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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 14.09.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 353/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 140 | |
BGB § 620 | |
BGB § 626 |
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 14.02.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg - 5 Ca 3539/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und davon abhängige Lohnansprüche.
Der Kläger wurde vom Beklagten zum 01.07.2005 als Sozialpädagoge gegen eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.112,62 € brutto eingestellt.
Das Arbeitsverhältnis sollte sich gem. § 2 des Arbeitsvertrags vom 22.06.2005 nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) richten und laut § 3 des Arbeitsvertrags die Probezeit gem. § 5 BAT 6 Monate betragen.
Mit Schreiben vom 17.11.2005, dem Kläger zugegangen am 18.11.2005, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis. Das Schreiben lautet wie folgt:
"Sehr geehrter Herr R ,
den mit Ihnen am 22. Juni 2005 abgeschlossenen Arbeitsvertrag kündigen wir hiermit fristgerecht innerhalb der vereinbarten Probezeit mit sofortiger Wirkung. Auch wenn wir nicht verpflichtet sind, Gründe für diesen Schritt zu benennen, wollen wir Ihnen doch mitteilen, dass wir kein Vertrauensverhältnis zu Ihnen aufbauen konnten, was unserer Meinung nach zwingend erforderlich ist. Auch Sie haben bereits mitgeteilt, dass Sie kein Vertrauen zum Vorstand haben, so dass auf dieser Basis eine weitere gemeinsame Zusammenarbeit unmöglich ist. (...) Mit sofortiger Wirkung sind Sie freigestellt. ..."
Die letzte Gehaltszahlung, die der Kläger vom Beklagten erhielt, war diejenige für den Monat November 2005.
Mit seiner am 09.12.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und zugleich Zahlung seiner Monatsbruttovergütung verlangt, zunächst für den Monat Dezember 2005, mit Klageerweiterung vom 07.02.2006 zusätzlich auch für Januar 2006.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei mangels Bestimmtheit unwirksam, so dass der Beklagte den Lohn für Dezember 2005 und Januar 2006 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu tragen habe.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung des Beklagten vom 17.11.2005 - zugegangen am 18.11.2005 - nicht zum 30.11.2005 aufgelöst wird, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht;
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.112,62 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basisdiskontsatz seit 01.01.2006 zu zahlen;
3. den Beklagten weiter zu verurteilen, an ihn 1.112,62 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basisdiskontsatz seit 01.02.2006 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, das Schreiben vom 17.11.2005 sei eindeutig als außerordentliche fristlose Kündigung zu verstehen. Die außerordentliche Kündigung sei auch gerechtfertigt durch ein illoyales Verhalten des Klägers gegenüber dem Vorstand.
Das Arbeitsgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Es hat die Kündigung vom 17.11.2005 mangels ausreichender Bestimmtheit zwar als außerordentliche Kündigung für unwirksam gehalten. Das Schreiben sei allerdings als ordentliche Kündigung auszulegen und als solche wirksam. Als Kündigungstermin hat es unter Bezug auf § 53 Abs. 1 BAT den 31.12.2005 festgestellt. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger den Anspruch auf Zahlung des Dezemberlohns wegen Annahmeverzugs gem. § 615 BGB nebst Verzugszinsen zuerkannt, hinsichtlich des Januarlohns hat es die Klage jedoch abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe wird auf Blatt 43 ff. d. A. Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 13.03.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 24.03.2006 Berufung eingelegt und diese durch zwei Schriftsätze begründet. Mit dem am 19.04.2005 eingegangenen Schriftsatz begehrt der Kläger Lohnzahlung für Januar 2006, mit dem am 10.05.2006 eingegangenen Schriftsatz macht er die Unwirksamkeit der Kündigung vom 17.11.2005 geltend.
Er ist der Ansicht, die Kündigung vom 17.11.2005 sei auch als ordentliche Kündigung unwirksam, weil sie sowohl hinsichtlich der Art der Kündigung als auch hinsichtlich der Kündigungsfrist widersprüchlich sei.
