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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 15.12.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 990/08
Rechtsgebiete: TV-Ä


Vorschriften:

TV-Ä § 12
1. Nach der Eingruppierungsregelung in § 12 TV-Ä ist derjenige Oberarzt, dem medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

2. Dafür ist es nicht ausreichend, dass der Arzt in der Vergangenheit als Oberarzt bezeichnet worden ist (Titularoberarzt).

3. Die Durchführung von Lehrveranstaltungen und das Stellen und Korrigieren von Klausuren erfüllt die tarifvertraglichen Voraussetzungen nicht.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.06.2008 - 1 Ca 270/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger die tariflichen Merkmale einer Tätigkeit als Oberarzt erfüllt und ihm eine Gehaltsdifferenz zusteht.

Der am 12.07.1957 geborene Kläger ist seit dem 11.11.1986 bei dem beklagten Universitätsklinikum als Arzt beschäftigt.

Der Kläger ist Mitglied des tarifschließenden Marburger Bundes. Mit Schreiben vom 13.12.1996 (Bl. 61 d. A.) teilte der Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Prof. Dr. R N , dem ärztlichen Direktor der medizinischen Einrichtungen, Herrn Prof. V , mit, dass er u. a. den Kläger mit den Aufgaben eines Oberarztes in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie betraut habe.

Zum 01.11.2006 trat der Tarifvertrag Ärzte (TV-Ä) in Kraft. In diesem Tarifvertrag wurde die Entgeltgruppe Ä3-Oberärztin/Oberarzt wie folgt definiert:

"Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenden Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert"

Durch Anlage zum Rundschreiben vom 15.08.2006 (Bl. 23 f. d. A.) wies die Beklagte darauf hin, dass ab dem 01.07.2006 eine Zulage zur Aufstockung der Vergütungssumme im Umfang der im Tarifvertrag festgelegten Tabellenwerte für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum Inkrafttreten des Tarifvertrages am 01.11.2006 gezahlt werde. Die Vergütung für Oberärzte betrug in Entgeltgruppe Ä3, Stufe 3 ab dem 7. Jahr 6.800,00 € monatlich.

Mit Schreiben vom 19.12.2006 verlangte der Kläger seine Einstufung und Vergütung als Oberarzt (Zulage für die Monate Juli bis Oktober 2006 sowie Eingruppierung und Vergütung als Oberarzt Ä3, Stufe 3 ab 01.11.2006).

Mit Schreiben vom 04.12.2007 (Bl. 62 d. A.) an die Verwaltung der Beklagten bat der Direktor der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und präventive Zahnheilkunde, Prof. J den Kläger zum Oberarzt i.S. v. § 12 des geltenden TV-Ä zu bestellen, unter Hinweis darauf, dass sein Vorgänger, Prof. Dr. N , den Kläger am 01.01.1997 mit der Wahrnehmung der Aufgaben eines Oberarztes betraut habe.

Mit Schreiben vom 02.06.2008 (Bl. 92 d. A.) bescheinigte Prof. J dem Kläger, dass dieser mit der Organisation und Betreuung der zahnärztlichen Assistenten beim Notfall- und Außendienst der Poliklinik sowie mit der Weiterbildung der wissenschaftlichen Mitarbeiter zum Spezialisten für restaurative und präventive Zahnerhaltung mit mehr als 50 % seiner regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt sei.

Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er ab 01.07.2006 als Oberarzt einzustufen und nach der Entgeltgruppe Ä3, Stufe 3 des TV-Ä zu vergüten sei sowie ab dem 01.11.2006 in diese Entgeltgruppe einzugruppieren sei.

