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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.08.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 43/09
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 125 Abs. 1 Nr. 2
Die Beschränkung der Nachprüfbarkeit der sozialen Auswahl in § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO bezieht sich auch auf die Bestimmung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer und die Ermittlung der aus der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG herauszunehmenden Arbeitnehmer.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.09.2008 - 3 Ca 4953/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter der Gemeinschuldnerin. Dort war der Kläger aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 11 d. A.) als angelernter Arbeiter beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und hat 3 Kinder. Er wurde von der Gemeinschuldnerin mit Emaillierarbeiten im Akkord beschäftigt. Am 15.05.2007 wurde Insolvenz beantragt; am 01.06.2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (Beschluss des Amtsgerichts Köln Bl. 15 f. d. A.).

Durch Schreiben vom 01.06.2007 (Bl. 87 d. A.) zeigte der Beklagte Masseunzulänglichkeit an.

Nach Erstellung eines Gutachtens zur Prüfung der Frage, ob der Betrieb fortgeführt werden könne oder nicht, schlossen der Beklagte und der bei der Gemeinschuldnerin bestehende Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, der vorsah, dass von den insgesamt etwa 60 Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin 13 namentlich bezeichnete Mitarbeiter, darunter der Kläger, gekündigt werden sollten. Diesbezüglich enthielt der Interessenausgleich und die mit ihm verbundene Anlage Ausführungen dazu, weshalb bestimmte Mitarbeiter nicht vergleichbar seien bzw. in die Sozialauswahl nicht mit einzubeziehen seien (Interessenausgleich und Anlage vom 24.07.2007 - Bl. 91 ff. d. A.).

Mit Kündigungsschreiben vom 24.07.2007, dem Kläger zugegangen am 28.07.2007 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.10.2007. Hiergegen richtete sich die fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage des Klägers.

Durch Urteil vom 25.09.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, der Kläger habe eine grobe Fehlerhaftigkeit bei der Sozialauswahl nicht nachweisen können.

Gegen das am 25.09.2008 verkündete Urteil hat der Kläger am 13.01.2009 Berufung einlegen lassen und diese nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 04.03.2009 und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf den 25.04.2009 am 02.04.2009 begründen lassen.

Der Kläger rügt den langen Zeitablauf zwischen Verkündung und Zustellung des ausgefertigten Urteils. Das Arbeitsgericht habe zudem keinerlei Feststellungen zu der Frage getroffen, ob überhaupt eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG vorgelegen habe. Falls § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG Anwendung finden sollte, sei jedenfalls festzuhalten, dass die getroffene Sozialauswahl grob fehlerhaft gewesen sei. Bei einer eingeschränkten Überprüfbarkeit hätte daher die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt werden müssen. Die grobe Fehlerhaftigkeit ergebe sich insbesondere im Hinblick auf den Mitarbeiter A G , auf dessen Arbeitsplatz der Kläger selbst früher tätig gewesen sei. Der Kläger sei auf nahezu allen Arbeitsplätzen im Betrieb der Gemeinschuldnerin einsetzbar mit Ausnahme der Bereiche Büro, Mühle, Beize und Labor. Diesbezüglich sei der Kläger im Rahmen seiner Betriebszugehörigkeit an diversen Arbeitsplätzen eingesetzt gewesen. Diese seien sämtlich ohne Weiteres von angelerntem Personal zu erbringen, so dass auch der Kläger hierzu ohne Weiteres in der Lage sei. Vergleichbar seien insbesondere die Arbeitnehmer C , G , S , O , S , H , S und H . Diese Arbeitnehmer seien zwingend in die Sozialauswahl mit einzubeziehen gewesen. Angesichts des Umstandes, dass diese über weit weniger Sozialpunkte als der Kläger verfügten, führe dies zur groben Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Sozialauswahl. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger im Akkord Spitzenleistungen für die Gemeinschuldnerin tagtäglich erzielt habe, während dort nach wie vor Mitarbeiter beschäftigt seien, die dem Kläger das Wasser nicht reichen könnten. Insoweit sei die ausgesprochene Kündigung willkürlich. Die Kündigung sei zudem von sachfremden Erwägungen bestimmt, denn der Kläger sei nur deshalb gekündigt worden, weil er in der vorangegangenen Zeit drei erfolgreiche Rechtsstreite gegen die Gemeinschuldnerin geführt habe. Schließlich scheitere die Kündigung auch daran, dass der Beklagte im fraglichen Zeitraum sogar regelmäßig Leiharbeiter eingesetzt habe. Die Kündigung habe offensichtlich schon unter diesem Gesichtspunkt keine Grundlage gehabt. Soweit das Landesarbeitsgericht die Auffassung einnehme, dass über den Vortrag des Klägers Beweis zu erheben sei, beantrage der Kläger die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und die Zurückverweisung an das Arbeitsgericht zwecks Durchführung der Beweisaufnahme.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 25.09.2008 - 3 Ca 4953/07 - wird festgestellt, dass die unter dem 24.07.2007 ausgesprochene, am 28.07.2007 zugegangene Kündigung des am 01.09.1990 begründeten Arbeitsverhältnisses unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis weder durch die fristgerechte Kündigung vom 31.10.2007, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin aufgelöst worden ist, sondern unverändert über den 01.11.2007 hinaus fortbesteht;

2. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 25.09.2008 - 3 Ca 4953/07 - wird festgestellt, dass die vom Beklagten ausgesprochen Aufforderung vom 13.11.2007, den Schlüssel für die Stempeluhr zurückzugeben, unrechtens war, da das Arbeitsverhältnis aufgrund unwirksamer Kündigung des Beklagten über den 01.11.2007 hinaus fortbesteht;

3. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 25.09.2008 - 3 Ca 4953/07 - wird festgestellt, dass der Kläger nicht zum 31.10.2007 bei der Gemeinschuldnerin ausgetreten ist;

hilfsweise

4. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 25.09.2008 - 3 Ca 4953/07 - das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur Beweisaufnahme an das Arbeitsgericht Köln zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.

Zur wirtschaftlichen Situation der Gemeinschuldnerin hat der Beklagte vorgetragen, dass die Gemeinschuldnerin etwa ab 2004 nicht mehr in der Lage gewesen sei, die von ihr angebotenen Werkleistungen kostendeckend anzubieten. Trotz schlechter, am Markt zu erzielender Preise seien Personal- und Energiekosten kontinuierlich gestiegen, so dass sich die wirtschaftliche Situation der Insolvenzschuldnerin weiter verschlechter habe. Nach einem bedeutenden Umsatzeinbruch Anfang 2007 sei die Gemeinschuldnerin dann gezwungen gewesen, Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Eine Betriebsänderung liege schon aufgrund der Zahl der gekündigten Arbeitnehmer im Verhältnis zur Gesamtzahl der Beschäftigten vor. Für die Kündigung des Klägers seien keine sachfremden Erwägungen ausschlaggebend gewesen. Der Kläger wisse genau, dass auch mit anderen Mitarbeiter wegen der Probleme der Insolvenzschuldnerin in der Vergangenheit bzw. im Vorfeld der Insolvenz rechtliche Auseinandersetzungen von Seiten der Arbeitnehmer betrieben worden seien und die Insolvenzschuldnerin und auch der Beklagte als Insolvenzverwalter gleichwohl nicht mit Kündigungen reagiert hätten. Von solchen Erwägungen ließen sich weder die Insolvenzschuldnerin noch der Beklagte als Insolvenzverwalter leiten. Unzutreffend sei die Behauptung des Klägers, es seien ständig Leiharbeitnehmer eingesetzt worden. Leiharbeitnehmer seien lediglich vorübergehend aufgrund eines außergewöhnlich hohen Krankenstandes von insgesamt sechs Mitarbeitern im Zeitraum vom 08.10.2007 bis zum 31.10.2007 eingesetzt worden.

Schließlich sei die vorgenommene Sozialauswahl nicht grob fehlerhaft. Unter Bezugnahme auf die Anlage des Interessenausgleichs beruft sich der Beklagte darauf, dass eine Vergleichbarkeit mit den vom Kläger angeführten Arbeitnehmer nicht bestanden habe und sich zudem die Richtigkeitsvermutung des Interessenausgleichs mit Namensliste auch auf die Festlegung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer erstrecke.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet. Weder der Kündigungsschutzantrag noch die weiteren Anträge des Klägers konnten Erfolg haben. Die Klage war daher abzuweisen.

A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 ArbGG. Die Frist zur Einlegung der Berufung ist gewahrt. Sie beginnt gemäß § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung. Schon im Hinblick darauf, dass die erstinstanzliche Entscheidung, die am 25.09.2008 verkündet wurde, über mehrere Monate hinweg nicht als vollständig abgefasstes Urteil zugestellt wurde, war die am 13.01.2009 eingelegt Berufung zulässig, da eine Berufungseinlegung vor Zustellung des vollständig abgefassten Urteils zulässig ist (s. BAG, Urteil vom 16.06.2004 - 5 AZR 529/03 - NJOZ 2004, 3765).

