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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.07.2002
Aktenzeichen: 4 Sa 309/02
Rechtsgebiete: SGB VII


Vorschriften:

SGB VII § 104
Der Vorsatz des Unternehmers muss sich, wenn ein Arbeitnehmer Schadensersatz oder Schmerzensgeld wegen einer Berufskrankheit begehrt, auf die Handlung und den Erfolg (Eintritt der Berufskrankheit) beziehen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 Sa 309/02

Verkündet am: 26.07.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26.07.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Backhaus als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Salm und Neveling

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.10.2001 - 9 Ca 7998/01 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I. Da die Parteien zweitinstanzlich neuen Tatsachenvortrag nicht gebracht haben, wird wegen des Tatbestandes gemäß § 543 ZPO a. F. auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Mit der Berufung begehrt der Kläger eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils entsprechend den erstinstanzlichen Schlussanträgen, während der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Parteien verfolgen mit Rechtsausführungen ihre erstinstanzlichen Klageziele weiter.

II. Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer folgt in vollem Umfang den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts (§ 543 Abs. 1 ZPO a. F.).

Hinsichtlich der Berufungsbegründung ist lediglich folgendes zu ergänzen:

1. Zu Unrecht meint der Kläger, das Arbeitsgericht gehe in dem unstreitigen Sachverhalt davon aus, dass er durch das jahrelange Heben während seiner Arbeit bei der Beklagten an einer Berufskrankheit leide.

Das Arbeitsgericht ist lediglich in relationstechnisch korrekter Weise vom Tatsachenvortrag des Klägers ausgegangen und hat diesen als unschlüssig beurteilt. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass dann, wenn man den Tatsachenvortrag des Klägers als richtig unterstellt, eine Berufskrankheit vorliegt, so dass wegen des Haftungsprivilegs des § 104 SGB VII der Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht geltend machen kann.

2. Soweit der Kläger dem Arbeitsgericht vorhält, der Vorsatz müsse sich nach § 104 SGB VII nicht mehr auf die haftungsausfüllende Kausalität, sondern nur noch auf die haftungsbegründende Kausalität beziehen und meint, deshalb brauche sich der Vorsatz auch nicht mehr auf den Verletzungserfolg zu beziehen, so irrt der Kläger.

Nach § 104 I 1 genügt es, dass der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Damit muss sich der Vorsatz hier auf den Eintritt der Berufskrankheit beziehen. Wenn insofern von dem Vorsatz hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität die Rede ist, so bedeutet das, dass sich das Wissen und Wollen des Schädigers auf die Handlung und deren Erfolg erstrecken muss. Der Erfolg ist dabei - eine andere Auslegung ist wegen des Begriffs "Versicherungsfall" gar nicht möglich - die Berufskrankheit. Streitig ist lediglich, ob der Vorsatz sich auch auf den konkreten Schadensumfang erstrecken muss (Nachweise dazu bei ErfK/Rohlfs, 2. Auflage, § 104 SGB VII Rdnr. 20).

3. Die Haftung der Beklagten scheidet schon deshalb aus, weil zu berücksichtigen ist, dass nach § 104 Abs. 1 den Unternehmer selbst der Vorwurf des vorsätzlichen Handelns treffen muss. Eine juristische Person haftet folglich dem Versicherten gegenüber (anders als gegenüber den Trägern der Sozialversicherung, § 111) für vorsätzlich durch ein Organmitglied herbeigeführte Versicherungsfälle nicht (Rohlfs a.a.O. m. w. N.).

4. Im Übrigen hat der Kläger für keine Person ein vorsätzliches Handeln dargetan. Der Kläger hat nicht einmal vorgetragen, welche konkreten natürlichen Personen insoweit überhaupt gehandelt haben sollen. Eine GmbH als solche kann keinen Vorsatz haben.

Schließlich ist sein Vortrag zu den angeblichen schädigenden Handlungen völlig unsubstantiiert. Er hat nicht einen einzigen Fall des angeblichen zu schweren Hebens substantiiert, d. h. konkretisiert nach Zeit und Umständen der Handlung vorgetragen, geschweige denn, welche Person insoweit entsprechende Anweisungen gegeben haben soll. Unabhängig davon kann kein Erfahrungssatz dahingehend gezogen werden, dass derjenige, der es zulässt oder anordnet, dass ein anderer jahrelang schwere Lasten hebt, Vorsatz im Hinblick auf Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule hat.

Könnte man im Bereich von Vorsatz überhaupt Erfahrungssätze anwenden, dann müsste umgekehrt davon ausgegangen werden, dass es jedenfalls außerhalb von aggressionsgeladenen Situationen normaler menschlicher Haltung widerspricht, Verletzungen anderer Menschen "billigend" in Kauf zu nehmen.

Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers führt auch § 282 BGB (a. F.) nicht weiter. § 282 BGB lässt den Rückschluss nur auf ein "Vertretenmüssen" zu. Nach § 276 BGB a. F. hat der Schuldner, soweit nichts anderes bestimmt ist, Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. § 282 BGB a. F. regelt aber nicht die Beweislast für eine bestimmte Art des Verschuldens.

5. Da mithin der Sachvortrag des Klägers unschlüssig ist, rügt der Kläger auch zu Unrecht, das Arbeitsgericht habe die von ihm angebotenen Zeugen nicht vernommen.

6. Soweit der Kläger schließlich zum Feststellungsantrag vorträgt, die Beklagte habe zumindest ihre Fürsorgepflicht verletzt, weil sie die Beschwerden des Klägers nicht der Berufsgenossenschaft mitgeteilt habe,dieses habe dazu geführt, dass der Kläger keine Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft habe durchsetzen können, so ist diese angebliche Kausalität nicht nachzuvollziehen. Der Kläger hätte sich selbst an die Berufsgenossenschaft wenden können. Die Beklagte hat schon bestritten, dass überhaupt als Berufskrankheit anzusehende Beschwerden gegeben sind. Der Kläger hat nichts Substantiiertes dafür dargetan, wie, wann und unter welchen Umständen er überhaupt eine für die Beklagte handelnde Person von seinen Beschwerden und der möglichen Kausalität während seines Arbeitsverhältnisses informiert hat. Schließlich hätte der noch während des Bestandes seines Arbeitsverhältnisses anwaltlich beratene Kläger selbst erkennen können, dass, sein Vorbringen als wahr unterstellt, eine Berufskrankheit vorläge.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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