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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.01.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 944/08
Rechtsgebiete: BUrlG


Vorschriften:

BUrlG § 7
Zum Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.06.2008 - 2 Ca 5559/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten noch über einen Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers.

Der am 31.05.1953 geborene Kläger war seit dem 01.08.2006 bei dem Beklagten als Verkaufsfahrer zu einem monatlichen Gehalt von ca. 2.000,00 € brutto beschäftigt. Der Kläger hatte einen jährlichen Urlaubsanspruch von 26 Tagen.

Seit dem 26.05.2007 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig krank. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung vom 09.06.2007 zum 15.07.2007.

Diese Kündigung griff der Kläger mit der Kündigungsschutzklage an und verlangte später im Wege der Klageerweiterung Urlaubsabgeltung für 26 Urlaubstage in Höhe von 2.427,88 € brutto.

In einem am 16.05.2008 geschlossenen gerichtlichen Teilvergleich vereinbarten die Parteien unter anderem, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.07.2007 sein Ende gefunden habe.

Der Kläger, dessen Arbeitsunfähigkeit über den 13.06.2008 hinaus andauerte, begehrte daraufhin die noch streitig gebliebene Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.427,88 €.

Durch Urteil vom 13.06.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, der Urlaubsanspruch des Klägers sei wegen fortdauernder Erkrankung des Klägers mit Ablauf des 31.03.2008 ersatzlos untergegangen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Auffassung, dass ihm trotz fortdauernder Erkrankung eine Urlaubsabgeltung zustehe, auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 07.03.2006. Zutreffend sei die dort niedergelegte Auffassung, dass die Rechtsprechung, wonach ein Urlaubsabgeltungsanspruch verfalle, wenn er bis zum Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des anschließenden Übertragungszeitraums wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden könne, mit Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG nicht zu vereinbaren sei. Diese Position nehme auch die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs in ihren Schlussanträgen in jenem Verfahren vom 24.01.2008 ein. Es könne daher nicht angenommen werden, dass der Urlaubsanspruch des Klägers aufgrund seiner langdauernden Erkrankung verfallen sei. Vielmehr stehe in dieser - als Abgeltungsanspruch - trotz seiner dauerhaften Erkrankung zu.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 13.06.2008 - 2 Ca 5559/07 -,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.427,88 € brutto Urlaubsabgeltung für 26 Urlaubstage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Es entspreche ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass Urlaub, der im Urlaubsjahr und im anschließenden Übertragungszeitraum wegen durchgehender Erkrankung nicht genommen werden könne, ersatzlos untergehe. In dem vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren sei zudem noch keine Entscheidung getroffen worden. Selbst wenn eine solche im Sinne der Auffassung des Klägers ergehen sollte, sei diese für das vorliegende Verfahren nicht bindend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage auf Urlaubsabgeltung im vorliegenden Fall nicht stattgeben können.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hatte die Berufung keinen Erfolg.

1. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts konnte dem Kläger im vorliegenden Fall kein Urlaubsabgeltungsanspruch zugesprochen werden.

Der Urlaubsanspruch des Klägers wandelte sich durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2007 in einen Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz um. Dieser Abgeltungsanspruch ist jedoch - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - mit Ablauf des 31.03.2008 ersatzlos untergegangen, weil der Kläger bis zum Ende des Übertragungszeitraums am 31.03.2008 arbeitsunfähig geblieben ist. Denn Voraussetzung des Urlaubs- wie des Urlaubsabgeltungsanspruchs ist die Erfüllbarkeit der Urlaubsgewährung; diese ist nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist. Arbeitsunfähigkeit und Urlaubsgewährung schließen sich, wie an § 9 BurlG ablesbar ist, aus.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch braucht daher nicht erfüllt zu werden, wenn der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und danach bis zum Zeitpunkt des Anspruchsverfalls arbeitsunfähig ist (siehe BAG Urteil vom 27.05.2003 - 9 AZR 366/02 -; NJOZ 2004, Seite 3021; BAG Urteil vom 27.05.1997 - 9 AZR 337/95 -; NZA 1998, Seite 106; BAG Urteil vom 05.12.1995 - 9 AZR 871/94 -; NZA 1996, Seite 594 ff.).

Dabei müssen für den Urlaubsabgeltungsanspruch dieselben Voraussetzungen gegeben sein wie für den Urlaubsanspruch. Denn der Abgeltungsanspruch ist kein Abfindungsanspruch, für den es auf die urlaubsrechtlichen Merkmale wie Bestand und Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs nicht mehr ankäme. Voraussetzung für einen Urlaubsabgeltungsanspruch ist daher, dass bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Urlaub in natura gewährt werden könnte. Dies jedoch scheitert an der langdauernden über den 31.03.2008 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers.

