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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.07.2002
Aktenzeichen: 4 Sa 232/02
Rechtsgebiete: VersO, ZPO, BetrAVG
Vorschriften:
VersO § 3 | |
VersO § 4 Abs. 1 | |
VersO § 4 Abs. 2 | |
VersO § 4 Abs. 2 Satz 2 | |
VersO § 4 Abs. 2 Satz 3 | |
VersO § 4 Abs. 2 Satz 4 | |
VersO § 4 Abs. 3 | |
VersO § 4 Satz 3 | |
ZPO § 543 | |
ZPO § 91 | |
BetrAVG § 2 | |
BetrAVG § 6 |
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 4 Sa 232/02
Verkündet am: 26.07.2002
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26.07.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Backhaus als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Salm und Neveling
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.10.2001 - 11 (15) Ca 2142/01 - wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird dieses Urteil abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente. Im Einzelnen geht der Streit darum, wie ein in § 4 Abs. 2 der Versorgungsordnung vorgesehener zusätzlicher Rentenanteil wegen des Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze durch das Einkommen des Arbeitnehmers in einzelnen Jahren zu berechnen sei, sowie um die Frage, ob der Kläger infolge seines Rentenbezuges ab dem Alter von 60 Jahren und fünf Monaten einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,5 % für 43 Monate - wie es die Beklagte vorgenommen hat - oder nur für 24 Monate, wie der Kläger es vertritt, hinzunehmen hat.
Wegen des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 543 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat zum ersten Streitpunkt der Beklagten, zum zweiten dem Kläger Recht gegeben. Gegen das dem Kläger am 13.02.2002 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat dieser am 12.03.2002 Berufung eingelegt und diese am 10.04.2002 begründet. Die Beklagte, der das Urteil am 18.02.2002 zugestellt wurde, hat am 18.03.2002 Berufung eingelegt und diese am 18.04.2002 begründet.
Die Parteien verfolgen im Wesentlichen mit Rechtsausführungen ihr jeweiliges Prozessziel weiter.
Der Kläger trägt vor, bis November 1998 habe die Beklagte die Regelung in § 4 Abs. 2 so ausgelegt, dass für die "Zusatzrente" alle Dienstjahre in Ansatz gebracht worden seien. Die ohne eine Änderung der in alle Arbeitsverträge gleichermaßen einbezogenen Versorgungsordnung von der Beklagten angeblich beschlossene nachteilige Auslegung des § 4 Abs. 2 der Versorgungsordnung für alle nach dem November 1998 in Ruhestand getretenen Arbeitnehmer sei nicht ohne Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz möglich.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des des Arbeitsgerichts Köln vom 04.10.2001, 11 (15) Ca 2142/01, abzuändern, soweit es die Klage abgewiesen hat, und die Beklagte zu verurteilen,
a) an den Kläger 5.317,30 € (entspricht 10.399,74 DM) nebst 4 % Zinsen aus jeweils 204,51 € (entspricht 399,99 DM) seit dem 01.02.2000, 01.03.2000, 01.04.2000, sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 204,51 € (entspricht 399,99 DM) seit dem 01.05.2000, 01.06.2000, 01.07.2000, 01.08.2000, 01.09.2000, 01.10.2000, 01.11.2000, 01.12.2000, 01.01.2001, 01.02.2001, 01.03.2001, 01.04.2001, 01.05.2001, 01.06.2001, 01.07.2001, 01.08.2001, 01.09.2001, 01.10.2001, 01.11.2001, 01.12.2001, 01.01.2002, 01.02.2002 sowie 01.03.2002 zu zahlen,
b) an den Kläger weitere 306,76 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 153,38 € seit dem 01.12.2000 und dem 01.12.2001 zu zahlen.
2. der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
3. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, wie das Arbeitsgericht ihr stattgegeben hat,
2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, es seien ihr nur zwei Fälle bekannt, in denen eine Mitarbeiterin der Personalabteilung die Betriebsrente nach § 4 Abs. 2 tatsächlich so errechnet habe, wie es der Kläger jetzt in Anspruch nehmen möchte. Die Personalabteilung habe später die Behandlung dieser beiden Einzelfälle als fehlerhaft erkannt und veranlasst, dass sich solche Fehler in der Zukunft nicht wiederholten.
