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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.01.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 1154/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 253 Abs. 2
Bei der Beurteilung, ob dem "gemobbten" Arbeitnehmer eine billige Entschädigung in Geld wegen eines immateriellen Schadens nach § 253 Abs. 2 BGB zu gewähren ist, kann auch eine bereits gezahlte, außergewöhnliche hohe Abfindung berücksichtigt werden (hier: Ausschluss einer weitergehenden Entschädigung).
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 17.06.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 1 Ca 1240/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen Mobbings. Er war in der Zeit vom 15.07.1999 bis zum 31.10.2003 als Paketzusteller beschäftigt. Seit dem 01.07.2002 ist seine Schwerbehinderung anerkannt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Aufhebungsvertrag vom 13.10.2003, wonach dem Kläger unter anderem eine Abfindung in Höhe von 22.500,00 € brutto gezahlt wurde. Im Jahr 2001 war der Kläger längere Zeit krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis daher erstmals am 13.06.2001 zum 31.07.2001. Es folgte eine außerordentliche Kündigung vom 23.08.2001 wegen angeblichen unentschuldigten Fehlens. Mit Schreiben vom 20.09.2001 erklärte die Beklagte, sie habe beide Kündigungen zurückgenommen und mit dem Kläger seine weiteren Einsätze erörtert. Eine erneute Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens vom 20.09.2002 wurde vom Arbeitsgericht Köln mit Urteil vom 10.12.2002 - 13 Ca 10301/02 - für rechtsunwirksam befunden. Im Zusammenhang mit der letzten Kündigung kam es zu verspäteten Lohnzahlungen für die Monate Juli 2002 bis Oktober 2003. Seinen Zinsschaden hat der Kläger mit 1.183,72 € beziffert. Er hat ferner die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihm zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 150.000,00 € wegen der durch Mobbing herbeigeführten Gesundheitsverletzungen verpflichtet. Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen an ihn 1.183,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2004 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn wegen mobbingbedingter Verletzung seiner Gesundheit ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 150.000,00 € nebst Zinsen seit dem 20.03.2003 zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte ihm auch hinsichtlich der ihm zukünftig wegen der beim Vollzug seines Arbeitsverhältnis erfolgten systematischen Verletzung seiner Gesundheit entstehenden sonstigen materiellen und immateriellen Schäden zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Mobbing-Vorwurf bestritten und behauptet, der Kläger sei bei der Einsatzplanung wie jeder andere Mitarbeiter auch behandelt worden. Das Arbeitsgericht hat die Klage wegen des Zinsschadens zugesprochen und im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe ein systematisches diskriminierendes Verhalten in der Beklagten im Sinne des Mobbings nicht substantiiert dargelegt. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Belastungen des Arbeitsverhältnisses ihre Ursache nicht allein im Fehlverhalten der Beklagten, sondern auch in der Person und im Fehlverhalten des Klägers selbst gehabt hätten. Da sich nicht mehr aufklären lasse, wer als Hauptverantwortlicher anzusehen sei, und die Darlegungs- und Beweislast beim Kläger liege, könne die Klage keinen Erfolg haben. Gegen das ihm am 25.08.2004 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 24.09.2004 Berufung eingelegt, die er am 25.10.2004 begründet hat. Unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens behauptet der Kläger, ihm seien durch völlig unmotivierte Umsetzungen in immer neue Einsatzgebiete in einem Rhythmus, der sachlich nicht zu rechtfertigen gewesen sei, fortwährend neue Zustellbezirke zugeteilt worden. Er halte diesen Wechsel der Frequenz, der nach dem von der Beklagten verlorenen Kündigungsverfahren ab dem 18.09.2001 eingetreten sei, für eine gezielte Handlungsweise, der eine Strategie der Zermürbung zu Grunde gelegen habe. Dies erfülle insgesamt den Tatbestand des Mobbings. Der Kläger beantragt mit der Berufung nur noch, die Beklagte unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von mindestens 15.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen; der Schadensersatz wird im Übrigen der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie bestreitet weiterhin, dass ein systematisches Mobbing des Klägers stattgefunden habe. Im Gegenteil sei sie um eine konstruktive Lösung zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bemüht gewesen. Die eigentliche Ursache für den Arbeitskonflikt sei in einer Persönlichkeitsstörung des Klägers zu finden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist. II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keine Erfolg. Die weiterverfolgte Schadensersatzklage ist unbegründet. Ein Schmerzensgeld wegen fortgesetzter Verletzung seiner Gesundheit steht dem Kläger nicht zu. Auch nach dem Vorbringen der Berufung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte durch ihr zurechenbares Verhalten von Vorgesetzten den Kläger systematisch schikaniert und dadurch nachhaltig geschädigt hat. Jedenfalls ist eine weitere Entschädigung in Geld wegen eines immateriellen Schadens nicht gerechtfertigt. Im Einzelnen gilt folgendes: 1. Es kann schon nicht sicher festgestellt werden, dass die von dem Kläger behaupteten Pflichtwidrigkeiten von Mitarbeitern der Beklagten zu dem eingetretenen Gesundheitsschaden geführt haben. Völlig zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits vor Beginn der angeblichen Mobbing-Handlungen, den er selbst auf die Zeit nach dem ersten Kündigungsrechtsstreit ab dem 18.09.2001 datiert, erhebliche Fehlzeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit aufwies. So fehlte er in der Zeit vom 15.01.2001 bis zum 30.06.2001 an 187 Kalendertagen bzw. 138 Arbeitstagen, also nahezu vollständig, ohne dass dies mit irgendwelchen Mobbing - Aktionen der Beklagten in Zusammenhang gebracht werden könnte. Vielmehr indiziert dieser Tatbestand eine gesundheitliche Prädisposition des Klägers, die auch in der Folgezeit zu erheblichen Ausfallzeiten und zu einer - nach Angaben des Klägers - über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Belegt wird dies auch durch die Feststellungen im Abhilfebescheid des Versorgungsamtes K vom 12.01.2004, mit dem rückwirkend ab dem 01.07.2002 ein Grad der Behinderung von 50 % anerkannt wurde. Darin werden u. a. ein "psychosomatisches Syndrom bei asthenischer Persönlichkeitsstruktur" und ein "Leberschaden unklarer Genese" zugrunde gelegt. Asthenisch bedeutet "schwachwüchsig, schwach, dem Konstitutionstyp des Asthenikers entsprechend", wobei die Asthenia universalis eine allgemeine Konstitutionsschwäche bezeichnet (vgl. Duden, Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, Stichwort "Asthenie"). Nach dem ärztlichen Attest vom 02.04.2004 (Kopie Bl. 225 d. A.) besteht der dringende Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung, bei der die Schwierigkeiten am Arbeitsplatz "Somatisierungsstörungen", also körperliche Krankheitsfolgen, verursacht haben sollen. In dieses Bild einer persönlichkeitsbedingt vorhandenen gesundheitlichen Anfälligkeit passt auch das Gutachten des K Zentrums für Arbeitsmedizin vom 31.10.2002, in dem u. a . eine "depressive Verstimmung mit Schlafstörung als Reaktion auf die belastende Situation am Arbeitsplatz" diagnostiziert wird. Es mag sein, dass die Situation am Arbeitsplatz vom Kläger als "nicht zufriedenstellend" empfunden wurde und als Folge seiner gesundheitlichen Prädisposition eine Depression mit weiterer Arbeitsunfähigkeit auslöste. Die entscheidende Ursache läge dann aber in der Persönlichkeitsstörung des Klägers, die durch eine belastende Situation am Arbeitsplatz - nicht notwendigerweise durch Schikanemaßnahmen des Arbeitgebers - zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hätte. 2. Selbst wenn man zugunsten des Klägers zumindest von einer haftungsbegründenden Mitursächlichkeit des angeblich schikanös häufigen Wechsels der Zustellbezirke für die zuletzt im Arbeitsverhältnis aufgetretene Arbeitsunfähigkeit ausgeht, so rechtfertigt dies nicht die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes zum Ausgleich für die erlittene Gesundheitsverletzung. Denn nicht jede rechtswidrige Verletzung der besonders geschützten Rechtsgüter begründet einen Schadensersatzanspruch in Form der Geldzahlung nach § 253 Abs. 2 BGB. Ein Schmerzensgeldanspruch kommt nur dann in Betracht, wenn andere Wiedergutmachungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen oder nicht ausreichen (vgl. LAG Rheinland Pfalz, 16.08.2001 - 6 Sa 415/01 - NZA RR 2002, 121). Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass bereits die gewonnen Prozesse in der Vergangenheit eine gewisse Genugtuungsfunktion für den Kläger mit sich gebracht haben. Sie zeigen im übrigen auch, dass der Kläger nicht schutzlos war und sich mit den Mitteln des Arbeitsrechts zu wehren wusste. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Rechtsverletzungen durch unsachlich motivierte Umsetzungen, die der Kläger als zentralen Bestandteil der ihm gegenüber angewandten "Zermürbungstaktik" ansieht, durchaus zweifelhaft und im einzelnen nicht dargetan sind. Der Niederschrift vom 28.11.2002 über die Besprechung vor der örtlichen Fürsorgestelle der Stadt K ist insoweit zu entnehmen, dass gegenüber dem Wunsch des Klägers nach einem festen Zustellbezirk seitens der Beklagten entgegnet wurde, man könne ihm einen solchen wegen der kurzen Betriebszugehörigkeit und der hohen Fehlzeiten nicht zusichern. Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung hätten dies bestätigt, weil ansonsten ein Verstoß gegen eine Dienstvereinbarung vorliegen würde. Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung hätten es ebenso als gängige Praxis im Unternehmen bezeichnet, dass der Zustellbezirk - wie regelmäßig beim Kläger - wöchentlich gewechselt werde. Selbst wenn man trotz dieser Zweifel in einer Gesamtschau aller auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielenden Maßnahmen der Beklagten (Abmahnungen und Kündigungen) unter Einschluss der verzögerten Nachzahlung von Arbeitsentgelt und häufiger Umsetzungen die Grenze zum Mobbing als überschritten ansieht, so muss schließlich Berücksichtigung finden, dass der Kläger aufgrund der Nebenabrede zum Aufhebungsvertrag vom 13.10.2003 eine außergewöhnlich hohe Abfindung von insgesamt 22.500,00 € erhalten hat. Damit ist dem Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung in Höhe von rund 11 Monatsentgelten zugeflossen, obwohl sein Arbeitsverhältnis nur rund 4 Jahre bestanden hat. Diesem Geldbetrag, der die "normale" Abfindung von 3 Monatsentgelten in Höhe von 6037,20 € nach dem Aufhebungsvertrag (Kopie Bl. 172 d. A.) deutlich überstieg, kann jedenfalls auch Entschädigungscharakter für den vom Kläger in diesem Verfahren geltend gemachten Nichtvermögensschaden für erlittenes Unrecht beigelegt werden. Denn mit der Abfindung soll der Arbeitnehmer einen Ausgleich für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden erhalten, die ihm aus dem an sich nicht gerechtfertigten Verlust seines Arbeitsplatzes entstehen (vgl. HWK/Pods, § 10 KSchG Rz. 5). Für eine weitergehende Entschädigung besteht auch unter diesem Aspekt kein Anlass. III. Da der Kläger das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss er nach den §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung tragen. IV. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.

Ende der Entscheidung

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