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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 1060/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 620
Wird das Arbeitsverhältnis mit einem Lehrer insgesamt fünfmal für jeweils ein Schuljahr ununterbrochen - bzw. nur für die Zeit der Schulferien unterbrochen - befristet, so kann der in den letzten beiden Verträgen angeführte Befristungsgrund der "Erprobung" die Befristung nicht sachlich begründen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 1060/03

Verkündet am 05. Februar 2004

In Sachen

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 05.02.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rietschel als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Hilbert-Hesse und Bernard

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.03.2003 - 6 Ca 5872/01 - geändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 31.07.2001 beendet ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Klägers ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist somit zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die im letzten Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vereinbarte Befristung rechtsunwirksam, dem Begehren des Klägers auf Feststellung des Bestehens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ist daher zu entsprechen.

1. Grundsätzlich ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 08.05.1985, AP Nr. 97 zu § 620 BGB befristeter Arbeitsvertrag) bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen Prüfungsgegenstand der letzte zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag. Vorliegend war der letzte unter dem 07.06.2000 zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.08.2000 bis zum 31.07.2001 mit dem "Zweck der Feststellung der Bewährung im Schuldienst als Lehrer im Angestelltenverhältnis mit voller Pflichtstundenzahl" abgeschlossen worden, dieser Vertrag wurde ferner als "befristetes Erprobungsarbeitsverhältnis" bezeichnet. Der Zweck der Erprobung konnte indessen - unabhängig vom Ausgang des vom Kläger bezüglich seiner dienstlichen Beurteilung geführten und rechtskräftig zu seinem Nachteil entschiedenen Verfahrens - die Befristung für diesen Vertrag nicht rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zwar das Bedürfnis, die Eignung eines Arbeitnehmers zu erproben, grundsätzlich als sachlicher Grund anzuerkennen. Insbesondere zur Erprobung von nicht beamteten Lehrkräften kann wegen der Eigenart des Lehrerberufes unter Umständen auch eine längere oder mehrfach verlängerte Probezeit notwendig sein (u. a. BAG vom 15.03.1966 - 2 AZR 211/65, AP Nr. 28 zu § 620 BGB befristeter Arbeitsvertrag). Das Aufeinanderfolgen von fünf befristeten Arbeitsverträgen mit einer Dauer von insgesamt über drei Jahren hat das Bundesarbeitsgericht indessen in der genannten Entscheidung "unter allen Umständen als unzulässiges Übermaß" hinsichtlich der Dauer der vereinbarten Probezeit gekennzeichnet. Im vorliegenden Fall sind besondere objektive Kriterien für eine längere Erprobungszeit, welche sich über insgesamt fünf Schuljahre hin erstreckte, wie etwa Tarifüblichkeit oder besondere individuelle Umstände wie z. B. langjährige Berufsentfremdung (vgl. APS-Backhaus, § 620 BGB, Rdnr. 433) nicht ersichtlich. Der zwischen den Parteien vereinbarte Befristungsgrund für das fünfte Schuljahr, in dem der Kläger in Vollzeit unterrichtet hat, hält daher einer sachlichen Überprüfung nach den Kriterien der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht Stand.

Die beklagte Partei kann zum einen nicht mit Erfolg einwenden, dass sich die letzten beiden jeweils mit dem Gesichtspunkt der Bewährung oder Erprobung begründeten Verträge nicht unmittelbar an den letzten der drei vorangehenden und jeweils mit Urlaubsvertretungen begründeten Verträge zeitlich unmittelbar angeschlossen haben. Denn zwischen der Beendigung des für die Zeit vom 25.06.1998 bis zum 16.06.1999 abgeschlossenen dritten Vertrages und dem Beginn des vierten Vertrages am 02.08.1999 lagen lediglich die Schulferien, die in N -W im Jahre 1999 vom 17.06.1999 bis zum 31.07.1999 - einem Samstag - dauerten. Dies ändert nichts an dem Umstand, dass es an einem vernünftigen Grund für die Erprobung deshalb gefehlt hat, weil der Arbeitnehmer zuvor bereits ausreichende Zeit bei dem Arbeitgeber beschäftigt war und der Arbeitgeber deshalb seine Fähigkeiten voll beurteilen konnte (vgl. BAG vom 12.02.1981 - 2 AZR 1108/78 - AP Nr. 1 zu § 5 BAT). Denn naturgemäß kann eine Erprobung und Bewährung nur während der Dauer des Schuljahres und nicht in der unterrichtsfreien Zeit bzw. in den Schulferien stattfinden.

