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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 27.10.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 796/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 615 |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.05.2006 - 7 Ca 10270/05 - im Tenor zu 1. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.782,41 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.282,00 € seit dem 19.09.2005, aus 2.282,00 € seit dem 19.10.2005, aus 4.107,60 EUR seit dem 17.11.2005, aus 2.282,00 € seit dem 17.12.2005, aus 2.276,27 € seit dem 18.01.2006, aus 2.276,27 € seit dem 16.02.2006 und aus 2.276,27 € seit dem 16.03.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird der Zahlungsantrag abgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten - soweit in dem mit der Berufung angefochtenen Teilurteil des Arbeitsgerichts über den Streit entschieden ist - darum, ob der Kläger, der von der Beklagten unwiderruflich unter Fortzahlung der vereinbarten Bezüge von seinen vertraglichen Pflichten freigestellt wurde, sich in der Zeit von September 2005 bis März 2006 erzielten Zwischenverdienst auf die von der Beklagten zu zahlenden Bezüge anrechnen lassen muss.
Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag des Klägers in vollem Umfang stattgegeben.
Gegen dieses ihr am 26.06.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.07.2006 Berufung eingelegt und diese am 25.08.2006 begründet.
Die Beklagte meint neben weiteren Rechtsausführungen, § 615 S. 2 BGB enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken. Die Anrechnung sei nicht allein eine Spezialität des Annahmeverzugs, sondern es sei ein allgemeines Rechtsprinzip im Arbeitsrecht erkennbar, dass sich der Arbeitnehmer anderweitiges Einkommen anrechnen lassen müsse, das er während Zeiträumen erziele, während derer er grundsätzlich zur Arbeitsleistung beim Arbeitgeber verpflichtet wäre.
Die Beklagte sieht zwar, dass die Parteien eine ausdrückliche Regelung über die Anrechnung anderweitigen Verdienstes während der Freistellungszeit nicht getroffen haben. Sie meint indes, aus den Prinzipien der ergänzenden Vertragsauslegung ergebe sich mit hinreichender Deutlichkeit der hypothetische Parteiwille dahingehend, dass der Kläger bei Einkünften aus einer anderen Tätigkeit nicht noch weiter bei der Beklagten beschäftigt sein könne, ohne dass ihm anderweitiges Einkommen aus seiner neuen Tätigkeit angerechnet würde.
Dieses ergebe sich aus der zwischen den Parteien im Aufhebungsvertrag vereinbarten Ausstiegsklausel. Die Parteien seien aufgrund der Ausstiegsklausel davon ausgegangen, dass der Kläger bei Antritt einer neuen Beschäftigung das Arbeitsverhältnis der Beklagten beenden können solle.
Dieses sei ihm auch am 10.05.2005, 10.30 Uhr in einer Besprechung mit dem Personalleiter der Beklagten, Herrn F S und dem seinerzeitigen Vorsitzenden des Betriebsrats, Herrn Sch verdeutlicht worden. In diesem Gespräch sei das Angebot zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welches von der Beklagten bereits am 09.05.2005 unterzeichnet gewesen sei, erörtert worden. Expliziter Inhalt sei gewesen, was denn geschehe, wenn der Kläger eine neue Arbeit vor dem vorgesehenen Beendigungstermin am 31.03.2006 gefunden hätte. Der Personalleiter habe ihm erklärt, dass man ihm in diesem Fall keine Probleme machen werde und sein Vertrag dann entsprechend enden würde. Natürlich würde man dann auch nicht mehr die Vergütung zahlen. Der Kläger und der Betriebsratsvorsitzende hätten erklärt, diese Regelung sei "o.k.".
Die Parteien seien sich mithin einig gewesen, dass bei Antritt einer neuen Beschäftigung das Arbeitsverhältnis des Klägers vorzeitig enden solle und Zahlungen der Beklagten dann nicht mehr erfolgen sollten. Damit entspreche es auch als Minus jedenfalls dem hypothetischen Parteiwillen, dass der Kläger sich anderweitige Einkünfte während der Freistellung anrechnen lassen müsse.
