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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 5 Ta 344/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 319
1. Formell rechtskräftige Urteilsberichtigungsbeschlüsse können nicht im Kostenfestsetzungsverfahren darauf überprüft werden, ob die Grenzen des § 319 ZPO eingehalten worden sind.

2. Ein Urteilstenor kann um den versehentlich unterbliebenen Kostenausspruch nach § 319 ZPO ergänzt werden, wenn die Kostenentscheidung in den Entscheidungsgründen behandelt worden ist. Es bedarf keiner Ergänzung nach § 321 ZPO.

3. Eine Anhörung der Parteien vor Erlass eines Urteilsberichtigungsbeschlusses ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn reine Formalien wie etwa ein Schreib- oder Rechenfehler berichtigt werden, ohne dass ein Eingriff in die Rechtsstellung einer Partei oder gar eine Schlechterstellung erfolgt.

4. Berichtigungsbeschlüsse werden bereits dann existent, wenn sie der Partei formlos, z. B. durch telefonischen Anruf der Geschäftsstellenverwalterin, mitgeteilt worden sind.


Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 29. August 2007 - 15 Ca 1193/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Beschwerdewert: EUR 549,20.

Gründe:

I. Durch Urteil der Kammer vom 12. Oktober 2006 ist im vorliegenden Rechtsstreit auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Der verkündete Tenor enthält keine Kostenentscheidung. In den von dem Kammervorsitzenden und den ehrenamtlichen Richtern unterschriebenen Entscheidungsgründen heißt es, die Kostenentscheidung ergebe sich aus § 91 ZPO. Das Urteil ist beiden Parteien am 20. Dezember 2006 zugestellt worden.

Nachdem die Beklagte Kostenfestsetzung gegen den Kläger beantragt hatte und das Fehlen der Kostenentscheidung im Tenor festgestellt worden war, hat der Kammervorsitzende am 6. Februar 2007 einen Beschluss gefasst, wonach gemäß § 319 ZPO der Tenor dahin ergänzt wird, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreits trägt. Zur Begründung heißt es, ausweislich der Entscheidungsgründe im Urteil vom 12. Oktober 2006 sei eine Kostenentscheidung ergangen, die versehentlich nicht in den Tenor übernommen worden sei. Danach hat die Geschäftsstelle telefonisch beide Parteivertreter gebeten, die zugestellten Urteilsausfertigungen zum Zwecke der Berichtigung zurückzureichen.

Der Kläger vertritt den Rechtsstandpunkt, eine Ergänzung habe nicht erfolgen dürfen. In den Entscheidungsgründen sei keine Kostenentscheidung begründet, sondern nur eine gesetzliche Bestimmung genannt worden.

Durch Beschluss vom 29. August 2007 hat die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Köln die Kosten, die der Kläger der Beklagten zu erstatten hat, auf EUR 549,20 nebst Zinsen festgesetzt. Gegen den am 4. September 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 7. September 2007 sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, da das Urteil vom 12. Oktober 2006 keine Kostengrundentscheidung enthalte, seien die Kosten offensichtlich rechtswidrig festgesetzt worden.

Durch Beschluss vom 31. Oktober 2007 hat es die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Köln abgelehnt, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen.

Der Kläger ist weiter der Ansicht, es fehle an einer Kostengrundentscheidung. Der Berichtigungsbeschluss vom 6. Februar 2007 sei rechtswidrig ergangen. Ihm sei nicht zuvor rechtliches Gehör gewährt worden. Zudem sei der Tenor des Urteils abgeändert worden. Damit sei das Gericht unzulässigerweise von seiner ursprünglichen Entscheidung abgewichen. Der Berichtigungsbeschluss sei ihm nicht zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie ist nach § 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 ZPO statthaft und wurde innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO eingelegt und begründet.

2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Köln die vom Kläger dem Beklagten zu erstattenden Prozesskosten festgesetzt.

Nach § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels erfolgen, der eine Kostengrundentscheidung enthält. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist nichtig, wenn es an einem Titel fehlt, der eine solche Entscheidung beinhaltet (vgl. BAG, Urteil vom 12. Oktober 1962 - 5 AZR 268/50 -; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 26. Aufl., § 103 Rdn. 7).

Das Urteil der Kammer vom 12. Oktober 2006 enthält nach der Ergänzung durch den Beschluss vom 6. Februar 2007 eine Kostengrundentscheidung, wonach der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

a. Soweit der Kläger rügt, dieser Beschluss nach § 319 ZPO sei fehlerhaft zustande gekommen, gilt für das Kostenfestsetzungsverfahren Folgendes:

aa. Auch Berichtigungsbeschlüsse nach § 319 ZPO äußern die ihnen prozessual zugeordneten Wirkungen in aller Regel selbst dann, wenn sie fehlerhaft zustande gekommen sind, aber nicht aufgrund eines zulässigen Rechtsbehelfs beseitigt worden sind. Sie sind - wie Urteile - nur ausnahmsweise nichtig. Grundsätzlich kann nur im Rahmen eines gegen sie vorgesehenen Rechtsbehelfs überprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Erlass erfüllt sind. Ist ein Beschluss formell rechtskräftig, kann er regelmäßig nicht in anderem Zusammenhang - hier Kostenfestsetzungsverfahren - darauf überprüft werden, ob er die Grenzen des § 319 ZPO einhält. Eine Ausnahme gilt, soweit durch die Berichtigung nachträglich erstmals ein Rechtsmittel zugelassen wird (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR 193/93 -).

bb. Für Berichtigungsbeschlüsse des Landesarbeitsgerichts gilt grundsätzlich, dass sie nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nur mittels einer im Einzelfall ausdrücklich vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht angreifbar sind (vgl. zur Zulässigkeit von Beschwerden gegen Erstentscheidungen der Landesarbeitsgerichte: Schwab-Weth, ArbGG, § 78 Rdn. 6). Diese Einschränkung nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt nur dann nicht, wenn der Beschluss jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und dem geltenden Gesetz fremd ist. Es genügt nicht ein eindeutiger Verstoß gegen maßgebende Rechtsvorschriften (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 893).

cc. Nach diesen Grundsätzen kann im Kostenfestsetzungsverfahren der Berichtigungsbeschluss vom 6. Februar 2007 nicht darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass erfüllt waren.

b. Der Berichtungsbeschluss vom 6. Februar 2007 ist existent geworden vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses am 29. August 2007.

