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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.11.2003
Aktenzeichen: 4 Ta 318/03
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG
Vorschriften:
ZPO § 130 Nr. 6 | |
ZPO § 253 Abs. 4 | |
KSchG § 5 |
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 03.07.2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten im Hauptverfahren über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung der Beklagten, die in ihrem Betrieb mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, darunter den Kläger, der seit dem 30.06.19985 bei der Beklagten beschäftigt ist.
Die Kündigung erfolgte mit Schreiben vom 20.02.2003. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an.
Am 12.03.2003 ging ein auf den 11.03.2003 datierter Schriftsatz mit der Überschrift "Klage" und dem Antrag, dass festgestellt werden solle, dass die Änderungskündigung der Beklagten vom 20.02.2003 sozial ungerechtfertigt sei, sowie einer Begründung ohne Unterschrift ein. Nach der Begründung findet sich lediglich in derselben Type wie der Schriftsatz geschrieben "M S " dazu der Zusatz "RechtssekretärIn".
Auf die fehlende Unterschrift wurden die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit gerichtlichem Schreiben vom 13.03.2003, abgegangen am 18.03.2003, hingewiesen. Der Kläger hat vorgetragen, am 27.03.2003 habe sein Prozessbevollmächtigter eine entsprechende Auskunft der 8. Kammer, Frau R , erhalten, nach der tatsächlich drei Klageschriftsätze nicht unterschrieben eingegangen seien.
Am 02.04.2003 ging ein Schriftsatz vom 01.04.2003 ein, der einen Terminierungsantrag sowie einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung enthielt.
Am 15.04.2003 ging sodann eine unterschriebene Änderungskündigungsschutzklage mit Datum vom 11.03.2003 ein.
Der Kläger hat dazu vorgetragen:
Der Klageauftrag der IG M sei bei der D R GmbH per Telefax am 10.03.2003 eingegangen. Im Eingangsstempel sei eine Vorfrist "sofort" vermerkt gewesen und eine Klagefrist auf den 13.03.2003 notiert gewesen. Auf Grund der kurzen Frist habe sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers entschlossen, die entsprechende Kündigungsschutzklage selbst am PC zu fertigen. Am 11.03.2003 gegen 12:22 Uhr sei die Klage gefertigt gewesen. Als sich der Prozessbevollmächtigte zehn Minuten später in das Nebenzimmer begeben habe, wo sich der von ihm und einer Kollegin gemeinschaftlich genutzte Drucker befinde, habe der Prozessbevollmächtigte festgestellt, dass der Auswurfschacht des Druckers leer gewesen sei.
Nach dem standardisierten Abläufen im Büro K sei der Prozessbevollmächtigte davon ausgegangen, dass ihm Klageschriften sowie entsprechende Anschreiben an Mandanten in einer Unterschriftenmappe zur Unterschrift vorgelegt würden. Er habe sich allerdings auch zum Empfang begeben, um bei der dort tätigen Verwaltungsangestellten G J nachzufragen, ob sie die Ausdrucke aus dem Drucker genommen habe. Dies habe Frau J bejaht.
Frau J habe die entnommenen Schreiben beim Empfang in eine Unterschriftenmappe gelegt und diese sodann auf den Beistelltisch gelegt, um sie dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vorzulegen. Dieses sei nicht erfolgt, da Frau J auch im Rahmen ihrer Tätigkeit die eingehenden Telfongespräche anzunehmen gehabt habe, wobei das Telefonaufkommen jederzeit immens sei. Ebenfalls sei Frau J ab 14:00 Uhr zugleich für die Annahme der ins Büro kommenden Mandanten zuständig gewesen.
Im Empfang befinde sich der zentrale Postausgang des Büros. Dort werde die gesamte unterzeichnete Ausgangspost in die Ausgangsfächer für das Sozial- und Arbeitsgericht Köln gelegt, die restliche Ausgangspost werde dort frankiert und einkuvertiert.
Auf dem Beistelltisch des Empfangs würden von den Sekretären die unterschriebenen Postmappen nach Vorlage durch die Verwaltungsangestellten abgelegt. Aufgabe Frau J sei es dann, die Postmappen leer zu räumen, die Schriftstücke auf Unterschrift zu prüfen und die entsprechende Verteilung vorzunehmen.
Die Unterschriftenmappe sei aber dem Prozessbevollmächtigten nicht mehr vorgelegt worden. Gegen Arbeitsende, 16:00 Uhr, habe Frau J die Klageschriften aus der Unterschriftenmappe entnommen und in das Postausgangsfach für das Arbeitsgericht gelegt. Dabei habe sie versäumt, diese Unterschriftenmappen dem Prozessbevollmächtigten vorzulegen. Dieses sei nicht erfolgt, weil mehrere Sekretäre ihre Unterschriftenmappen (unterschrieben) auf die Unterschriftenmappe des Prozessbevollmächtigten des Klägers abgelegt hätten. Frau J sei deshalb davon ausgegangen, dass sämtliche in dem Unterschriftenstapel befindliche Post bereits durch die Sachbearbeiter/Sekretäre unterzeichnet sei. Dabei sei auch die Überprüfung auf die Unterzeichnung unterblieben, obwohl seit Jahren eine entsprechende Anweisung existiere. Bei Frau J handele es sich um eine ausgebildete Reno-Fachgehilfin, die bereits seit mehr als 20 Jahren beim Rechtsschutz tätig sei, sie sei umfänglich eingewiesen und habe sich stets als zuverlässige Verwaltungsangestellte erwiesen, deren Tätigkeit überwacht werde.
Der Kläger hat beantragt,
die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen .
Sie hat unter anderem darauf verwiesen, dass es auch in Anwaltskanzleien üblich sei, dass die Prozessbevollmächtigten die von ihnen zu erledigenden Fristen abzeichneten und kontrollierten. Hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers das getan - so die Beklagte -, wäre ihm aufgefallen, dass er die von ihm persönlich geschriebene Klageschrift bisher nicht unterzeichnet habe. Eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle hätte den Fehler somit verhindert. Im Übrigen sei die vorliegende Angelegenheit eindeutig außerhalb der standardisierten Büroabläufe abgelaufen. So habe ausnahmsweise der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Klageschrift selbst geschrieben. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers, wenn er sich bei Frau J danach erkundigt habe, ob diese das Schriftstück aus dem Drucker herausgenommen habe, die fertigen Dokumente nicht am Empfang unterzeichnet habe oder diese zur Unterzeichnung mitgenommen habe.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 03.17.2003 den Antrag auf nachträgliche Zulassung abgewiesen. Gegen diesen am 04.09.2003 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 17.09.2003 Beschwerde eingelegt und mit Schriftsatz vom 20.10.2003 mit Rechtsausführungen begründet.
II.
1. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist zulässig, insbesondere fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu APS/Ascheid § 5 KSchG Rn. 9), denn die Klageerhebung ist nicht rechtzeitig erfolgt.
Der Klage fehlt die Unterschrift, die gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO erforderlich ist.
Obwohl § 130 Nr. 6 ZPO n. F. ebenso wie § 130 Nr. 6 ZPO a. F. als Sollvorschrift gefasst ist, wurde die Unterschrift der Partei bzw. ihres Prozessbevollmächtigten in ständiger Rechtsprechung als zwingendes Wirksamkeitserfordernis angesehen (vgl. nur RGZ 151, 82; BGH JR 55, 266; BGH NJW 2001, 1581; zahlreiche weitere Nachweise bei Zöller/Greger, 23. Aufl., § 130 ZPO Rn 7 ff.).
Demgegenüber entspricht es langjähriger Entwicklung der Rechtsprechung, dass dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung getragen wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 05.04.2002 - GmS-OGB 1/98 - NZA 2000, 959 f mit einer Darstellung der Rechtsprechung zu Telegrammen, Fernschreiben und Telefax). Dementsprechend hat der Gemeinsame Senat in dieser Entscheidung auch die Übermittlung bestimmender Schriftsätze durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichtes zugelassen.
Der Gemeinsame Senat hat in dieser Entscheidung indes die schon stets die Rechtsprechung bestimmenden Grundsätze erneut hervorgehoben, dass das Unterschriftserfordernis bzw. bei kommunikationstechnisch übertragenen bestimmenden Schriftsätzen sonstige Erfordernisse der prozessualen Notwendigkeit Rechnung tragen müssen, dass die Person, von der die Erklärung ausgeht, dem Schriftstück hinreichend zuverlässig entnommen werden kann, und dass außerdem feststehen muss, dass es sich bei dem Schriftstück nicht um einen Entwurf handelt, sondern dass er mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Gerade diese Grundsätze hat auch das Bundesverfassungsgericht noch im Beschluss vom 04.07.2002 (2 BvR 2168/00 - NJW 2002, 3534) bestätigt.
Die obersten Gerichtshöfe des Bundes haben - wie dem zitierten Beschluss des Gemeinsamen Senats zu entnehmen ist - stets Wert darauf gelegt, dass bei elektronischer Form eben diesen beiden Kriterien, wenn auch nicht durch Übermittlung einer Unterschrift, so doch auf andere Weise Rechnung getragen wird.
Die Argumentation des Klägers läuft demgegenüber darauf hinaus, dass auf das Unterschriftserfordernis gänzlich verzichtet werden müsse. Er verweist dazu auf die Einführung von § 130 a ZPO (§ 46 b ArbGG) und meint, diese neuen Vorschriften würfen die Frage auf, ob an der starren formellen Forderung der zwingenden Unterschrift wirklich noch festgehalten werden könne.
