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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 5 (2) Sa 860/03
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3
Die in dem ministeriellen Erlass vom 20.12.2001 enthaltene Regelung, wonach Gymnasiallehrer zeitlich unbegrenzt, Gesamtschullehrer jedoch nur bei einer Einstellung spätestens im Schuljahr 1996/97 Anspruch auf Höhergruppierung nach Vergütungsgruppe II a BAT haben, verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.06.2003 - 2 Ca 306/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Vergütung des Klägers. Der Kläger ist ausgebildete Lehrkraft für die Sekundarstufen I und II mit uneingeschränkter Lehrbefähigung an Gymnasien, Gesamtschulen und Realschulen für die Fächer Biologie und Chemie. Auf Grund eines Arbeitsvertrages vom 09.06./06.08.1998 wurde er zunächst für die Zeit vom 10.08.1998 bis zum 31.07.1999 befristet als Lehrer eingestellt und der Gesamtschule in N /M zugewiesen. Gemäß Arbeitsvertrag vom 03.05./09.06.1999 wurde das Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 01.09.1999 auf unbestimmte Zeit verlängert. Der Kläger erhält die im Arbeitsvertrag mit dem beklagten Land vereinbarte Vergütung nach Vergütungsgruppe III.

Nach einem Erlass des beklagten Landes vom 20.12.2001 werden alle angestellten Lehrer, die an Gymnasien unterrichten, unabhängig von ihrem Einstellungsdatum nach der Vergütungsgruppe II a BAT vergütet, während Lehrer, die an Gesamtschulen unterrichten, nach dieser Vergütungsgruppe nur vergütet werden, wenn sie vor dem Schuljahr 1996/1997 in den Dienst des Landes getreten sind.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass diese Ungleichbehandlung unzulässig ist und hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihm ab dem 01.01.2002 Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag zwischen den Gehältern nach der Vergütungsgruppe II a und der Vergütungsgruppe III seit Rechtshängigkeit (21.01.2003) zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält die Ungleichbehandlung auf Grund der Erlasslage für gerechtfertigt.

Gegen das dem Klageantrag entsprechende Feststellungsurteil des Arbeitsgerichts vom 27.06.2003, welches dem beklagten Land am 21.07.2003 zugestellt worden ist, hat dieses am 05.08.2003 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 22.09.2003, begründet:

Es hält an seiner Auffassung fest ein Anspruch des Klägers nicht begründet sei. Dem Kläger stehe keine Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT auf Grund Ziffer 6.1 des Erfüllererlasses zu, weil eine überwiegende Verwendung des Klägers in der Sekundarstufe II unstreitig nicht erfolge. Auch nach dem Erlass vom 20.12.2001, der die gesetzliche Regelung für Beamte im Verhältnis eins zu eins lediglich nachzeichne, stehe dem Kläger die höherwertige Vergütung nicht zu. Von einer willkürlichen Ungleichbehandlung könne keine Rede sein, eine nicht billigenswerte Gruppenbildung liege nicht vor. Vielmehr habe das beklagte Land im Hinblick darauf, dass sich die unterrichtliche Tätigkeit in der Schulform Gesamtschule nicht auf einen Bildungsgang bezieht, welcher in erster Linie auf den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife gerichtet ist, im Rahmen des Überleitungsgesetzes für Lehrkräfte an Gesamtschulen eine Stichtagsregelung eingeführt, da der Haushalt lediglich eine Überleitung von Gesamtschullehrkräften bis zu einer Grenze von 44 % der Stellen habe berücksichtigen können. Das genannte Differenzierungskriterium sei ein qualitatives Kriterium, welches auf faktisch unterschiedlichen Sachverhalten beruhe und in der qualitativ anspruchsvolleren, an die Unterrichtstätigkeit höhere Anforderungen stellende Lehrtätigkeit an Gymnasien begründet sei.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 27.06.2003 - 2 Ca 306/03 - abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit der Berufungserwiderung verteidigt er die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des beklagten Landes ist zulässig, insbesondere ist sie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Feststellungsklage des Klägers ist nach § 256 ZPO zulässig und begründet. Dem Kläger steht auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT zu.

Zwar kann der Kläger, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, die höherwertige Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT nicht auf Grund des im Arbeitsvertrag vom 03.05./09.06.1999 unter § 4 in Bezug genommenen sog. Erfüllererlasses vom 16.11.1981 verlangen. Denn er besitzt zwar die Lehrbefähigung für eine Erteilung von Unterricht in der Sekundarstufe II, er wird jedoch nicht überwiegend in einer dieser Lehrbefähigung entsprechenden Tätigkeit verwendet. Auch besteht, wie zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig ist, ein Anspruch auf Höhergruppierung nicht unmittelbar auf Grund des Erlasses vom 20.12.2001. Dieser sieht für Gesamtschullehrer die Höhergruppierung - unabhängig von ihrer Verwendung - lediglich dann vor, wenn sie spätestens im Schuljahr 1996/1997 eingestellt worden sind. Hierzu gehört der Kläger, der erst seit dem 10.08.1998 beim Land beschäftigt ist, unstreitig nicht.

Der Höhergruppierungsanspruch des Klägers ergibt sich jedoch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser verbietet es dem Arbeitgeber, welcher Regelungen mit kollektivem Charakter aufstellt, einzelne Arbeitnehmer willkürlich und ohne sachlichen Grund von der Gruppenbildung auszuschließen. Durch den zitierten Erlass vom 20.12.2001 hat das beklagte Land eine solche generalisierende Regel aufgestellt, welche sämtliche im Anstellungsverhältnis stehenden Lehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen betrifft. Diese Regelung gilt auch über den Bereich einzelner Schulen hinaus, der Gleichbehandlungsgrundsatz erstreckt sich daher auch auf sämtliche an den betreffenden Schulformen beschäftigten Angestellten. Auf die Frage, ob grundsätzlich der Gleichbehandlungsgrundsatz nur betriebsbezogen gilt (vgl. ErfK-Preis, § 611 BGB Rz. 847 ff.) kommt es im vorliegenden Fall deshalb nicht an.

