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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.08.2004
Aktenzeichen: 5 (9) Sa 417/04
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 1 |
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 26.08.2004
In Sachen
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22.07.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rietschel als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Gerresheim und Kastner
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.03.2004 - 20 Ca 11795/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe:
Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung der Beklagten ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist somit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
Es kann offen bleiben, ob die Hauptbegründung des Arbeitsgerichts zutrifft, dass die Beklagte keine nachvollziehbaren betriebsbedingten Gründe für den Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin und damit für eine soziale Rechtfertigung der Kündigung der Beklagten vorgetragen hat, § 1 Abs. 2 KSchG.
Die Entscheidung ist jedenfalls deshalb im Ergebnis zutreffend, weil die Kündigung wegen einer bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unwirksam war. Es gab unmittelbar vor der Kündigung der Klägerin einen freien Arbeitsplatz im Verkauf, welchen die Beklagte der Klägerin zur Vermeidung der Kündigung hätte anbieten müssen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung wegen Verstoßes gegen das Ultima-ratio-Prinzip auch dann unwirksam, wenn eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien, vergleichbaren Arbeitsplatz besteht. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers besteht auch in Bezug auf einen freien Arbeitsplatz zu geänderten und schlechteren Bedingungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Kündigung dann, wenn dem Arbeitnehmer ein mögliches und zumutbares Änderungsangebot nicht unterbreitet worden ist, die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer einem vor der Kündigung gemachten entsprechenden Vorschlag zumindest unter Vorbehalt zugestimmt hätte, was der Arbeitnehmer im Kündigungsprozess vortragen muss (BAG vom 27.09.1984 - 2 AZR 62/83 - = AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1989).
Vorliegend war die dem Arbeitnehmer G im Bereich des Verkaufs angebotene Beschäftigung jedenfalls für die Arbeitgeberin zumutbar im Sinne der zitierten Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung (unter B I 3 c) aa) der Gründe) die Zumutbarkeit aus der Sicht des Arbeitnehmers davon abhängig gemacht, dass dieser über die für die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz objektiv erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt. Die Tätigkeit muss für ihn nach den sonstigen Voraussetzungen für ihre Ausübung sowie nach ihrem sozialen und wirtschaftlichen Status vom Standpunkt eines objektiv urteilenden Arbeitgebers gesehen in Betracht kommen. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass Unzumutbarkeit (aus Sicht des Arbeitnehmers) insbesondere dann vorliegen kann, wenn die neue Tätigkeit eine erheblich geringere Qualifikation erfordert und auch entsprechend niedriger vergütet wird als die bisher ausgeübte, wobei als Anhaltspunkt für die Zumutbarkeit einer anderweitigen Beschäftigung die Kriterien dienen sollen, nach denen gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 2 a AFG und der hierzu erlassenen Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit die Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung beurteilt wird, zu deren Übernahme ein Arbeitsloser bereit sein muss, um der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen.
Wendet man diese vom Bundesarbeitsgericht für maßgeblich gehaltenen Gesichtspunkte auf den vorliegenden Fall an, so ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten über die für die Tätigkeit im Verkauf erforderlichen fundierten kaufmännischen Kenntnisse - auf Grund der von ihr absolvierten kaufmännischen Ausbildung und jahrelangen Berufserfahrung - verfügt. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin verfügt diese über das weitere für das Anforderungsprofil erforderliche gewandte und sichere Auftreten gegenüber Kunden sowie über gute und ausbaufähige Englischkenntnisse in Wort und Schrift. Der von der Beklagten unter anderem für maßgeblich gehaltene Gesichtspunkt, dass die Klägerin über keine Berufserfahrung im Verkauf verfügt, kann schon deshalb nicht durchschlagen, weil nach dem ebenfalls unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin der Arbeitnehmer G , mit dem die Stelle im Verkauf besetzt worden ist, bisher im Wesentlichen mit Lohnabrechnungen und damit auch nicht mit Verkaufstätigkeiten beschäftigt gewesen ist. Darüber hinaus hat die Klägerin substantiiert im Einzelnen dargelegt, dass sie selbst bereits im Verkauf tätig war, etwa zu Zeiten des Geschäftsführers H wiederholt im Verkauf ausgeholfen und Urlaubs- und Krankheitsvertretungen übernommen hat und gerade wegen ihrer Erfahrungen des persönlichen Kontaktes zu den Kunden seinerzeit in der Lage gewesen sei, den Konkursverwalter bei der Erhaltung des Unternehmens zu unterstützen. Wenn die Beklagte - als die für die Kündigungsgründe darlegungs- und beweispflichtige Partei - diesen Vortrag der Klägerin substantiiert hätte bestreiten wollen, hätte sie schon unter Beweisantritt darlegen müssen, dass sie nicht - auch nicht zu Zeiten des Geschäftsführers H - im Verkauf tätig gewesen ist. Das hat die Beklagte nicht getan.
Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die möglicherweise bestehende Unzumutbarkeit einer Beschäftigung der Klägerin, die bisher als Leiterin der Buchhaltung/Personal tätig war und monatlich durchschnittlich 4.600,00 € verdiente, könnte demgegenüber das erheblich geringere Bruttomonatsentgelt eines Sachbearbeiters im Verkauf sein, welches nach dem Vortrag der Beklagten ca. 2.600,00 € beträgt. Berücksichtigt man jedoch, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung 55 Jahre alt war und kaum Chancen gehabt hätte, auf dem freien Arbeitsmarkt, in eine Stelle mit einer vergleichbaren Vergütung wie bisher vermittelt zu werden, so kann die erheblich geringere Vergütung allein nicht für die Beurteilung der Zumutbarkeitsfrage auschlaggebend sein. Nach dem Vortrag der Klägerin (im Schriftsatz vom 05.02.2004, Blatt 4) wäre sie auf Grund ihrer geringen Chancen auf dem freien Arbeitmarkt bereit gewesen, jede kaufmännische Tätigkeit im Unternehmen der Beklagten auszuführen und auch den von Herrn G besetzten Arbeitsplatz zu übernehmen. Es kommt hinzu, dass - im Zeitpunkt der Kündigung bereits absehbar - die vom BAG für maßgeblich gehaltenen Zumutbarkeitsregelungen für eine Weiterbeschäftigung des Arbeitslosen bei der Arbeitsvermittlung, drastisch verschärft wurden bzw. werden sollten ("Hartz IV"). Aus diesem Grund hält die Kammer - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - ein Eingehen der Klägerin auf ein Änderungsangebot, welches zu der erheblichen Vergütungsminderung wie im vorliegenden Fall führt, nicht für unzumutbar, weil die Klägerin im Falle einer Arbeitslosigkeit ab dem 30.04.2004 unter Umständen noch erheblich größere Einkommensnachteile bei einer späteren Vermittlung in eine andere Stelle hätte hinnehmen müssen.
Unabhängig davon erscheint es problematisch, ob an den Zumutbarkeitsüberlegungen des Bundesarbeitsgerichts hinsichtlich des Änderungsangebots überhaupt festgehalten werden sollte. Wie Stahlhacke/Preis (Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Auflage, Rdnr. 639a) zutreffend darlegen, kann nur der Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob er sich geänderte Arbeitsbedingungen zumuten will. Richtiger erscheint es daher, den Arbeitgeber für verpflichtet zu halten, bei Bestehen einer geeigneten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu schlechteren Bedingungen dem Arbeitnehmer eine Änderungskündigung - statt einer Beendigungskündigung auszusprechen. Der Arbeitnehmer mag sodann entscheiden, ob er das Änderungsangebot zumindest unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG annimmt (vgl. LAG Köln v. 20.1.2003 - 6 Sa 645/03 zu einem Fall, in dem ebenfalls die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers zu einer um etwa die Hälfte reduzierten Vergütung möglich war).
Die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Berücksichtigung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf dem Arbeitsplatz, den sie dem Arbeitnehmer G zum 01.09.2003 übertragen hat, scheitert auch nicht daran, dass zum Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin am 29.09.2003 dieser Arbeitsplatz bereits besetzt war. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur vorgezogenen Stellenbesetzung vor dem Hintergrund sich abzeichnender betriebsbedingter Kündigungen muss der Arbeitgeber einem davon betroffenen Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz anbieten, sobald er damit rechnen muss, dass für ihn - wie vorliegend die Klägerin - der Arbeitsplatz wegfallen wird. Die Berufung auf das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist dem Arbeitgeber in einem solchen Fall aus dem in § 162 Abs. 1 und 2 BGB normierten Rechtsgedanken verwehrt, weil er diesen Zustand selbst treuwidrig herbeigeführt hat (vgl. BAG vom 06.12.2001 - 2 AZR 695/00 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 115; BAG vom 25.04.2002 - 2 AZR 260/01 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121).
Vorliegend war für die Beklagte bereits zum Zeitpunkt des mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Interessenausgleichs am 26.08.2003 einerseits absehbar, dass den in der Abteilung Buchhaltung/Personal tätigen Mitarbeitern wegen der Verteilung der dort wahrgenommenen Aufgaben auf andere Werke der Beklagten und des dadurch bedingten Wegfalls aller Arbeitsplätze in der Personalabteilung/Buchhaltung gekündigt werden musste (vgl. § 1, 2 des Interessenausgleichs). Andererseits heißt es in § 1 (am Ende), dass ein Mitarbeiter aus diesen Abteilungen in der Abteilung Verkauf weiterbeschäftigt wird, womit offenbar der Arbeitnehmer G gemeint ist. Damit war zum Zeitpunkt des Interessenausgleichs sowohl der Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin als auch die bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Verkauf für die Beklagte erkennbar. Durch die Besetzung des Arbeitsplatzes im Verkauf mit dem Arbeitnehmer G ab 01.09.2003 konnte sie sich nicht von der Verpflichtung befreien, der Klägerin diesen Arbeitsplatz anzubieten. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die Klägerin im Hinblick auf ihre Sozialdaten erheblich schutzwürdiger war als der Arbeitnehmer Gebauer und ihr daher vorrangig der freie Arbeitsplatz angeboten werden musste, Auf Grund ihrer Betriebszugehörigkeit von 28 Jahren im Zeitpunkt der Kündigung und des Alters von 55 Jahren war sie in allen relevanten Sozialdaten gegenüber dem Arbeitnehmer G vorzuziehen, der eine Betriebszugehörigkeit von nur 2 Jahren (ab 2001) und ein Alter von 35 Jahren im Zeitpunkt der Kündigung aufwies.
Nach alle dem musste die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.
Ende der Entscheidung
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