Zur Begründung seiner Klage hat sich der Kläger auf die erteilten ärztlichen Bescheinigungen gestützt sowie darüber hinaus darauf, dass er im Vorlesungsverzeichnis seit 1997 als Oberarzt aufgeführt werde. Zudem nehme er an Zentrumssitzungen teil und trage eine besondere medizinische Verantwortung nach dem Geschäftsverteilungsplan. Auch in der Außendiensteinteilung sei er neben dem Klinikdirektor als verantwortlicher Oberarzt aufgeführt. Zudem erstelle er in dieser Funktion Gutachten für Studenten.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Kläger rückwirkend ab dem 1. Juli 2006 als Oberarzt einzustufen und nach der Entgeltgruppe Oberarzt Ä3, Stufe 3 des TV-Ä zu vergüten ist und ab 1. November 2006 in diese Entgeltgruppe einzugruppieren ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 43.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger trage nicht zu mehr als 50 % medizinische Verantwortung im tarifrechtlichen Sinne. Der Abteilungsdirektor des Klägers werde durch einen weiteren C3-Professor unterstützt, Herrn Prof. Dr. F , unterstützt. Diesem obliege neben dem Klinikdirektor die medizinische Verantwortung. Den Ausführungen des Klägers lasse sich auch nicht entnehmen, dass dem Kläger zu mehr als 50 % seiner Arbeitszeit die medizinische Verantwortung eines Teil- oder Funktionsbereiches übertragen worden sei. Zudem seien neben den fünf Ärzten, die den Titel Oberarzt führten, nur weitere sieben Ärzte in der Poliklinik tätig.

Durch Urteil vom 05.06.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf abgestellt, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen des § 12 TV-Ä. Ihm sei nicht die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche einer Klinik oder einer Abteilung übertragen worden. Es fehle insbesondere an Aufsichtsfunktionen über ärztliches oder nicht-ärztliches Personal. Selbst wenn man mit dem Kläger annehmen würde, dass sich aus den von ihm aufgeführten Tätigkeiten die medizinische Verantwortung für einen abgrenzbaren Teilbereich der Poliklinik für Parodontologie ergeben würde, reiche die bloße Behauptung, dass er diese Tätigkeit mit mehr als 50 % seiner regelmäßigen Arbeitszeit ausübe, nicht aus. Vor dem Hintergrund, dass noch weitere vier Ärzte mit der Bezeichnung Oberarzt in der Poliklinik tätig seien, könne nicht erkannt werden, inwieweit der Kläger mit mehr als 50 % seiner Arbeitszeit medizinische Verantwortung trage.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung einlegen und begründen lassen.

Der Kläger trägt vor, die entsprechende medizinische Verantwortung sei ihm bereits 1996 übertragen worden. Hierzu nimmt der Kläger auf das Schreiben von Dr. N vom 19.12.1996 Bezug. Die Vorgesetztenfunktion folge aus der Bescheinigung von Prof. J vom 04.12.2007. Hierfür werde Prof. J als Zeuge benannt. Die Vorgesetztenfunktion folge ferner aus der dem Kläger übertragenen Weiterbildung der wissenschaftlichen Mitarbeiter, wie ebenfalls aus der Bescheinigung von Prof. J hervorgehe. Fehlerhafterweise habe das Arbeitsgericht auch ohne Anhörung des Zeugen J festgestellt, dass der Kläger nicht mehr als 50 % seiner Tätigkeit medizinische Verantwortung tragen könne. Unschädlich für das Begehren des Klägers sei es, dass insgesamt vier weitere Oberärzte tätig seien. Denn diese seien nicht verantwortlich in der Leitung der dem Kläger übertragenen Teilbereiche tätig. Schließlich sei das Arbeitsgericht aufgrund der Offizialmaxime dazu verpflichtet gewesen, zur Vorlage weiterer Beweismittel aufzufordern, falls es die angebotenen Beweise nicht für ausreichend gehalten habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.06.2008 - 1 Ca 270/08 -

1. festzustellen, dass der Kläger rückwirkend ab 01.07.2006 als Oberarzt einzustufen und nach der Entgeltgruppe Oberarzt Ä3, Stufe 3 des TV-Ä zu vergüten und rückwirkend ab 01.11.2006 in diese Entgeltgruppe einzugruppieren;

2. die Beklagte zu verurteilen ab Monat Juli 2006 jeweils einen Bruttobetrag von 2.300,00 € nachzuzahlen und die Nachzahlungsbeträge mit 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Urteil des Arbeitsgerichts sei weder falsch noch unrichtig. Das Arbeitsgericht sei auch nicht zur Beweiserhebung verpflichtet gewesen. Dies wäre einem Ausforschungsbeweis gleichgekommen.