Schließlich wiederholt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen, dass der Kläger ab Januar 2006 nicht - wie er sich anrechnen lasse - 1.010,00 € brutto monatlich, sondern - wie in der Berufungsverhandlung unstreitig wurde - 1049, 88 € brutto monatlich erhalten habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 03.05.2006 verkündeten Urteils der 7.Kammer des Arbeitsgerichts Köln - 7 Ca 10270/05 -die Klage, soweit über sie durch das Teilurteil vom 03.05.2006 entschieden wurde, abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er weist darauf hin, dass die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen es in die Freiheit des Klägers stellten, das Beschäftigungsverhältnis vorzeitig zu beenden. Von dieser Möglichkeit habe der Kläger wohlweislich keinen Gebrauch gemacht, um seine Vergütungsansprüche gegen die Beklagte aufrecht zu erhalten.
Entgegen der Behauptung der Beklagten habe es auch keine Erklärung von ihr an den Kläger gegeben, in der die Beklagte dem Kläger angekündigt habe, wenn er das Beschäftigungsverhältnis vorzeitig beenden würde, weil er eine neue Arbeit gefunden habe, werde man ihm von Seiten der Beklagten keine Schwierigkeiten machen, aber auch keinen Lohn mehr zahlen. Erst recht habe es keine dahingehende Einverständniserklärung des Klägers gegeben, dementsprechend sei solches angesichts der Schriftformklausel in Ziffer 10 der Aufhebungsvereinbarung auch nicht vereinbart worden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte überwiegend keinen, nämlich nur insoweit Erfolg, als der Kläger sich für die 3 Monate ab Januar 2006 nicht 1.010,00 € sondern 1.049, 88 € brutto als gezahltes Bruttogehalt anrechnen lassen musste.
I. Nach Rechtsprechung des BAG (19.03.2002 - 9 AZR 16/01), dem die Kammer folgt, gilt für die Anrechnung von Zwischenverdiensten bei unwiderruflicher Freistellung Folgendes:
§ 615 BGB findet keine Anwendung, dementsprechend auch nicht § 615 S. 2 BGB. Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtswirksam von seiner Arbeitspflicht freigestellt, kommen Ansprüche aus Annahmeverzug nicht in Betracht. Eine Anrechnung von Zwischenverdienst kommt nur dann in Betracht, wenn sie vertraglich vorbehalten wurde.
Wenn der Arbeitgeber - wie auch im vorliegenden Fall - ohne nähere Festlegung des Urlaubszeitraums vergütungspflichtige Urlaubsansprüche auf die Zeit der Freistellung anrechnen will, ohne den Urlaubszeitraum näher festzulegen, so kann dies aus der Sicht des Arbeitnehmers nur bedeuten, dass der Arbeitgeber sich vorbehaltlos zur Fortzahlung des Entgelts im Freistellungszeitraums verpflichten will und der Arbeitnehmer über seine Arbeitsleistung frei verfügen kann. Denn einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung kann der Arbeitnehmer regelmäßig entnehmen, dass der Arbeitgeber es ihm überlässt, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen. Da während des Urlaubs anderweitig erzielter Verdienst auf das vom Arbeitgeber geschuldete Entgelt nicht anzurechnen ist, scheidet eine Auslegung der unwiderruflichen Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub dahingehend aus, der Arbeitgeber habe sich nur im Rahmen der Vorschriften über den Annahmeverzug zur Zahlung verpflichten wollen. Will der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung an weitere Voraussetzungen knüpfen, so muss er dass in der Freistellung zum Ausdruck bringen (BAG a.a.O.). Der Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist von weiterer Arbeitsleistung unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche freistellt, hat - so das BAG (a.a.O.) - die Möglichkeit, sich dem vertraglichen Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber die Anrechnung von Zwischenverdienst vorzubehalten, die Wirksamkeit eines solchen Vorbehalts setzt aber voraus, dass der Urlaub hinsichtlich seines Beginns und Endes im Freistellungszeitraum festgelegt wird.
