Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 12.10.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 847/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 313
Die 1979 von einem damals 62jährigen Betriebspensionär in einem gerichtlichen Vergleich getroffene Versorgungsvereinbarung "Im Falle des Todes des Klägers erhält dessen ihn überlebende Ehefrau eine lebenslängliche Rente in Höhe von 60 % der Mannesrente" ist dahingehend auszulegen, dass auch eine nach Tod der ersten Ehefrau im Jahre 1986 im Jahre 1995 geheiratete 30 Jahre jüngere Ehefrau die Witwenrente erhält, wenn der ehemalige Arbeitnehmer verstirbt.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.04.2007 - 15 Ca 7783/06 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass von dem Verurteilungsbetrag zusätzlich folgende Zahlungen in Abzug gebracht werden: am 30.03.2007, 30.04.2007, 31.05.2007, 29.06.2007 jeweils gezahlte 147,25 € brutto.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Witwenrente. Kern des Streites ist die Auslegung eines zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin und dem Beklagten abgeschlossenen Vergleichs.

Die Klägerin war in 2. Ehe mit dem am 16.03.1916 geborenen und am 21.06.2006 im Alter von 90 Jahren verstorbenen Herrn H verheiratet. Herr H war in der Zeit vom 01.10.1941 bis zum 31.10.1973 bei der Firma L in Saarbrücken beschäftigt.

Herrn H war mit Datum vom 04.04.1974 (Blatt 5 d. A.) eine Versorgungszusage erteilt worden, nach welcher er bei Erhalt des Altersruhegeldes eine "Beihilfe nach der Satzung der Unterstützungskasse" erhalten sollte. Die einzige seinerzeit geltende Regelung der Zahlungen der Unterstützungskasse war in dem sogenannten "Gesellschaftervertrag" der Firma H GmbH (Blatt 25 ff. d. A.) enthalten, dessen letzte Fassung vom 12.01.1950 stammte. Die Leistungen sind dort in § 5 geregelt (Blatt 26 d. A.). In dessen letzten Absatz heißt es:

"Laufende Unterstützungen sollen jeweils nur auf bestimmte Zeit zugebilligt werden, wobei Verlängerungen zulässig sind. Sie endigen spätestens mit dem Tode des benannten Leistungsempfängers, vorbehaltlich ihrer ganzen oder teilweisen Erneuerung zu Gunsten seiner Witwe oder ehelichen, minderjährigen Kinder."

Ab dem 01.04.1976 bezog Herr H Altersruhegeld von der Firma L . Über deren Vermögen wurde am 28.04.1977 das Konkursverfahren eröffnet. Herr H nahm den Beklagten mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht Köln auf Zahlung einer Betriebsrente in Anspruch. Dabei waren die Einzelheiten des Versorgungsversprechens Herrn H streitig. Streitig war insbesondere auch die Höhe der Witwenrente.

Eine vom Beklagten im Jahre 1977 befragte, vom Anwalt eines Versorgungsberechtigten benannte Zeugin, die ehemalige Prokuristin der Firma L Frau S teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 05.07.1977 unter anderem mit:

"Bezüglich Ihrer Anfrage "Zahlung von Rente an Witwen von Unterstützungsempfängern" teile ich Ihnen mit, dass wir im Regelfalle 60 % des dem Unterstützungsberechtigten zustehenden Betrages bezahlt haben."

Der Anwalt eines Versorgungsberechtigten, Rechtsanwalt Dr. R , Saarbrücken, hatte in einem Schreiben vom 13.07.1977 dem P unter anderem mitgeteilt:

"Konkrete Versorgungsrichtlinien der Unterstützungskasse bestanden nicht. Die Höhe der Rente wurde jeweils nach den Bedürfnissen der Witwe, insbesondere auch nach ihrem sonstigen Einkommen, festgesetzt. Es gab dabei weder eine feste Regel, noch können Relationen zu vergleichbaren Verhältnissen gezogen werden. Die Bemessung der Höhe der Rente erfolgte absolut einseitig im konkreten Einzelfall."

