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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 14.04.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 444/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a
Der Übergang eines Betriebsteils i.S.d. § 613 a BGB setzt voraus, dass bereits beim früheren Betriebsinhaber der Betriebsteil eine organisatorisch abgegrenzte Einheit war und seine Identität nach dem Übergang bewahrt hat.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.8.2007 - 6 Ca 3419/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung.

Die Beklagte ist ein eingetragener Verein. Mitglieder sind verschiedene Organisationen der Jugendsozialarbeit, u. a. die B E J - die Streitverkündete zu 2 - und die B K J - die Streitverkündete zu 4 - . Die Arbeit des Beklagten wurde zu 100 % durch die B D , das B für F , S , F und J , die Streitverkündete zu 1., finanziert. Der Beklagte war in den Bereichen Jugendsozialarbeit und Integration/Migration tätig. Insgesamt waren bei dem Beklagten 12 Vollzeitstellen angesiedelt. Kommissarischer Leiter der in B ansässigen Geschäftsstelle des Beklagten war zuletzt der Kläger..

Der am 26.1.1949 geborene Kläger war seit dem 01.07.2000 für die Beklagte tätig, seit 2003 als stellvertretender Geschäftsführer und zuletzt als kommissarischer Geschäftsführer.

Vertragliche Grundlage der Tätigkeit des Klägers war der Arbeitsvertrag vom 01.07.2000 (Bl. 12 d. A.).

Nachdem die Streitverkündete zu 1., die B D dem Beklagten mitgeteilt hatte, dass sie die Förderung entstellen werde, beschloss der Beklagte auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 19.10.2006 seine Auflösung und die Einstellung der Arbeit zum 30.06.2007. Allen Beschäftigten wurde in der Folgezeit gekündigt.

Nach Anhörung des Betriebsrats am 13.11.2006 und dessen Widerspruch am 16.11.2006 (Bl. 15 d. A.) sprach die Beklagte auch dem Kläger mit Schreiben vom 20.11.2006 (Bl. 14 d. A.) unter Hinweis auf die wegfallende Finanzierung durch die Streitverkündete zu 1. eine fristgerechte Kündigung zum 30.06.2007 aus. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage und hat sich dabei auf auf die Unwirksamkeit der Kündigung wegen eines Betriebsübergangs berufen.

Durch Urteil vom 21.08.2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass kein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB vorliege.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Berufung einlegen und begründen lassen.

Es liege ein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB vor. Seit Ende 2006 habe festgestanden, dass zahlreiche ursprünglich von der Beklagten durchgeführte Projekte übernommen werden sollten. Insbesondere seien drei Projekte mit insgesamt sieben Mitarbeitern auf die Streitverkündete zu 2. übergegangen. Von dieser sei auch ein großer Teil des Inventars übernommen worden.

Der Leitungsbereich und damit auch der Arbeitsplatz des Klägers würden zukünftig von dem Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit wahrgenommen. Dieser Kooperationsverbund habe zwischenzeitlich eine Stabsstelle mit drei Personen eingerichtet und sei bei der Streitverkündeten zu 4. angesiedelt. Diese Stabsstelle habe die frühere Aufgabe der Geschäftstelle der Beklagten übernommen. Der Kläger habe als Referent sowohl im Bereich der Jugendsozialarbeit als auch im Bereich der Migration weiter tätig sein können.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.08.2007 - Aktenzeichen 6 Ca 3419/06 -

festzustellen, dass die Kündigung vom 20.11.2006 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat;

Der Beklagte und die Streitverkündete zu 1., die dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten ist, beantragen

die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Die Kündigung sei betriebsbedingt wegen der Auflösung und Liquidierung des Beklagten gerechtfertigt. Ein Betriebsübergang liege nicht vor. Selbst der Bereich Jugendsozialarbeit sei, wenn überhaupt, nicht im Ganzen sondern nur in einzelnen Teilen auf die gebildete Stabstelle übergegangen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung, an deren Zulässigkeit keine Zweifel bestehen, ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Unterstreichung und im Hinblick auf den Vortrag im Berufungsverfahren ist folgendes festzuhalten:

2. Die Kündigung ist betriebsbedingt gerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG. Der ausreichende betriebsbedingte Kündigungsgrund liegt darin, dass der Beklagte seine Auflösung und Einstellung der Geschäftstätigkeit zum 30.06.2007 beschlossen und umgesetzt hat. Damit sind alle Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Auf anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 b KSchG kann sich die Klägerseite nicht berufen, da diese nach der vorzitierten Vorschrift im Betrieb oder Unternehmen des Beklagten gegeben sein müssten. Wegen der Betriebsschließung des Beklagten ist dies aber nicht der Fall.