Zur Übertragung medizinischer Verantwortung auf den Kläger sei es zu keiner Zeit gekommen. Die Einordnung in die Entgeltgruppe Ä3, 1. Alternative verlange zwingend die Übertragung von Personalverantwortung, mithin eine Vorgesetztenfunktion. Das Arbeitsgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die medizinische Verantwortung als Eingruppierungsmerkmal gerade nicht darin erschöpfe, Verantwortung für die eigenen ärztliche Tätigkeit zu tragen. Ferner habe der Kläger nicht dargetan, wie er medizinische Verantwortung in der Vergangenheit mindestens 50 % seiner regelmäßigen Arbeitszeit ausgeübt haben wolle. Auch aus der Bescheinigung von Herrn Prof. J vom 04.12.2008 (Bl. 128 f. d. A.) darüber, dass der Kläger die praktische Betreuung von z. Z. 65 Studierenden im Rahmen des Phantomkurses der Zahnerhaltung durchführe, lasse sich nichts Entsprechendes ableiten. Angesichts von insgesamt fünf Ärzten, die den Titel Oberarzt führten, und nur sieben weiteren Ärzten sei es Sache des Klägers gewesen, näher vorzutragen, wie sich die angebliche medizinische Verantwortung zwischen diesen fünf Ärzten verteile und wieso gerade der Kläger dabei medizinische Verantwortung zu mehr als 50 % seiner Arbeitszeit ausübe. Erst recht gelte dies, weil der Vertreter von Herrn Prof. J , Herr Prof. Dr. F , den Klinikdirektor in der Ausübung der medizinischen Verantwortung als einziger Arzt entscheidend unterstütze, deshalb auch als leitender Oberarzt bezeichnet werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger die tariflichen Merkmale einer Oberarzttätigkeit nicht erfüllt.

I. Der Feststellungsantrag, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass er rückwirkend ab dem 01.07.2006 als Oberarzt einzustufen und nach der Entgeltgruppe Oberarzt Ä3 des TV-Ä zu vergüten und rückwirkend ab dem 01.11.2006 in diese Entgeltgruppe einzugruppieren sei, ist nicht begründet. Denn ungeachtet sonstiger Zweifelsfragen scheitert der Feststellungsantrag materiell bereits daran, dass der Kläger die tariflichen Eingruppierungsmerkmale des § 12 TV-Ä, Entgeltgruppe Oberarzt, Ä3 Stufe 3 nicht erfüllt.

1. Die Voraussetzungen des § 12 Entgeltgruppe Ä3, 1. Alternative TV-Ä sind nicht gegeben. Nach dieser tariflichen Vorschrift ist Oberarzt derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist.

a. Aufgrund dieser Vorschrift ist zunächst klargestellt, dass allein die Bezeichnung als Oberarzt für die Erfüllung der tariflichen Eingruppierungsmerkmale nicht ausreichend ist. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass vor Inkrafttreten des TV-Ä zum 01.11.2006 eine Vielzahl von Ärzten den Titel "Oberarzt" geführt hat. Dieser Titel hatte jedoch keinerlei Eingruppierungsrelevanz (s. Anton ZTR 2008, 184 ff.).

Dementsprechend ist aus der Tatsache, dass der Kläger in der vorangegangenen Zeit den Titel Oberarzt geführt hat, nichts abzuleiten. Die Tarifvertragsparteien haben in einer Protokollerklärung zu diesem Komplex festgehalten:

"Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31.10.2006 die Bezeichnung Oberärztin/Oberarzt führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin bzw. Oberarzt nach § 12 TV-Ä zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren."