Nachdem ähnliche Aussagen wie die der Frau S im seinerzeitigen Prozess insbesondere vom Zeugen Pfister gemacht wurden, schlossen Herr H , vertreten durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagte, vertretende Rechtsanwalt Dr. N am 01.02.1979 vor dem Arbeitsgericht Saarbrücken ein Vergleich, mit dem das inzwischen beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf anhängigen Verfahren zwischen Herrn H und dem P erledigt wurde (Blatt 6 d. A.). Danach hatte der jetzige Beklagte an den Kläger eine lebenslängliche monatliche Rente in Höhe von 480,00 DM zu zahlen, jeweils fällig zum Monatsletzten. In Nummer 3 des Vergleiches heißt es:

"Im Falle des Todes des Klägers erhält dessen ihn überlebende Ehefrau eine lebenslängliche Rente in Höhe von 60 % der Mannesrente."

Die Auslegung dieser Klausel ist der Kern des Streits der Parteien.

Der Beklagte zahlte an Herrn H bis zu dessen Tod im Jahre 2006 die Rente.

Die zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch lebende erste Ehefrau des Herrn H verstarb am 25.11.1986. Herr H lebte zunächst rund 9 Jahre als Witwer und heiratete dann am 16.05.1995, mit 79 Jahren, die am 22.10.1947 geborene, mehr als 30 Jahre jüngere Klägerin. Nach weiteren rund 11 Jahren verstarb Herr H.

Die vorliegende Klage wurde am 27.09.2006 erhoben, nachdem der Beklagte es abgelehnt hatte, an die Klägerin zu zahlen.

Mit Datum vom 29.11.2006 erteilte der Beklagte jedoch der Klägerin einen Leistungsbescheid (Blatt 44 ff. d. A.), mit der ihr mitgeteilt wird, dass sie ab dem 01.07.2006 einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgungsleistungen in Höhe von 147,25 € monatlich habe. Weiter heißt es: "Die Erfüllung dieser Ansprüche hat der P gemäß § 8 Abs. 1 BetrAVG dem Konsortium für den P (siehe beigefügte Aufstellung) übertragen, indem er als Versicherungsnehmer die entsprechende(n) Lebensversicherung(en) abgeschlossen hat."

Tatsächlich erhielt die Klägerin am 29.12.2006 einen Betrag von 883,50 € von der A AG im Auftrag des Beklagten überwiesen. Dabei handelte es sich um die rückständigen Rentenzahlungen für die Monate Juli bis Dezember 2006. Monatliche Zahlungen in Höhe von 147,25 € erfolgten auch weiterhin, so dass die Klägerin sich diese Beträge anrechnen lässt und soweit eine Teilerledigungserklärung abgegeben hat. Erst für die Zeit ab Juli 2007 hat der Beklagte weitere Rentenzahlungen eingestellt.

Der Beklagte hat zu dem Leistungsbescheid mit Schriftsatz vom 15.01.2007 erklärt, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe. Der Leistungsbescheid sei im Übrigen nur deklaratorisch. Vorsorglich erkläre er deshalb, dass er sich vorbehalte, die derzeit laufenden Leistungen bei seinem letztlichen Obsiegen einzustellen und die bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens gezahlten Monatsrenten an die Klägerin ganz oder teilweise zurückzufordern. Der Praktikabilität wegen solle es auch bei der Versicherung der der Klägerin versehentlich bestätigten Monatsrente beim geschäftsführenden Versicherer des Konsortiums für den P , der A Stuttgart, bei dem die Rente gegen Einmalprämie versichert worden sei, für die Dauer des vorliegenden Rechtsstreits bleiben.

Die Klägerin hat ausweislich des erstinstanzlichen Urteils beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine lebenslängliche Rente in Höhe von 147,25 € brutto zu zahlen, fällig jeweils zum Monatsletzten, beginnend mit dem Monat Juli 2006, die Rückstände verzinslich mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit, abzüglich am 29.12.2006 gezahlter 883,50 € brutto, am 31.01.2007 gezahlter 147,25 € brutto und am 28.02.2007 gezahlter 147,25 € brutto.

Hilfsweise werde im Hinblick auf den Bescheid des Beklagten vom 29.11.2006 und den Bescheid der A AG vom 01.12.2006 der Rechtsstreit bezüglich der eingeklagten Rentenforderung in Höhe von monatlich 147,25 € brutto für erledigt erklärt. In der Sache werde folgender Antrag gestellt:

1) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 147,25 € seit dem 01.08.2006, 01.09.2006, 01.10.2006, 01.11.2006 und 01.12.2006 zu zahlen,

2) festzustellen, dass der Klägerin aufgrund der Versorgungszusage der Firma H KG in Saarbrücken vom 04.04.1974 und des am 01.02.1979 vor der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Köln - 7 Ca 1507/78 - abgeschlossenen Vergleiches eine lebenslängliche Rente in Höhe von 147,25 € brutto zusteht, fällig jeweils am Monatsletzten, abzüglich der gezahlten Rentenbeträge für die Zeit vom Juli 2006 bis Februar 2007.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es ist zu der Auslegung gelangt, dass der Vergleich auch die Klägerin als Witwe mit umfasse. Der Beklagte könne sich nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.

Gegen dieses ihm am 19.06.2007 zugestellte Urteil vom 17.04.2007 hat der Beklagte am 18.07.2007 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 20.08.2007, begründet.

Der Beklagte wendet sich zunächst gegen die Auslegung durch das Arbeitsgericht. Der Wortlaut sei nicht, wie das Arbeitsgericht gemeint habe, eindeutig. Auch könne nicht unterstellt werden, dass der Beklagte im Jahre des Vergleichsschlusses (1979) nur 4 Jahre, nachdem er seine Tätigkeit aufgenommen habe, mit Spätehen- und Altersunterschiedsklauseln eine erhebliche Erfahrung gehabt habe. Auch die Interessenlage habe das Arbeitsgericht nicht zutreffend beurteilt. Zwar möge es richtig sein, dass beide Parteien angesichts der Ungewissheit darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Witwenrente geschuldet werde, ein Interesse an einer klaren Regelung gehabt hätten. Daraus folge aber nicht, dass tatsächlich eine eindeutige Regelung vorgenommen worden sei. Vielmehr dürften die Parteien zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht daran gedacht haben, dass die dem damaligen Kläger zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses angetraute Ehefrau vor ihm versterbe, und erst Recht nicht in Erwägung gezogen haben, dass Herr H im hochbetagten Alter, mehr als 16 Jahre nach dem Vergleichsschluss, noch einmal eine 30 Jahre jüngere Ehefrau ehelichen würde.

Im Übrigen sei es - bei gegenteiliger Auslegung - zum Wegfall der Geschäftsgrundlage gekommen. Dazu beruft sich der Beklagte im wesentlichen auf die Entscheidung des Landgerichts Köln vom 17.04.1985 (DB 1985, 2252). Es sei ihm, dem Beklagten unzumutbar, am Vertrag festzuhalten. Das Äquivalent von Leistung und Gegenleistung sei bei einer Spätehe mit einem Altersabstand von mehr als 30 Jahren derart gestört, dass von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden müsse. Es sei auch ihm, dem Beklagten nicht zuzumuten, an dem Vertrag festzuhalten, der den Rahmen es kalkulierbaren Risikos weit hinter sich gelassen habe.

Zwar möge es sein, dass angesichts der höheren Lebenserwartung von Frauen ein Risiko besteht, dass eine Witwenrente 10 Jahre länger zu zahlen sei als die Mannesrente. Vorliegend ergäben sich jedoch völlig andere Verhältnisse. Zum Zeitpunkt der Wiederheirat mit der Klägerin sei Herr H bereits hoch betagt gewesen und habe die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes bereits überschritten gehabt. Bei einem sofortigen Versterben des Herrn H habe der Beklagte damals der 47jährigen Klägerin bei Erreichen der regelmäßigen Lebenserwartung von Frauen noch mehr als 30 Jahre Rentenleistung erbringen müssen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei Vergleichsschluss erst 31 Jahre alt gewesen sei. Bezogen auf den Vergleichsschluss würde dieses bedeuten, dass bei der durchschnittlichen Lebenserwartung von Frauen beinahe 50 Jahre Versorgungsleistungen fällig gewesen wären. Dies stehe in keinerlei Verhältnis mehr zur tatsächlichen Betriebszugehörigkeit des Herrn H .