3. Ein zur Unwirksamkeit der Kündigung führender Betriebsübergang im Sinne des § 613a Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

a. Die Voraussetzungen des § 613 a Abs. 1 BGB sind nicht gegeben.

Die Vorschrift des § 613 a Abs. 1 BGB regelt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zu auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte die Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude, Räumlichkeiten oder bewegliche Güter, der Wert immaterieller Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten (siehe BAG, Urteil vom 06.04.2006 - 8 AZR 222/04, NZA 2006, S. 723 ff.).

Eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit setzt eine bestimmte, den Betrieb kennzeichnende Organisationsstruktur voraus. Hieran fehlt es, wenn lediglich eine bestimmte Tätigkeit durch den Erwerber fortgeführt wird. Es liegt dann eine bloße Funktionsnachfolge vor, die keinen Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang darstellt (siehe BAG, Urteil v. 03.09.1998 - 8 AZR 306/97, NZA 1999, S. 147 ff; BAG Urteil v. 5.2.2004 - 8 AZR 639/02, NZA 2004, 845 ff).

Wird die vorhandene Organisationsstruktur und die vorhandene Arbeitsorganisation aufgelöst und in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert, liegt kein Betriebsübergang vor (siehe BAG, Urteil vom 25.09.2003 - 8 AZR 421/02 - NZA 2004, S. 316). Einer Identitätswahrung können auch wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur und dem unternehmerischen Konzept entgegenstehen (siehe BAG, Urteil vom 4.5.2006 - 8 AZR 299/05, BB 2007, 46 ff).

Der Übernahme der Betriebsmittel kommt wesentliche Bedeutung zu, wobei weder das Eigentum noch die eigenwirtschaftliche Nutzung ausschlaggebend sind ( BAG Urteil v. 13.6.06 - 8 AZR 271/05, NZA 2006, 1101).

b. Gemessen an diesen höchstrichterlich geklärten Rechtsgrundsätzen liegt bereits unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags kein Betriebsübergang vor. Unstreitig ist zunächst, dass der Betrieb, den der Beklagte betrieben hat, nicht als ganzes auf einen neuen Rechtsträger übergegangen ist. Denn es ist unstreitig, dass die Tätigkeit des Beklagten zu 2., die einerseits den Bereich Jungendsoziarbeit betraf, andererseits den Bereich Integration/Migration, nicht von einem neuen Träger einheitlich fortgeführt worden ist. Vielmehr ist die zuvor bestehende Struktur zerschlagen worden. Teilbereiche sind von verschiedenen Projektträgern fortgeführt worden.

Die bisherige Leitungsstruktur, die dadurch gekennzeichnet war, dass ein einheitlicher Geschäftsstellenleiter fungierte, der als Personalleiter für beide Bereiche zuständig war, ist nicht übernommen worden. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass die bisherige Organisationsstruktur und damit auch die bisherige betriebliche Identität aufgelöst worden ist und eine Aufgliederung und Verteilung an verschiedene Stellen stattgefunden hat. Dem entspricht es auch, dass sich die räumliche Ansiedlung der einzelnen Aufgaben geändert hat. Während beispielsweise der Bereich Integration/Migration bei der Streitverkündeten zu 2. bearbeitet wird, soll der Bereich "Jugendsozialarbeit" an die Streitverkündete zu 4. verlagert worden sein. Damit ist unstreitig nicht nur eine erhebliche räumliche Verlagerung sondern auch eine andere organisatorische Anbindung, nämlich nunmehr bei der Streitverkündeten zu 4. verbunden. Schon daraus ergibt sich, dass nicht eine vorhandene Organisationsstruktur übernommen, sondern die alte aufgelöst und verschieden neue Organisationsstrukturen an unterschiedlichen Stellen begründet worden sind.

