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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 5 Sa 759/03
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 66
ArbGG § 9 Abs. 5
1. Auch nach der Neufassung des § 66 Abs. 1 ArbGG durch das ZPO-Reformgesetz vom 27.07.2001 (BGB I, S. 887) ist die Frist des § 9 Abs. 5 ArbGG weiterhin neben der Frist des § 66 Abs. 1 ArbGG anzuwenden, wenn das Urteil des Arbeitsgericht nicht zugestellt wurde.

2. Soweit eine Vergütungsregelung für beamtete Lehrer durch Gesetz geregelt ist, kann diese nicht ohne Weiteres auch auf angestellte Lehrer übertragen werden. Diese ist vielmehr an dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.11.2002 - 16 Ca 7177/02 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand: Die am 14.06.1961 geborene Klägerin ist ausgebildete Lehrerin mit den Fächern Englisch und Französisch und Lehrbefähigung für die Sekundarstufen I und II. Sie arbeitete zunächst in der Zeit ab 01.08.1995 an einer staatlich anerkannten Ersatzschule, der R Schule in R , wo sie nach Vergütungsgruppe II a BAT vergütet wurde. Zum 01.08.2001 wechselte sie in den Schuldienst des beklagten Landes und arbeitet seither als Lehrerin an einer Gesamtschule. Sie ist nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom 17.08.2001 gemäß § 4 nach Ziffer 6.2 und 2.2 des Runderlasses des Kultusministeriums N W vom 16.11.1981 in der jeweils geltenden Fassung in die Vergütungsgruppe III BAT eingruppiert und wird entsprechend vergütet. Nach dem Gesetz zur Überleitung von Lehrkräften mit der Befähigung für das Lehramt für die Sekundarstufen I und II an Gymnasien und Gesamtschulen in die Besoldungsgruppe A 13 (höherer Dienst) vom 19.12.2001 - GV. NRW 2001, Seite 882 - werden alle als Landesbeamte tätigen Lehrkräfte (Besoldungsgruppe A 12 oder A 13 - gehobener Dienst) an Gymnasien mit den Befähigungen für das Lehramt für die Sekundarstufen I und II sowie die beamteten Lehrkräfte an Gesamtschulen mit den Befähigungen für das Lehramt für die Sekundarstufen I und II, welche spätestens im Schuljahr 1996/1997 eingestellt worden sind, gemäß Z.2.1 bzw. Z.2.2 in die Besoldungsgruppe A 13 (höherer Dienst) - Studienrätin/Studienrat - übergeleitet und in eine entsprechende Planstelle eingewiesen. In Anlehnung an dieses Überleitungsgesetz sieht ein Erlass des beklagten Landes vom 20.12.2001 für die nicht beamteten angestellten Lehrkräfte vor, dass alle zu besetzenden Stellen an Gymnasien und 44 % der zu besetzenden Stellen an den Gesamtschulen im höheren Dienst (mindestens Verg.gr.IIa BAT) auszuweisen sind. Damit sollen ab dem Haushaltsjahr 2002 alle Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien mit den Befähigungen für die Sekundarstufe I und II in die Laufbahn des höheren Dienstes übergeleitet werden. In der Gesamtschule erfolgt dies nur bis zur Grenze von 44 % der Stellen, somit für alle angestellten Lehrkräfte mit den genannten Lehramtsbefähigungen, die spätestens im Schuljahr 1996/1997 eingestellt worden sind. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass diese Regelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt und beansprucht gegenüber dem beklagten Land Vergütung nach Vergütungsgruppe IIa BAT . Sie hat beim Arbeitsgericht beantragt, festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2002 Vergütung nach Vergütungsgruppe BAT II a zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit aus dem Differenzbetrag zwischen den Vergütungen nach der Vergütungsgruppe III und derjenigen der Vergütungsgruppe II a BAT. Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Ungleichbehandlung auf Grund der Erlasslage für gerechtfertigt gehalten und darauf verwiesen, dass die Vergütungsgruppe III ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart worden sei. Das Arbeitsgericht hat durch ein am 26.11.2002 verkündetes Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Urteil ist in vollständig abgefasster Form der Beklagten am 24.06.2003 zugestellt worden. Das beklagte Land hat am 10.07.2003 schriftlich beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese am 18.08.2003 schriftlich begründet. Es vertritt die Auffassung, die Berufung sei zulässig, insbesondere fristgerecht, da neben der Frist des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG weiterhin die Fristbestimmung des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG anzuwenden sei. In der Sache sei die Klage unbegründet. Auf Grund des Erlasses vom 20.12.2001, der die gesetzliche Regelung für Beamte im Verhältnis eins zu eins lediglich nachzeichne, sei ein Anspruch der Klägerin nicht begründet. Der Klägerin stehe keine Vergütung nach Vergütungsgruppe BAT II a auf Grund der Ziffer 6.1 des Erfüllererlasses zu, eine überwiegende Verwendung der Klägerin in der Sekundarstufe II erfolge unstreitig nicht. Nach dem Erlass vom 20.12.2001 stehe der Klägerin ebenfalls die höherwertige Vergütung nicht zu. Von einer willkürlichen Ungleichbehandlung der Gesamtschullehrer gegenüber Gymnasiallehrern könne keine Rede sein, Ziffer 6.1 des Erfüllererlasses sehe eine Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT auch im Bereich der Gesamtschule vor, sofern die Einsatztätigkeit der jeweiligen Lehrkraft entsprechend ausgestaltet sei. Maßgebendes Kriterium für die Eingruppierung sei die Einsatzschulform, die unterschiedlichen Gegebenheiten und Anforderungen ließen selbstverständlich eine Differenzierung zwischen Gymnasium und Gesamtschule zu. Das beklagte Land beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 26.11.2002 - 16 Ca 7177/02 - abzuweisen. Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Mit der Berufungserwiderung verteidigt sie die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den wechselseitigen Schriftsatzvortrag und auf den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des beklagten Landes ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Berufung ist zulässig Das beklagte Land hat gegen das am 26.11.2002 verkündete, am 24.06.2003 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil am 22.07.2003 schriftlich beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese am 22.08.2003 begründet. Berufung und Berufungsbegründung sind damit zwar nicht in der Frist von einem Monat bzw. zwei Monaten nach § 66 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG beim Berufungsgericht eingegangen, denn diese Fristen beginnen gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG "spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung", im vorliegenden Fall somit am 27.04.2003. Unter Zugrundelegung dieser Bestimmung wäre die Berufungsfrist daher am 27.05.2003, die Begründungsfrist am 27.06.2003 abgelaufen gewesen. Gleichwohl sind Berufung und Berufungsbegründung unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG fristgerecht. Denn ein vollständiges Urteil mit einer den Anforderungen des § 9 Abs. 5 ArbGG entsprechenden Rechtsmittelbelehrung ist dem Berufungsbeklagten erst am 24.06.2003 zugestellt worden. Die Berufung und deren Begründung sind fristgerecht innerhalb von einem Monat bzw. zwei Monaten nach diesem Zustellungszeitpunkt gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG beim Berufungsgericht eingegangen und damit nach Auffassung der erkennenden Kammer zulässig. Dieses Ergebnis entspricht der in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vertretenen Auffassung zum Spannungsverhältnis der § 9 Abs. 5 ArbGG und §§ 516, 552 ZPO (a.F.) bei Urteilen, welche nicht innerhalb der Fünf-Monats-Frist der §§ 516, 552 ZPO zugestellt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG kann der Fall der fehlenden Urteilszustellung nicht anderes behandelt werden als der einer Zustellung des Urteils ohne Rechtsmittelbelehrung innerhalb der Fünfmonatsfrist; die unterlegene Partei dürfe nicht schlechter stehen, wenn ihr überhaupt keine statt einer Entscheidung mit fehlerhafter oder fehlender Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden sei (BAG vom 23.11.1994 - 4 AZR 743/93 - AP Nr. 12 zu § 9 ArbGG; ferner vom 08.06.2000 - 2 AZR 584/99 - AP Nr. 21 zu § 66 ArbGG 1979 m. w. N.). Die Neufassung des § 66 ArbGG durch das ZPO-Reformgesetz vom 27.07.2001 (BGB l I, Seite 887) gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. § 66 Abs.1 ArbGG legt zum einen den Fristbeginn für die Berufung und deren Begründung einheitlich - insoweit abweichend von der zuvor geltenden Regelung - auf den Zeitpunkt der Zustellung bzw. Verkündung des Urteils fest. Zum anderen ist die Fünfmonatsfrist jetzt über die Bestimmung des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG unmittelbar anwendbar und nicht