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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.11.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 624/08
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 42 a
GmbHG § 46
Ein Alleingesellschafter einer GmbH kann nicht gleichzeitig deren Arbeitnehmer sein.
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 06.03.2008 - 19 Ca 8392/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin ein Arbeitsverhältnis besteht und daraus Vergütungsansprüche resultieren angesichts der Tatsache, dass die Klägerin gleichzeitig Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin ist. Die Insolvenzschuldnerin ist eine eingetragene GmbH, deren Alleingesellschafterin die Klägerin ist. Zum Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin wurde der Ehemann der Klägerin, Herr P H , bestellt.

Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde am 01.09.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts Bl. 4 d. A.); der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Für die Zeit ab 01.10.2004 schloss die Insolvenzschuldnerin, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn P H mit der Klägerin einen als Arbeitsvertrag überschriebenen Vertrag, in dem die Klägerin als kaufmännische Angestellte ab dem 01.10.2004 zu einem Monatsbruttolohn von 2.700,00 € angestellt wurde (Bl. 5 f. d. A.).

Aufgrund eines Antrages auf Insolvenzeröffnung vom 10.02.2007 wurde der Beklagte vom Insolvenzgericht mit Beschluss vom 24.04.2007 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Der Beklagte verweigerte seine Zustimmung zur Auszahlung des Aprilgehalts für die Klägerin, das mit Gehaltsabrechnung 4/07 (Bl. 62 d. A.) abgerechnet war.

Auch in den Folgemonaten wurde der Klägerin kein Gehalt ausgezahlt.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.09.2007 und der Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter schrieb der Beklagte der Klägerin, dass nach den vorliegenden Informationen die Klägerin zu keinem Zeitpunkt Dienste für die Gesellschaft erbracht habe; vorsorglich werde das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos hilfsweise ordentlich fristgerecht gekündigt (Bl. 7 d. A.).

Mit der Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 29.09.2007 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung aufgelöst worden sei; ferner verlangte die Klägerin durch Klage und Klageerweiterung die Vergütung für die Monate September bis Dezember 2007 in Höhe von jeweils 2.700,00 € brutto.

Durch Urteil vom 06.03.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil die Klägerin weder aufgrund der vertraglichen Regelung noch der tatsächlichen Handhabung als Arbeitnehmerin einzuordnen sei, da sie Alleingesellschafterin gewesen sei. Einen Vergütungsanspruch habe die Klägerin nicht, insbesondere habe sie nicht von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht.

Hiergegen hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung einlegen und nach gewährter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründen lassen.

Die Klägerin bringt vor, sie habe ordnungsgemäß die vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen erbracht. Sie habe überwiegend zu Hause in der D S gearbeitet. Ab Mitte Juni 2007 habe die Klägerin von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. Sie sei nicht mehr zur Arbeit gegangen, weil der Beklagte die Lohnzahlungen eingestellt habe. Dies sei dem Beklagten Anfang Juni 2007 angedroht und Mitte Juni 2007 nochmals mitgeteilt worden. Es sei falsch, wenn der Beklagte behaupte, die Klägerin habe ihre Ansprüche nicht geltend gemacht. Ausdrücklich habe der Ehemann der Klägerin bereits nach Ausbleiben der ersten Gehaltszahlung Ende Mai 2005 den Beklagten darauf angesprochen, warum seine Frau kein Gehalt mehr bezöge. Der Ehemann der Klägerin habe den Beklagten nochmals konkret nach Erstellung der Lohnabrechnung im Mai 2007 angesprochen und die Auszahlung des Mailohns 2007 gefordert. Die Klägerin sei Arbeitnehmerin gewesen und habe weisungsabhängig gearbeitet. Ihre Organstellung habe sie nicht ausgeübt. Der Ehemann der Klägerin habe dem Beklagten auch mitgeteilt, dass die Beklagte ihre Arbeitskraft zurückhalten werde; dies müsse in der zweiten Juniwoche gewesen sein.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 06.03.2008 - 19 Ca 8392/07 - :

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 29.09.2007 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 29.09.2007 nicht aufgelöst worden ist.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.700,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.10.2007 zu zahlen (Lohn September 2007).

4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.700,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.11.2007 zu zahlen (Lohn Oktober 2007).

5. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.700,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.12.2007 zu zahlen (Lohn November 2007).

6. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.700,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.2007 zu zahlen (Lohn Dezember 2007).

