Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 04.09.2003
Aktenzeichen: 6 Sa 683/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 91 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Zu den Voraussetzungen für eine Anerkennung als arbeitnehmerähnliche Person nach dem Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen der Deutschen Welle (aäPTV).
Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15.05.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 17 Ca 6045/02 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über restliche Ansprüche aus einem beendeten Rechtsverhältnis, das die Beschäftigung des Klägers als programmgestaltenden freien Mitarbeiter zum Gegenstand hatte.

Der 55 Jahre alte Kläger war seit 1976 bei der Beklagten als Sprecher, Übersetzer, Berichterstatter, Moderator, Autor, Lektor und Synchronregisseur tätig. Der letzte Rahmenvertrag vom 03.09.1998 (Kopie Blatt 17 - 20 d.A.) war befristet für die Zeit vom 15.10.1998 bis zum 15.10.2000. In zeitlicher Nähe zu diesem Beendigungstermin wurde dem Kläger mündlich mitgeteilt, dass seine Dienste nach dem 14.10.2000 nicht mehr benötigt würden.

In Ziffer 4.4 des Rahmenvertrages heißt es:

"Eine zusätzliche gesonderte schriftliche Mitteilung über den Fristablauf des Rahmenvertrages erfolgt nicht. Bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen gilt die Befristung des Rahmenvertrages zugleich als Beendigungserklärung unter Einschluss der Mitteilungsfristen der Ziffern 5.2 und 5.3 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen vom 01.01.1978 in der jeweils gültigen Fassung."

Mit seiner am 30.06.2002 erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf die Fortzahlung von Vergütung nach Maßgabe des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche Personen der D W (im Folgenden: aäPTV), auf Zahlung von Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag über Sozialplan-Regelungen bei der D W ( im Folgenden: TV-Sozialplan) und auf Zahlung von Urlaubsentgelt für das Jahr 2000 nach dem Urlaubstarifvertrag als Durchführungsvertrag Nr. 1 zum aäPTV in Anspruch genommen. Die Gesamtforderung beläuft sich auf 194.316,10 DM und entspricht einem Betrag von 99.352,24 EUR.

Mit Urteil vom 15.05.2003 hat das Arbeitsgericht dem Kläger einen Betrag von 67.774,94 EUR nebst Zinsen zuerkannt und die weitergehende Klage abgewiesen. Es hat nur den Anspruch auf Vergütungsfortzahlung nach Ziffer 5.4 aäPTV für begründet gehalten und dabei eine wiederkehrende Tätigkeit des Klägers für die Beklagte von mindestens zehn Kalenderjahren angenommen. Ansprüche auf Übergangsgeld und Urlaubsentgelt bzw. Urlaubsabgeltung stünden dem Kläger dagegen nicht zu, weil er im Jahr des Ausscheidens nicht mehr zum Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen gehört habe. Der Tarifvertrag definiere für die soziale Schutzbedürftigkeit eine Entgeltobergrenze von 114.000,00 DM brutto, die der Kläger deutlich überschritten habe. Wegen der weiteren Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Blatt 106 ff. d.A. Bezug genommen.

Unstreitig erhielt der Kläger nach eigenen Angaben im Antrag auf Zahlung von Urlaubsentgelt für das Kalenderjahr 2000 (Kopie Blatt 47 f. d.A.) im Kalendervorjahr 1999 von der Beklagten und dem W insgesamt Honorare von 141.467,50 DM.

Gegen das ihr am 30.05.2003 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 17.06.2003 Berufung eingelegt, die sie am 24.07.2003 begründet hat. Der Kläger hat gegen das Urteil am 12.08.2003 Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte trägt in Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, die geltend gemachten Ansprüche stünden dem Kläger weder dem Grunde noch der Höhe nach zu. Insbesondere sei der Kläger im Jahre 1994 nicht "wiederkehrend" für sie tätig gewesen. Zudem habe das Arbeitsgericht richtig erkannt, dass der Kläger im Jahre 2000 keine arbeitnehmerähnliche Person im Tarifsinne mehr gewesen sei und keinen Anspruch auf Übergangsgeld und Urlaubsabgeltung gehabt habe. Wenn dem aber so sei, dann könne der Kläger auch keine Vergütungsfortzahlung nach dem aäPTV verlangen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.05.2003 - 17 Ca 6045/02 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. das Urteil des Arbeitsgerichts vom 15.05.2003 - 17 Ca 6045/02 - aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Beklagte zu verurteilen, an ihn über den erstinstanzlich zugesprochenen Betrag hinaus weitere 31.577,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2001 zu zahlen, also insgesamt 99.352,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2001 zu zahlen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil aus Rechtsgründen, soweit er obsiegt hat, und verfolgt im Übrigen seine abgewiesene Klage mit der Anschlussberufung weiter. Er meint, auf die Frage der sozialen Schutzbedürftigkeit komme es für die weitergehenden Ansprüche auf Übergangs- und Urlaubsgeld nicht an.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, weil sie statthaft (§§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG, 524 ZPO) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden sind.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten auch Erfolg, während das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen war.

