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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 14.03.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 1585/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
Vereinbaren Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Arbeitsverhältnis, so ist durch Auslegung des Verhaltens der Parteien zu ermitteln, wie weit eine von der Lebensgemeinschaft zu trennende separate Rechtsbeziehung eines Arbeitsverhältnisses reichen soll und den Grundsatz der Nichtausgleichung innerhalb der Lebensgemeinschaft verdrängen soll.

Dieses kann dazu führen, dass lange Zeit nicht ausgezahlte Nettobeträge des abgerechneten Arbeitslohns bei Ende der Lebensgemeinschaft nicht nachgefordert werden können.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 17.10.2007 - 2 Ca 2944/06 EU - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, wohin die vermögenswirksamen Leistungen, die in den Brutto-/Netto-Abrechnungen des Klägers ausgewiesen sind, im Zeitraum von Dezember 2003 bis Januar 2006 abgeführt wurden.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits und den Kosten des Berufungsverfahrens 4 Sa 1585/07 haben der Kläger 95 % und die Beklagte 5 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.)

A. Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte hinsichtlich des Zahlungsantrages Erfolg.

I. Zwischen den Parteien bestand in der Zeit, für die die Restentgeltansprüche des Klägers zweitinstanzlich noch streitig sind (Februar 2003 - Mai 2006) eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, wobei die Parteien in einem gemeinsam erworbenen Haus lebten.

Bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stehen nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. insbesondere 13.02.1980 NJW 1980, 1521 ff.; 25.09.1997 NJW 1997, 3371) die persönlichen Beziehungen derart im Vordergrund, dass sie auch das die Gemeinschaft betreffende vermögensmäßige Handeln der Partner bestimmen und daher nicht nur in persönlicher, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht grundsätzlich keine Rechtsgemeinschaft besteht. Wenn die Partner nicht etwas Besonderes unter sich geregelt haben, werden dementsprechend persönliche und wirtschaftliche Leistungen nicht gegeneinander aufgerechnet. Beiträge werden geleistet, sofern Bedürfnisse auftreten, und, wenn nicht von beiden, so von demjenigen erbracht, der dazu in der Lage ist. Soweit nachträglich noch etwas ausgeglichen wird, geschieht das aus Solidarität, nicht in Erfüllung einer Rechtspflicht, wie überhaupt Gemeinschaften dieser Art die Vorstellung, für Leistungen im gemeinsamen Interesse könnten ohne besondere Vereinbarungen "Gegenleistungen", "Wertersatz", "Ausgleichung", "Entschädigung" verlangt werden, grundsätzlich fremd ist.

Davon gibt es nach dieser Rechtsprechung nur dann eine Ausnahme, wenn die Partner "etwas Besonderes unter sich geregelt haben" (vgl. insbesondere BGH 25.09.1997 a. a. O.

II. Das Arbeitsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, dass als eine solche besondere Regelung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien anzunehmen sei, welches die Mitarbeit des Klägers im Kurierbetrieb der Beklagten regelte. Diese Auffassung teilt zunächst im Ausgangspunkt auch die Kammer:

Ein Arbeitsverhältnis wurde jedenfalls insoweit tatsächlich gelebt, als dem Kläger für seine Mitarbeit monatliche Entgeltabrechnungen erstellt wurden, die ausdrücklich "Festlohn", "Zuschläge" und "AG-Anteile an vermögenswirksamen Leistungen" auswiesen. Es wurden einem Arbeitsverhältnis entsprechend Sozialabgaben und Steuern abgeführt. Unstreitig wurden auch entsprechende Aufwendungen bei den betrieblichen Steuererklärungen als Betriebsausgaben angesetzt.

Dass damit nicht nur zum Schein ein Arbeitsverhältnis vereinbart werden sollte, ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte selbst betont (Bl. 112 d. A.), dass die Tätigkeit des Klägers "nicht illegal sein" sollte. Zwar kann nach dem Vorbringen des Klägers - welches insofern völlig unsubstantiiert ist - nicht festgestellt werden, dass einem Arbeitsverhältnis entsprechend tatsächlich eine durch persönliche Weisungsgebundenheit gegebene Unterordnung des Klägers im Kurierbetrieb unter die Beklagte vorgelegen hätte. Dieses ändert jedoch nichts an dem durch das Abrechnungsverhalten klar belegten Willen der Parteien, die Tätigkeit des Klägers als Arbeitsverhältnis zu behandeln. Ein Rechtsverhältnis, das als Arbeitsverhältnis vereinbart wurde, wird durch bloße Nichtausübung der Weisungsrechte nicht zu einem freien Dienstverhältnis (BAG 25.01.2007 - 5 AZB 49/06).

III. Ist aber das Verhalten der Parteien so auszulegen, dass sich die Tätigkeit des Klägers im Kurierbetrieb als Arbeitsverhältnis darstellte, so bedeutet dieses noch nicht, dass dieses Arbeitsverhältnis in allen seinen Teilen dem Grundsatz der gemeinsamen Lebensführung und Lebensgemeinschaft entzogen war, wie er nach ständiger Rechtsprechung des BGH gegeben ist. Es ist wiederum durch Auslegung des Verhaltens der Parteien zu ermitteln, wie weit eine von der Lebensgemeinschaft zu trennende separate Rechtsbeziehung eines Arbeitsverhältnisses reichen soll und den Grundsatz der Nichtausgleichung innerhalb der Lebensgemeinschaft verdrängen soll.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass nach dem Vorbringen des Klägers (vgl. seine Aufstellung Bl. 2 d. A.) vom Januar 2003 bis zum Mai 2006, d. h. also bis zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Vorbringen des Klägers die Lebensgemeinschaft aufgehoben wurde, niemals der in den Abrechnungen ausgewiesene Nettobetrag an den Kläger ausbezahlt wurde. Während die Abrechnungen stets auf präzise Euro und Cent lauteten, wurde zunächst in zahlreichen Monaten gar nichts gezahlt, nämlich von Januar - August 2003, von Dezember 2003 - Februar 2004 und im April 2006. Im Übrigen wurden stets runde Beträge gezahlt, die deutlich unter den in der Abrechnung ausgewiesenen Nettobeträgen lagen. Insgesamt errechnet der Kläger aus diesen Differenzen einen Betrag von 24.604,25 €.