Da bereits in den ersten drei Jahren der Beschäftigung des Klägers ausreichend Zeit für eine Beurteilung der Fähigkeiten des Klägers bestanden hatte, ändert auch der Umstand, dass der Kläger während der letzten beiden Vertragsjahre längere Zeit wegen eines Sportunfalls keinen Unterricht erteilen konnte, nichts an der Unwirksamkeit der Befristung zur Erprobung: Denn schon bei Beginn des ab 02.08.1999 abgeschlossenen Vertrages konnte die Befähigung des Klägers auf Grund seiner Tätigkeit in den drei vorangegangenen Schuljahren beurteilt werden, einer weiteren Erprobung oder Bewährung bedurfte es nicht.

Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass der Kläger in den ersten drei Jahren an einem Gymnasium, mit den beiden letzten Verträgen dagegen an einer Gesamtschule beschäftigt war. Denn sowohl der Umfang der Tätigkeit als auch die tarifliche Eingruppierung, welche jeweils nach Vergütungsgruppe II a BAT erfolgte, ist in sämtlichen Verträgen die gleiche geblieben. Auch der Umstand, dass der Kläger, der unstreitig die Lehrbefähigung für Kunst und Sozialwissenschaften für die Sekundarstufen I und II besitzt, in der Gesamtschule teilweise auch fachfremd im Fach Technik eingesetzt worden ist, vermag den Erprobungszweck des letzten Vertrages nicht zu rechtfertigen. Denn ein fachfremder Einsatz war nicht Vertragsgegenstand, die dienstlichen Beurteilungen während der letzten beiden Vertragsjahre vom 06.04.2000 und 07.06.2001, die für den Kläger negativ ausgefallen sind, bezogen sich im Übrigen auch nicht auf den fachfremden Einsatz des Klägers, sondern auf Mängel in den Fächern Kunst und Gesellschaftslehre, somit diejenigen Fächer, für die der Kläger die Lehrbefähigung besitzt. Der Beklagten kann schließlich nicht darin gefolgt werden, dass ein wesentlicher Unterschied der Beschäftigungen des Klägers während der ersten drei Vertragsjahre gegenüber den letzten beiden Vertragsjahren darin zu sehen ist, dass es sich zunächst um eine vorübergehende "Aushilfstätigkeit", zuletzt aber um eine perspektivisch dauerhafte Lehrtätigkeit gehandelt habe. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger, der in den ersten drei Vertragsjahren mit voller Stundenzahl und voller Vergütung eingesetzt war, nur sporadisch oder so unzureichend beschäftigt worden ist, dass die Möglichkeit einer Beurteilung seiner Leistungen nicht bestanden hat; zumindest ist hierfür von der Beklagten nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden. Für das Gegenteil spricht der vom Kläger vorgelegte Dienstleistungsbericht der Schulleiterin des L -Gymnasiums vom 19.12.1996, aus dem sich ergibt, dass der Kläger "mit voller Stundenzahl in den Fächern Sozialwissenschaften und Kunst unterrichtet" und unter anderem in der 6., 8., 10. Jahrgangsstufe sowie im Grundkursbereich in der 11. und 13. Jahrgangsstufe eingesetzt wird. Hiernach hat die Tätigkeit des Klägers sowohl dem Umfang wie dem Inhalt nach sämtliche auch dem letzten Vertrag zu Grunde liegenden Leistungsmerkmale abgedeckt. Der Vortrag der Beklagten in der Berufungserwiderung, der Kläger habe "lediglich einen Ergänzungskurs in der gymnasialen Oberstufe geleitet und Kunstunterricht in der Sekundarstufe I erteilt", ist im Übrigen durch den vom Kläger vorgelegten Dienstleistungsbericht vom 19.12.1996 widerlegt.

Nach alle dem musste der Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO stattgegeben werden.

Ende der Entscheidung

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