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.04.2007 - 15 Ca 7783/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung des Beklagten und Berufungsklägers mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass von dem Verurteilungsbetrag zusätzlich folgende Zahlungen in Abzug gebracht werden:

Abzüglich am 30.03.2007, 30.04.2007, 31.05.2007 und 29.06.2007 jeweils gezahlter 147,25 € brutto.

2. Hilfsweise,

a) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils brutto 147,25 € vom 01.08.2006, 01.09.2006, 01.10.2006, 01.11.2006, 01.12.2006 bis zum 29.12.2006 zu zahlen.

b) Festzustellen, dass der Klägerin aufgrund der Versorgungszusage der Firma H KG in Saarbrücken vom 04.04.1974 und des am 01.02.1979 vor der 7. Kammer des Arbeitsgerichts Köln - 7 Ca 1507/78 - abgeschlossenen Vergleiches eine lebenslängliche Rente in Höhe von 147,25 € brutto zusteht, fällig jeweils am Monatsletzten, abzüglich der gezahlten Rentenbeträge für die Zeit von Juli 2006 bis Juni 2007

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie meint, Grundlage der Verpflichtung sei nicht allein der Vergleich, sondern die Rentenzusage des früheren Arbeitgebers. Wenn sich der Anspruch der Witwenrente bereits aus der Rentenzusage vom 04.04.1974 ergebe und die Verpflichtung aus der Rentenzusage durch den Vergleich keine Modifikation erfahren habe, greife die Argumentation der Berufungsbegründung zu kurz. Die Beweisaufnahme im Vorprozess habe aber ergeben, dass die Firma L KG Witwenrenten in Höhe von 60 % aufgrund einer Betriebsübung entsprechend der Aussagen der Zeugen F , L und P vom 28.11.1978 gezahlt habe. Dabei habe dieser Anspruch keiner Beschränkung entsprechend einer Spätehenklausel unterlegen. Denn von einer Spätehenklausel sei in der Zusage vom 04.04.1974 nicht die Rede. Auch habe sich in der Folgezeit keine Betriebsübung gebildet, wonach eine Witwe, deren Ehe erst nach dem Rentenfall geschlossen worden sei, keinen Anspruch auf Witwenrente gehabt haben solle. Jedenfalls werde der Beklagte das nicht beweisen können.

Nichts spreche auch dafür, dass Herr J bei Vergleichsabschluss den Willen gehabt habe, eine Verminderung der Rentenansprüche aus der Rentenzusage bezüglich einer künftigen Witwe in Abweichung von der bisherigen Rechtslage hinzunehmen.

Im Übrigen sei der Wortlaut des Vergleiches eindeutig. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass selbst, wenn der P seinerzeit seine Tätigkeit erst vor wenigen Jahren aufgenommen habe, der für ihn tätige Rechtsanwalt Dr. N bereits im Jahre 1979 ein auf dem Gebiet des Arbeitsrechts überaus qualifizierter Anwalt gewesen sei. Der Beklagte habe Herrn Dr. N gerade wegen dessen fachlicher Qualifikation in Anspruch genommen, obwohl dieser seine Kanzlei im entfernten Gütersloh betrieben und obwohl sicherlich die Möglichkeit bestanden habe, einen der zahlreichen in Köln zugelassenen Anwälte zu betrauen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

A) Das Arbeitsgericht hat den Vergleich zutreffend ausgelegt.

Das Arbeitsgericht hat zunächst die Grundsätze der Auslegung der vertraglicher Regelungen zutreffend dargestellt. Darauf wird Bezug genommen.