lediglich kraft Verweisung auf die ZPO-Vorschriften (für die Berufungsfrist: § 516 ZPO a.F. i.V. mit § 64 Abs.6 ArbGG (a.F.)). Das beschriebene Spannungsverhältnis von § 9 Abs. 5 und (nunmehr) § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG hat sich durch die Gesetzesänderung allerdings insofern verschärft, als § 9 Abs. 5 ArbGG für die Rechtsmittelbegründung nach überwiegender Auffassung nicht gilt und daher insoweit keine Belehrungspflicht besteht. Wendet man daher § 9 Abs. 5 ArbGG weiterhin neben der Fünfmonatsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG an, so kann dies dazu führen, dass die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels noch läuft, die Siebenmonatsfrist für die Begründung aber bereits abgelaufen ist. Soweit daraus gefolgert wird, dass nunmehr § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG als "lex specialis" die Bestimmung des § 9 Abs. 5 ArbGG in derartigen Fällen verdrängt (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Auflage, § 66 Rdnr. 15; Schwab FA 2003, Seite 258 ff.), folgt die Kammer dem nicht. Diese Ansicht verkennt, dass die genannten Bestimmungen einen unterschiedlichen Regelungsgegenstand betreffen, sie berücksichtigt auch nicht ausreichend die Bedeutung und den Zweck des § 9 Abs. 5 ArbGG. Ein wesentlicher Unterschied der beiden Fristenregelungen in § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG und § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG, welcher die Annahme eines Spezialitätsverhältnisses ausschließt, besteht darin, dass in § 66 Abs. 1 Satz 2 der Beginn in § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG aber das Ende und die höchstzulässige Dauer der Rechtsmittelfrist geregelt sind. Außerdem stellt § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG für den Fristbeginn im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein zusätzliches Erfordernis auf: Die Rechtsmittelfrist beginnt nicht schon dann, wenn das Urteil nach § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG "in vollständiger Form abgefasst" und zugestellt ist, sondern nur dann, wenn es mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen ist, die zudem nicht fehlerhaft sein darf. Für den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG (der Zustellung eines Urteils ohne oder ohne fehlerfreie Rechtsmittelbelehrung) ist dabei anerkannt, dass die Bestimmung neben § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG (nach Schwab, a.a.O. "unzweifelhaft") weiter anwendbar bleibt mit der Folge, dass durch Zustellung eines Urteils mit fehlender oder fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung lediglich die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 ArbGG in Lauf gesetzt wird. Fraglich ist nur, ob dies auch - und erst recht - gelten muss, wenn es überhaupt an einer Urteilszustellung fehlt oder ob darin ein Wertungswiderspruch liegt, der - mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG - durch eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG auf die Fälle einer fehlenden Urteilszustellung zu lösen ist. An die Stelle der mit Fehlern behafteten Zustellung tritt im Fall der völlig unterbliebenen Urteilszustellung nach der zitierten Rechtsprechung der Ablauf der Fünfmonatsfrist. Für die zu entscheidende Frage muss der Regelungszweck des § 9 Abs. 5 ArbGG berücksichtigt werden. Dieser besteht in einer besonderen Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Rechtsweggarantie und der Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 GG. Danach soll eine Partei, die zudem im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz häufig nicht anwaltlich vertreten ist, in hinreichend deutlicher und vollständiger Form über mögliche und zulässige Maßnahmen gegenüber einer zu ihrem Nachteil ergangenen gerichtlichen Entscheidung unterrichtet werden. Der genannte Regelungszweck erfordert es, dass eine völlig unterbliebene Urteilszustellung jedenfalls keine größeren Nachteile für die Partei zur Folge haben darf als eine Zustellung des Urteils mit falscher oder ohne Rechtsmittelbelehrung, so dass für diese Fälle der Anwendungsbereich des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG eingeschränkt werden muss. Denn die Partei, welcher weder der Inhalt einer für sie nachteiligen Entscheidung noch der Ablauf einer