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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.05.2005
Aktenzeichen: 4 Ta 40/05
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG


Vorschriften:

ArbGG § 5
ArbGG § 48
GVG § 17 a
Rechtsanwältin als arbeitnehmerähnliche Person.
Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 17.11.2004 - 12 (21) Ca 4798/04 - wie folgt abgeändert:

Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht ist zulässig.

2. Die Entscheidung über die Kosten der sofortigen Beschwerde bleibt dem Schlussurteil des Arbeitsgerichts vorbehalten.

Gründe: Die gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist für sie eröffnet, weil sie jedenfalls eine arbeitnehmerähnliche Person ist und als solche nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als Arbeitnehmerin im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gilt. Ob sie darüber auch die weiteren Voraussetzungen einer Arbeitnehmerin erfüllt, kann dahin stehen. 1. Arbeitnehmerähnliche Personen sind, was zumeist auf ihrer gegenüber Arbeitnehmern geringeren Weisungsabhängigkeit oder ihrer fehlenden intensiven Eingliederung in die betriebliche Organisation beruht, wesentlich weniger persönlich abhängig als Arbeitnehmer (BAG v. 17.06.1999 - 5 AZB 23/98 - ; Kliemt in: Schwab/Weth (Hrsg.), ArbGG, § 5 Rdnr. 202); dafür tritt an Stelle der persönlichen Abhängigkeit das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit bzw. Unselbstständigkeit und eine einem Arbeitnehmer vergleichbare Schutzbedürftigkeit (BAG v. 08.09.1997 - 5 AZB 3/97 - ; Müller-Glöge in: Germelmann u.a., ArbGG, 5. Aufl., § 5 Rdnr. 20a; Kliemt, a.a.O. Rdnr. 209). Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist gegeben, wenn die Person auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft und die Einkünfte aus ihrer Dienstleistung als Existenzgrundlage angewiesen ist (BAG v. 02.10.1990 - 4 AZR 106/90 - ; Müller-Glöge, a.a.O.); dies ist dann der Fall, wenn die Tätigkeit die einzige wirtschaftliche Existenzgrundlage darstellt, ohne dass es von Belang ist, ob eine vertragliche Erlaubnis vorliegt, daneben anderen Tätigkeiten nachzugehen (BAG v. 30.08.2000 - 5 AZB 12/00 -, NZA 2000, 1359 (1360)). Eine vergleichbare soziale Schutzbedürftigkeit liegt vor, wenn das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind (Müller-Glöge, a.a.O.; m.w.N.; Kliemt, a.a.O.). Für die Einordnung als arbeitnehmerähnliche Person ist es jedenfalls unbedeutend, ob die jeweiligen Verträge eine Bezeichnung als "freier Mitarbeiter" vorsehen (OLG München v. 24.11.1998 - 29 W 3071/98 -, MDR 1999, 1412; OLG Brandenburg, 07.02.2002 - 14 W 10/01 -, NJW 2002, 1659) 2. Danach war die Klägerin zumindest als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. Ihr gesamtes Einkommen stammte vom Beklagten. Dass sie daneben die rechtliche Möglichkeit hatte, eigene Mandanten zu betreuen, hinderte ihre wirtschaftliche Abhängigkeit vom Beklagten nicht.

Denn diese Möglichkeit bot ihr gerade auf dem von zahlreichen Anwälten besetzten Arbeitsmarkt in und um Köln keine realistische Chance, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Klägerin unterhielt kein eigenes Anwaltsbüro, keine eigene Büroorganisation, die ihr eine Chance zur Akquisition von eigenen Mandaten in einem nennenswerten Umfang gegeben hätten. Sofern der Beklagte darauf hinweist, dass die Klägerin neben ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin sich um ihr Weiterbildungsstudium zur Wirtschaftsjuristin an der Universität bemüht habe, so steht das schon aus den vorgenannten Erwägungen im Gesamtbild der Annahme einer einem Arbeitnehmer vergleichbaren Schutzbedürftigkeit nicht entgegen. Im übrigen hat das Bundesarbeitsgericht in dem vom Beklagten angeführten Beschluss (16.07.1997 - 5 AZB 29/96 - ) nicht generell die wirtschaftliche Abhängigkeit dadurch charakterisiert, dass die Gestaltung des Vertragsverhältnisses den Dienstleistenden derart beansprucht, dass er daneben keine nennenswerte weitere Erwerbstätigkeit mehr ausüben kann. Es hat diese Tatsache im konkreten Fall lediglich als eine von mehreren Kriterien zur Gesamtwürdigung herangezogen. Die Tätigkeit der Klägerin steht in ihrer Sozialtypik einem Teilzeitarbeitsverhältnis nahe. Die Klägerin war auch im Hinblick auf ihre monatlichen Einkünfte von durchschnittlich 2.440,-- EUR im Zeitraum von Januar bis November 2003 und die Notwendigkeit, ihre Dienste für den Beklagten persönlich zu erbringen, einem Arbeitnehmer ähnlich schutzbedürftig. Bei der Höhe der Einkünfte ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin von diesem Verdienst im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer die gesamte Vorsorge selbst bestreiten musste. Für die arbeitnehmerähnliche Sozialtypik spricht ferner die hierarchische Einordnung der Klägerin. Unstreitig hat der Beklagte nicht nur Schriftsätze der Klägerin korrigiert, er hat auch selbst vorgetragen, dass die Klägerin einem "geregelten Arbeitsablauf, der eine bestimmte Reihenfolge für die Erstellung der Schriftsätze vorsah", unterworfen gewesen sei, und dazu betont, dass er selbst dabei "sein legitimes Recht als Inhaber der Kanzlei und nach außen hin alleinverantwortlicher Rechtsanwalt" ausgeübt habe, für alle die Richtlinien der Büroorganisation vorzugeben. Die Klägerin arbeitete persönlich, innerhalb einer vorgegebenen Organisation für den Beklagten, der das Unternehmerrisiko trug. Da die Arbeitszeit eines Rechtsanwaltes z.B aufgrund einzuhaltender Fristen, wahrzunehmender Gerichtstermine und der Notwendigkeit von Besprechungen mit Mandanten ohnehin erheblichen zeitlichen Vorgaben unterliegt, spricht im Übrigen einiges dafür, angesichts der hierarchischen Einordnung der Klägerin die ihr noch verbleibende Freiheit zu Zeitdisposition nicht als entscheidendes Moment in der Gesamtwürdigung auch bei der hier offengelassenen Frage zu berücksichtigen, ob ein Arbeitsverhältnis i. e. S. vorlag. Schließlich spricht auch für die zumindest arbeitnehmerähnliche Einordnung der Klägerin der Vortrag des Beklagten selbst, es habe "in der Natur der Sache" gelegen, dass die Klägerin bei der Bearbeitung oftmals ihre Arbeit zwangsläufig im Büro des Beklagten habe durchführen müssen, so dass sie aus diesem Grunde auch die Nutzung der entsprechenden Ausstattung zur Verfügung gestellt bekommen habe. Dass die Klägerin lediglich aus dem Vertragsverhältnis zum Beklagten ihre Erwerbseinkünfte bezog, hat sie durch Schreiben ihrer Steuerberaterin vom 20. Januar 2005 und die weiteren detaillierten Aufstellungen hinreichend glaubhaft gemacht. Letztlich hat der Beklagte dies auch nicht mehr bestritten. Irrelevant ist demgegenüber, ob der Lebensgefährte der Klägerin über hohe Einkünfte verfügte.

Ende der Entscheidung

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