Es ist indes noch einmal hervorzuheben, dass der Unterschied der beiden für die Vertragsauslegung relevanten Normen, nämlich des § 133 und des § 157 BGB, darin besteht, dass § 133 BGB auf den sogenannten "empirischen Parteiwillen" abstellt, während § 157 BGB auf die objektive Bedeutung verweist (sogenannte objektiv normative Auslegung). Aus dem Zusammenspiel der beiden Normen ergibt sich, dass dann, wenn ein übereinstimmender Wille der Parteien besteht, dieser rechtlich auch dann maßgebend ist, wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (BGHZ 71, 247; BAGE 22, 174). Das übereinstimmend Gewollte hat danach Vorrang vor der irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung. Der durch Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens, dass heißt der Erklärungswert so wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben aus dem Empfängerhorizont (BGHZ 36, 33) für einen unbefangenen Dritten (BGHZ 71, 297) darstellt, muss jedoch dann maßgebend bleiben, wenn sich ein abweichender übereinstimmender Wille der Parteien nicht feststellen lässt.

Auszugehen ist aus diesem Grunde grundsätzlich vom Wortlaut der Erklärung (BGHZ 121, 16). Ähnlich wie bei einer Gesetzesauslegung sind auch bei rechtsgeschäftlichen Texten der sprachliche Zusammenhang der Erklärung und insbesondere die Stellung im Gesamtzusammenhang des Textes (systematische Auslegung) zu berücksichtigen (BGH NJW 1957, 873).

Nach diesen Maßgaben gilt Folgendes:

I. Die Kammer teilt zunächst die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der Wortlaut "dessen ihn überlebende Ehefrau" insofern eindeutig ist, als die Klägerin davon objektiv erfasst wird. Sie war die Ehefrau des verstorbenen Herrn H und hat diesen überlebt.

II. Auch die systematische Stellung dieser Wörter im Zusammenhang des Textes spricht dafür, dass die Klägerin von der Vergleichsklausel erfasst ist: Es ist nämlich nicht lediglich "dessen Ehefrau" angeführt, sondern die "ihn überlebende Ehefrau", welches wiederum Bezug nimmt auf den zuvor angesprochenen "Fall des Todes des Klägers". Es kommt also nach dem objektiven Sinngehalt auf die Person an, die im Zeitpunkt des Todes mit dem Kläger verheiratet war. Dieses ist wiederum eindeutig die Klägerin.

Der Vergleichstext enthält keinerlei Einschränkung auf die zum Zeitpunkt des Vergleichschlusses lebende Ehefrau.

III. Ein davon abweichender übereinstimmender Parteiwille lässt sich nicht feststellen.

Es mag sein, dass Herr H ebenso wie Dr. N und der damalige Prozessbevollmächtigte Herrn H in erster Linie an die seinerzeit lebende Ehefrau gedacht haben und sich keine konkreten Vorstellungen darüber gemacht haben, was gelten solle, wenn die seinerzeit lebende Ehefrau vor dem Kläger verstürbe oder wenn diese Ehe geschieden würde.

Es lässt sich indes nicht feststellen, dass zumindest auch der Wille Herrn H dahin gegangen sei, in jedem Fall nur seine seinerzeit lebende Ehefrau zu begünstigen. Ein solcher Wille kann nicht einfach unterstellt werden. Das ergibt sich auch aus folgender Überlegung:

Herr H war im Zeitpunkt des Vergleichschlusses erst 62 Jahre alt. Wäre zum Beispiel die Ehe Herrn H geschieden worden oder wäre seine Frau seinerzeit alsbald verstorben und hätte Herr H eine gleichaltrige Ehefrau wieder geheiratet, so wäre der vorliegende Streit mit Wahrscheinlichkeit nicht entstanden. Es läge fern, bei dem vorliegenden Vergleichstext davon auszugehen, dass auch in diesem Falle die neue gleichaltrige Ehefrau nicht begünstigt sein sollte.

Ebenso wenig aber lässt sich feststellen, dass Herr H den Willen gehabt hätte, eine erst deutlich später geheiratete Ehefrau bzw. eine deutlich jüngere spätere Ehefrau nicht zu begünstigen. Es lässt sich insbesondere nicht erkennen, wo hier im Willen der Parteien, insbesondere Herrn H die Abgrenzungslinie hätte verlaufen sollen. Der Vergleichstext und die sonstigen Begleitumstände geben dafür keinerlei Anhaltspunkte.