Frist zur Anfechtung dieser Entscheidung bekannt gemacht wird, ist mindestens genau so schutzwürdig wie die Partei, der zwar eine Entscheidung zugestellt wird, die aber über die Rechtsmittelfrist nicht oder falsch unterrichtet wird. Der Schutzbereich des § 9 Abs. 5 ArbGG beschränkt sich dabei, wie die Gleichsetzung des Falls fehlender und fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung zeigt, nicht darauf, dass die unterlegene Partei vor einer fehlerhaften und irritierenden Rechtsmittelbelehrung bewahrt werden soll. Wird daher innerhalb der Frist von 17 Monaten (kumuliert aus §§ 66 Abs. 1 Satz 2 und 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG) die Entscheidung überhaupt nicht zugestellt, so bleibt es bei dieser Frist, wird dagegen innerhalb der 17 Monate ein Urteil mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung zugestellt, so laufen die entsprechenden Fristen zur Berufung und Berufungsbegründung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ab dem Zustellungszeitpunkt (vgl. BAG vom 23.11.1994 und 08.06.2000 a.a.O.). Der genannte Regelungszweck der Bestimmung des § 9 Abs.5 ArbGG erfordert aber darüber hinaus auch, dass die nur akzessorische, ein eingelegtes Rechtsmittel voraussetzende Begründungsfrist nicht ein größeres Gewicht erhält als die eigentliche Rechtsmittelfrist. Denn würde man die Bestimmung des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG in den Fällen einer unterbliebenen Urteilszustellung einschränkungslos auch auf die Berufungsbegründungsfrist einwenden, so könnte bereits der Ablauf der Begründungsfrist zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führen. Die wegen § 9 Abs. 5 ArbGG noch laufende Rechtsmittelfrist wäre gegenstandslos, der Regelungszweck des § 9 Abs. 5 ArbGG würde in diesem Fall verfehlt. Dies kann nur vermieden werden, indem die Bestimmung des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG im Wege der teleologischen Reduktion hinsichtlich der Begründungsfrist, auch wenn § 9 Abs. 5 ArbGG auf diese nicht unmittelbar anwendbar ist, für die Fälle der unterbliebenen Urteilszustellung in der Weise eingeschränkt wird, dass die Begründungsfrist jedenfalls nicht vor der Berufungsfrist beginnt, im vorliegenden Fall somit erst nach Ablauf der Fünfmonatsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Diesem Ergebnis steht der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG nicht entgegen. Die Bestimmung des § 9 Abs. 5 ArbGG nimmt ausdrücklich eine erhebliche Verfahrensverzögerung von zwölf Monaten bei falscher oder fehlender Rechtsmittelbelehrung in Kauf. Sie sieht sogar seit der Novellierung von 1979 im Fall höherer Gewalt und bei einer Belehrung, wonach ein Rechtsmittel "nicht gegeben ist", die unbegrenzte Anfechtbarkeit der Entscheidung vor. Damit enthält sie für ihren unmittelbaren Anwendungsbereich eine weit reichende, dem Grundsatz der Beschleunigung widerstreitende Regelung. Auch der Hinweis darauf, dass dem Gesetzgeber des ZPO - Reformgesetzes bei der Neufassung des § 66 ArbGG die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur 17-Monatsfrist und der Umstand bekannt gewesen sein muss, dass bei Verkündung der Entscheidung noch keine Rechtsmittelbelehrung vorliegt (vgl. Schwab a.a.O., Seite 259; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O.) vermag angesichts fehlender Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien für ein entsprechendes Problembewusstsein des Gesetzgebers insbesondere zu § 9 Abs. 5 ArbGG (so auch Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O.) die abweichende Auffassung nicht zu rechtfertigen. Die erkennende Kammer geht daher in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts (vgl. unter anderem Beschluss vom 15.04.1997 - 13 (10) Sa 659/96 -) weiterhin davon aus, dass im Fall der unterbliebenen Urteilszustellung auch nach der Neufassung des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG die Rechtsmittelfrist - und daran anschließend auch die Begründungsfrist - maximal 17 Monate beträgt (ebenso GK-ArbGG/Vossen, § 66 ArbGG Rz. 38, 38 a; ErfK-Koch, 3. Auflage, § 66 ArbGG Rz. 12; Holthaus/Koch, RdA 2002, Seite 140, 151; ferner die 10. Kammer des LAG Köln im Urteil vom 20.02.2003 - 10 Sa 801/02 - NZA-RR 2003, Seite 602; abweichend 3. Kammer im Urteil vom 21.09.2003 - 3 Sa 332/03).

