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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 1281/07
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 307 Abs. 2
KSchG § 1
KSchG § 2
Eine Versetzungsklausel, die erheblich von dem Grundgedanken des arbeitsrechtlichen Inhaltsschutzes nach Maßgabe des § 2 KSchG abweicht (hier: Zuweisungsmöglichkeit einer anderen als der vertraglich vereinbarten Tätigkeit), benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist daher nach § 307 BGB unwirksam.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.09.2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 2 Ca 7885/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 15.09.2006 und restliche Vergütungsansprüche aus dem ursprünglich befristeten Arbeitsverhältnis bis zum 24.01.2007. Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat der auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und auf Zahlung von rechnerisch unstreitiger 10.377,24 € nebst Zinsen gerichteten Klage mit Urteil vom 14.09.2007 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger könne eine Arbeitsverweigerung wegen der Nichtaufnahme der ihm mit Schreiben vom 22.08.2006 zugewiesenen Arbeit eines Produktionshelfers im Schichtbetrieb nicht vorgeworfen werden, weil die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit auch nicht durch den Änderungsvorbehalt in der Nr. 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages gedeckt sei. Diese Klausel sei gemäß §§ 305 ff. BGB unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige. Der Lohnanspruch des Klägers für die Zeit bis zum 24.01.2007 ergebe sich aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach § 615 BGB.

Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte,

das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Köln abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.1. Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, im Ergebnis zutreffend stattgegeben. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung führen zu keiner anderen Beurteilung. Im Einzelnen gilt Folgendes:

a) Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.09.2006 (Kopie Bl. 10 d. A.) ist mangels wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam. Dem Kläger kann eine beharrliche Arbeitsverweigerung nicht vorgeworfen werden, weil er arbeitsvertraglich nicht verpflichtet war, die ihm ab dem 28.08.2006 zugewiesene Arbeit im Presswerk als Produktionshelfer im Schichtdienst aufzunehmen.

Gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 23.01.2006 (Kopie Bl. 5 d. A.) war der Kläger vom 25.01.2006 bis zum 24.01.2007 als Werkzeugmechaniker zeitbefristet nach § 14 Abs. 2 TzBfG eingestellt. In Nr. 1 Abs. 2 hieß es weiter:

"Soweit betrieblich erforderlich, kann er auch in anderen Betriebsabteilungen mit anderen Tätigkeiten beschäftigt werden."

Auf diese weitgehende Versetzungsklausel kann sich die Beklagte nicht berufen, und zwar unabhängig davon, ob die neu zugewiesene Tätigkeit gleichwertig oder dem Kläger jedenfalls bei gleich bleibender Vergütung nicht unzumutbar gewesen ist.

Der Änderungsvorbehalt in Nr. 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages hält einer Inhaltskontrolle nach Maßstab der §§ 305 ff. BGB nicht stand. Die dort vorgesehene Erweiterung des Direktionsrechts benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne von § 307 BGB, weil nicht gewährleistet ist, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand haben muss (BAG vom 09.05.2006 - 9 AZR 424/05 - NZA 2007, 145). Das Berufungsgericht folgt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls aus Gründen der Rechtssicherheit.

Nach der vorformulierten Vertragsklausel soll der Arbeitgeber hier berechtigt sein, die Art der vertraglich vereinbarten Tätigkeit als Werkzeugmechaniker zu ändern. Damit hat sich der Arbeitgeber das Recht vorbehalten, in den Inhalt des Arbeitsvertrages einzugreifen, ohne dass die in § 1 Abs. 2 S. 1 bis 3, Abs. 3 S. 1 und § 2 KSchG vorausgesetzten Bedingungen für eine soziale Rechtfertigung der Änderung vorliegen. Zwar ist als Voraussetzung für die Änderung in Nr. 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages die betriebliche Erforderlichkeit der Änderung aufgeführt. Darin liegt aber kein dem Änderungsschutz angenäherter Schutz vor willkürlicher einseitiger Veränderung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit. Die Klausel weicht daher erheblich von dem Grundgedanken des arbeitsrechtlichen Inhaltsschutzes, der durch § 2 KSchG gewährleistet wird, ab. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Bei der Anlegung des vom Einzelfall losgelösten Maßstabs ist festzustellen, dass die vom Arbeitgeber vorformulierte Klausel in Nr. 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrages keine Einschränkungen dahin enthält, eine einseitige Änderung der Art der Tätigkeiten nur dann zu erlauben, wenn diese in der Zuweisung einer anderen gleichwertigen Tätigkeit besteht. Soweit das Arbeitsgericht eine Versetzungsbefugnis der Beklagten unter der Hypothese bejaht, dass die zugewiesene Tätigkeit und die vertraglich vereinbarte gleichwertig sind, ist das unerheblich. Die zu weit gefasste Änderungsklausel kann nicht mit dem Inhalt aufrecht erhalten werden, dass nur einseitige Änderungen der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit zulässig seien, wenn damit die Zuweisung einer gleichwertigen anderen Tätigkeit verbunden sei. Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Klausel scheidet aus (BAG vom 09.05.2006 - 9 AZR 424/05 - NZA 2007, 145 m. w. N.).

War die Versetzung des Klägers auf die Stelle eines Produktionshelfers nach alledem unwirksam, so durfte er die Aufnahme der Tätigkeit aus Rechtsgründen ablehnen. Eine moralische Bewertung seines Verhaltens unter dem von der Beklagten angeführten Aspekt, die Begründungen für die Ablehnung der Arbeitsaufnahme seien nur vorgeschoben gewesen, ist hier nicht vorzunehmen.

b) Die Ansprüche des Klägers auf die rechnerisch unstreitige Vergütung in Höhe von 10.377,24 € für die Zeit bis zum vereinbarten Vertragsende am 24.01.2007 folgen aus dem Aspekt des Annahmeverzugs nach § 615 BGB.

Die allgemeinen Voraussetzungen des Annahmeverzugs nach den § 293 ff. BGB lagen vor. Zwar kann man, wie dies auch in der Berufungsverhandlung thematisiert worden ist, durchaus Zweifel am Leistungsvermögen und insbesondere am Leistungswillen des Klägers gemäß § 297 BGB haben. Andererseits hat der Kläger bereits frühzeitig mit Schreiben vom 04.09.2006 (Kopie Bl. 28 f. d. A.) an die Beklagte deutlich gemacht, dass er die zwischenzeitlich begründete Weiterbildungsmaßnahme jederzeit abbrechen würde, wenn ihm ein vertragsgemäßes Angebot unterbreitet werde. Er war ausdrücklich bereit, "ein adäquates Angebot anzunehmen und die Ausbildung zu unterbrechen." Das kann ihm nicht widerlegt werden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die zentrale Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt ist und die Entscheidung im Übrigen auf die besonderen Umstände des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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