Hieraus ist ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass aufgrund der tarifvertraglichen Neudefinition der Oberarzttätigkeit im TV-Ä im Jahre 2006 es in einer Vielzahl von Fällen dazu kommen würde, dass Oberärzte, die bisher den Titel Oberarzt geführt hatten, gleichwohl nicht die nunmehrigen tariflichen Eingruppierungsmerkmale für eine Oberarzttätigkeit nach § 12 TV-Ä erfüllen würden.

Aus diesem Grund kann nichts aus der Tatsache abgeleitet werden, dass der Kläger in Vorlesungsverzeichnissen und anderen Unterlagen der Beklagten oder in sonstigen Schriftstücken und Verlautbarungen als Oberarzt bezeichnet worden ist. Denn diese in Unkenntnis des wesentlich später zustande gekommenen Tarifvertrages gewählte Bezeichnung kann nichts dafür hergeben, dass mit dieser Bezeichnung die Festlegung verbunden wäre, dass der Kläger die Voraussetzungen der wesentlich später in Kraft getretenen tarifvertraglichen Oberarztdefinition erfüllen würde.

b. Aus demselben Grund kann der Kläger nichts aus dem Schreiben des damaligen Direktors Prof. N herleiten, der mit Schreiben vom 13.12.1986 (Bl. 61 d. A.) u. a. den Kläger mit den Aufgaben eines Oberarztes betraut hat. Bei Abfassung dieses Schreibens konnte Prof. N nicht wissen oder vorausahnen, welche tarifvertragliche Definition die Tarifvertragsparteien fast 10 Jahre später für die Einstufung als Oberarzt kreieren würden. Die tarifvertragliche Definition der Oberarzttätigkeit im Jahre 2006 ist wesentlich restriktiver ausgefallen als der Bedeutungsinhalt, den der Begriff "Oberarzt" zuvor gehabt hat. Dies wird unübersehbar deutlich an der bereits erwähnten Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien, die ersichtlich davon ausgingen, dass ein ganz erheblicher Teil derjenigen, die in der Vergangenheit als Oberärzte bezeichnet wurden, tatsächlich die neu geschaffenen Eingruppierungsmerkmale für eine Oberarzttätigkeit nicht würden erfüllen können, und denen deshalb gestattet werden musste, wenigstens den Titel "Oberarzt" behalten zu können, ohne die Vorteile der neugeschaffenen tariflichen Entgeltgruppendefinition für Oberärzte erfüllen zu können.

Eine vor Abschluss des Tarifvertrages erfolgte Bestellung zum Oberarzt ist deshalb für die Frage, ob die tarifvertraglichen Merkmale des ab 2006 geltenden TV-Ä erfüllt werden, nicht relevant (ebenso LAG München, Urteil vom 15.08.2008 - 3 Sa 410/08 - zitiert nach juris).

c. Die vom Kläger vorgetragenen Tätigkeiten erfüllen nicht das Tarifmerkmal eines "Teil- oder Funktionsbereichs". Nach § 12 TV-Ä müsste es sich um Tätigkeiten handeln, die mindestens zur Hälfte die insgesamt auszuübende Tätigkeit ausmachen. Dabei hat die Arbeitnehmerseite die Darlegungs- und Beweislast (s. LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2008 - 15 Sa 1617/07 - Beck RS 2008, 58, 160). Die vom Kläger geschilderten Tätigkeitsbereiche können nicht als Teil- oder Funktionsbereiche gewertet werden, die mehr als die Hälfte der Arbeitszeit des Klägers ausmachen.

Bereits vor Inkrafttreten des TV-Ä ist das Merkmal des Funktionsbereichs in dem auf das Arbeitsverhältnis vorher anwendbaren BAT (s. Vergütungsgruppe I b/I a, Fallgruppe 4 BAT) definiert. Ausweislich der Protokollnotiz Nr. 5 zu Teil 1 der Anlage 1 a zum BAT wurde dabei auf wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes abgestellt. Demgegenüber war der Begriff Teilbereich bisher überhaupt nicht tarifvertraglich definiert. Aus dem Begriff folgt, dass zumindest eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit und eine eigenen räumliche und personelle Ausstattung vorhanden sein muss. Sowohl für Funktionsbereiche wie auch für Teilbereiche ist zudem zusätzlich erforderlich, dass dem Arzt vom Arbeitgeber medizinische Verantwortung übertragen worden ist.