Zur Frage des versicherungsmathematischen Abschlages behauptet die Beklagte, dass es bei ihr eine mit dem Betriebsrat abgestimmte Praxis in der Form einer Regelungsabrede des Inhalts gebe, dass auch bei Inanspruchnahme der Betriebsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres bzw. des 62. Lebensjahres ein versicherungsmathematischer Abschlag von 0,5 % pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vorgenommen werde, wobei hier dem Schwerbehinderten dieser Abschlag für zwölf Monate "geschenkt" werde.
Sie, die Beklagte, habe die Regelung auch in genau dieser Weise praktiziert (die entsprechende Praxis bestreitet der Kläger nicht).
Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang auf zwei Aktenvermerke. In einem von dem damals für Personalangelegenheiten zuständigen Geschäftsführer unterzeichneten Aktenvermerk vom 10.08.1979 heißt es:
Betr.: Firmenrente bei Schwerbehinderten, die von der Möglichkeit der vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Gebrauch machen
Im § 6 des Betriebsrentengesetzes ist festgelegt:
"Einem Arbeitnehmer, der das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt, sind auf sein Verlangen nach Erfüllung der Wartezeit und sonstiger Leistungsvoraussetzungen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren."
Dieser Forderung wurde entsprechend der bisherigen Möglichkeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung in Ziffer 2 des Nachtrags vom 21.10.1976 zur Versorgungsordnung der Firma 4711 vom 1. Juli 1969 und in § 4 Abs. 3 der Versorgungsordnung 1976 vom 22.12.1976 Rechnung getragen.
Nach der Erweiterung der Möglichkeiten für Schwerbehinderte, vorzeitige Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu beantragen, ist auch die Firmenrente entsprechend früher zu gewähren.
Unter Berücksichtigung der bisherigen Regelung geschieht dies unter Kürzung der Firmenrente um 0,5 % ihres Wertes für jeden vollen Kalendermonat, für den die Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird. Bei Schwerbehinderten, die mit dem 62. Lebensjahr oder früher wegen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ausscheiden, wird auf eine Kürzung in Höhe von 12 Monaten a 0,5 % verzichtet.
Ein von zwei ehemaligen Geschäftsführern der Beklagten unterzeichneter Aktenvermerk vom 30.11.1979 lautet:
Geschäftsleitung und Betriebsrat der Firma 4711 sind sich darin einig, dass nach der Herabsetzung des Rentenalters für Schwerbehinderte durch das 5. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 06.11.1978 der Absatz 2 Satz 3 der Betriebsvereinbarung zur Versorgungsordnung vom 21.10.1976 dahingehend zu verstehen ist, dass eine Kürzung der Rente von Schwerbehinderten, die zwischen dem 60. und 62. Lebensjahr ausscheiden, erst vom jeweils folgenden Lebensjahr an in Kraft tritt.
Das gilt gleichermaßen für die Versorgungsordnung 1976 vom 22.12.1976.
Kopie:
Herrn Dr. J Herrn K Betriebsrat
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hatte in der Sache keinen Erfolg. Erfolg hatte dagegen die ebenfalls zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten.
I. Hinsichtlich der Auslegung des § 4 Abs. 2 der Versorgungsordnung folgt die Kammer im Ergebnis der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Für die Zusatzrente sind nur diejenigen Jahre maßgebend, in denen das Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze lag.
Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass das Wort "jeweilig" in § 4 Satz 3 für sich genommen insoweit nicht eindeutig ist. Denn in Verbindung mit dem vorhergehenden Wort "rentenfähige Einkommen" und der Definition des rentenfähigen Einkommens in § 6 könnte sich dieses "jeweilig" auf eben das letzte Kalenderjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles beziehen. Bezieht es sich darauf, dann regelt § 4 Abs. 2 Satz 3 zunächst nur einen prozentualen Zuschlag, der sich allein aus dem letzten Jahr vor Eintritt des Versorgungsfalles berechnet. Wie weit dieser Zuschlag auch für vorangegangene Jahre gewährt wird, ist dann damit nicht geregelt. Dieses ergibt sich dann zunächst aus § 4 Abs. 2 Satz 4. Dieser lautet:
"Soweit für vorangegangene Jahre die prozentualen Zuschläge niedriger waren, werden diese auf den zuletzt festgestellten prozentualen Zuschlag erhöht."
