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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 16.12.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 994/04
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1
Beschäftigungszeiten, die ein nach dem AGB der DDR bei einer zwischenbetrieblichen Bauorganisation (ZBO) beschäftigter Arbeitnehmer bei der ZBO zurückgelegt hat, sind bei ununterbrochener Fortsetzung dieses Arbeitsverhältnisses bei einem Rechtsnachfolger der ZBO für die Unverfallbarkeitsfristen nach § 1 Abs. 1 BetrAVG zu berücksichtigen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 994/04

Verkündet am 16. Dezember 2004

In Sachen

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 16.12.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rietschel als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Erhard und Baurmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.02.2004 - 16 Ca 11735/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am geborene Klägerin war auf Grund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 06.01.1975 seit dem 06.01.1975 bei der zwischenbetrieblichen Bauorganisation (ZBO) "V K " B als Lohnbuchhalterin beschäftigt. Nach der Präambel zum Arbeitsvertrag richten sich die Rechten und Pflichten der Werktätigen und des Betriebes aus dem Gesetzbuch der Arbeit der DDR in der Fassung vom 23.11.1966. Unter Ziffer 2 ist ein Lohn nach Gehaltsgruppe IV = 450 M (Ost) vereinbart. Am 03.04.1990 beschlossen die an der ZBO beteiligten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG s) deren Umwandlung in eine Genossenschaft, die Baugenossenschaft B . Diese schloss unter dem 30.04.1990 mit der Klägerin einen schriftlichen Änderungsvertrag, wonach der bestehende Arbeitsvertrag vom 06.01.1975 mit Wirkung vom 01.05.1990 (hinsichtlich der vereinbarten Vergütung unter Ziffer 3.2) geändert wird. Im Dezember 1991 wurde diese Genossenschaft in die "Baugesellschaft B mbH" umgewandelt. Diese sagte der Klägerin im Dezember 1994 eine betriebliche Altersversorgung einschließlich einer Hinterbliebenenversorgung zu. Über das Vermögen der Baugesellschaft B mbH wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Halle - Saalekreis - vom 01.03.1999 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben, der Beklagte sei nach Eintritt des Sicherungsfalls dafür einstandspflichtig und hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, für die von der Klägerin bei der Baugesellschaft B mbH verdiente Versorgungsanwartschaft (einschließlich Hinterbliebenenversorgung) einzutreten.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, er sei nicht einstandspflichtig, die Klägerin habe am 01.03.1999 keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft besessen. Die Klägerin habe lediglich bei der Gemeinschuldnerin im Arbeitsverhältnis gestanden, nicht jedoch bei der ZBO "Vereinte K B " oder der Genossenschaft. Insoweit seien die Grundsätze entsprechend anzuwenden, welche das Bundesarbeitsgericht zu Beschäftigungszeiten bei LPG's aufgestellt habe.

Das Arbeitsgericht hat durch ein am 17.02.2004 verkündetes Urteil der Klage stattgegeben. Gegen das dem Beklagten am 13.10.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.08.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, welche der Beklagte nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist innerhalb der verlängerten Frist am 22.09.2004 begründet hat.

Der Beklagte wiederholt mit der Berufung sein erstinstanzliches Vorbringen und vertritt weiterhin die Auffassung, die Klägerin sei als Mitglied der ZBO bzw. einer LPG nicht Arbeitnehmerin in der Zeit vor ihrer Beschäftigung bei der Insolvenzschuldnerin gewesen. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin - wie sie vorträgt - kein Mitglied der ZBO oder einer LPG gewesen sei.

Im Übrigen ergebe sich aus dem Vortrag der Klägerin auch nicht, dass die Baugesellschaft B mbH Rechtsnachfolgerin der ZBO "V K B " gewesen sei, insbesondere sei für einen Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB nichts ersichtlich.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.02.2004 - 16 Ca 11735/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt mit der Berufungserwiderung die angefochtene Entscheidung und weist darauf hin, dass sie weder Mitglied einer LPG noch der ZBO gewesen sei, wofür sie unter Verwahrung gegen die Beweislast Zeugenbeweis angetreten hat. Hinsichtlich der vom Beklagten in der Berufungsinstanz erstmalig bestrittenen Betriebsübernahme trägt die Klägerin vor, dass die im Jahre 1990 gegründete Genossenschaft und die GmbH von der ZBO "V K " sowohl den gesamten Bestand von Forderungen und Verbindlichkeiten sowie das vorhandene Barvermögen übernommen habe als auch den gesamten Bestand der Sachmittel, wie Büroeinrichtungen, Maschinenpark und halb fertige Produkte. Ferner seien Genossenschaft und GmbH in bestehende Werkverträge eingetreten und hätten alle Mitarbeiter der ZBO bzw. der Genossenschaft übernommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung des Beklagten ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Überlegungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht, denen sich die Berufungskammer in vollem Umfang anschließt, der Klage stattgegeben. Ergänzend zu den Ausführungen des Arbeitsgerichts und im Hinblick auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung weist die Berufungskammer auf folgende nach seiner Auffassung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte hin:

1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat das für den Feststellungsantrag erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse nach § 256 ZPO, denn sie macht den Bestand einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft, also eines Rechtsverhältnisses geltend. Sie hat auch schon vor Eintritt des Versorgungsfalles ein geschütztes Interesse, zu erfahren, inwieweit sie sich auf zusätzliche Versorgungsleistungen des Beklagten einstellen kann (BAG vom 07.03.1995 - 3 AZR 282/94 - BAGE 79, 236, 239; BAG vom 19.12.2000 - 3 AZR 451/99 - AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Unverfallbarkeit).

2. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben, für die der Beklagte nach § 7 Abs. 2 BetrAVG einstandspflichtig ist.

Unstreitig verfügt die Klägerin über eine Versorgungszusage der Baugesellschaft B GmbH, welche im Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenz am 01.03.1999 länger als drei Jahre bestanden hatte. Nach dem zum Zeitpunkt des Insolvenzeintritts geltenden Recht kommt es daher allein darauf an, ob der Beginn der Betriebszugehörigkeit der Klägerin im Zeitpunkt des Insolvenzeintritts mindestens 12 Jahre zurückgelegen hat, § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BetrAVG (a.F.).

Nach Auffassung des Berufungsgerichts lagen diese Voraussetzungen vor. Denn die Zeiten der Beschäftigung der Kläger bei der ZBO "V K B " sowie bei der Genossenschaft B sind wegen des ununterbrochenen Fortbestandes des bei diesen bestehenden Arbeitsverhältnisses bei der Insolvenzschuldnerin auf die Betriebszugehörigkeit der Klägerin bei dieser anzurechnen.

Die Klägerin stand zunächst bei der ZBO "V K B " nach dem von ihr vorgelegten schriftlichen Arbeitsvertrag in einem Arbeitsverhältnis. Dies ergibt sich neben dem vorgelegten Arbeitsvertrag unter anderem auch daraus, dass in dem Arbeitsvertrag auf die Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches der DDR verwiesen wird und der Klägerin ein Lohn nach einer bestimmten Gehaltsgruppe zu zahlen ist. Damit handelt es sich um ein jedenfalls nach dem Recht der DDR vereinbartes Arbeitsverhältnis, welches arbeitsrechtliche Pflichten und Rechte begründete. Auch vor dem 03.10.1990 liegende Beschäftigungszeiten in einem Arbeitsverhältnis bei einem übernommenen Betrieb im Beitrittsgebiet sind bei der Prüfung der Unverfallbarkeitsfristen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative BetrAVG zu berücksichtigen (BAG vom 19.11.2000 - a.a.O. -).

Soweit der Beklagte einer Berücksichtigung der Vordienstzeiten entgegenhält, dass diese von der Klägerin nicht in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegt worden sind, folgt die Kammer ihm nicht. Es kann dahinstehen, ob diese Zeiten auch dann berücksichtigt werden müssten, wenn die Klägerin neben dem unstreitig bestehenden Arbeitsvertrag zugleich Mitglied einer LPG - oder Mitglied der ZBO - geworden wäre. Dabei ist zwischen den Parteien an sich nicht streitig, dass der ZBO als Mitglieder ausschließlich oder überwiegend LPG's angehört haben, jedenfalls keine natürlichen Personen. In der vom Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.1995 - 8 AZR 714/93 - (EzA § 611 BGB Arbeitnehmerstatus - DDR Nr. 2 -) hat das Bundesarbeitsgericht allerdings die Auffassung vertreten, dass Mitglieder von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die nach §§ 29, 31 des LPG-Gesetzes zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, keine Arbeitnehmer gewesen sind. Dieser Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden Fall schon dadurch, dass der dortige Kläger nach dem Sachverhalt Gärtnermeister war und bei einer LPG im Feldbau als Mitglied dieser LPG beschäftigt war, wobei Inhalt und Umfang seiner Arbeitsleistung sowie die Vergütung in einer "Arbeitsvereinbarung" sowie in den Statuten der LPG, der Betriebsordnung, der Vergütungsordnung und den übrigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen geregelt waren. Dass ein Arbeitsvertrag unter Bezugnahme auf das Arbeitsgesetz der DDR vereinbart worden war, ergibt sich aus dem Sachverhalt dieses Urteils nicht, woraus zu schließen ist, dass das Bundesarbeitsgericht seine Entscheidung maßgeblich darauf abgestellt hat, dass die Rechte und Pflichten des LPG-Mitglieds sich im Wesentlichen aus seiner Mitgliedschaft und den dazu bestehenden Einzelregelungen ergaben. Es ist daher schon fraglich, ob die Grundsätze des BAG-Urteils auf den vorliegenden Fall, in dem unstreitig ein Arbeitsvertrag mit einer bestimmten Tarifvergütung unter Bezugnahme auf das Arbeitsgesetzbuch der DDR vereinbart wurde, nicht jedoch eine "Arbeitsvereinbarung", wie sie bei LPG-Mitgliedern üblich war, überhaupt übertragen werden kann.