Stichtagsregelungen können grundsätzlich einen sachlichen Grund darstellen, sie dürfen jedoch nicht dazu führen, dass ohne sachlichen Grund eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern von Leistungen ausgeschlossen wird. Dabei ergibt sich aus dem bloßen Inhalt des Erlasses vom 20.12.2001, wonach an Gesamtschulen nur 44 % der zu besetzenden Stellen in die Laufbahn des höheren Dienstes übergeleitet werden, während dies an Gymnasien für alle zu besetzenden Stellen der Fall ist, noch keine sachliche Begründung für die unterschiedliche Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen.

Auch der Verweis auf die für Beamte geltende Regelung im Überleitungsgesetz vom 19.12.2001 vermag die Ungleichbehandlung der verschiedenen Gruppen angestellte Lehrkräfte an Gesamtschulen einerseits und an Gymnasien andererseits und insbesondere die Benachteiligung der erst nach dem Schuljahr 1996/1997 angestellten Gesamtschullehrern nicht zu begründen, obwohl die für Beamte geltende Regelung Gesetzeskraft hat und daher nicht am Gleichbehandlungsgrundsatz, sondern allenfalls am Gleichheitsgrundsatz zu messen ist, und obwohl die für Beamte geltende Regelung auf Angestellte im Verhältnis "eins zu eins" durch den Erlass vom 20.12.2001 übertragen worden ist. Denn ebenso wenig wie es der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, dass angestellte Lehrkräfte in gleicher Weise wie beamtete Lehrkräfte zu vergüten sind (BAG vom 03.04.2003 - 6 AZR 633/01 - AP Nr. 185 zu § 242 BGB Gleichbehandlung), kann umgekehrt den Angestellten eine für Beamte im entsprechenden Tätigkeitsbereich bestehende nachteilige Regelung entgegengehalten werden. Da Beamte und Angestellte nicht in derselben Ordnung zu ihrem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn stehen und für die Regelung der jeweiligen Rechtsverhältnisse unterschiedliche Träger zuständig sind, ist der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nicht verpflichtet, Angestellte, welche die gleiche Tätigkeit wie Beamte ausüben, auch in gleicher Weise zu vergüten. Umgekehrt darf er ihnen aber auch keine Vergütung vorenthalten, die ihnen als Angestellten auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes zustehen würde, nur weil ein Beamter in vergleichbarer Lage diese nicht beanspruchen könnte.

Dafür, dass im vorliegenden Fall die zum Nachteil der nach einem bestimmten Stichtag eingestellten Gesamtschullehrer erfolgte Regelung sachlich begründet ist, ist das beklagte Land darlegungspflichtig. Das beklagte Land hat sich zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im vorliegenden Verfahren darauf berufen, dass der Haushalt lediglich eine Überleitung der Gesamtschullehrkräfte bis zu einer Grenze von 44 % der Stellen habe berücksichtigen können. Die Stichtagsregelung beruhe damit auf einem qualitativen Kriterium, welches auf den faktisch unterschiedlichen Sachverhalten und der qualitativ anspruchsvolleren, höhere Anforderungen stellenden Lehrtätigkeit an Gymnasien beruhe. Die unterschiedliche Behandlung verstößt auch unter Berücksichtigung dieses Differenzierungskriteriums gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sie nicht geeignet ist, den damit verfolgten Zweck zu verwirklichen und weil die Unterscheidung daher nicht nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (BAG AP Nr. 124 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Grundsätzlich mag zwar die Qualität des Schulabschlusses der zu unterrichtenden Schüler ein geeignetes Kriterium für eine Differenzierung bei der Vergütung für die an diesen Schulen tätigen Lehrkräfte darstellen, wie sich insbesondere an den unterschiedlichen Vergütungsregelungen für die einzelnen Schulformen im sog. Erfüller- und Nichterfüllererlass zeigt. Im vorliegenden Fall ist es jedoch so, dass die begünstigende Regelung für Lehrer an Gymnasien und Gesamtschulen nur solche Lehrer erfasst, die nicht schon auf Grund des Erfüllererlasses wegen ihrer überwiegenden Verwendung in der Sekundarstufe II nach Vergütungsgruppe II a BAT höhergruppiert sind. Sie betrifft damit nur solche Lehrkräfte, die - wie der Kläger - zwar die Lehrbefähigung für den Unterricht in der Sekundarstufe I und II besitzen, aber überwiegend nur in der Sekundarstufe I verwendet werden. Die Regelung begünstigt also mit anderen Worten nur solche Lehrer, die gerade keine Schüler unterrichten, welche von ihnen zu einem höherwertigen Abschluss wie der Fachoberschulreife oder dem Abitur geführt werden. Zwischen den Gesamtschullehrern und Gymnasiallehrern, die überwiegend im Unterricht für die Sekundarstufe I verwendet werden, besteht jedoch der mögliche Differenzierungsgrund einer unterschiedlichen Qualität der von ihnen vermittelten Ausbildung nicht. Soweit die Differenzierung daher darauf gestützt wird, dass generell an den Gymnasien ein höherwertiger Abschluss vermittelt wird, kann sie denjenigen Lehrkräften, die zu dem höherwertigen Abschluss nicht beitragen, nicht entgegengehalten werden.

Nach alle dem musste die Berufung des beklagten Landes mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

Ende der Entscheidung

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