Davon ausgehend ist zunächst festzuhalten, dass die organisatorischen Arbeiten, auf die sich der Kläger ausgehend von der Bescheinigung von Herrn Prof. J vom 04.12.2007 beruft, nicht als Funktions- oder Teilbereiche angesehen werden können, weil damit keine unmittelbare medizinische Verantwortung übertragen wurde. Dies gilt insbesondere für die Organisation und Betreuung der zahnärztlichen Assistenten beim Notfall- und Außendienst der Poliklinik. Abgesehen davon ist nicht im Ansatz erkennbar, dass dieser Notfall und Außendienst einen zeitlichen Umfang von mehr als 50 % der regulären Arbeitszeit des Klägers ausmachen könnte.

Aus der Bescheinigung vom 04.12.2008 (Bl. 128 d. A.) ergibt sich der schon in der Bescheinigung vom 04.12.2007 angesprochene Umstand, dass der Kläger den Phantomkurs zur Zahnerhaltung durchführt, wozu auch die praktische Betreuung der z. Z. 65 Studierenden gehört. Die Summe der dort aufgeführten Unterrichts-, Seminar- und Vorbereitungszeiten macht allein 19 Stunden pro Woche aus. Hinzu kommt, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 15.12.2008 erklärt hat, der Zeitaufwand für das Stellen und Korrigieren von Klausuren und die Abnahme von Prüfungen. Der bezüglich des Phantomkurses insgesamt anfallende Arbeitsaufwand bewegt sich daher in einer Größenordnung von annähernd 50 % der Arbeitszeit. Die Durchführung dieses Phantomkurses einschließlich der dazu erforderlichen Vor- und Nacharbeiten kann aber nicht als Funktions- oder Teilbereich i. S. d. tarifrechtlichen Bestimmung angesehen werden. Es handelt sich um Ausbildungstätigkeit, die nicht einen abgrenzbaren medizinischen Funktions- oder Teilbereich darstellt.

Nicht durchzudringen vermag der Kläger in diesem Zusammenhang mit dem Argument, er trage im Hinblick auf die dort stattfindende Patientenbehandlung die medizinische Verantwortung. Denn diese Patientenverantwortung kennzeichnet jede ärztliche Tätigkeit. Wäre jede Übernahme medizinischer Verantwortung im Hinblick auf die Patientenversorgung zugleich eine solche im Sinne der tarifrechtlichen Bestimmungen, hätte dies zur Konsequenz, dass jede ärztliche Tätigkeit bei der Beklagten als Oberarzttätigkeit einzustufen wäre. Dies ist ersichtlich von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt. Erst recht fehlt es daran, dass nicht dargelegt ist, inwiefern der Kläger mehr als 50 % seiner Arbeitszeit in einem Funktions- oder Teilbereich ableistet, für den ihm die medizinische Verantwortung übertragen worden ist. Die Zeitangaben hinsichtlich des Phantomkurses sprechen im Gegenteil dafür, dass zu mehr als 50 % Tätigkeiten ausgeübt werden, die das tarifliche Eingruppierungsmerkmal nicht erfüllen.