2. Die gegen diese höchstrichterliche Rechtsprechung ins Feld geführten Gegenargumente vermögen nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht zu überzeugen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Vorlagebeschluss vom 02.08.2006 - 12 Sa 486/06 -, NZA - RR 2006, Seite 628) und ihm folgend der Schlussantrag der Generalanwältin vor dem Europäischen Gerichtshof vom 24.01.2008 vertreten die Auffassung, dass der Untergang des Urlaubs- und des Urlaubsabgeltungsanspruchs wegen langanhaltender Erkrankung gegen Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG verstoße. Nach Artikel 7 Richtlinie 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einem bezahlten Mindesturlaub von 4 Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

Mit dieser Bestimmung wird ein Mindestjahresurlaubsanspruch von 4 Wochen statuiert. Die Einzelheiten richten sich nach dieser Richtlinienbestimmung aber nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Daher schließt diese Richtlinienbestimmung nicht aus, dass der Fortbestand des Mindesturlaubsanspruchs daran geknüpft wird, dass der Urlaubsanspruch auch tatsächlich erfüllt werden kann, d. h. der Arbeitnehmer von seiner Arbeitsverpflichtung bei Fortzahlung der Vergütung für den Urlaubszeitraum auch tatsächlich freigestellt werden kann. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist und daher keine Arbeitsverpflichtung besteht. Der Text der Richtlinie steht daher nicht im Widerspruch dazu, die Arbeitsfähigkeit als Voraussetzung für die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs zu statuieren.

Aus der Richtlinienbestimmung lässt sich ferner kein Argument dagegen ableiten, für den Urlaubsabgeltungsanspruch als Surogat des Urlaubsanspruchs dieselben Voraussetzungen zu verlangen. Eine davon abweichende Verfahrensweise würde dazu führen, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch unter leichteren Voraussetzungen als der Urlaubsgewährungsanspruch geltend gemacht werden könnte. Die Richtlinienbestimmung verfolgt hingegen eine gegenteilige Tendenz, indem sie der Urlaubsgewährung in natura den Vorrang einräumt und festlegt, dass der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Dahinter steht die berechtigte Vorstellung, dass es nicht erlaubt sein soll, dem Arbeitnehmer den in natura zu gewährenden Urlaubsanspruch abkaufen zu lassen. Dann aber ist es nur konsequent, an den Abgeltungsanspruch keine weniger strengen Anforderungen als an den Urlaubsanspruch selbst zu stellen.

Der Richtlinienbestimmung ist schließlich kein durchgreifendes Argument dagegen, die zeitliche Bindung des Urlaubs und des Urlaubsabgeltungsanspruchs an das Urlaubsjahr und den folgenden Übertragungszeitraum vorzusehen. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 Bundesurlaubsgesetz ist die Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Der Übertragungszeitraum ist nach § 7 Abs. 3 S. 3 Bundesurlaubsgesetz auf die ersten 3 Monate des folgenden Kalenderjahres beschränkt. Ist der Urlaub innerhalb des Kalenderjahres oder gegebenenfalls des Übertragungszeitraums nicht genommen worden oder konnte er - zum Beispiel aus Krankheitsgründen - nicht genommen werden, verfällt er. Diese enge zeitliche Bindung verfolgt den Zweck, die Arbeitsvertragsparteien dazu anzuhalten, den Urlaub jeweils zeitgerecht zu beantragen und zu gewähren. Urlaubsansprüche sollen nicht aufgeschoben werden. Auch soll Urlaub nicht über mehrere Kalenderjahre hinweg angesammelt werden. Denn der Erholungszweck des Urlaubs kann nur eintreten, wenn der Urlaub jeweils zeitgerecht im jeweiligen Kalenderjahr, maximal während des Übertragungszeitraums gewährt wird. Kehrt ein langfristig erkrankter Arbeitnehmer nach mehrjähriger Erkrankung in das Arbeitsverhältnis zurück, erwirbt er in dem Rückkehrjahr erneut einen vollen Jahresurlaubsanspruch, so dass auch in einem solchen Fall das Interesse des Arbeitnehmers an einem bezahlten Erholungsurlaub gewahrt ist.

Die zeitliche Bindung des Urlaubsanspruchs an das Kalenderjahr bzw. den Übertragungszeitraum bewirkt daher in jedem Fall eine zeitgerechte Erfüllung des auch unter gesundheitlichen Aspekten bestehenden zeitnahen Erholungsbedürfnisses.

Aus Artikel 7 der Richtlinie 2003/88/EG lässt sich schließlich kein Verbot einer solchen zeitlichen Bindung entnehmen. Denn die Richtlinienbestimmung untersagt eine solche zeitliche Bindung nicht. Sie verlangt lediglich, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der Mindestjahresurlaub von 4 Wochen gewährt werden kann. Für den Fall der Unmöglichkeit der Gewährung, zum Beispiel wegen dauerhafter Erkrankung, enthält die Richtlinienbestimmung keine dezidierte Regelung.

III. Aus den dargelegten Gründen musste der Klage der Erfolg versagt bleiben.

IV. Die Kammer hat die Revision zugelassen im Hinblick auf die entgegenstehende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf und das vor dem Europäischen Gerichtshof anhängige Verfahren.

Ende der Entscheidung

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