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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 17.08.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 407/07
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 233
ArbGG § 66 Abs. 1 S. 2
Die gemäß § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG mit dem Ablauf von 5 Monaten nach der Verkündung beginnenden Fristen für die Einlegung und die Begründung der Berufung müssen bereits im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Kenntnisnahme von der Verkündung berechnet, auf der Handakte notiert und im Fristenkalender eingetragen werden. Ebenso muss die Eintragung im Fristenkalender durch Erledigungsvermerk auf der Handakte vermerkt werden.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.10.2006 - 3 Ca 11182/05 - wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Hauptsache um eine fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung und um die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

Das Arbeitsgericht hat dem Kündigungsschutzantrag stattgegeben und den Antrag auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses zurückgewiesen.

Das Urteil wurde am 25.10.2006 verkündet. Es wurde am 17.04.2007 mit Zustellungsurkunde den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt.

Diese legten mit Schriftsatz vom 10.04.2007, bei Gericht eingegangen am 12.04.2007, Berufung ein. In der Berufungsschrift heißt es, dass die Berufungsbegründung innerhalb der Frist des § 66 Abs. 1 S. 1 u. 2 ArbGG, d. h. spätestens bis zum 25.05.2007 nachgereicht werde.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 21.06.2007 wurden die Prozessbevollmächtigten des Beklagten darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht innerhalb der am 25.05.2007 abgelaufenen Begründungsfrist begründet worden sei.

Mit Schriftsatz vom 25.06.2007 stellte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten einen Wiedereinsetzungsantrag. Darin heißt es zur Begründung:

"Nachdem das Urteil in der Vorinstanz am 25.10.2006 verkündet worden ist, haben die Prozessbevollmächtigen des Beklagen routinegemäß eine Vorfrist für die Einlegung der Berufung entsprechend § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG auf den 25.03.2007 notiert. Da bis zu diesem Zeitpunkt das in vollständiger Form abgefasste Urteil noch nicht zugestellt worden war, ist auf entsprechende Weisung des Beklagen unter dem 10.04.2007 Berufung gegen das Urteil eingelegt worden.

Zugleich mit der Einlegung der Berufung ist die Notierung der Frist für die Berufungsbegründung sowie entsprechender Vorfristen verfügt worden. Diese Verfügung wurde - wie sich nun herausgestellt hat - offenbar nicht umgesetzt.

Eine Vorlage der Akte zu den verfügten Fristen ist dementsprechend nicht erfolgt, wodurch die Berufungsbegründungsfrist versäumt wurde.

Der vorstehend dargestellte Ablauf ist am Morgen des 25.06.2007 aufgefallen, als der Sachbearbeiter die Akte zusammen mit der Akte im noch erstinstanzlich anhängigen Teilrechtsstreit geprüft hat.

Die Richtigkeit der vorstehend dargestellten Tatsachen wird zum Zwecke der Glaubhaftmachung an Eides Statt versichert."

Mit am 02.07.2007 eingegangenem Schriftsatz vom 28.06.2007 wurde die Berufung begründet.

Der Beklagte beantragt,

dem Beklagten gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Kläger beantragt,

den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen und die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der auf den Wiedereinsetzungsantrag beschränkten mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 ArbGG begründet worden ist. Diese Entscheidung war trotz der gesonderten Verhandlung nach § 238 Abs. 1 S. 2 ZPO wegen der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages gleichzeitig mit zu treffen (vgl. Zöller 26. Aufl. § 238 ZPO Rn. 2).

I. Nach § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG beginnt die 2-monatige Begründungsfrist spätestens 5 Monate nach der Verkündung. Damit lief die Berufungsbegründungsfrist des am 25.10.2006 verkündeten Urteils am 25.05.2007 ab. Innerhalb dieser Frist wurde die Berufung nicht begründet.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand war zurückzuweisen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Berufungsbegründungsfrist schuldlos versäumt wurde.

Gem. § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung zu wahren. Wegen § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich.

Zur Schlüssigkeit eines Wiedereinsetzungsgesuches gehört es, dass der Antragsteller einen Verfahrensablauf vorträgt, der ein Verschulden zweifelsfrei ausschließt. Unklarheiten gehen im Rahmen eines Wiedereinsetzungsgesuchs zu Lasten der Partei (BAG 10.01.2003 NJW 2003, 1270).

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde damit begründet, die Prozessbevollmächtigten des Beklagten hätten routinegemäß eine Vorfrist für die Einlegung der Berufung entsprechend § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG auf den 25.03.2007 notiert. Da bis zu diesem Zeitpunkt das in vollständiger Form abgefasste Urteil noch nicht zugestellt worden sei, sei auf eine entsprechende Weisung der Beklagten unter dem 10.04.2007 Berufung gegen das Urteil eingelegt worden. Zugleich mit der Einlegung der Berufung sei die Notierung der Frist für die Berufungsbegründung sowie entsprechende Vorfristen verfügt worden. Diese Verfügung sei - wie sich nun herausgestellt habe - offenbar nicht umgesetzt worden. Eine Vorlage der Akte zu den verfügten Fristen sei nicht erfolgt, wodurch die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden sei. Dieser Ablauf sei erst am Morgen des 25.06.2007 aufgefallen, als der Sachbearbeiter die Akte zusammen mit der Akte im noch erstinstanzlich anhängigen Teilrechtsstreit geprüft habe.

1. Zur Organisation des Fristenwesens einer Kanzlei gehört es, dass der Anwalt durch geeignete Anweisungen sicherstellt, dass die Berechnung einer Frist, ihre Notierung auf den Handakten und die Eintragung im Fristkalender sowie die Quittierung der Kalendereintragung durch einen Erledigungsvermerk auf den Handakten von der zuständigen Bürokraft zum frühest möglichen Zeitpunkt und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden (BGH 05.02.2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815).

