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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 26.11.2004
Aktenzeichen: 4 TaBV 50/04
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 99 |
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS
In dem Beschlussverfahren
hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 26.11.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Backhaus als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Pohl und Kornmüller
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2004 - 7 BV 302/04 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Eingruppierung einer Mitarbeiterin.
Wegen des auf Grund des erstinstanzlichen Vorbringens festzustellenden Tatbestandes wird entsprechend § 69 Abs. 3 S. 2 ArbGG auf I. der Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die verweigerte Zustimmung ersetzt.
Gegen diesen ihm am 29.06.2004 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 23.07.2004 Beschwerde eingelegt und diese am Montag, den 30.08.2004, begründet.
Der Antragsgegner bezieht sich auf die Stellenausschreibung vom 29.01.2001 (Blatt 171 d. A.). Nach seiner, des Antragsgegners, Kenntnis seien diese Arbeitsplatzbeschreibung ebenso wie die dort ebenfalls aufgeführte Qualifikationsvoraussetzung der Mitarbeiterin seinerzeit vereinbart worden, als diese auf die Stelle der Assistentin Sicherheitspilot (Boden) versetzt worden sei. Diese Stellenbeschreibung sei also maßgebend für die Tätigkeit der Mitarbeiterin.
In der neuen Stellenbeschreibung vom 01.07.2002 (Blatt 172 d. A.) habe die Antragstellerin offenbar die Qualifikationsvoraussetzungen geändert.
In der alten Stellenbeschreibung habe es geheißen: "Betriebswirtschaftliche Ausbildung (z. B. Diplombetriebswirt/in, Wirtschaftsingenieur) bzw. gleichwertige durch langjährige Berufserfahrung im Flugbetrieb erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten". In der neuen dagegen werde lediglich gefordert: "Abgeschlossene kaufmännische Ausbildung mit betriebswirtschaftlicher Ausrichtung bzw. gleichwertige durch langjährige Berufserfahrung im Flugbetrieb erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten...".
Während eine kaufmännische Ausbildung eine praxisbezogene Ausbildung sei und die Prüfung vor der IHK abgelegt werde, werde eine betriebswirtschaftliche Ausbildung, die dem Beispiel Diplombetriebswirt oder Wirtschaftsingenieur entspreche, an einer Hochschule absolviert und ende mit einem dort abgelegten Examen.
Der Klammerzusatz in der Stellenausschreibung vom 29.01.2003 beinhalte gerade nicht, dass die dort erwähnte betriebswirtschaftliche Ausbildung auch anders als durch ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium erworben werden könne.
Der Antragsgegner meint, zu einer Herabsetzung der Anforderungen an die Stelle sei die Antragstellerin nur bei einer Neubesetzung des Arbeitsplatzes befugt.
Demzufolge sei Frau L nach Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages auch in die Vergütungsgruppe einzugruppieren, die den mit ihr vereinbarten Merkmalen und Voraussetzungen ihrer Stelle entspreche. Dieses sei die Vergütungsgruppe F.
Dass Frau L vergleichbare Kenntnisse und Fähigkeiten besitze, habe die Antragstellerin dokumentiert, indem sie ihr die Stelle der Assistentin Sicherheitspilot (Boden) zugewiesen habe, die entsprechende Voraussetzungen stelle.
Der Antragsgegner meint, würde Frau L nun niedriger eingruppiert als zuvor (Vergütungsgruppe IX/X VTV alt), so komme dieses einer korrigierenden Rückgruppierung gleich, deren Voraussetzungen nicht dargetan seien.
Insbesondere werde der erstinstanzliche Vortrag der Antragstellerin bestritten, dass der damalige Vorgesetzte der Mitarbeiterin versehentlich eine zu hohe Vergütungsgruppe angegeben habe.
Schließlich meint der Antragsgegner, die Erwähnung der Mitarbeiterin L im Überleitungstarifvertrag stehe seinem Bestimmungsrecht nicht entgegen. Das Betriebsverfassungsrecht enthalte indes Bestimmungen über die Beteiligungsrechte des Betriebsrates. Die Tarifparteien seien nicht befugt, die Eingruppierung der einzelnen Mitarbeiter in die Vergütungsgruppen vorzunehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.04.2004 - 7 BV 302/04 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
Die Antragstellerin verteidigt mit Rechtsausführungen die erstinstanzliche Entscheidung. Dabei bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Bedeutung von Tarifbeispielen.