Dieser Satz ist eindeutig. Er setzt voraus, dass für "vorangegangene Jahre" (nicht: "die" vorangegangenen Jahre) prozentuale Zuschläge niedriger waren. Er setzt damit voraus, dass es in vorangegangenen Jahren überhaupt Zuschläge gab. Auch ein niedrigerer Zuschlag ist ein Zuschlag.
Die vom Kläger angeführten "Gesetze der Mathematik" führen hier nicht weiter. Auch wenn die Zahl Null eine Zahl ist, ist damit ein Null-Zuschlag noch nicht ein Zuschlag, sondern kein Zuschlag. Dass - wie der Kläger darzulegen versucht - auch "kein Zuschlag" "ein Zuschlag" ist, mutet nicht nur - wie der Kläger selbst sieht - befremdlich an, sondern entspricht auch nicht wie er meint, den "Gesetzen der Mathematik". Es entspricht nicht einmal einfachen Gesetzen der Logik.
Auch § 4 Abs. 2 Satz 2 spricht nicht für die vom Kläger gewünschte Auslegung. Wenn dort geregelt ist, dass die Zusatzrente aus einem prozentualen Zuschlag zum Steigerungsbetrag besteht und auf § 4 Abs. 1 verwiesen ist, so steht dort eben nicht, wie der Kläger es liest, zu "jedem" Steigerungsbetrag. § 4 Abs. 1 enthält im Übrigen mehrere Faktoren: Die "Steigerungsbeträge von je 75 %", die anrechnungsfähigen Dienstjahre und das rentenfähige Einkommen. Es ist in § 4 Abs. 2 Satz 2 nicht auf das Produkt aus diesen Faktoren verwiesen, sondern ausschließlich auf den "Steigerungsbetrag".
2. Soweit der Kläger sich darauf berufen hat, dass die Beklagte in der Vergangenheit die Regelung in seinem Sinne ausgelegt habe und insoweit eine Ungleichbehandlung sieht, hat die Beklagte dazu vorgetragen, es seien nur zwei Fälle bekannt, in denen Mitarbeiter der Personalabteilung tatsächlich so gerechnet hätten. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat keine weiteren Fälle vorgetragen.
Ein Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz besteht aus zwei Gründen nicht: Zum einen kann bei zwei Fällen nicht von einer generellen Regelung ausgegangen werden. Zum zweiten handelt es sich nicht um eine freiwillige Leistung, sondern schlicht um die Auslegung einer in ihren Voraussetzungen geregelten Leistung. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, bei einem von seinen insoweit zuständigen Arbeitnehmern begangenen Auslegungsirrtum diesen für spätere Fälle zu korrigieren.
Auch die Unklarheitenregelung, auf die der Kläger sich weiterhin beruft, hilft nicht weiter. Die Regelung ist klar und im logischen Sinne sogar eindeutig.
3. Die Berechnung des Arbeitsgerichts ist auch nicht insoweit fehlerhaft, als dieses das durch die Multiplikation der angerechneten Dienstjahre mit dem unstreitigen prozentualen Zuschlag in Höhe von 9 % ermittelte Produkt mit dem aus § 4 Abs. 1 der Versorgungsordnung entnommenen Steigerungsfaktor 0,75 % multipliziert hat. Das Arbeitsgericht hat insofern zu Recht darauf abgehoben, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 einen prozentualen Zuschlag "zum Steigerungsbetrag" vorsieht. Wenn nach diesem Wort der Klammerzusatz (§ 4 Abs. 1 ) steht und der Kläger daraus entnimmt, dass mit dem Wort "Steigerungsbetrag" nicht lediglich der Faktor 0,75 gemeint sei, sondern "der gesamte aus dem Rechenvorgang nach § 4 Abs. 1 ermittelte Betrag der Grundrente", so ist dieses offensichtlich falsch. Wie bereits dargestellt, enthält § 4 Abs. 1 drei Faktoren. Es ist eindeutig nur auf den Faktor "Steigerungsbetrag" verwiesen.