§ 66 Abs. 1 ArbGG regelt zwei mögliche Zeitpunkte für den Beginn der dort bestimmten Berufungsfrist und der ebenfalls zeitlich klar bestimmten Berufungsbegründungsfrist. Die im vorliegenden Fall versäumte Frist, die 5 Monate nach Verkündung begann, konnte und musste bereits nach Verkündung der Entscheidung, von der der Prozessbevollmächtigte der Beklagten spätestens mit Eingang des Protokolls der gerichtlichen Verhandlung vom 25.10.2006 wusste, berechnet, auf der Handakte notiert und im Fristenkalender eingetragen werden. Ferner konnte und musste ein entsprechender Erledigungsvermerk im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Kenntnisnahme von der Verkündung auf der Handakte vorgenommen werden.

Im Wiedereinsetzungsgesuch fehlt jeglicher Vortrag dazu, wie die Fristenkontrolle im Büro der Prozessbevollmächtigten des Beklagten organisiert ist.

Was die hier relevante Frist anbelangt, so wird lediglich vorgetragen die Prozessbevollmächtigten des Beklagten hätten routinemäßig eine "Vorfrist" für die Einlegung der Berufung entsprechend § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG auf den 25.03.2007 notiert. Damit lässt sich nicht feststellen, dass die hier relevante Berufungsbegründungsfrist (25. 5. 2007), die sich nach Verkündung des Urteils eindeutig berechnen ließ, zeitnah überhaupt notiert worden ist.

2. Von dem damit begründeten Verschulden können sich die Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht dadurch entlasten, dass vorgetragen wird, auf entsprechende Weisung des Beklagten sei unter dem 10.04.2007 Berufung eingelegt worden und zugleich mit der Einlegung sei "die Notierung der Frist für die Berufungsbegründung sowie entsprechender Vorfristen verfügt worden". Diese Verfügung sei "offenbar" nicht umgesetzt worden.

Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen unzureichend substantiiert ist (dazu noch unten), würde dadurch das durch die mangelnde Notierung der nach § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG laufenden Berufungsbegründungsfrist im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verkündung begründete Verschulden nicht beseitigt. Die Kausalität des in diesem Fehler liegenden früheren Verschuldens wird durch die spätere (misslungene) Verfügung nicht beseitigt. Die fehlerhafte Organisation der Notierung der Fristen nach Verkündung des Urteils bleibt als conditio sine qua non kausal. Denn wäre die Frist schon seinerzeit notiert worden, so wäre bei normalem Lauf der Dinge die Akte zu der hier versäumten Frist vorgelegt worden.

3. Selbst wenn man indes den Anwalt nicht für verpflichtet halten würde, die Fristenkontrolle so zu organisieren, dass unmittelbar nach Verkündung die Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG notiert wird, dann hätten alle oben genannten Maßnahmen der Fristenkontrolle spätestens bei Ablauf der von dem Prozessbevollmächtigten so genannten "Vorfrist", nämlich am 25.03.2007, d. h. bei Ablauf der 5-Monatsfrist nach Verkündung erfolgen müssen. Auch dazu ist eine entsprechende Organisation indes nicht ansatzweise vorgetragen.

4. Schließlich aber enthält auch der Vortrag zu dem Tatsachenkomplex, auf den das fehlende Verschulden im Wiedereinsetzungsantrag gestützt wird, keine schlüssige Darlegung, die ein Anwaltsverschulden ausschließen könnte.

a. Es ist nicht einmal dargelegt, wer mit der Berufungseinlegung die Notierung der Frist für die Berufungsbegründung sowie entsprechender Vorfristen verfügt haben soll. Auch wenn man unterstellen darf, dass dies der unterzeichnende Prozessbevollmächtigte war, so fehlt es ferner an jeglichem Vortrag, an wen sich die Verfügung richtete. Es ist nicht einmal in allgemeiner Form behauptet und dargestellt, dass sie sich an sorgfältig geschultes und überwachtes Büropersonal gerichtet habe.

b. Erst recht fehlt es an jeglicher Darlegung dafür, wie die Frist verfügt wurde, ob sie überhaupt schriftlich, etwa durch Anweisung in der Handakte, auf einem losen Zettel oder Ähnlichem oder nur mündlich erfolgte (vgl. dazu BAG 10.01.2003 a. a. O.). Hätte der Rechtsanwalt z. B. eine Gehilfin lediglich mündlich angewiesen, so hätte er sich zwar grundsätzlich darauf verlassen dürfen, dass eine fachlich ausgebildete, zuverlässig arbeitende Anwaltsgehilfin seiner mündlich erteilten Anweisung zur Eintragung der von ihm selbst berechneten Frist nachkommen werde. Wird ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Rechtsmittelfrist allerdings nur durch eine mündliche Anweisung veranlasst, müssen in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung nicht in Vergessenheit gerät oder die konkrete Eintragung unterbleibt (BAG a. a. O.). Es muss dann durch eine allgemeine Anweisung gewährleistet sein, dass die Eintragung sofort erfolgt und nicht wegen anderer Aufgaben zurückgestellt wird (BAG a. a. O.). Zu entsprechenden besonderen oder allgemeinen Büroanweisungen fehlt ebenso jeglicher Vortrag.

c. Schließlich fehlt es an jeglichem Vortrag dazu, warum die Verfügung "offenbar" nicht umgesetzt wurde. Zu einer entsprechenden Büroorganisation ist nichts dargelegt.

Es kann mithin nach dem Vortrag zum Wiedereinsetzungsgesuch an zahlreichen Stellen Anwaltsverschulden nicht ausgeschlossen werden, so dass die Wiedereinsetzung zu versagen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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