Was den Hinweis des Antragsgegners auf die Rückgruppierung angeht, so weist die Antragstellerin darauf hin, dass - unstreitig - die Eingruppierung der Mitarbeiterin L in die Entgeltgruppe C keine finanzielle Schlechterstellung, sondern gegenüber ihrem bisherigen Gehalt eine finanzielle Besserstellung bedeutet. Die Vergütung der Mitarbeiterin Luetz hat sich durch die erstmalige Eingruppierung in die Entgeltgruppe C des ETV Nr. 1 von bislang 2.820,80 € auf 3.050,00 € erhöht.
II.
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Antragsgegners hatte in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Kammer geht wie die Beteiligten (vgl. Protokoll vom 26. 11. 2004 - Bl. 224 d.A.) davon aus, dass die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG gewahrt ist.
2. Die Kammer geht auch davon aus, dass der Betriebsrat mit seinem prozessualen Berufen darauf, dass die ursprüngliche Stellenausschreibung maßgebend sei für die Anforderungen an die von Frau L besetzte Stelle, nicht dadurch präkludiert ist, dass er dieses nicht in seinem Widerspruchsschreiben vorgebracht hätte. In dem Schreiben vom 09.10.2002, mit dem die Zustimmung verweigert wird heißt es:
"Die maßgebliche Tätigkeitsbeschreibung entspricht den Voraussetzungen der Entgeltgruppe F. Der Mitarbeiter ist deshalb dort einzugruppieren."
Auch wenn das nach § 99 BetrVG geforderte Schriftformgebot sicherstellen soll, dass der Arbeitgeber sichere Kenntnis von den Gründen erhält, die den Betriebsrat veranlasst haben, die Zustimmung zu der geplanten Maßnahme zu verweigern (vgl. z. B. BAG 22.01.2003 - 4 ABR 18/02 -), so erfordert dieses doch nicht, dass das Datum der Stellenausschreibung (29.01.2001), auf das der Betriebsrat sich bezieht, in dem Zustimmungsverweigerungsschreiben ausdrücklich genannt ist. Das Rekurrieren auf "die maßgebliche Tätigkeitsbeschreibung" hat einen hinreichenden Bezug zu dem prozessual vorgebrachten wesentlichen Argument des Betriebsrates.
3. Die Zustimmung wurde indes zu Unrecht verweigert.
Die Tarifparteien haben anlässlich der Einführung des Entgelttarifvertrages Nr. 1 vom 01.11.2001 (Blatt 30 ff. d. A.) zeitgleich den "Überleitungstarifvertrag zum Entgelttarifvertrag Nr. 1" (Blatt 42 ff. d. A.) abgeschlossen.
Dort heißt es in § 2:
"§ 2 Bewertung der einzelnen Stellen
Die Eingruppierung der einzelnen Stellen in die neue Entgeltstruktur ergibt sich aus der als Anlage 1 beigefügten Tabelle. Zukünftig kann sich die Eingruppierung der Stellen, z. B. infolge von Neubewertungen, ändern."
Weiter ist in § 8 folgendes vereinbart:
"§ 8 Überleitungstabelle
Die erstmalige Eingruppierung und Einstufung der einzelnen Mitarbeiter in der neuen Struktur sowie ihr neues Grundgehalt sind im Einzelnen in einer diesem Tarifvertrag als Anlage 2 beigefügten Tabelle festgelegt."
In der Anlage 1 (der hier relevante Auszug findet sich auf Blatt 49 d. A.) sind bisherige Vergütungsgruppen und Stellen bzw. Stellengruppen den neuen Vergütungsgruppen zugeordnet.
So werden die Stellen "Assistent (Geschäftsführung, Chefpilot, Sicherheitspilot usw.)", die bisher den Vergütungsgruppen VII bis X zugeordnet waren, der Entgeltgruppe C zugeordnet (Blatt 49 d. A.).
Noch genauer ordnet die Anlage 2 zu § 8 (hier relevanter Teil Blatt 67 d. A.) exakt einzelne Stellen sowohl den Vergütungsgruppen als auch den Stufen zu und nennt sogar präzise das für die jeweilige Stelle gezahlte Gehalt. Daraus ergibt sich für Frau L als Assistentin Sicherheitspilot eindeutig die Vergütungsgruppe C mit der Stufe 5 und das neue Gehalt von 3.050,00 € statt des bisherigen Gehaltes von 2.820,80 €.
An diese tarifliche Regelung ist die Antragstellerin gebunden.
Wenn es in § 2 des Überleitungstarifvertrages heißt: "Die Eingruppierung der einzelnen Stellen in die neue Entgeltstruktur ergibt sich aus der als Anlage 1 beigefügten Tabelle" und es in § 8 noch deutlicher heißt: "Die erstmalige Eingruppierung und Einstufung der einzelnen Mitarbeiter in der neuen Struktur sowie ein neues Grundgehalt sind im Einzelnen in einer diesem Tarifvertrag als Anlage 2 beigefügten Tabelle festgelegt", so ist nach Wortlaut und Systematik klar, dass dieses eine verbindliche tarifliche Regelung darstellt ("ergibt sich" und "festgelegt").