Diese Frage braucht jedoch nicht weiter erörtert zu werden. Denn der Beklagte hat jedenfalls für seine Behauptung, die Klägerin sei Mitglied einer LPG bzw. der ZBO gewesen, weder substantiiert vorgetragen noch ausreichend Beweis angetreten. Hinsichtlich der Mitgliedschaft in einer LPG fehlt es an substantiiertem Vortrag, weil der Beklagte nicht deutlich macht, in welcher der zahlreichen in der ZBO zusammengeschlossenen und dieser angehörenden LPG's die Klägerin angeblich Mitglied gewesen sein soll. Hinsichtlich der ZBO ist der Vortrag ebenfalls unsubstantiiert, weil er dem unstreitigen Sachverhalt widerspricht, wonach natürliche Personen keine Mitglieder der ZBO gewesen sind. Abgesehen davon ist für die Mitgliedschaft der Klägerin - sei es in einer LPG oder in der ZBO - vom Beklagten auch kein ausreichender Beweis angetreten worden, insbesondere hat er nicht eine Parteivernehmung der Klägerin, die die Mitgliedschaft bestritten hat, beantragt.

Die Beweislast für das Bestehen der Mitgliedschaft trägt im vorliegenden Fall der Beklagte. Selbst dann, wenn man der Auffassung wäre, dass die bloße Mitgliedschaft neben einem an sich vereinbarten Arbeitsvertrag bereits den Arbeitnehmerstatus des Mitglieds ausschließen würde, wovon die erkennende Kammer indessen nicht ausgeht, wäre der Klägerin ein Beweis für die negative Tatsache, dass sie in irgendeiner LPG bzw. der ZBO nicht Mitglied gewesen ist, nicht zumutbar. Unter Berücksichtigung solcher Zumutbarkeitsgesichtspunkte liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beweis sog. Negativa die Beweislast in derartigen Fällen daher grundsätzlich bei demjenigen, der eine positive Tatsache behauptet (vgl. BAG LM § 282 ZPO Beweislast Nr. 5; BAG NJW 1962, Seite 2718; BGH NJW 1985, 1774).

Die vor dem Jahre 1991 von der Klägerin geleisteten Beschäftigungszeiten sind daher in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegt worden. Sie sind auch anzurechnen, denn die Insolvenzschuldnerin, die B GmbH, ist Rechtsnachfolgerin der ZBO "V K B " geworden. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf die Genossenschaft B ist bereits individualrechtlich begründet, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob auch ein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB stattgefunden hat. Denn die Genossenschaft B bezieht sich in dem Änderungsvertrag mit der Klägerin vom 30.04.1990 ausdrücklich auf den früheren Arbeitsvertrag, den die Klägerin bei der ZBO abgeschlossen hat, sie hat daher mit der Klägerin individualrechtlich eine Übernahme unter Anrechnung der früheren Betriebszugehörigkeit vereinbart.

Hinsichtlich der Umwandlung der Genossenschaft in die spätere Insolvenzschuldnerin, die B GmbH, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Berufungsverhandlung bekundet, er habe seinerzeit als Notar die Urkunde vom 07.12.1991 beurkundet, auf die sich im Übrigen auch der Beklagte selbst im Schriftsatz vom 22.10.2003 ausdrücklich bezogen hat. In dieser notariellen Urkunde sei festgehalten worden, dass die Mitglieder der ZBO "V K B ", welche im Genossenschaftsregister des Kreises S unter Registernummer eingetragen gewesen sei, beschlossen hätten, die Genossenschaft in eine GmbH umzuwandeln. Im Hinblick auf den Beschluss der Genossenschaft bzw. deren Mitglieder sei die GmbH B gegründet und anschließend im Handelsregister eingetragen worden. Aus der Urkunde ergebe sich ferner, dass das gesamte Vermögen der Genossenschaft durch Einzelübertragung auf die GmbH übertragen worden sei. Diesen Vortrag des beurkundenden Notars - zugleich Prozessbevollmächtigter der Klägerin - hat der Beklagte nicht bestritten.

Damit steht auf Grund des in der Berufungsverhandlung dokumentierten Sachverhalts fest, dass die GmbH unmittelbar Rechtsnachfolgerin der Genossenschaft B geworden ist, mag dem auch kein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB zu Grunde gelegen haben.

Aus der Anrechnung der in den Arbeitsverhältnissen bei der ZBO bzw. der Genossenschaft verbrachten Beschäftigungszeiten auf die Zeit der Betriebszugehörigkeit bei der Insolvenzschuldnerin ergibt sich, dass die Klägerin insgesamt mehr als 12 Jahre Betriebszugehörigkeit im Zeitpunkt des Insolvenzantritts zurückgelegt hatte.

Die Berufung des Beklagten musste daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.

Ende der Entscheidung

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