Eine dieser Fragestellung entsprechende Auffassung vertritt in der Tat Greger (Zöller, 23. Auflage, § 130 Rn. 21). Greger, der grundsätzlich kritisch bereits der bisherigen Rechtsprechung gegenüberstand, vertritt dort wie an anderer Stelle (§ 130 a Rn. 4) die Auffassung, die Unterschrift könne jedenfalls seit der Neufassung der ZPO nicht mehr entgegen dem Wortlaut der Norm des § 130 Nr. 6 ZPO als zwingendes Wirksamkeitserfordernis des bestimmenden Schriftsatzes angesehen werden. Die Gesetzesbegründung zu der Einführung des elektronischen Dokuments nach § 130 a ZPO bezeichne die dort ebenfalls mit einer "Soll"-Vorschrift vorgesehene qualifizierte elektronische Signatur ausdrücklich als Ordnungsvorschrift. Daraus folge, dass die Signatur nach der Intention des FormAnpG kein zwingendes Erfordernis elektronischer Erklärungen darstelle. Dies führe jedoch zu einer unerträglichen Ungleichbehandlung gegenüber papiergebundenen Erklärungen. Die Lösung müsse daher einheitlich sein: Weder könne weiterhin nach § 130 Nr. 6 eine Unterschrift gefordert werden, noch sei die Signatur Wirksamkeitserfordernis bestimmender Schriftsätze. Dieses spreche gegen die bisher herrschende Meinung zu § 130 Nr. 6 ZPO.
Demgegenüber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 130 Nr. 6 ZPO selbst bei der Telekopie nicht von der Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie abgesehen hat.
Im Übrigen ist der Hinweis von Greger auf die Entstehungsgeschichte des § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO unvollständig. Wie Dästner (NJW 2001, 3469, 3470) im Einzelnen ausgeführt hat, hatte der Bundesrat unter anderem wegen des "Soll" in § 130 a I 2 ZPO den Vermittlungsausschuss angerufen mit dem Ziel, zumindest für bestimmende Schriftsätze die qualifizierte elektronische Signatur zwingend vorzuschreiben. Dadurch sollte für diese Dokumente sowohl die Authentizität des Absenders als auch die Integrität des Dokuments gewährleistet werden. Bei den Beratungen während des Vermittlungsverfahrens haben die Länder ihre Bedenken schließlich aufgegeben, so dass es bei der vom Bundestag beschlossenen Fassung des § 130 a I ZPO geblieben ist. Wesentliches Argument dafür war, dass das "Soll" in § 130 a I 2 ZPO genauso auszulegen sei, wie dies durch die gefestigte Rechtsprechung bislang in § 130 ZPO für bestimmende Schriftsätze der Fall war. Dementsprechend heißt es in einer entsprechenden Erklärung des Vermittlungsausschusses, die in der abschließenden Beratung des Bundesrates vom Berichterstatter zu Protokoll gegeben wurde: "Der Vermittlungsausschuss geht davon aus, dass auch die Formvorschrift des § 130 a Abs. 1 ZPO und in den anderen Prozessordnungen für bestimmende Schriftsätze als Muss-Vorschrift zu interpretieren ist und lediglich in besonderen Fällen - wie bei der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 130 ZPO herausgebildet - von einer qualifizierten elektronischen Signatur abgesehen werden kann, um flexibel auf technische Entwicklungen reagieren zu können" (Niederschrift der 765. Sitzung des Bundesrates vom 22.06.2001, 322; hier zitiert nach Dästner a.a.O.).
Der Gesetzgeber wollte daher gerade die bisherige Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes bestätigen.
Die völlige Aufgabe des Unterschriftserfordernisses für bestimmende Schriftsätze, worauf die Meinung von Greger hinausliefe, und worauf auch der Kläger hinaus will, widerspricht der Gesetzeslage.
2. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage nicht nachträglich zugelassen, weil innerhalb der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 KSchG die Klage nicht erhoben wurde. Auf die hierzu gemachten Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. In der Beschwerdebegründung meint der Kläger, dass es "sinnentleerte Förmelei" wäre, wenn neben der Einreichung eines unterzeichneten fristgerechten Antrages auf nachträgliche Zulassung noch die Einreichung unterzeichneter Klageschriften erforderlich wäre.
Der Kläger übersieht hier die Gesetzeslage. § 5 Abs. 2 KSchG lautet: "Mit dem Antrag ist die Klageerhebung zu verbinden; ist die Klage bereits eingereicht, so ist auf sie im Antrag Bezug zu nehmen". Da die Klage keine Unterschrift enthielt, war sie nicht eingereicht. Sie hätte daher - unterschrieben - wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden hat, innerhalb der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 KSchG eingereicht werden müssen. Dieses ist nicht geschehen, sodass der Antrag auf nachträgliche Zulassung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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