitern vertragsgemäß sowie dauerhaft geleistet werden könne. So gehöre die Unterstützung der selbstständigen Versicherungsvertreter durch den Vertriebsinnendienst zu dem Aufgabenkatalog. Es gebe jedoch insoweit keinen Kernbereich von Arbeiten, der vom Innendienst einer Bezirksdirektion zwingend und unbedingt zu erledigen sei. Es sei allein Entscheidung der Beklagten, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der von ihr angestellte Vertriebsinnendienst die selbstständigen Versicherungsvertreter unterstützen solle. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten beinhalte z.B. daher auch, dass auf die verbleibenden Vertriebsinnendienstmitarbeiter einer Bezirksdirektion nur noch so viele vertriebsunterstützende Maßnahmen entfalten sollten, wie das von ihnen vertragsgemäß und dauerhaft leistbar sei. Wenn die Aufgaben aus dem Aufgabenkatalog von den 7,0 Arbeitskapazitäten des Vertriebsinnendienstes nicht im vertraggemäß zeitlichen Rahmen erbracht werden könnten, dann entfalle eben die Erledigung dieser Aufgaben oder der Aufwand werde für gewisse Aufgaben reduziert.

3. Es kann dahinstehen, ob ein nicht näher konkretisiertes Organisationskonzept, nur noch einen Teil der Aufgaben erledigen, der der reduzierten Arbeitskapazität entspricht, den vom Bundesarbeitsgericht gestellten Darlegungsanforderungen entspricht, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Selbst wenn man jedoch eine Unternehmerentscheidung dahingehend akzeptierte, dass bei einer Personalreduzierung aus einem vorgegebenen Aufgabenkatalog eben nur noch das gemacht werden solle, was in der vertragsgemäßen Arbeitszeit zu erledigen sei, so kann eine solche Unternehmerentscheidung im vorliegenden Fall weder festgestellt werden, noch könnte die Beklagte mit dem entsprechenden Vortrag im Prozess gehört werden:

a) Die von der Beklagten behauptete Vorstandsentscheidung ist der von der Beklagten überreichten Anlage B 3 nicht zu entnehmen. Dort sind die Aufgaben auf der Ebene der Bezirksdirektion definiert (vgl. Bl. 49 ff. d.A.). An keiner Stelle findet sich aber irgendein Hinweis darauf, dass diese Aufgaben nur zum Teil erledigt werden sollten. Erst recht findet sich kein Hinweis darauf, welche Aufgaben gegebenenfalls wegfallen sollten.

Die Beklagte behauptet auch selbst nicht, dass eine solche Entscheidung, die der Vorstandsbeschluss gar nicht vorsah, auf der Ebene des Leiters der Bezirksdirektion überhaupt jemals gefallen sei. Sie behauptet lediglich, der Leiter der Bezirksdirektion habe zu entscheiden.

Die Darlegungsanforderungen des Bundesarbeitsgerichts für den Fall, dass sich die Unternehmerentscheidung (Personalreduzierung) der reinen Entscheidung zur Kündigung annähert, hat insbesondere folgende Zielrichtung: Die Darlegung der organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der Unternehmerentscheidung hat den Sinn, einen Missbrauch des Kündigungsrechts auszuschließen. Vermieden werden soll zum einen eine rechtswidrige Überforderung und Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals, zum anderen, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um einen Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen. Der Arbeitgeber muss daher aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten des verbliebenen Personals ohne überobligationsmäßige Leistung erledigt werden können.

Der Vortrag der Beklagten läuft lediglich darauf hinaus, man werde vom verbliebenen Personal schon nichts Überobligationsmäßiges verlangen. Dann würden eben bestimmte Aufgaben nicht erledigt. werden.

Die Beklagte hat eine konkretisierende Entscheidung nicht einmal behauptet. Erst recht hat sie nicht angegeben, in welchem Umfang durch Nichterledigung bestimmter Aufgaben Arbeitskapazität eingespart werden kann.

b) Wenn man indes das zuvor behandelte Vorbringen der Beklagten als ausreichend ansehen wollte, wäre die Beklagte damit im vorliegenden Verfahren präkludiert. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich im Urteil vom 27.09.2001 ( - 2 AZR 176/00 - ) entschieden, dass das Vorbringen des Arbeitgebers, in welchem Umfang die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfielen und hinsichtlich einer näher zu konkretisierenden Prognose, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistung erledigt werden könnten, zum notwendigen Inhalt der Anhörung des Kollektivorgans (dort Sprecherausschuss, hier Betriebsrat) gehöre. Ohne eine solche Unterrichtung sei die Anhörung objektiv unvollständig. Bei diesem weiteren notwendigen Vortrag handele es sich auch nicht um eine bloße Erläuterung eines schon zuvor hinreichend mitgeteilten Sachverhalts, der auch ohne erneute Einschaltung des Vertretungsorgans im Kündigungsschutzprozess noch möglich wäre, da diese weiteren Informationen dem Kündigungssachverhalt überhaupt erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes gäben. Dem folgt die Kammer.

Die Beklagte hat dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben vom 13.12.2004 (Bl. 23 ff. d.A.) auch nichts zur organisatorischen Durchführbarkeit der Unternehmerentscheidung vorgetragen. Sie hat insbesondere nicht dem Betriebsrat vorgetragen, dass - was wie gesagt aus dem Vorstandsbeschluss (Anlage B 3) als solches nicht folgt - die dort dargestellten Aufgaben in der Bezirksdirektion nicht vollständig erledigt werden müssten und dass es Entscheidung des Leiters der Bezirksdirektion sei, diese Aufgaben nur insoweit zu erledigen, als sie mit den 7 Arbeitskapazitäten erledigt werden könnten. Selbst wenn man also diesen Vortrag ausreichen ließe, um der Reduzierung auf 7 Arbeitskapazitäten das Gewicht eines Kündigungsgrundes zu geben, so kann dieses im vorliegenden Prozess nicht verwertet werden.

Dahinstehen kann damit, ob die soziale Auswahl zutreffend erfolgt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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