Ausdrücklich hat das BAG in dieser Entscheidung auch entschieden, dass § 615 S. 2 BGB nicht analog angewendet werden kann und insbesondere auch nicht eine Anwendung im Wege ergänzender Vertragsauslegung in Betracht kommt.
II. Nach diesen Maßgaben war der Zwischenverdienst nicht anzurechnen.
1. Soweit die Beklagte sich auf einen allgemeinen Rechtsgedanken beruft, hat das BAG in der zitierten Entscheidung einem solchen allgemeinen Rechtsgedanken ersichtlich eine Absage erteilt. Es hält auch eine analoge Anwendung des § 615 S. 2 BGB nicht für möglich.
2. Soweit die Beklagte sich auf ergänzende Vertragsauslegung beruft, hat das BAG in der zitierten Entscheidung ebenfalls entschieden, dass eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes außerhalb der Regelungen des § 615 BGB auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung in Betracht kommt.
Selbst wenn man anderer Auffassung sein sollte, so kann die Kammer im vorliegenden Fall nicht mit ausreichender Deutlichkeit auf einen entsprechenden hypothetischen Parteiwillen schließen. Aus der Ausstiegsklausel in Ziffer 4 des Aufhebungsvertrages ergibt sich eindeutig, dass das Beschäftigungsverhältnis des Klägers nicht - wie die Beklagte es auf Seite 5 ihrer Berufungsbegründung formuliert - "vorzeitig enden sollte". Vielmehr ist hier eindeutig eine Option geregelt: "Der Arbeitnehmer erhält die Möglichkeit, gegenüber dem Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch schriftliche Anzeige zu beenden." Hier ist eben nicht eine Verpflichtung, ein Sollen, geregelt, sondern lediglich eine Option. Dem stehen auch die nach Beklagtenbehauptung durch Herrn S gegebenen Erläuterungen nicht entgegen. So formuliert die Beklagte auf Seite 4 ihrer Berufungsbegründung auch zutreffend: "Die Ausstiegsklausel macht vielmehr deutliche, dass die Parteien übereinstimmend davon ausgingen, dass der Kläger bei Antritt einer neuen Beschäftigung das Arbeitsverhältnis zur Beklagten beenden können sollte." Dass der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen musste, ist nirgends geregelt.
Jedenfalls als Optionsregelung enthält Ziffer 4 des Aufhebungsvertrages keinen hinreichend deutlichen Hinweis darauf, dass der Kläger bei Nichtgebrauchmachen von der Option sich anderweitigen Zwischenverdienst entgegen der im Übrigen in separater Urkunde getroffenen Freistellungsvereinbarung anrechnen lassen musste.
Dem Schluss auf einen solchen hypothetischen Parteiwillen steht im Übrigen entgegen, dass in der Freistellungsvereinbarung selbst die weitere Regelung enthalten ist: "Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung noch vorhandener Resturlaubs- und Freizeitansprüche."
Dieses Ziel konnte nur dann erreicht werden - dieses ergibt sich aus der Entscheidung des BAG vom 19.03.2002 - wenn der Urlaub bzw. die Freistellung hinsichtlich ihres Beginns und ihres Endes in der Freistellungsvereinbarung festgelegt wurden. Dieses ist nicht geschehen.
Damit spricht der Sinn und Zweck der Freistellungsvereinbarung als solcher mindestens ebenso gegen einen hypothetischen Parteiwillen der Anrechnung von Zwischenverdienst wie Ziffer 4 der Aushebungsvereinbarung dafür sprechen könnte.
Ein klarer hypothetischer Parteiwille lässt sich nicht feststellen.
III. Zweitinstanzlich ist unstreitig geworden, dass dem Kläger ab Januar 2006 einen monatlicher Bruttobetrag von 1.049,88 € zugeflossen ist, dessen Differenz zu den vom Kläger bereits berücksichtigten 1010,00 € der Kläger sich anrechnen lassen muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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