Der Kläger beantragt,
1. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 14.02.2006 - 5 Ca 3539/05 - den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.112,62 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basisdiskontsatz seit 01.02.2006 zu zahlen;
2. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 14.02.2006 - 5 Ca 3539/05 - zu Ziffer 1 des Urteilstenors festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht zum 31.12.2005 beendet worden ist, sondern jedenfalls bis 31.03.2006 fortbestanden hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Berufung sei bereits deshalb unbegründet, weil der Ausspruch des erstinstanzlichen Urteils zur Wirksamkeit der Kündigung bereits Rechtskraft erlangt habe. Im übrigen ergebe sich aus dem Schreiben vom 17.11.2005 hinreichend deutlich, dass eine außerordentliche fristlose Kündigung gewollt gewesen sei. Selbst wenn man die Kündigung insoweit für zu unbestimmt halte, sei das Schreiben jedenfalls aber als ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Kündigungstermin auszulegen und daher wirksam.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 2 lit. b) und c) ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist.
Es kann dahinstehen, ob durch den Lohnzahlungsantrag im berufungsbegründenden Schriftsatz vom 19.04.2006 inzidenter auch die Unwirksamkeit der Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 17.11.2005 geltend gemacht worden ist. Jedenfalls ist ein entsprechender ergänzender Berufungsantrag mit Schriftsatz vom 09.05.2006 innerhalb der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist gem. § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG erfolgt. Das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg ist dem Klägervertreter am 13.03.06 zugestellt worden, sein Schriftsatz vom 09.05.2006 ging am 10.05.2006 per Telefax beim Berufungsgericht ein.
II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Die teilweise Klageabweisung durch das Arbeitsgericht war im Ergebnis zutreffend, weil die Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 17.11.2005 als ordentliche Kündigung zum 31.12. 2005 wirksam ist und demzufolge auch kein Lohnanspruch des Klägers für Januar 2006 besteht.
1. Zwar ist die Kündigung des Beklagten mangels ausreichender Bestimmtheit als außerordentliche Kündigung unwirksam. Zu Recht führt das Arbeitsgericht an, dass eine außerordentliche Kündigung im Interesse der Rechtssicherheit nur dann ausreichend bestimmt ist, wenn in der Erklärung unzweifelhaft zum Ausdruck kommt, dass die Kündigung außerordentlich erfolgt (vgl. BAG vom 13.01.1982 - 7 AZR 757/79 - juris; BAG vom 15.12.2005 - 2 AZR 148/05 - NZA 2006, 791; ErfK/Müller-Glöge, 6. Aufl., § 620 BGB Rn. 20). An einer solchen Eindeutigkeit fehlt es im Kündigungsschreiben vom 17.11.2005. Zwar hat der Beklagte die Formulierung "...kündigen wir ... mit sofortiger Wirkung" gewählt, was auf eine außerordentliche Kündigung hindeutet. Gegen eine solche Auslegung und für eine ordentliche Kündigung sprechen aber folgende Aspekte: Die Kündigung soll zum einen "fristgerecht innerhalb der vereinbarten Probezeit" erfolgen. Der Beklagte beruft sich ferner als Kündigungsgrund nur darauf, dass beiderseitig kein Vertrauensverhältnis entstanden sei, nicht dagegen auf einen einseitigen Vertrauensbruch seitens des Klägers, welcher auf einen wichtigen Grund hingedeutet hätte. Darüber hinaus macht der Satz, dass der Kläger mit sofortiger Wirkung von der Arbeitspflicht freigestellt ist, nur Sinn, wenn das Arbeitsverhältnis nicht durch außerordentliche fristlose Kündigung sofort beendet sein sollte.
2. Die unwirksame außerordentliche Kündigung kann jedoch in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden (§ 140 BGB). Der Beklagte hat deutlich gemacht, dass er das Arbeitsverhältnis jedenfalls hilfsweise fristgerecht beenden wollte. Insoweit ist auch dem Bestimmtheitsgebot ausreichend Rechnung getragen.
a) Dies gilt zum einen hinsichtlich der Art der Kündigung.
Für den Kündigungsempfänger muss Rechtssicherheit herrschen. Es muss für ihn aus der Kündigungserklärung ersichtlich sein, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung gewollt ist. Die Kündigungserklärung ist so auszulegen, wie der Empfänger diese aufgrund des aus der Erklärung erkennbaren Willens des Kündigenden unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Grundsätze von Treu und Glauben vernünftigerweise verstehen konnte. Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsordnung nur die außerordentliche oder die ordentliche Kündigung zur Verfügung stellt (BAG vom 15.12.2005 - 2 AZR 148/05 - NZA 2006, 791).