Irgendwelche Spielräume, die dortige Festlegung unter Berufung auf allgemeine Tarifmerkmale zu verändern, hat die Antragstellerin nicht.
Das Beteiligungsrecht des Betriebsrates aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor jeder "Eingruppierung und Umgruppierung" hat zu berücksichtigen, dass die Eingruppierung als Einordnung in ein kollektives Entgeltschema anders als Einstellung und Versetzung keine gestaltende Arbeitgeberentscheidung, sondern Rechtsanwendung ist (ständige Rechtsprechung des BAG - vg. z. B. BAG 09.03.1993 - 1 ABR 47/92 -). Dementsprechend ist das Beteiligungsrecht auch kein Mitgestaltungs-, sondern nur ein Mitbeurteilungsrecht. Die Mitbeurteilung des Betriebsrats soll eine größere Gewähr für die Richtigkeit der vorgenommenen Eingruppierung und der gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung bieten, also einer Richtigkeitskontrolle dienen (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BAG Nr. 7, 14, 18 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung).
Hat aber der Arbeitgeber nichts mehr zu beurteilen - wie im vorliegenden Fall - dann hat der Betriebsrat auch nichts mehr mitzubeurteilen.
Für die Eingruppierung im vorliegenden Fall ist es dementsprechend lediglich relevant, ob Frau L die Stelle einer Assistentin des Sicherheitspilotes (Boden) besetzt. Dieses ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
4. Zu Unrecht bezieht sich der Antragsgegner für seine gegenteilige Auffassung auf den Beschluss des BAG vom 09.03.1993 - 1 ABR 47/92 -. Dort hat das Bundesarbeitsgericht zunächst durch Auslegung ermittelt, dass sich aus einer Protokollnotiz nicht ableiten lasse, dass nach ausdrücklicher tariflicher Regelung eine Umgruppierung der bisher in eine bestimmte Gehaltsgruppe eingruppierten Arbeitnehmer nicht erfolgen könne. Es hat festgestellt, dass die Protokollnotiz in dem entschiedenen Fall keine eigenständige tarifliche Regelung enthalte und dass dementsprechend der Protokollnotiz nicht zu entnehmen sei, dass die Tarifparteien davon ausgegangen seien, die neuen Tarifgruppen seien den bisherigen Tarifgruppen jeweils starr zuzuordnen in der Weise, dass die Arbeitnehmer automatisch in eine bestimmte Gruppe überführt würden. Das Bundesarbeitsgericht hat mithin einen Beurteilungsspielraum anhand der allgemeinen Tarifmerkmale festgestellt.
Erst dann heißt es:
"Schon gar nicht kann der Protokollnotiz entnommen werden, sie beschränke das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auf eine Umgruppierung - hier möglicherweise von Gehaltsgruppe IV in V neuer Fassung -, lasse aber das Individualrecht des Arbeitnehmers unberührt, eine höhere - tarifliche richtige - Eingruppierung geltend zu machen. Selbst wenn dies die Absicht der Tarifparteien gewesen sein sollte - was nicht ersichtlich ist - wäre eine solche Regelung unwirksam. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG stehen nicht zur Disposition der Betriebsparteien, sie können von diesen nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Bindend vorgegeben wird nur die Gehaltsstruktur, in welche die Eingruppierung zu erfolgen hat."
Daraus folgt lediglich, dass die Tarifparteien nicht - individualrechtlich - und damit auch für den Arbeitgeber ausfüllungsbedürftige allgemeine tarifliche Eingruppierungsmerkmale statuieren können und insoweit das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrates ausschließen können.
Nicht folgt daraus aber, dass die Tarifparteien stets gehalten wären, ihre Eingruppierungsmerkmale so allgemein zu fassen, dass für Arbeitgeber und Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum verbleibt. In diese Richtung weist auch die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Tätigkeitsbeispielen, auf die sich die Antragstellerin beruft (insbesondere BAG vom 05.02.2004 - 8 AZR 600/02 -).
5. Der Betriebsrat hat in seinem Zustimmungsverweigerungsschreiben einen Verstoß der Tarifverträge gegen höherrangiges Recht nicht gerügt. Ein solcher ist auch nicht offensichtlich. Daher ist auch im vorliegenden Verfahren einem solchen etwaigen Verstoß, z. B. einem Verstoß gegen Gleichheitsnormen, nicht nachzugehen (vgl. BAG 22.03.2003 - 4 ABR 18/02 -).
Ende der Entscheidung
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