c. Auch der Übergang eines Betriebsteils liegt nicht vor. Um einen selbständigen übertragungsfähigen Betriebsteil annehmen zu können, bedarf die Teilorganisation bereits beim früheren Betriebsinhaber einer organisatorischen Selbstständigkeit. Voraussetzung ist weiter, dass diese organisatorische Einheit nach dem Übergang ihre Identität bewahrt (siehe BAG, Urteil vom 17.04.2003 - 8 AZR 253/02 - AP Nr. 253 zu § 613 a BGB; BAG, Urteil vom 08.08.2002 - 8 AZR 583/01 -).

Im vorliegenden Fall kann bereits nicht angenommen werden, dass der Bereich Jugendsozialarbeit oder der Bereich Migration jeweils ein eigenständiger Betriebsteil bei der Beklagten war. Es mangelt an einer eigenständigen unabhängigen Organisations- und Leitungsstruktur. Denn unstreitig hatten beide Bereiche des Beklagten einen gemeinsamen Geschäftsstellen- und Personalleiter. Diese Funktion hat zuletzt seit Anfang 2007 der Kläger wahrgenommen. Keiner der beiden Bereiche verfügte über eine eigenständige Organisationsstruktur.

Es handelte sich nicht um selbständige Abteilungen mit eigenständigen Organisations- und Leitungsstrukturen. Vielmehr bildeten die Bereiche ursprünglich einen einheitlichen Betrieb mit einheitlicher Leitungsstruktur und standen unter einheitlicher Personalleitung. Zudem sind nach dem Vortrag der Klägerseite die Bereich nicht im Ganzen auf neue Träger übergegangen, sondern auch in Servicestellen, z.B. das Projekt Jugendmigrationsdienste an die Streitverkündeten zu 3. , verteilt worden.

Organisatorisch sind die Projekte, auf deren Fortführung sich der Kläger beruft, bei den einzelnen Streitverkündeten in deren jeweilige Organisations- und Personalleitungsstruktur integriert und damit gerade nicht mit im wesentlichen unveränderter Organisations- und Leitungsstruktur fortgeführt worden. Das wird auch daran deutlich, dass die vom Kläger angeführte neu gegründete Stabsstelle, anders als vorher die bei der Beklagten bestehende Leitungsebene nicht mehr die Personalleitungsbefugnisse für die Arbeitnehmer haben kann, die nunmehr bei anderen Arbeitgebern, nämlich z.B. bei der Streitverkündeten zu 2. beschäftigt sind.

Die Bereiche können daher nicht als Betriebsteile im Sinne des § 613 a Absatz 1 Satz 1 BGB angesehen werden.

Ausschlaggebend ist schließlich, dass sich die vom Kläger zuletzt vertragsgemäß ausgeübte Tätigkeit keinem der Arbeitsbereiche eindeutig zuordnen lässt. Der Kläger war vielmehr aufgrund seiner Leitungs- und Lenkungsfunktion als stellvertretender Geschäftsleiter und zuletzt als kommissarischer Leiter für alle Bereiche verantwortlich. Dem entspricht es auch, dass der Kläger selbst vorgetragen hat, er sei sowohl für den Bereich "Jugendsozialarbeit" als auch für den Bereich "Migration" zuständig gewesen und könne in beiden Bereichen Referententätigkeit ausüben.

Damit aber steht fest, dass der Kläger aus möglichen Betriebsteilübergängen ohnehin keine Rechte herleiten kann, weil er nicht Arbeitnehmer nur eines Betriebsteils gewesen ist.

Daher kann eine Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 613 a BGB nicht angenommen werden

4. Die unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 BGB ausgesprochene fristgerechte Kündigung vom 20.11.2006 ist daher rechtswirksam.

5. Da das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 20.11.2006 aufgelöst worden ist, hatte die Berufung der Klägerseite keinen Erfolg und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte, sondern auf der Anwendung höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze beruhte.

Ende der Entscheidung

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