Unstreitig ist ferner, dass der Kläger bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Lebensgemeinschaft beendet wurde, weil der Kläger - wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat - ein Verhältnis zu einer anderen Frau aufgenommen hatte, niemals die nach seinem Vorbringen nicht gezahlten Differenzbeträge bei der Beklagten eingefordert hat. Der Kläger trägt dazu vor, dass er insbesondere im Jahre 2003 Mittel aus aufgelösten Sparverträgen und dem Verkauf eines Pkw bezogen habe.

Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 17.10.2007, nach dem Grund des Nichteinforderns gefragt, bekundet: Die nicht ausgezahlten Nettobeträge habe er gegenüber der Beklagten nicht geltend gemacht, weil die Beklagte zur Zahlung finanziell nicht in der Lage gewesen sei. Dies habe sie ihm so gesagt. Er habe das Geld nicht eingeklagt, weil er alles zum Wohl der Firma getan habe. Darüber hinaus habe er noch mehr getan, nämlich der Beklagten finanziell durch Darlehen geholfen.

Gerade dieses belegt, dass bei der Abwicklung der aus dem Arbeitsvertrag folgenden Nettobezüge wiederum die persönlichen Beziehungen der Parteien derart im Vordergrund standen, dass ein späterer Ausgleich nicht mehr gefordert werden kann. Der BGH hat in der Entscheidung vom 24.03.1980 (a. a. O.) ausdrücklich ausgeführt: Der Gedanke, der andere Teil solle von Rechts wegen ausgleichpflichtig sein, liege besonders fern, wenn nur dem einen der beiden Partner nach den beiderseitigen Einkommensverhältnissen die Mittel zur Verfügung stünden. Dies war im Zeitpunkt des Geschehens - legt man die Bekundungen des Klägers zugrunde - dieser und nicht die Beklagte.

Sofern der Kläger sein Verhalten in der Berufungsinstanz (von der Klägerseite selbst in Anführungszeichen gesetzt) als "Stundung" bezeichnet, so erfasst dieses das tatsächliche Geschehen und den typischen Willen von Lebenspartnern bei einem solchen Geschehen nicht. Der Kläger behauptet auch selbst nicht, dass vereinbart worden sei, dass die Monat für Monat über lange Zeit fehlende tatsächliche Auszahlung des Nettoentgeltes zu irgendeinem ferneren Zeitpunkt nachgeholt werden solle. Sein Verhalten ist vielmehr nur so zu erklären, dass aufgrund der im Vordergrund stehenden persönlichen Beziehung der beiden Partner das Geld angesichts des fehlenden Leistungsvermögen des anderen nicht eingefordert werden sollte, um so die gemeinsame Lebensgrundlage, nämlich den Kurierbetrieb zu erhalten.

Aus dem Gesamtverhalten des Klägers kann damit nur der Schluss gezogen werden, dass er mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit seiner Lebenspartnerin damit einverstanden war, dass von dem Nettoentgelt nur ein Teil ausgezahlt wurde und der Rest in die gemeinsame Lebensgemeinschaft einging, die nach dem oben dargestellten Grundsatz des BGH eben nicht nach ihrer Beendigung zu wechselseitigen Ausgleichsansprüchen führt.

B. Hinsichtlich des Auskunftsanspruches folgt die Kammer im Ergebnis dem Arbeitsgericht. Das Arbeitsgericht hat darauf abgehoben, dass die Beklagte in Form der erteilten Abrechnungen gegenüber dem Kläger den Eindruck erweckte, dass diese Leistungen so gehandhabt worden seien, wie sie ausgewiesen wurden. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass der Kläger gewusst habe, dass diese Leistungen tatsächlich nicht erfolgten, so dass auch insoweit ein Einverständnis des Klägers auf Nichtauszahlung im Hinblick auf die gemeinsame Lebensgemeinschaft festgestellt werden könnte. Die Beklagte hat insbesondere auch nicht vorgetragen, dass die Leistungen tatsächlich nicht erfolgt seien. Der Kläger ist damit im Unwissen darüber, wohin die Leistungen geflossen sind. Als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis muss die Beklagte ihm Auskunft geben. Auch hinsichtlich einer möglichen Verwirkung teilt die Kammer insoweit die Auffassung des Arbeitsgerichts.

C. Indessen kann der Kläger nicht zugleich die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen. Diese setzt voraus, dass Grund zu der Annahme besteht, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden ist. Dieses kann weder festgestellt, noch unterstellt werden. Der Auskunftsgegenstand ist einfach und, soweit die Auskunft erfüllt wird, leicht nachprüfbar. Es kann dahinstehen, ob insoweit überhaupt eine analoge Anwendung der §§ 259 - 261 BGB in Betracht kommt. Jedenfalls ist der Anspruch nicht fällig. Der Kläger hat ihn auch nicht in einer Stufenklage geltend gemacht.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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