Beschlüsse werden bereits dann existent, wenn sie der Partei formlos mitgeteilt werden. Dies gilt auch dann, wenn sie nach § 329 Abs. 1 ZPO hätten verkündet oder nach § 329 Abs. 2 S. 2, § 329 Abs. 3 ZPO hätten zugestellt werden müssen (vgl. BGH NJW-RR 2000, S. 878).

Dabei kann die formlose Mitteilung durch Übersendung der schriftlichen Beschlussausfertigung erfolgen, aber auch durch (fern)mündliche Bekanntgabe durch den Vorsitzenden oder die Geschäftsstellenverwalterin (vgl. BGH NJW-RR 2000, S. 877; Thomas/Putzo-Reichold, a.a.O., § 329 Rdn. 7).

Am 23. Februar 2007 hat die Geschäftsstellenverwalterin der Kammer dem Prozessbevollmächtigten des Klägers fernmündlich mitgeteilt, der Tenor solle um den Satz, die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger, ergänzt werden. Sofern der Klägervertreter damals davon ausgegangen sein sollte, der dahinlautende Beschluss sei noch nicht ergangen, ist ihm jedenfalls mit Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 27. April 2007 bekanntgegeben worden, dass der Berichtigungsbeschluss bereits am 6. Februar 2007 erlassen worden war.

Nach alledem ist die Rechtpflegerin zutreffend davon ausgegangen, dass eine Kostengrundentscheidung vorlag.

Die weiteren Voraussetzungen für den Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses haben vorgelegen. Dies ist von dem Kläger auch nicht bestritten worden. Er hat allerdings auf Nachteile hingewiesen, die sich aus dem nach seiner Ansicht verspäteten Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses ergeben, wenn dieser wirksam sein sollte.

c. Obwohl es darauf für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht ankommt, wird darauf hingewiesen, dass die Rüge des Klägers unbegründet ist, soweit sie die Statthaftigkeit des Berichtigungsbeschlusses betrifft.

aa. Entgegen seiner Ansicht kann ein Tenor ohne Kostenentscheidung, die jedoch in den Gründen behandelt wird, nach § 319 ZPO berichtigt werden. Einer Ergänzung des Urteils nach § 321 ZPO bedarf es nicht. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. Beschluss vom 30. September 1981 - IV b ZB 805/81 -; juris, VersR 1982, S. 70), ist auch in der landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung bereits so erkannt worden (vgl. LAG Bremen, Beschluss vom 28. Februar 1996 - 4 Ta 6/96 -, MDR 1996, S. 1069) und wird auch in der Literatur vertreten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO; 66. Aufl., § 319 Rdn. 14; Thomas/Putzo-Reichold, a.a.O., § 319 Rdn. 3, Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 319 Rdn. 10 m.w.N.). Insoweit tritt die Kammer der früheren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29. Mai 1959, NJW 1959, S. 1942, ausdrücklich nicht bei, soweit - wie hier - die vom Gericht gefasste Willensbildung klar zu Tage liegt und offenbar durch ein bloßes Versehen nicht in der Urteilsformel zum Ausdruck gekommen ist (so auch LAG Bremen a.a.O.).

bb. Mit der Feststellung in den Urteilsgründen, dass sich die Kostenentscheidung aus § 91 ZPO ergebe, ist klar zum Ausdruck gekommen, dass das Gericht eine Kostenentscheidung getroffen hatte und sie zum Nachteil der unterlegenen Partei, also des Klägers, getroffen worden war.

d. Soweit der Kläger rügt, er sei nicht vor Erlass des Beschlusses vom 6. Februar 2007 angehört worden, weist er zwar zutreffend auf einen Verfahrensfehler hin (vgl. dazu: BGH NJW-RR 2002, 712; Thomas/Putzo-Reichold, a.a.O., § 319 Rdn. 5; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 319 Rdn. 23). Die Anhörung kann nur ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn reine Formalien wie etwa ein Schreib- oder Rechenfehler berichtigt werden, ohne dass ein Eingriff in die Rechtsstellung des Beteiligten oder gar seine Schlechterstellung erfolgt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 319 Rdn. 28). Ein solcher Verfahrensfehler führt aber - wie bereits ausgeführt - nicht dazu, dass ein Rechtsmittel gegen den Beschluss gegeben ist.

e. Die Zuständigkeit des Kammervorsitzenden für den ohne mündliche Verhandlung ergangenen Berichtigungsbeschluss ergibt sich aus § 319 ZPO i.V.m. §§ 46 Abs. 2, 53 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 7 ArbGG.

Abschließend ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss bereits aus den unter 2 a, b genannten Gründen zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Da der Vorsitzende der Kammer zwischenzeitlich aus dem Amt ausgeschieden ist, war diese Entscheidung durch den stellvertretenden Vorsitzenden zu treffen.

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht gegeben. Soweit von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29. Mai 1959, NJW 1959, S. 1942, abgewichen worden ist, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, die für die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss von maßgeblicher Bedeutung ist.

Ende der Entscheidung

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