Die Berufung ist damit zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die Feststellungsklage ist nach § 256 ZPO zulässig und begründet. Der Klägerin steht auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT zu.

Zwar kann die Klägerin, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, Vergütung nach Vergütungsgruppe BAT II a nicht auf Grund des im Arbeitsvertrag unter § 4 zitierten Erfüllererlasses verlangen. Denn sie besitzt zwar die Lehrbefähigung für eine Erteilung von Unterricht in der Sekundarstufe II, wird jedoch unstreitig nicht überwiegend in einer dieser Lehrbefähigung entsprechenden Tätigkeit verwendet. Auch besteht - wie zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig ist - ein Anspruch auf Höhergruppierung nicht unmittelbar auf Grund des Erlasses vom 20.12.2001. Dieser sieht für Gesamtschullehrer die Höhergruppierung - unabhängig von ihrer Verwendung - lediglich für solche Lehrkräfte vor, welche spätestens im Schuljahr 1996/1997 eingestellt worden sind. Hierzu gehört die Klägerin, die erst seit dem Jahr 2001 vom Land angestellt worden ist, unstreitig nicht. Der Höhergruppierungsanspruch der Klägerin ergibt sich jedoch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser verbietet es dem Arbeitgeber, der Regelungen mit kollektivem Charakter aufstellt, einzelne Arbeitnehmer willkürlich und ohne sachlichen Grund von der Gruppenbildung auszuschließen. Durch den zitierten Erlass vom 20.12.2001 hat das beklagte Land eine solche generalisierende Regel aufgestellt, welche sämtliche im Anstellungsverhältnis stehenden Lehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen betrifft. Diese Regelung gilt auch über den Bereich einzelner Schulen hinaus, der Gleichbehandlungsgrundsatz erstreckt sich daher auch auf sämtliche an den betreffenden Schulformen beschäftigten Angestellten. Auf die Frage, ob grundsätzlich der Gleichbehandlungsgrundsatz nur betriebsbezogen gilt (vgl. ErfK-Preis, § 611 BGB, Rz. 847 ff.), kommt es im vorliegenden Fall deshalb nicht an. Stichtagsregelungen können grundsätzlich einen sachlichen Grund darstellen, sie dürfen jedoch nicht dazu führen, dass ohne sachlichen Grund eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern von Leistungen ausgeschlossen wird. Dabei ergibt sich aus dem bloßen Inhalt des Erlasses vom 20.12.2001, wonach an Gesamtschulen nur 44 % der zu besetzenden Stellen in die Laufbahn des höheren Dienstes übergeleitet werden, während dies an Gymnasien für alle zu besetzenden Stellen der Fall ist, noch keine sachliche Begründung für die unterschiedliche Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen. Auch der Verweis auf die für Beamten geltende Regelung im Überleitungsgesetz vom 19.12.2001 vermag die Ungleichbehandlung der verschiedenen Gruppen angestellter Lehrkräfte an Gesamtschulen einerseits und an Gymnasien andererseits und insbesondere die Benachteiligung der erst nach dem Schuljahr 1996/97 angestellten Gesamtschullehrer nicht zu begründen, obwohl die für Beamte geltende Regelung Gesetzeskraft hat und daher nicht am Gleichbehandlungsgrundsatz, sondern allenfalls am Gleichheitsgrundsatz zu messen ist, und obwohl die für Beamten geltende Regelung auf Angestellte im Verhältnis " eins zu eins" durch den Erlass vom 20.12.2001 übertragen worden ist. Denn ebenso wenig wie es der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, dass angestellte Lehrkräfte in gleicher Weise wie beamtete Lehrkräfte zu vergüten sind (BAG vom 03.04.2003 - 6 AZR 633/01 - AP Nr. 185 zu § 242 BGB Gleichbehandlung), kann umgekehrt dem Angestellten eine für Beamte im entsprechenden Tätigkeitsbereich bestehende nachteilige Regelung entgegengehalten werden. Da Beamte und Angestellte nicht in derselben Ordnung zu ihrem Arbeitgeber bzw. Dienstherren stehen und für die Regelung der jeweiligen Rechtsverhältnisse unterschiedliche Träger zuständig sind, ist der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nicht verpflichtet, Angestellte, welche die gleiche Tätigkeit wie Beamte ausüben, auch in gleicher Weise zu vergüten. Umgekehrt darf er ihnen aber auch keine Vergütung vorenthalten, die ihnen als Angestellten auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes zustehen würde, weil ein Beamter in vergleichbarer Lage diese nicht beanspruchen könnte. Dafür, dass im vorliegenden Fall die zum Nachteil der nach einem bestimmten Stichtag eingestellten Gesamtschullehrer erfolgte Regelung sachlich begründet ist, ist zunächst das beklagte Land darlegungspflichtig. Im vorliegenden Verfahren hat sich das Land außer auf den Inhalt des Erlasses vom 20.12.2001, der jedoch lediglich eine bestimmte Höchstprozentzahl der überzuleitenden Gesamtschullehrer ohne die dafür maßgeblichen Gründe nennt, lediglich darauf berufen, dass die Schulformen der Gymnasien und Gesamtschulen schon "auf Grund der unterschiedlichen Gegebenheiten und Anforderungen selbstverständlich eine Differenzierung" zulassen würden. Darin liegt kein hinreichend substantiierter Sachvortrag, der eine Überprüfung ermöglicht, ob die vorgenommene Differenzierung sachgerecht ist. Selbst wenn man jedoch die in dem von der Klägerin (!) herangezogenen Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.07.2002 erwähnten Differenzierungsgründe berücksichtigen würde, würde sich an diesem Ergebnis nichts ändern. Soweit sich dort das Land darauf berufen hatte, dass nicht genügend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, um sämtliche Gymnasial- und Gesamtschullehrer in die höhere Vergütungsgruppe überzuleiten, würde dies allenfalls eine Stichtagsregelung für sämtliche an Gesamtschulen und Gymnasien angestellten Lehrer rechtfertigen, nicht aber die hier umstrittene Stichtagsregelung lediglich für Gesamtschullehrer. Auch der Umstand, dass die Schüler an Gymnasien einen höherwertigen Schulabschluss anstreben, während dies zumindest für einen Teil der an Gesamtschulen tätigen Schüler, die lediglich den Hauptschulabschluss erreichen, nicht der Fall ist, vermag die Differenzierung nicht zu rechtfertigen. Die unterschiedliche Behandlung ist nicht geeignet, den damit verfolgten Zweck zu verwirklichen, sie verstößt deshalb gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die Unterscheidung nicht nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (BAG AP Nr. 124 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Grundsätzlich mag zwar die Qualität des Schulabschlusses der zu unterrichtenden Schüler ein geeignetes Kriterium für eine Differenzierung der Vergütung für die an Schulen tätigen Lehrkräfte darstellen, wie sich insbesondere an den unterschiedlichen Vergütungsregelungen für die einzelnen Schulformen im sog. Erfüller- und Nichterfüllererlass zeigt. Im vorliegenden Fall ist es jedoch so, dass die begünstigende Regelung für Lehrer an Gymnasien und Gesamtschulen nur solche Lehrer erfasst, die nicht schon auf Grund des Erfüllererlasses wegen ihrer überwiegenden Verwendung in der Sekundarstufe II nach Vergütungsgruppe BAT II a höhergruppiert sind. Sie betrifft damit nur solche Lehrkräfte, die wie die Klägerin zwar die Lehrbefähigung für den Unterricht in der Sekundarstufe I und II besitzen, aber überwiegend nur in der Sekundarstufe I verwendet werden. Die Regelung begünstigt also mit anderen Worten nur solche Lehrer, die gerade keine Schüler unterrichten, welche von ihnen zu einem höherwertigen Abschluss wie der Fachoberschulreife oder dem Abitur geführt werden. Zwischen den Gesamtschullehrern und Gymnasiallehrern, die überwiegend im Unterricht für die Sekundarstufe I verwendet werden, besteht jedoch der mögliche Differenzierungsgrund einer unterschiedlichen Qualität der von ihnen vermittelten Ausbildung nicht. Soweit die Differenzierung darauf gestützt wird, dass generell an den Gymnasien ein höherwertiger Abschluss vermittelt wird, kann sie denjenigen Lehrkräften, die zu diesem höherwertigen Abschluss nicht beitragen, nicht entgegengehalten werden. Die Berufung des Landes musste nach alledem zurückgewiesen werden.

Ende der Entscheidung

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