Aus dem Kündigungsschreiben vom 17.11.2005 ist klar ersichtlich, dass der Beklagte kündigen will. Da eine außerordentliche Kündigung mangels Eindeutigkeit ausscheidet, musste der Kläger die Kündigung jedenfalls als ordentliche Kündigung auffassen, weil dies die einzige Kündigungsart ist, die das Arbeitsrecht neben der außerordentlichen vorsieht.
b) Auch hinsichtlich des Kündigungstermins ist die Kündigung ausreichend bestimmt.
Zwar hat das BAG (Urteil vom 21.10.1981 - 7 AZR 407/79 - juris) in der Vergangenheit entschieden, dass einer Kündigungserklärung die erforderliche Bestimmtheit fehle, wenn in ihr mehrere Termine für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (so auch HWK/Quecke, Arbeitsrecht Kommentar, 2. Aufl., § 1 KSchG Rn. 27 und KR-Friedrich, 7. Aufl., § 13 KSchG Rn. 298a, jeweils unter Verweis auf diese BAG-Entscheidung). In dem dortigen Fall hatte der ordentlich kündigende Arbeitnehmer in seiner Erklärung drei verschiedene konkrete Daten als Kündigungstermine genannt ("Ich werde am 30. Juni 1976 ausscheiden. Ich verlasse den Betrieb auf alle Fälle bis Mitte August, jedoch endgültig bis zum 31. August 1976.").
Jener Fall ist jedoch mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Hier ist nämlich lediglich unklar, ob der Beklagte die außerordentliche fristlose Kündigung erklären wollte oder aber die ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Kündigungstermin. Als ordentlicher Kündigungstermin ist gar kein Datum genannt, es findet sich lediglich die Formulierung ("kündigen wir hiermit fristgerecht innerhalb der vereinbarten Probezeit"). Wenn kein Kündigungstermin genannt ist, gilt die Kündigung im Zweifel als ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Kündigungstermin (vgl. LAG Köln v. 06.10.2005 - 6 Sa 843/05 - NZA-RR 2006, 353; HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 27; ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 19). Da nach den vorstehenden Ausführungen die Kündigung (nur) als ordentliche Kündigung wirksam werden konnte, bleibt als Kündigungstermin auch nur der nächstzulässige Zeitpunkt. Insofern bestand keine Unklarheit für den Kläger.
Dieses Ergebnis entspricht auch der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur (Nicht-)Anwendbarkeit von § 4 KSchG auf den Kündigungstermin (Entscheidung vom 15.12.2005 - 2 AZR 148/05 - NZA 2006, 791):
Zwar muss sich aus der Kündigungserklärung ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet sein soll (B. I. 2. f. bb. der Entscheidungsgründe). Scheitert eine außerordentliche Kündigung mangels ausreichender Bestimmtheit, liegt folgerichtig eine ordentliche Kündigung vor. Bei dieser Art der Kündigung ist für den Kündigungsadressaten erkennbar, dass der Kündigende die einzuhaltende Kündigungsfrist grundsätzlich wahren will, da er aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder einzelvertraglicher Regelungen an sie gebunden ist (B. I. 2. f. dd. der Entscheidungsgründe). Letztlich ist die Angabe des Kündigungstermins nur eine Folgewirkung der Kündigungsentscheidung und daher regelmäßig kein integraler Bestandteil der Willenserklärung, sondern nur eine "Wissenserklärung" (B I 2. f. ee. und ff. der Entscheidungsgründe).
c) Kündigungstermin ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, der 31.12.2005. Gem. § 53 I BAT beträgt die Kündigungsfrist in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses zwei Wochen zum Monatsende. Die 2-Wochen-Frist endete erst mit Ablauf des 02.12.2005, da das Kündigungsschreiben dem Kläger am 18.11.2005 zuging.
3. Hinsichtlich des Lohnzahlungsantrags ist die Berufung ebenfalls unbegründet. Dem Kläger steht kein Lohnzahlungsanspruch gem. § 615 S. 1 BGB für den Monat Januar 2006 zu, da das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.2005 endete. Demzufolge ist auch ein Anspruch auf Verzugszinsen gem. §§ 286, 288 Abs. 1 BGB nicht gegeben.
III. Da der Kläger das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss er nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
IV. Die Revision war nicht gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die zentralen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind und die Entscheidung im Übrigen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.
Ende der Entscheidung
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