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er bestreitet, dass die Klägerin eine Arbeitstätigkeit für die Insolvenzschuldnerin erbracht habe. Bestritten werde auch, dass die Kläger ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt habe. Das entsprechende Vorbringen sei unsubstantiiert. Die Klägerin könne auch nicht damit gehört werden, in der Wohnung in der D S für die Insolvenzschuldnerin gearbeitet zu haben. Dort seien keine Betriebsmittel gewesen. Die insgesamt 34 Aktenordner der insolvenzschuldnerin hätten sich in dem Büro der Insolvenzschuldnerin in der F S befunden. Die Klägerin habe ihre Gesellschafterstellung auch ausgeübt, insbesondere den Geschäftsführervertrag mit ihrem Ehemann abgeschlossen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte und form- und fristgerecht eingelegte sowie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch innerhalb dieser Frist begründete Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

I. Die Feststellungsanträge, mit denen die Klägerin begehrt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 29.09.2007 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 29.09.2007 aufgelöst worden ist, konnten bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil sie, entsprechend den gestellten Anträgen voraussetzen, dass überhaupt ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Tatsächlich kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.

Denn die Klägerin ist gleichzeitig Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin gewesen. Eine solche Funktion schließt eine gleichzeitige Arbeitnehmerstellung aus.

Zwar können Gesellschafter einer GmbH für diese Gesellschaft Arbeitsleistungen auch aufgrund eines Arbeits- oder Dienstvertrages erbringen. Dies setzt aber voraus, dass sie keinen entscheidenden Einfluss auf die GmbH haben. Bereits dann, wenn ein Gesellschafter eine Sperrminorität hat und damit ihm ungünstige Entscheidungen blockieren kann, kann ein gleichzeitiges Arbeitsverhältnis nicht mehr in Betracht kommen (siehe BAG Urteil vom 28.11.1990 - 4 AZR 198/90 -, NZA 1991, Seite 392).

Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist, ob der Gesellschafter oder auch der geschäftsführende Gesellschafter über eine ausreichende Rechtsmacht verfügt, jede ihm unangenehme Entscheidung verhindern zu können (siehe Personalbuch/Kania, 15. Auflage 2008, Stichwort Geschäftsführer, Randziffer 18).

Hierzu ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Klägerin nicht nur über eine Sperrminorität verfügte, sondern Alleingesellschafterin war. Sie konnte damit die Geschicke in der GmbH allein bestimmen. Insbesondere konnte sie den Geschäftsführer bestellen und abberufen und einen entsprechenden Dienstvertrag mit dem Geschäftsführer schließen. Als alleinige Gesellschafterin oblag es ihr auch, über die Entlastung der Geschäftsführung zu beschließen, den Jahresabschluss nach § 42 a Abs. 1 GmbH - Gesetz festzustellen, sowie gemäß § 42 a Abs. 2 GmbH - Gesetz über die Ergebnisverwendung zu beschließen. Sie war damit rechtlich in der Lage, jede von ihr als unangenehm empfundene Entscheidung zu verhindern.

Nicht entscheidend ist, in welchem Umfang sich die Klägerin dabei auf die Beratung durch andere Personen, insbesondere ihren Ehemann, gestützt hat. Entscheidend ist allein, dass die Klägerin nach außen diese Befugnisse wahrgenommen hat und auch wahrnehmen musste, weil sie Alleingesellschafterin war. Unterstrichen wird die Rechtsmacht der Klägerin zusätzlich dadurch, dass sie gleichzeitig Eigentümerin und Vermieterin der Geschäftsräume in der F S an die Insolvenzschuldnerin war.

Schließlich wird die mangelnde Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin auch dadurch bestätigt, dass keine Sozialversicherungsabgaben abgeführt worden sind. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 03.11.2008 bestätigt hat, ist sie von der Krankenkasse zumindest im Laufe des Jahres 2006 dahingehend informiert worden, dass keine Sozialversicherungspflicht bestehe und sich die Klägerin privat versichern müsse. Daraus ist ersichtlich, dass auch die Sozialversicherungsträger davon ausgegangen sind, dass in Anwendung der Grundsätze zu § 7 Abs. 1 SGB IV keine nichtselbstständige sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmertätigkeit vorliegt. Dem entspricht es auch, dass in der vorliegenden Lohnabrechnung für April 2007 keine Sozialversicherungsbeiträge ausgewiesen und abgezogen worden sind.

Ein Arbeitsverhältnis mit der Klägerin lag folglich nicht vor.