Die Klage ist insgesamt unbegründet, weil der Kläger beim Ausscheiden aus den Diensten der Beklagten die tariflichen Voraussetzungen für eine Anerkennung als arbeitnehmerähnliche Person nicht - mehr - erfüllte. Dies wirkt sich nicht nur auf die Ansprüche auf Übergangs- und Urlaubsentgelt aus, wie das Arbeitsgericht angenommen hat, sondern weitergehend auch auf den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach Ziffer 5.4 aäPTV. Über die von der Beklagten vorprozessual mit Schreiben vom 04.09.2001 und durch entsprechende Zahlung anerkannten Ansprüche hinaus stehen dem Kläger keine weiteren Forderungen zu. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Der aäPTV regelt nach Ziffer 1.2 "mit seinen Durchführungs-Tarifverträgen Mindestbedingungen, die für diese Mitarbeiter wegen ihrer Dauerrechtsbeziehung zur Deutschen Welle unter den Voraussetzungen der nachstehenden Ziffern 2 und 3 gelten". In den Ziffern 2 und 3 werden sodann die Voraussetzungen für die wirtschaftliche Abhängigkeit und die soziale Schutzbedürftigkeit, die kumulativ vorliegen müssen, näher bestimmt. Ziffer 3 aäPTV lautet wie folgt:

"3.1 Die soziale Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters ist gegeben, wenn er in dem Erwerbszeitraum von sechs Monaten vor Geltendmachung des Anspruches gemäß TZ 2.1 mindestens an 42 Tagen (einschließlich Urlaubstage) für die D W und andere A -Anstalten auf Grund vertraglicher Verpflichtungen tätig war und seine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Tarifvertrages im Kalendervorjahr nicht mehr als 140.000,00 DM brutto betragen haben.

Die Tarifparteien vereinbaren eine regelmäßige Überprüfung dieser Obergrenze jeweils im Zusammenhang mit den Honorartarifverhandlungen.

3.2 Für die Feststellung der Höhe der Vergütungen und Entgelte gemäß TZ 3.1 genügt die glaubhafte Darstellung des Mitarbeiters. Die Vergütungen von anderen A -Anstalten sind für jede A -Anstalt gesondert anzugeben."

Die Entgeltobergrenze für das Vorliegen der sozialen Schutzbedürftigkeit hat der Kläger nach eigenen Angaben im maßgeblichen Kalendervorjahr 1999 überschritten. In diesem Jahr erhielt er erwerbsmäßige Entgelte von der Beklagten in Höhe von 138.873,00 DM und vom WDR in Höhe von 2.594,50 DM, mithin insgesamt 141.467,50 DM. Außer Betracht bleiben weitere Erwerbseinkünfte aus "Synchronarbeit" in Höhe von immerhin 129.312,28 DM. Dass im Hinblick auf die Entgeltobergrenze jedenfalls die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit bei anderen A -Anstalten mitzuzählen sind, ergibt sich nicht nur aus der ausdrücklichen Erwähnung anderer ARD-Anstalten in Ziffer 3.1 aäPTV, sondern auch aus der unmissverständlichen Klarstellung in Ziffer 4.1 aäPTV, die besagt:

"Die Ansprüche aus diesem Tarifvertrag und seinen Durchführungstarifverträgen richten sich - unabhängig davon, dass sich die Voraussetzungen der Ziffern 2 und 3 auf die Gesamttätigkeit bei den A -Anstalten beziehen - nur gegen die Deutsche Welle. Bemessungsgrundlage für Zahlungsansprüche gegen die D W ist nur das bei ihr erzielte Entgelt."

Kommt es also auf die Gesamttätigkeit bei den A -Anstalten und die hieraus bezogenen Entgelte an, so hat der Kläger die Entgeltobergrenze im Jahr 1999 überschritten mit der Rechtsfolge, dass seine Arbeitnehmerähnlichkeit ohne weiteres entfiel. Es kann insoweit nichts anderes gelten wie bei dem Beginn des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses, der nach Ziffer 5.1 aäPTV lediglich vom Eintritt der Voraussetzungen nach den Ziffern 2 und 3 abhängig ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so können tarifliche Ansprüche nach Maßgabe des aäPTV und seinen Durchführungstarifverträgen nicht entstehen. Die Klage war schon deswegen insgesamt abzuweisen, ohne dass es noch auf die Streitfragen zur Höhe etwaiger Ansprüche ankommt.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte habe den Fortzahlungsanspruch und den Anspruch auf Übergangsgeld mit Schreiben vom 04.09.2001 (Kopie Blatt 30 d.A.) dem Grunde nach anerkannt, so dass über die Grundlagen nicht mehr gestritten werden könne. Ein so weitgehendes Anerkenntnis lässt sich dem Schreiben der Beklagten nicht entnehmen. Sie hat darin lediglich zum Ausdruck gebracht, einen Betrag in Höhe von insgesamt 23.619,61 DM brutto an den Kläger zahlen zu wollen, was auch gemäß Eintragung in der Lohnsteuerkarte 2001 geschehen ist. Ein weitergehender Verpflichtungswille lässt sich nicht feststellen. Insbesondere gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, die Beklagte habe sich gegenüber höheren Zahlungsbegehren des Klägers des Einwandes begeben wollen, dass die Voraussetzungen der tariflichen Anspruchsnormen nicht vorlägen.

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 3, 91 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück