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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 09.02.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 926/08
Rechtsgebiete: BGB, EFZG


Vorschriften:

BGB § 626
EFZG § 5
Die hartnäckige, trotz dreimaliger Abmahnung über längere Zeit fortgesetzte Verletzung der Pflicht, eine Arbeitsunfähigkeit oder deren Verlängerung anzuzeigen, die zu einem völligen Ausfall der Planbarkeit des Einsatzes eines Arbeitnehmers führt, kann an sich geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.02.2008 - 3 Ca 2444/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch das beklagte Land.

Der am 02.02.1963 geborene Kläger war seit Oktober 1988 bei dem beklagten Land als Justizhelfer beschäftigt. Er war zuletzt in Entgeltgruppe 4 TV-L eingruppiert. Sein Verdienst betrug zuletzt monatlich ca. 2.100,-- EUR brutto.

Der Kläger war für den 12.02.2005 zum Dienst eingeteilt. Gegen 10.00 Uhr teilte er seiner Arbeitskollegin Frau S mit, dass er verschlafen habe und dass es sich jetzt nicht mehr lohne, den Weg zum Dienst anzutreten. Nachdem der Kläger auf eine schriftliche Bitte zur Stellungnahme nicht reagiert hatte, aber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreichte, wurde er durch Schreiben vom 28.02.2005 (Bl. 105 d. A.) darauf hingewiesen, dass er verpflichtet sei, eine eventuelle Arbeitsunfähigkeit umgehend mitzuteilen.

Seit dem 15.02.2005 arbeitete der Kläger nicht mehr für das beklagte Land infolge Arbeitsunfähigkeit. Mit Schreiben vom 31.03.2005 (Bl. 106 ff. d. A.), dem Kläger zugestellt am 05.04.2005, wurde der Kläger abgemahnt, weil er sich nach Ablauf seiner zunächst bis zum 23.03.2005 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht gemeldet habe. Ausweislich des Bearbeitungsvermerks wurde diese Abmahnung dem Personalrat zur Kenntnis gegeben, der ihr zustimmte. Vom 06.04.2005 bis zum 16.04.2006 befand sich der Kläger in einer Therapie zur Behandlung seiner Alkoholsucht. Aus dieser Therapie wurde er am 16.04.2006 als arbeitsfähig entlassen. Am 02.05.2006 meldete sich der Kläger schließlich und äußerte sein Unverständnis und bemerkte, "er habe doch keinem etwas getan". Die Frage nach dem Unterlassen des Dienstantritts trotz seiner Entlassung aus der Therapie als arbeitsfähig beantwortete der Kläger damit, "er fühle sich hierzu nicht in der Lage". Das beklagte Land beabsichtigte daraufhin, den Kläger erneut abzumahnen und übersandte zu diesem Zweck dem Personalrat den Entwurf eines Abmahnungsschreibens (Bl. 115 ff. d. A.). Der Personalrat teilte daraufhin fernmündlich am 10.05.2006 mit, er wolle keine Stellungnahme abgeben, die Abmahnung solle unverändert vorgenommen werden (Bl. 117 d. A.). Daraufhin wurde die Abmahnung vom 15.05.2006 (Bl. 116 f. d. A.) ausgesprochen.

Am 08.06.2006 meldete sich der Hausarzt des Klägers und teilte mit, dass der Kläger aus seiner Sicht weiterhin nicht arbeitsfähig sei und er aus diesem Grund weitere Atteste ausgestellt habe. Es sei eine weitere Therapie erforderlich. Mit handschriftlichem Schreiben, das am 12.06.2006 bei dem beklagten Land einging (Bl. 120 d. A.) bat der Kläger um Ausfüllung einer mitübersandten Arbeitsbescheinigung für seinen Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse und bat ferner um Kopie einer Lohnsteuerkarte des Jahres 2006. Zudem entschuldigte er sich für sein Verhalten.

Eine weitere Therapie fand bis einschließlich 26.01.2007 statt. Am 10.01.2007 meldete sich der Kläger und teilte mit, dass er seinen Dienst am 29.01.2007 im Rahmen einer Wiedereingliederung aufnehmen werde. Zum vereinbarten Termin erschien der Kläger nicht und legte zunächst auch kein Folgeattest für den über den 26.01.2007 hinausgehenden Zeitraum vor.

Daraufhin mahnte das beklagte Land den Kläger erneut mit Schreiben vom 01.02.2007 (Bl. 127 f. d. A.), nachdem die Vorsitzende des Personalrats über die beabsichtigte Maßnahme in Kenntnis gesetzt worden war und der weiteren Abmahnung zugestimmt hatte. Erst am 07.02.2007 ging sodann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit bis zum 23.02.2007 ein.

Am 26.02. und 27.02.2007 erschien der Kläger wiederum nicht entschuldigt zum Dienst und reichte zunächst auch kein Folgeattest ein.

Daraufhin entschloss sich das beklagte Land, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen und hörte hierzu den Personalrat unter Angabe der Gründe am 27.02.2007 an.

Mit E-Mail vom 28.02.2007 (Bl. 133 d. A.) teilte die Vorsitzende des Personalrats Frau R daraufhin mit, dass keine Bedenken bezüglich der außerordentlichen fristlosen Kündigung des Klägers bestünden.

Daraufhin sprach das beklagte Land mit Kündigungsschreiben vom 28.02.2007 (Bl. 9 d. A.), dem Kläger zugegangen am 01.03.2007, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Hiergegen richtete sich die am 20.03.2007 bei Gericht eingegangene Kündigungsschutzklage des Klägers.

Durch Urteil vom 13.02.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, dass der Kläger es trotz mehrfacher Abmahnung immer wieder unterlassen habe, entweder nach Ablauf bescheinigten Arbeitsunfähigkeiten seine Tätigkeit aufzunehmen oder den Arbeitgeber unverzüglich über seine weitere Verhinderung zu unterrichten. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, ein derartiges Verhaltes hinzunehmen, insbesondere dann nicht, wenn der Arbeitnehmer mehrfach auf das Bestehen der diesbezüglichen Verpflichtungen unter Kündigungsandrohung hingewiesen worden sei.

Hiergegen richtet sich die streitgegenständliche Berufung des Klägers, die der Kläger fristgerecht eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch fristgerecht begründet hat.

Der Kläger lässt vortragen, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil der Präsident des Landgerichts in seinem Kündigungsschreiben ausdrücklich die Verletzung von Anzeigepflichten als Kündigungsgrund mitgeteilt habe und das Arbeitsgericht in dem "Nichtantreten einer Tätigkeit" den Kündigungsgrund erblicke. Die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung sei formunwirksam. Der Präsident des Landgerichts sei nicht berechtigt, die Beendigung des Vertragsverhältnisses vorzunehmen, weil dies der "Anordnung über die Vertretung des L N -W im Geschäftsbereich des Justizministers "entgegenstehe". Die Anhörung des Personalrats sei misslungen. Der Kläger bestreite, dass eine korrekte Personalratsanhörung stattgefunden habe. Zur Personalratsanhörung gehöre mindestens die Angabe der Beschäftigungsdauer, des Geburtsdatums des Klägers, die Einschränkung in der Erwerbsfähigkeit von 40 %, seine familiäre Situation und die Darlegung der Erkrankung. Wäre der Personalrat korrekt über die Sozialdaten und über die wichtige Tatsache, dass beim Kläger Alkoholabhängigkeit vorliege, informiert worden, hätte der Personalrat der fristlosen Kündigung nicht zugestimmt. Das beklagte Land habe im Übrigen mehrere Möglichkeiten gehabt sich zu informieren. Sie habe zur Krankenkasse des Klägers Kontakt aufgenommen. Von dort habe sie laufende Informationen erhalten u. a., dass der Kläger Krankengeld beziehe. Darüber hinaus habe die Möglichkeit bestanden, Kontakt mit dem Arzt aufzunehmen. Dies sei zumindest im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen. Auf die Erkrankung des Klägers sei keine Rücksicht genommen worden. Dies hätte aber der Fürsorgepflicht des beklagten Landes entsprochen. Die von dem beklagten Land ins Feld geführten Abmahnungen stützten das Kündigungsanliegen nicht. Denn das beklagte Land habe hierbei den Tarifvertrag nicht beachtet, wonach wirksame Abmahnungen nur dann gegeben seien, wenn zuvor eine Anhörung des Arbeitnehmers erfolgt sei.

Soweit das beklagte Land im Rahmen der laufenden Arbeitsunfähigkeit eine Pflicht des Klägers statuiere, sich stetig bei dem beklagten Land aus den Dienstpflichten abzumelden, fehle es hierzu an einer gesetzlichen Grundlage. Das Arbeitsgericht erläutere dies nicht ansatzweise.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 13.02.2008 - 3 Ca 2444/07 - festzustellen, dass das Vertragsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Präsidenten des Landgerichts Köln vom 28.02.2007, zugestellt am 01.03.2007, sein Ende gefunden hat, sondern zu den Konditionen des geschlossenen Arbeitsvertrages unverändert fortbesteht.

Das beklage Land beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagtenseite verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die streitige außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei rechtswirksam, weil der Kläger trotz dreifacher einschlägiger Abmahnung seine Anzeigepflicht hartnäckig verletzt habe. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang die Rüge des Klägers, er sei vor Erteilung der Abmahnungen nicht angehört worden. Dies stelle die Rechtswirksamkeit der Abmahnungen nicht in Frage, sondern betreffe lediglich die Frage der Aufnahme in die Personalakten. Die Interessenabwägung sei nicht zu beanstanden.

Auch die formellen Rügen des Klägers in Bezug auf die Kündigung seien unbegründet. Von Anfang an sei klar gewesen, dass Arbeitgeber des Klägers das beklagte Land gewesen sei. Das Land werde beim Ausspruch einer Kündigung vom Leiter der Beschäftigungsbehörde vertreten. Die vom Kläger zitierte Anordnung beziehe sich allein auf die Vertretungsbefugnis im Falle einer Vertretung im Prozess.

Nicht zu beanstanden sei die Anhörung des Personalrats. Der Personalrat sei vollständig informiert worden. Insbesondere sei er an allen drei Abmahnungen beteiligt gewesen und habe demzufolge von den Beschäftigungs- und Dienstunfähigkeitszeiten des Klägers, den diesbezüglichen Ursachen und den Therapiemaßnahmen gewusst. Insbesondere habe der Personalrat deshalb auch gewusst, dass der Kläger aus den vorausgegangenen Therapien jeweils als arbeitsfähig entlassen worden war, seine Tätigkeit anschließend aber dennoch nicht wieder aufgenommen, sondern verspätet und nachträglich ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, an deren Zulässigkeit im Hinblick auf die Berufungsfrist und die Einhaltung der auf Antrag verlängerten Berufungsbegründungsfrist keine Zweifel bestehen, ist in der Sache nicht begründet. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen. Keiner der Angriffe des Klägers vermag die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ernsthaft in Frage zu stellen.

I. Nicht nachvollziehbar ist das Vorbringen des Klägers, es habe sich erst im Verlauf des Rechtsstreits herausgestellt, dass nicht der Präsident des Oberlandesgerichts Arbeitgeber sei, sondern das beklagte Land. Dies ergab sich bereits aus dem Arbeitsvertrag. Keinem Zweifel konnte es auch unterliegen, dass das beklagte Land hinsichtlich arbeitsrechtlicher Maßnahmen (Abmahnung, Kündigung etc.) von dem Leiter der Behörde oder Dienststelle rechtsgeschäftlich vertreten wird, der der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zugeordnet ist.

Soweit der Kläger unter Berufung auf die "Anordnung über die Vertretung des L N -W im Geschäftsbereichs des Justizministers" meint, darauf ergäbe sich, dass nur der Präsident des jeweiligen Oberlandesgerichts vertretungsbefugt sei, eine Kündigung auszusprechen, beruht dies auf einem offensichtlichen Fehlverständnis dieser Anordnung. Denn diese Anordnung betrifft, wie dies in Abschnitt A I 1 ausdrücklich aufgeführt ist, allein die Vertretung "in gerichtlichen Verfahren". Die Prozessführungsbefugnis in gerichtlichen Verfahren besagt aber nichts Abweichendes über die Ausübung arbeitsvertraglicher Rechte.

II. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine fristlose Kündigung liegt vor.

1. § 626 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei ist die Prüfung, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in zwei Stufen vorzunehmen. Zum einen muss ein Grund vorliegen, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (siehe BAG Urteil vom 11.12.2003 - 2 AZR 36/06 - AP Nr. 179 zu § 626 BGB m. w. N.; Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Auflage, § 626 BGB, Randziffer 29).

Des weiteren muss dieser Kündigungsgrund im Rahmen einer Interessenabwägung zu einem Überwiegen der Interessen des Kündigenden führen (siehe BAG Urteil vom 29.01.1997 - 2 AZR 292/96 - AP Nr. 131 zu § 626 BGB; Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Auflage, § 626 BGB, Randziffer 30).

Soweit es um die fristlose Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers geht, ist entscheidend, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist noch zugemutet werden kann (siehe BAG Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 - AP Nr. 202 zu § 626 BGB).

2. Die hartnäckige, trotz dreier Abmahnungen weiter aufgetretene Verletzung der Anzeigepflicht im Bezug auf die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung im vorliegenden Fall zu rechtfertigen.

Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerseite vorträgt, es gebe für eine solche Anzeigepflicht keine gesetzliche Grundlage. Diese folgt aus § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG. Es ist anerkannt, dass die Pflicht, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen, nicht nur für Ersterkrankungen, sondern auch für Folgeerkrankungen gilt (siehe Schmitt EFZG,6. Auflage, § 5 EFZG Rz. 128; Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 2. Auflage, § 5 EFZG Rz. 27; Erfurter Kommentar, § 5 EFZG Rz. 19 jeweils m.w.N.). § 5 Abs. 1 EFZG macht insoweit keinen Unterschied bei den Anzeigepflichten zwischen Ersterkrankung und Folgeerkrankung. Denn sowohl bei Ersterkrankungen als auch bei Folgeerkrankungen besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran, rechtzeitig die krankheitsbedingte Verhinderung deren voraussichtliche Dauer mitgeteilt zu bekommen, um Ersatz für den ausgefallenen Arbeitnehmer planen zu können. Die Anzeigepflicht dient gerade dazu, dem Arbeitgeber Kenntnis über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu verschaffen, und den Arbeitgeber von Tag zu Tag in der täglich sich wiederholenden Ungewissheit zu belassen, ob der Arbeitnehmer auch noch am nächsten Tag arbeitsunfähig verhindert sein wird oder seine Arbeit wieder aufnehmen wird. Die Anzeigepflicht besteht erst recht, wenn, wie im vorliegenden Fall, dem Arbeitgeber zunächst mitgeteilt worden war, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig aus einer Therapie entlassen worden war, so beispielsweise für die Zeit ab dem 16.04.2006, oder der Kläger sogar sein Wiedererscheinen am Arbeitsplatz im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme für die Zeit ab dem 29.01.2007 angekündigt hatte, und in diesen Fällen jeweils eine weitere Arbeitsunfähigkeit tagelang nicht mitgeteilt hatte.