Hinzuzufügen wäre noch, dass § 4 Abs. 1 von "Steigerungsbeträgen" (Plural) spricht, § 4 Abs. 2 Satz 2 indes nur im Singular von "Steigerungsbetrag". Auch dieses ist ein weiteres Argument dafür, dass es nur auf das jeweilige Jahr ankommen kann, in dem die Voraussetzungen für einen Zuschlag erfüllt sind.
II. Die Klage war indes auch insoweit abzuweisen, als der Kläger sich dagegen wehrt, dass der in § 3 des Nachtrags vom 21.10.1976 vorgesehene versicherungsmathematische Abschlag von 0,5 % für drei Jahre und sieben Monate, d. h. 43 Monate, also so, als sei der Kläger mit 61 Jahren und fünf Monaten ausgeschieden, vorgenommen wird.
Das Arbeitsgericht hat zunächst Recht mit seinem Hinweis darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 11.09.1980 AP BetrAVG § 6 Nr. 3; 23.01.2001 AP BetrAVG § 2 Nr. 35; 24.07.2001 DB 2002, 588) für Betriebsrentner, die unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis in die Betriebsrente ausgeschieden sind, ein versicherungsmathematischer Abschlag nur dann gerechtfertigt ist, wenn er in der Versorgungszusage selbst vorgesehen ist. Demgegenüber lässt das Bundesarbeitsgericht für Betriebsrentner, die nur mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschieden sind, auch ohne eine Regelung in der Versorgungsordnung neben der zeitanteiligen Kürzung nach § 2 BetrAVG eine zweite zeitanteilige Kürzung bezogen auf das Verhältnis zwischen vorgezogener Inanspruchnahme und dem Erreichen der festen Altersgrenze zu (sog. untechnischer versicherungsmathematischer Abschlag) (vgl. BAG 24.07.2001 und 23.01.2001 a.a.O.).
Im vorliegenden Fall enthält die Versorgungsordnung die Regelung eines versicherungsmathematischen Abschlags, deren - ergänzende - Auslegung ergibt, dass sie auch für den Fall gelten soll, in dem der Arbeitnehmer vor dem 62. Lebensjahr ausscheidet. Die Ergänzung der Versorgungsordnung im Nachtrag vom 21.10.1976 lautet wie folgt:
"§ 3 wird um folgenden Absatz 1 a) ergänzt:
Als Eintritt des Versorgungsfalles für die Altersrente gilt für männliche Betriebsangehörige ferner das Ausscheiden nach Vollendung des 62. Lebensjahres, wenn sie durch Vorlage des Rentenbescheides eines Sozialversicherungsträgers nachweisen, dass sie von da ab Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 25 AVG, § 1348 RVO) beziehen. Die sich gem. § 4 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 9 ergebende Altersrente wird in diesem Fall für jeden vollen Kalendermonat, für den die Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird, um 0,5 % ihres Wertes gekürzt. Bei Schwerbehinderten, die bereits mit dem 62. Lebensjahr ausscheiden, tritt die Kürzung um 0,5 % erst vom 63. Lebensjahr in Kraft. Die Rentenzahlung endet, wenn der Betriebsangehörige eine Erwerbstätigkeit oder entgeltliche Beschäftigung ausübt, die über eine in der gesetzlichen Rentenversicherung zugelassenen Nebenbeschäftigung hinausgeht."
Das Arbeitsgericht hat Anhaltspunkte dafür vermisst, dass eine derartige Rentenkürzung auch für darüber hinausgehende Zeiten vor Vollendung des 62. Lebensjahres einsetzen sollten. Solche Anhaltspunkte sind indessen nach Auffassung der erkennenden Kammer sowohl im Wortlaut als auch aus dem systematischen Hintergrund der Regelung gegeben.