Die Berufung ist zudem innerhalb der bis zum 25.04.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden.

B. In der Sache hatte das Begehren des Klägers jedoch keinen Erfolg.

I. Der Kündigungsschutzantrag ist nicht begründet. Denn die Kündigung des Beklagten hat das Arbeitsverhältnis rechtswirksam zum 31.10.2007 aufgelöst.

1. Ein ausreichender Kündigungsgrund liegt vor. Nach § 125 InsO ist unter der Voraussetzung, dass eine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG geplant ist und diesbezüglich ein Interessenausgleich zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat zustande kommt, in dem die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind, die Vorschrift des § 1 KSchG mit der Maßgabe anzuwenden, dass vermutet wird, dass die Kündigung des Arbeitnehmers durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, bedingt ist.

Die Voraussetzungen des § 125 InsO liegen vor.

a. Der Beklagte hat eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG geplant und diesbezüglich einen Interessenausgleich mit dem im Betrieb der Gemeinschuldnerin bestehenden Betriebsrat vereinbart. Das Vorliegen einer Betriebsänderung ergibt sich bereits aus der Zahl der geplanten und durch den Interessenausgleich dann auch realisierten Kündigungen im Verhältnis zur Gesamtbelegschaftsstärke. Anerkannt und durch § 112 a BetrVG bestätigt ist, dass auch eine Betriebseinschränkung durch reinen Personalabbau eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG darstellt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, siehe etwa BAG, Beschluss vom 28.03.2006 - 1 ABR 5/05 - NZA 2006, 932 ff.). Zur Beurteilung, ob ein Personalabbau eine Betriebsänderung darstellt, sind die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG zugrunde zu legen. Danach ist in Betrieben mit 60 oder mehr Arbeitnehmern eine Betriebsänderung bereits dann gegeben, wenn mindestens 10 % der Arbeitnehmer entlassen werden. Im vorliegenden Fall sollten von insgesamt etwa 60 Arbeitnehmern 13 gekündigt werden, so dass die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG eindeutig überschritten sind und damit eine Betriebsänderung vorliegt.

b. Über die Betriebsänderung ist ein Interessenausgleich zwischen dem Insolvenzverwalter und dem bei der Gemeinschuldnerin bestehenden Betriebsrat zustande gekommen. In der mit dem Interessenausgleich verbundenen Anlage sind die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet. Damit sind die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 S. 1 InsO erfüllt.

c. Daraus resultiert die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wonach bei Vorliegen dieser Voraussetzungen vermutet wird, dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund bestand. Zugunsten des Beklagten wird daher vermutet, dass die Kündigung betriebsbedingt unausweichlich war.

Der Vortrag des Klägers ist nicht geeignet, diese Vermutungswirkung zu entkräften. Soweit der Kläger vorträgt, die Kündigung sei durch sachfremde Erwägungen bestimmt, weil der Kläger in der Vergangenheit in drei Fällen erfolgreich Rechtsstreite gegen die Gemeinschuldnerin geführt habe, führt dieser Vortrag nicht zu einer Entkräftung der Vermutungswirkung. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagtenseite haben auch andere Arbeitnehmer Klageverfahren gegen die Gemeinschuldnerin geführt. Der Kläger hat nicht vorzutragen vermocht, dass das Führen von Rechtsstreitigkeiten ein konkretes Entscheidungskriterium beim Ausspruch von Kündigungen gewesen wäre; es handelt sich um eine Spekulation des Klägers, die durch detaillierteren Tatsachenvortrag nicht gestützt werden konnte. Soweit der Kläger damit meint, die Verärgerung der Gemeinschuldnerin über vorangegangene Rechtsstreite habe fortgewirkt und den Kündigungsentschluss der Gemeinschuldnerin bzw. des Beklagten ausgelöst, vermag dieses Vorbringen nicht zu erklären, weshalb der an diesen Rechtstreitigkeiten nicht beteiligte Betriebsrat einer solchen sachfremden Erwägung im Interessenausgleich zugestimmt haben sollte. Der Annahme des Klägers steht ferner entgegen, dass auch andere Arbeitnehmer Rechtsstreitigkeiten geführt haben, gleichwohl aber - nach nicht bestrittener Darlegung der Beklagten - nicht gekündigt worden sind. Diesbezüglich hat der Kläger nicht vorzutragen vermocht, dass alle Arbeitnehmer, die zuvor Rechtsstreite geführt haben, gekündigt worden seien.