Ein etwaiges Vertragsverhältnis konnte auch nicht nachträglich dadurch, dass das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die Klägerin dadurch in ihrer Rechtsmacht eingeschränkt wurde, zu einem Arbeitsverhältnis werden. Denn angesichts der Rechtsqualität bei Abschluss des Vertragsverhältnisses war es von Anfang an kein Arbeitsverhältnis, so dass es zu einem solchen durch die spätere Insolvenzeröffnung auch nicht werden konnte.

Die Feststellungsanträge der Klägerin konnten daher keinen Erfolg haben.

II. Auch die Zahlungsanträge der Klägerin, gerichtet auf die Vergütung für die Monate September bis Dezember 2007 konnten keinen Erfolg haben.

Die Klägerin verlangt insoweit Arbeitsvergütung aus dem von ihr behaupteten Arbeitsverhältnis gemäß § 615 BGB i. V. m. § 273 BGB.

1. Der Anspruch scheitert bereits daran, dass, wie bereits dargelegt, zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden hat, an das der Beklagte als Insolvenzverwalter gebunden wäre.

2. Unabhängig hiervon scheitert der Anspruch der Klägerin auch daran, dass die Klägerin jedenfalls in einem laufenden Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung am 01.09.2007 dem Beklagten ihre Arbeitskraft persönlich hätte anbieten müssen. Denn mit der endgültigen Bestellung zum Insolvenzverwalter am 01.09.2007 war der Beklagte der zuständige Ansprechpartner für das Anbieten der Arbeitskraft geworden. Ein Angebot wäre daher, bevor die vorsorglich ausgesprochene außerordentliche Kündigung am 29.09.2007 erklärt wurde, in jedem Fall gemäß § 294 BGB erforderlich gewesen. Denn im laufenden Arbeitsverhältnis ist grundsätzlich gemäß § 294 BGB ein tatsächliches Arbeitsangebot notwendig, um einen Annahmeverzugsanspruch begründen zu können (siehe BAG Urteil vom 29.10.1992 - 2 AZR 250/92 - EzA Nr. 77 zu § 615 BGB).

Zuzustimmen ist dem erstinstanzlichen Urteil daher auch, wenn es aus der Tatsache, dass die Klägerin jedenfalls dem Beklagten ab Insolvenzeröffnung ihre Arbeitsleistung nicht angeboten hat, schlussfolgert, dass damit die Leistungsbereitschaft der Klägerin jedenfalls für die Zeit ab Insolvenzeröffnung nicht gegeben war.

Auch aus diesem Grund ist kein Annahmeverzugsanspruch gegeben.

3. Unabhängig vom Vorstehenden ist schließlich der Anspruch auch deshalb nicht gegeben, weil jedenfalls für die Vergütung ab September 2007 ein Zurückbehaltungsrecht nicht geltend worden ist. Der Vortrag der Klägerin bezieht sich insoweit darauf, dass ihr Ehemann den Beklagten in seiner damaligen Eigenschaft als vorläufigen Insolvenzverwalter auf die Auszahlung des rückständigen Gehalts im Mai 2007 angesprochen habe. Dies ersetzt aber nicht eine ordnungsgemäße Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gegenüber dem Beklagten in seiner Rolle als endgültig bestellter Insolvenzverwalter für die Zeit ab dem 01.09.2007. Dabei hätte die Klägerin ein solches Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Beklagten persönlich ausüben müssen oder durch eine entsprechende gegenüber dem Beklagten offen gelegte Bevollmächtigung vollziehen müssen. Hierzu reicht es nicht aus, wenn die Klägerin vorträgt, sie habe ihrem Ehemann mitgeteilt, dass sie so lange ihre Arbeitskraft zurückhalten werde, bis der rückständige Lohn gezahlt werde und dieser habe dies dann dem Beklagten mitgeteilt. All dies müsse in der zweiten Juniwoche 2007 gewesen sein. Dieses Vorbringen ist weder substantiiert noch lässt es erkennen, dass und in welcher Form die Klägerin ihrem Ehemann eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung erteilt hat, ein Zurückbehaltungsrecht auszuüben. Darüber hinaus steht damit fest, dass jedenfalls ab dem 1.9.2007 kein Angebot verbunden mit der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gegenüber dem Beklagten in seiner Rolle als endgültig bestellter Insolvenzverwalter erfolgt ist.

Aus all diesen Gründen ist der Zahlungsanspruch der Klägerin nicht begründet.

III. Insgesamt hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte und auch kein Fall von Divergenz vorlag.

Ende der Entscheidung

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