Der für den - schwerbehinderten - Kläger geltende Satz: "Bei Schwerbehinderten, die bereits mit dem 62. Lebensjahr ausscheiden, tritt die Kürzung um 0,5 % erst mit dem 63. Lebensjahr in Kraft", geht nach seinem Wortlaut davon aus, dass frühestens ein Ausscheiden mit dem 62. Lebensjahr in Betracht kommt ("bereits"). Dieses entspricht systematisch dem Eingangssatz, der als Ausnahme zu dem in § 3 der Versorgungsordnung für männliche Arbeitnehmer genannten 65. Lebensjahr gilt. In diesem Satz 1 ist geregelt, dass als Eintritt des Versorgungsfalles für die Altersrente für männliche Betriebsangehörige auch das Ausscheiden nach Vollendung des 62. Lebensjahres gilt, wenn sie nachweisen, dass sie von da ab Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Die Versorgungsordnung geht damit in diesem Nachtrag davon aus, dass frühestens ab Vollendung des 62. Lebensjahres für männliche Arbeitnehmer überhaupt eine Vollrente bezogen werden kann.
Dieses entsprach, wie zwischen den Parteien auch unstreitig ist, der zum Zeitpunkt des Erlasses des Nachtrages geltenden Lage, dass die Vollendung des 62. Lebensjahres seinerzeit der frühestmögliche Zeitpunkt der Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes für Männer war.
Diese Regelung ist lückenhaft geworden, nachdem der Gesetzgeber im Sozialrecht des Zugangsalters zum vorgezogenen Altersruhegeld in der Folgezeit weiter abgesenkt hat. Im Rahmen einer ergänzenden Auslegung der Versorgungsordnung ist daher zu prüfen, welche Regelung die Betriebspartner getroffen hätten, wenn dieser Fall von ihnen bedacht worden wäre (vgl. BAG 11.08.1987 AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung).
Berücksichtigt man, dass die Betriebspartner in dem Nachtrag den Eintritt des Versorgungsfalles auf den damals frühestmöglichen Zeitpunkt der Inanspruchnahme von Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgesenkt und gleichzeitig einen versicherungsmathematischen Abschlag "für jeden Kalendermonat, für den die Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird" vorgesehen haben, berücksichtigt man ferner, dass für Schwerbehinderte ebenfalls von einem frühestmöglichen Ausscheiden mit dem 62. Lebensjahr in der Regelung ausgegangen wurde und für diese auf dieser Basis die Kürzung erst mit dem 63. Lebensjahr in Kraft treten sollte, so erschließt sich der Sinn und Zweck der Regelung dahingehend, dass bei vorzeitigem Ausscheiden auf Grund vorgezogenen Altersruhegeldes grundsätzlich für jeden Kalendermonat, für den die Rente vor Vollendung vor dem 65. Lebensjahres gewährt wird, die Kürzung von 0,5 % hinzunehmen ist, für Schwerbehinderte indes abzüglich eines Jahres.
Sinn und Zweck des versicherungsmathematischen Abschlags ist es, das in der Versorgungsordnung festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Falle des § 6 BetrAVG auszugleichen, das sich daraus ergibt, dass der Arbeitnehmer die erdiente Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit, früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch nimmt (vgl. BAG 24.07.2001 a.a.O.). Dieses stellt eine angemessene Reaktion auf den auszugleichenden Eingriff in das Aequivalenzverhältnis dar (BAG a.a.O.).
Es wäre schließlich ein unsinniges Ergebnis, wenn diejenigen Arbeitnehmer, die vor dem 62. Lebensjahr ausscheiden, durch das Einsetzen des versicherungsmathematischen Abschlags erst mit dem 62. - bzw. bei Schwerbehinderten mit dem 63. Lebensjahres - gegenüber denjenigen Arbeitnehmern einen unproportionalen Vorteil erhielten, die erst ab Vollendung des 62. Lebensjahres ausscheiden.
Nach Sinn und Zweck der Regelung muss daher die durch die spätere sozialrechtliche Entwicklung entstandene Lücke so gefüllt werden, dass für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer für jeden vollen Kalendermonat, für den die Rente vor Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird, eine Kürzung von 0,6 % erfolgt, für Schwerbehinderte dagegen abzüglich von zwölf Monaten.
Dem ist die Beklagte genau nachgekommen. Der Kläger ist im Alter von 60 Jahren und fünf Monaten ausgeschieden, also vier Jahre und sieben Monate, d. h. 55 Monate vor Vollendung des 65. Lebensjahres. Zieht man davon zwölf Monate ab, so ist die Kürzung für 43 Monate zu berücksichtigen. Das ergibt einen Abzug von 21,5 %, den die Beklagte vorgenommen hat.
Die Klage war damit insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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