Die Vermutungswirkung ist ferner nicht durch den vom Kläger behaupteten Einsatz von Leiharbeitnehmern entkräftet. Nach der vom Kläger überreichten Unterlage, die die Zeit vom 15.-19.10.2007 betrifft, ist ein Einsatz von Leiharbeitnehmern im Oktober 2007 erfolgt. Dem entspricht der Vortrag der Beklagtenseite, dass aufgrund hohen Krankenstandes in der Zeit vom 08.10.-31.10.2007 Leiharbeitnehmer zum Einsatz gekommen seien. Weitere Einsätze von Leiharbeitnehmern hat der Kläger nicht konkret vorgetragen. Die pauschale Angabe, es seien Leiharbeitnehmer eingesetzt worden, vermag einen konkreten Vortrag nicht zu ersetzen. Der vorübergehende Einsatz von Leiharbeitnehmern an wenigen Tagen im Oktober 2007, zumal nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vermag daher an der Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO nichts zu ändern. Von einem betriebsbedingten Kündigungsgrund ist folglich auszugehen.

2. Die soziale Auswahl kann ebenfalls nicht beanstandet werden. Gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO kann angesichts des zustande gekommenen Interessenausgleichs mit Namensliste die soziale Auswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit nachgeprüft werden. Damit ist die soziale Auswahl weitgehend der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Grobe Fehlerhaftigkeit liegt nur dann vor, wenn die Gewichtung der Sozialkriterien jede Ausgewogenheit vermissen lässt (s. BAG, Urteil vom 21.01.1999 - 2 AZR 624/98 - DB 1999, 1862). Dabei bezieht sich die weitgehend beschränkte Nachprüfbarkeit durch die Gerichte nicht nur auf die Bewertung der Sozialkriterien, sondern auch auf die Sozialauswahl insgesamt, also auch auf die Bestimmung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer (s. BAG, Urteil vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02 - NZA 2004, 432). Ebenfalls nur beschränkt nachprüfbar ist die Ermittlung der aus der Sozialauswahl herauszunehmenden Leistungsträger i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG (s. BAG, Urteil vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05 - BB 2006, 1636).

Angesichts dieser in jeder Hinsicht beschränkten gerichtlichen Nachprüfbarkeit können die im Interessenausgleich vorgenommenen Sozialauswahlüberlegungen, selbst unter Zugrundelegung des Vortrags des Kläger, nicht als grob fehlerhaft klassifiziert werden.

a. Der mehrfach, zuletzt noch im Schriftsatz vom 17.6.2009 wiederholte Vortrag des Klägers, er habe immer Spitzenleistungen erbracht und die im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer könnten ihm das Wasser nicht reichen, ist nicht geeignet, eine Fehlerhaftigkeit, erst recht keine grobe Fehlerhaftigkeit, der Sozialauswahl zu begründen. Leistungsgesichtspunkte sind kein Sozialauswahlkriterium i. S. d. § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO oder i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG. Die soziale Auswahl erfolgt allein nach den gesetzlich festgelegten Sozialkriterien.

b. In die soziale Auswahl sind nur vergleichbare Arbeitnehmer einzubeziehen. Die Vergleichbarkeit richtet sich nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und damit nach der bisher ausgeübten Tätigkeit (s. BAG, Urteil vom 05.06.2008 - 2 AZR 907/06 - NZA 2008, 1120). Die Entscheidung darüber, wer zum Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer gehört, ist, wenn ein Interessenausgleich mit Namensliste zustande kommt, der gerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen: Beanstandet werden könnte nur eine grobe Fehlerhaftigkeit der Bestimmung des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer (s. BAG, Urteil vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02 - NZA 2004, 432).

Maßgebend für die Vergleichbarkeit ist damit in erster Linie die gemeinsame Einschätzung von Insolvenzverwalter und Betriebsrat. Nur wenn bei dieser Einschätzung grobe und evidente Fehler festgestellt werden können, ist eine gerichtliche Beanstandung möglich.