d. Unabhängig vom Vorstehenden scheitert der Anspruch des Klägers auch daran, dass ihm für die von ihm angeführte Tätigkeiten die medizinische Verantwortung nicht vom Arbeitgeber übertragen worden ist. Auf das Schreiben von Prof. N aus dem Jahr 1996 kann aus den bereits dargestellten Gründen nicht abgestellt werden. Das Schreiben von Prof. J vom 04.12.2007 enthält die klare Bitte an die Verwaltungsleitung der Beklagten, den Kläger zum Oberarzt i. S. v. § 12 TV-Ä zu bestellen. Damit wird deutlich, dass eine solche Übertragung der medizinischen Verantwortung i. S. d. § 12 TV-Ä und die daraus folgende Bestellung zum Oberarzt bisher nicht erfolgt ist. Der Tarifvertrag setzt aber gerade voraus, dass dem Arzt eine solche Verantwortung gemäß § 12 TV-Ä übertragen wird. Mit dem Akt der Übertragung der Verantwortung geht einher, dass der Arzt ab dem Inkrafttreten des Übertragungsaktes voll verantwortlich, berichts- und rechenschaftspflichtig ist. Dies bedeutet insbesondere, dass der Betreffende im Rahmen seiner Verantwortung nicht nur für eigenes sondern im Rahmen der damit verbundenen Organisations- und Überwachungsverantwortung auch für Fehlverhalten der ihm unterstellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustehen hat. Diese gesteigerte Verantwortlichkeit, die sich gegebenenfalls wegen der Organisations- und Überwachungspflichten auch in einem strengeren Haftungsmaßstab niederschlagen kann, stellt eine zusätzliche Belastung dar, für die die höhere Oberarztvergütung der Ausgleich ist.

Die erste Alternative des § 12 TV-Ä, Entgeltgruppe Ä3 erfüllt der Kläger folglich nicht.

2. Auch die zweite Alternative des § 12 TV-Ä, Entgeltgruppe Ä3 ist nicht gegeben. Danach ist Oberarzt der Facharzt in einer durch den Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung fordert. Eine solche Schwerpunkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbildungsordnung liegt im Fall des Klägers nicht vor. Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen. Dazu müsste der Kläger darlegen, dass die Beklagte anderen Oberärzten die Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä3 zahlt, ohne dass diese die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe Ä3 erfüllen (s. LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.08.2008 - 9 Sa 1399/07 - zitiert nach juris).

Diesbezüglich ergibt sich nichts Entscheidendes aus dem Vortrag der Klägerseite, die Beklagte habe in anderen Fällen, z. B. bei Frau Dr. L auf den Facharzttitel für die Eingruppierung verzichtet. Denn dies schließt in keiner Weise aus, dass die Beklagte eine Einstufung als Oberärztin nach § 12 TV-Ä 1. Alternative vorgenommen hat und die medizinische Verantwortung für einen Funktions- oder Teilbereich - anders als beim Kläger - übertragen hat.

Angesichts der Zahlenverhältnisse von fünf Titularoberärzten und nur sieben weiteren Ärzten ist zudem nachvollziehbar, dass für die Übertragung von medizinischer Verantwortung für Funktions- und Teilbereiche nur wenig Spielraum verbleibt, dessen sachgerechte Ausfüllung dem Arbeitgeber obliegt. Auch mittels des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es nicht möglich, dass am Ende die Mehrzahl der Ärzte als Oberärzte einzustufen ist, obwohl dies gerade eine herausgehobene medizinische Verantwortung für Funktions- oder Teilbereiche voraussetzt.

Insgesamt sind daher die tarifvertraglichen Anforderungen für eine Eingruppierung als Oberarzt nicht erfüllt.

II. Der Zahlungsantrag des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg.

a. Soweit die Klage auf Erbringung zukünftiger Leistungen gerichtet wird, ist sie bereits unzulässig gemäß § 257 ZPO. Nach dieser Bestimmung setzt die Klage auf eine künftig fällige Geldforderung voraus, dass diese nicht von einer Gegenleistung abhängig ist. Die Leistung von Arbeitsentgelt hängt jedoch von der Erbringung der Gegenleistung, der Ableistung der vertraglich geschuldeten Arbeit, ab.

Unabhängig hiervon ist die Zahlungsklage insgesamt unbegründet. Denn der Kläger erfüllt die tarifvertraglichen Merkmale für eine Vergütung als Oberarzt nicht. Er ist daher nicht in Entgeltgruppe Ä3 einzugruppieren und kann deshalb weder eine Zulage für die Zeit von Juli bis Oktober 2006 noch eine Vergütungsdifferenz für die Zeit ab dem 01.11.2006 verlangen.

III. Insgesamt hatte die Berufung des Klägers keinen Erfolg und musste mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.

Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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