IV. Was schließlich die Interessenlage anbelangt, so teilt die Kammer zunächst die Auffassung des Arbeitsgerichts. Soweit dabei auf Beklagtenseite berücksichtigt werden soll, dass es grundsätzlich nicht in seinem Interesse liegen konnte, auch noch bei späterer Heirat einer wesentlich jüngeren Ehefrau Witwenrente zu zahlen, so kann dieses einseitige Interesse nicht zu einer gegenteiligen Auslegung führen, denn das Interesse Herrn H stand diesem Interesse entgegen.

V. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben vermag die Kammer der Vergleichsklausel keine im Sinne des Beklagten vom Wortlaut abweichende Auslegung zu geben. Dabei ist - wie es das Arbeitsgericht an anderer Stelle getan hat - zu berücksichtigen, dass der Beklagte, auch wenn er bei Vergleichsschluss erst vier Jahre bestand und wenn daher - wie der Beklagte es in der Berufungsbegründung ausdrückt - von einer "gefestigten Erfahrung mit Spätehen- und Altersunterschiedsklauseln" beim Beklagten noch nicht auszugehen war, es sich beim Beklagten doch um eine ausschließlich mit Altersversorgung befasste kompetente Institution handelt, die auch sogleich nach Gründung auf entsprechende Fachkompetenz zurückgreifen konnte und dieses mit Herrn Dr. N auch getan hat. Dass im Übrigen ein mögliches Regelungsbedürfnis für den Fall der Spätehe besteht, drängt sich im Fall der Zusage einer Witwenversorgung ohne Weiteres jedem damit Befassten auf. Der Beklagte bedarf hier keines besonderen Schutzes, der unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Korrektur des nach den übrigen Auslegungskriterien gefundenen Ergebnisses rechtfertigen könnte. Der Beklagte konnte seinerzeit durch eine Spätehen- oder Altersabstandklausel sein Risiko begrenzen. Er hat es nicht getan.

B) Der Beklagte kann sich - auch das hat das Arbeitsgericht zu Recht entschieden - auch nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.

§ 313 BGB fasst die richterrechtlich aus Treu und Glauben entwickelten Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage so zusammen: Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Einer Veränderung der Umstände steht es dabei gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen.

1. Nach Auffassung der Kammer lässt sich nicht einmal feststellen, dass es zur Grundlage des Vertrages geworden wäre, dass Herr H , der seinerzeit 62 Jahre alt war, im Falle des Todes seiner seinerzeitigen Ehefrau oder im Falle der Scheidung nicht wieder heirate. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass dieses die wesentliche Vorstellung der seinerseits seinerzeit Vertragsschließenden gewesen sei. Das ein Mann von 62 Jahren, dessen Ehefrau, noch einmal heiratet, ist kein außergewöhnlicher Fall. Auch lässt sich - wie im Rahmen der Auslegung bereits ausgeführt - nicht feststellen, dass in den gemeinsamen Vorstellungen der Parteien für eine solche Wiederheirat eine Altersgrenze vorhanden gewesen wäre.

2. Selbst wenn dem aber so wäre, so stünde die vertragliche Risikoverteilung dem Anpassungsverlangen entgegen. Für den Wegfall der Geschäftsgrundlage als besonderen Fall der Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben gilt das schon oben Gesagte: Der Beklagte und sein damaliger Prozessbevollmächtigter waren "Profis". Die Vergleichsklausel wurde nicht vom protokollierenden Gericht vorgeschlagen, sondern, wie sich aus den seinerzeitigen Anwaltsschreiben (Blatt 34 ff. d. A.) ergibt, zwischen kompetenten Prozessbevollmächtigten ausgehandelt. Der Beklagte hatte also alle Möglichkeiten, seine Interessen durch eine entsprechende Formulierung zu sichern.

Ende der Entscheidung

Zurück