Anerkannt ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Verletzung der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit bei erschwerenden Umständen des Einzelfalls nach entsprechender Abmahnung nicht nur eine ordentliche, sondern eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann (s. BAG, Urteil vom 15.01.1986 - 7 AZR 128/83 -, AP Nr. 93 zu § 626 BGB; ebenso KR-Fischermeier, 8. Aufl., § 626 BGB Rz. 426). In jener Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht deutlich gemacht, dass die Nachweispflicht regelmäßig hinter die Pflicht zurücktrete, den Arbeitgeber unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer zu unterrichten. Wegen der Auswirkungen auf den Betriebsablauf habe der Arbeitgeber in aller Regel ein größeres Interesse an einer schnellen Unterrichtung über die Arbeitsfähigkeit als an dem ärztlichen Nachweis darüber, ob der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig ist. Selbst die Verletzung der Nachweispflicht könne im Fall erschwerender Einzelfallumstände aber die außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG aaO). Demzufolge kann eine außerordentliche Kündigung wegen Verletzung der Anzeigepflicht neuer Arbeitsunfähigkeit bei entsprechender Hartnäckigkeit und Schwere der Pflichtverletzung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (s. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31.05.2006 - 10 Sa 6/06 -, Beck RS 2006, 44647).

Im vorliegenden Fall liegen solche erschwerenden Umstände vor, weil der Kläger hartnäckig trotz dreimaliger Abmahnung damit fortgefahren ist, eine Anschlussarbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich mitzuteilen. Der Kläger war bereits durch das Schreiben des Präsidenten des Landgerichts vom 28.02.2005, alsdann durch die Abmahnung vom 31.5.2005, nochmals durch die Abmahnung vom 11.05.2006 und schließlich durch die Abmahnung vom 01.02.2007 eindrücklich auf seine Anzeigeverpflichtung hingewiesen worden. In der Abmahnung vom 11.05.2006 war der Kläger bereits darauf hingewiesen worden, dass er im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müsse. In der Abmahnung vom 01.02.2007 war der Hinweis aufgenommen worden, dass er im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, insbesondere eine Kündigung, zu rechnen habe.

Nur wenige Tage nach dieser letzten Abmahnung hat der Kläger erneut seine Anzeigepflicht gravierend verletzt, in dem er nach dem Ablauf der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit am 23.02.2007 keinerlei Mitteilung an den Arbeitgeber machte, auch nicht an den darauffolgenden Arbeitstagen am 26. und 27.02.2007.

Daraus konnte nur der Schluss gezogen werden, dass dem Kläger die Abmahnungen völlig gleichgültig waren und er auch in Zukunft seine Anzeigepflichten im Fall einer Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllen würde, und wie in der Vergangenheit Tage oder gar Wochen fehlen würde, ohne jeweils seinen Informationspflichten im Hinblick auf eine eingetretene oder fortbestehende Arbeitsunfähigkeit zu erfüllen.

Jegliche Planbarkeit eines Arbeitseinsatzes des Klägers war für die Beklagte damit entfallen.

Zu Unrecht rügt die Klägerseite, dass hinsichtlich der Abmahnungen zuvor eine Anhörung des Klägers habe erfolgen müssen. Zum einen betraf die Anhörungspflicht gemäß § 13 Abs. 2 BAT nicht die Erteilung der Abmahnung, sondern nur ihre spätere Aufnahme in die Personalakte (s. BAG, Urteil vom 21.05.1992 - 5 AZR 551/91 -, NZA 1992, Seite 1028).

Zum anderen ist die Anhörungspflicht aus § 13 Abs. 2 BAT ohnehin nicht in den ab dem 01.11.2006 geltenden TV-L übernommen worden.

Das Verhalten des Klägers ist auch schuldhaft. Insbesondere hätte den Kläger seine Alkoholerkrankung nicht daran gehindert, seinen Anzeigenpflichten ordnungsgemäß nachzukommen. Dass der Kläger insoweit seine eigenen Angelegenheiten wahrnehmen konnte, zeigt sich bereits anhand des Schreibens des Klägers, das am 12.06.2006 bei seinem Arbeitgeber einging. In dem Schreiben begehrte der Kläger eine ausgefüllte Arbeitsbescheinigung für seinen Krankengeldanspruch und die Kopie einer Lohnsteuerkarte des Jahres 2006. In jenem Schreiben entschuldigte sich der Kläger ferner für sein Verhalten. Bereits dies macht deutlich, dass der Kläger nicht gehindert war, seine diesbezüglichen Pflichten zu erfüllen.

3. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung konnte nicht zugunsten des Klägers ausfallen. Hier war zwar einerseits die lange Beschäftigungszugehörigkeit des Klägers zu berücksichtigen. Andererseits zu Lasten des Klägers gewürdigt werden, dass das Arbeitsverhältnis bereits seit längerem gestört war und dass der Kläger in hartnäckiger Weise gegen seine Anzeigepflichten trotz mehrfacher Abmahnungen verstoßen hat, so dass für das beklagte Land als Arbeitgeber jegliche Planbarkeit des Arbeitseinsatzes des Klägers entfallen war. Die Kammer vermag auch nicht dem Argument der Klägerseite zu folgen, die Beklagte habe sich jeweils nach dem Verbleib des Klägers erkundigen bzw. von der Krankenkasse oder dem behandelnden Arzt Informationen einholen müssen. Eine solche Erkundigungspflicht besteht - auch unter Fürsorgegesichtspunkten - nicht. Es ist gerade der Sinn der Informationspflicht in § 5 Absatz 1 EFZG, dass der Arbeitnehmer von sich aus, ohne vorherige Nachfragen oder Erkundigungen des Arbeitgebers, seine krankheitsbedingte Verhinderung mitteilt.

Es war nach allem der Beklagtenseite nicht mehr zuzumuten, dass Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist fortzusetzen.

Die Interessenabwägung fiel deshalb zu Lasten des Klägers aus.

III. Die Kündigung ist schließlich nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Personalrats rechtsunwirksam.

Die Beklagtenseite hat die Anhörung des Personalrats im Einzelnen und substantiiert dargelegt. Im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast wäre es daher Sache des Klägers, im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen die Anhörung im Einzelnen fehlerhaft gewesen sein soll (s. BAG, Urteil vom 16.03.2000 - 2 AZR 275/99 -, NZA 2000, Seite 1332).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger insoweit gerügt, die familiäre Situation des Klägers sei nicht mitgeteilt worden. Da der Kläger jedoch unstreitig ledig ist, ist nicht erkennbar, welche zusätzlichen Informationen die Beklagte dem Personalrat bezüglich des Familienstandes des Klägers noch hätte geben sollen. Nicht vorgetragen ist auch, weshalb dem Personalrat Geburtsdatum, Beschäftigungszugehörigkeit und weitere Stammdaten nicht bekannt gewesen sein sollten, zumal der Personalrat ausweislich der zur Akte gereichten Vermerke an allen vorhergehenden Abmahnungen beteiligt wurde und jeweils zustimmend reagiert hat.

Nicht gefolgt werden kann dem Kläger, wenn er pauschal bestreitet, dem Personalrat sei die Alkoholerkrankung und die entsprechenden Therapiemaßnahmen des Klägers nicht mitgeteilt worden. Dies ergab sich bereits aus den Abmahnungen, die der Personalrat erhalten hatte. So heißt es in der Abmahnung vom 15.05.2006 ausdrücklich:

"Sehr geehrter Herr M ,

nach Auskunft ihrer Krankenkasse sind sie am 16.04.2006 als arbeitsfähig aus der Therapiemaßnahme entlassen worden."

Letztlich hat die Klägerseite die substantiierte Darstellung des beklagten Landes in der Berufungserwiderung zur Anhörung des Personalrats nicht mehr mit einer dezidierten, über das pauschale Bestreiten hinausgehenden Stellungnahme bestritten. Sie hat auch nicht den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils angegriffen, in dem es bereits hieß, dass die Beklagte sich entschlossen habe, zu kündigen und hierzu den Personalrat unter Angabe der Gründe am 27.2.2007 angehört habe.

Die Rechtswirksamkeit der Kündigung scheitert daher nicht an einer fehlerhaften Anhörung des Personalrats.

IV. Nach allem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO abgewiesen werden.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte, sondern ein Einzelfall auf der Basis höchstrichterlicher Rechtsprechung zu entscheiden war, und auch kein Fall von Divergenz vorlag.

Ende der Entscheidung

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