Im vorliegenden Fall haben Insolvenzverwalter und Betriebsrat dem Interessenausgleich eine detaillierte Begründung zu den einzelnen Arbeitnehmer und ihrer Vergleichbarkeit abgegeben. Die fehlende Vergleichbarkeit des Mitarbeiter G wird damit begründet, dass er der einzige sei, der Backrohre emaillieren und schweißen könne und zudem Vertretungsfunktion im Bereich Mühle habe. Hinsichtlich des Mitarbeiters S wird ausgeführt, dass dieser ausgebildeter Schweißer sei. Der Arbeitnehmer C sei der einzige Anlagenführer der Beize. Der Mitarbeiter O sei ausgebildeter Schichtmeister, der Mitarbeiter S sei der einzige Aufträger. Hinsichtlich des Mitarbeiters H hat der Beklagte vorgetragen, er sei bei der Firma K eingesetzt und diese verlange den Einsatz von dort geschulten Mitarbeitern, was bei Herrn H der Fall sei, beim Kläger nicht. Der Mitarbeiter S sei der einzige, der die Boiler der Firma K beschichten könne. Der Mitarbeiter H sei als Qualitätsmitarbeiter ausgebildet worden. Der Kläger könne sich schließlich nicht mit dem Mitarbeiter S vergleichen, denn dieser habe eine erheblich höhere Qualifikation, während der Kläger solche Tätigkeiten noch nie ausgeführt habe und keinerlei Erfahrung im Vorspritzen und auch nicht im Handspritzen habe.

Zwar ist der Kläger hinsichtlich all dieser Arbeitnehmer im Hinblick auf deren Qualifikation anderer Auffassung. Welcher Bewertung zu folgen ist, kann letztlich dahingestellt bleiben. Denn wegen der in § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur beschränkt vorzunehmenden gerichtlichen Nachprüfung hat die gemeinsame - und im Einzelnen begründete - gemeinsame Beurteilung durch Betriebsrat und Insolvenzverwalter Vorrang: Der Gesetzgeber geht erkennbar davon aus, dass die gemeinsame Beurteilung durch Insolvenzverwalter und Arbeitgeber zu sachgerechten Ergebnissen führt. Nur bei grober Fehlerhaftigkeit, die nur gegeben ist, wenn ein ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt (vgl. BAG, Urteil vom 17.01.2008 - 2 AZR 405/08 - NZA-RR 2008, 571) können die Auswahlergebnisse beanstandet werden.

Vorliegend ist festzuhalten, dass Anhaltspunkte für ins Auge springende Fehler nicht ersichtlich sind. Selbst unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrages handelt es sich lediglich um den Normalfall der unterschiedlichen Bewertung der Vergleichbarkeit der ausgeübten Tätigkeiten durch Arbeitnehmer einerseits und Arbeitgeber und Betriebsrat andererseits. Dies rechtfertigt nicht die Annahme grober Fehlerhaftigkeit.

Die Sozialauswahl kann daher nicht beanstandet werden.

3. Die Kündigungsfrist des § 113 S. 2 InsO ist eingehalten. Sie beträgt drei Monate zum Monatsende. Angesichts des Kündigungszugangs am 28.07.2007 wahrt die ausgesprochene Kündigung die bis zum 31.10.2007 laufende Kündigungsfrist. Insgesamt ist die ausgesprochene Kündigung daher rechtmäßig und hat das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2007 aufgelöst.

II. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis rechtswirksam zum 31.10.2007 aufgelöst hat, konnten die weiteren Feststellungsanträge, mit denen der Kläger die Feststellung begehrt, dass die vom Beklagten ausgesprochene Aufforderung, den Schlüssel für die Stempeluhr zurückzugeben, rechtswidrig war und ferner, die Feststellung, dass der Kläger nicht zum 31.10.2007 bei der Gesamtschuldnerin ausgetreten sei, schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben.

III. Der Hilfsantrag auf Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht zur Durchführung einer Beweisaufnahme musste ebenfalls abgewiesen werden. Abgesehen davon, dass gemäß § 68 ArbGG eine Zurückverweisung unzulässig ist, bestand kein Anlass für eine Beweisaufnahme über die klägerischen Behauptungen, er sei mit verschiedenen Arbeitnehmern vergleichbar und ferner, die anderen Mitarbeiter könnten ihm das Wasser nicht reichen. All diese Unterschiede zwischen der klägerischen Beurteilung einerseits und der Beurteilung durch die Beklagten andererseits sind aus den dargelegten Gründen wegen § 125 InsO der gerichtlichen Nachprüfung entzogen.

IV. Insgesamt hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden. Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte und auch kein Fall von Divergenz vorlag.

Ende der Entscheidung

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