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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: 7 (11) Sa 1347/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 296
BGB § 615
1. In den Fällen des § 296 BGB, in denen selbst ein wörtliches Arbeitsangebot des Arbeitnehmers entbehrlich ist, muss der Arbeitnehmer seine Leistungsbereitschaft nicht nachweisen. Es ist vielmehr Sache des Arbeitgebers, den fehlenden Leistungswillen dazutun.

2. Dazu reicht es nicht aus, darauf hinzuweisen, dass der Arbeitnehmer verbal vehement gegen eine von Arbeitgeber angeordnete Versetzung protestiert hat, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer noch zu keinem Zeitpunkt am neuen Arbeitsort zum Dienst eingeteilt und konkret zur Aufnahme der Arbeit am neuen Standort aufgefordert hatte.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 11.08.2004 in Sachen 6 Ca 1107/04 teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.275,28 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins aus 1.595,19 € seit dem 15.04.2004 und aus weiteren 1.680,09 € seit dem 15.5.2004 zu zahlen.

Der weitergehende Zahlungsantrag bleibt abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 1/3, die Beklagte 2/3. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte in vollem Umfang.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch darum, ob dem Kläger während der ordentlichen Kündigungsfrist, also für den Zeitraum vom 04.03. - 30.04.2004 Lohnansprüche gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zustehen. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die das Arbeitsgericht Bonn dazu bewogen haben, die Zahlungsansprüche des Klägers für die Dauer der Kündigungsfrist abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 11.08.2004 Bezug genommen. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 06.10.2004 zugestellt. Er hat hiergegen am 04.11.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 06.01.2005 am 06.01.2005 begründet. Der Kläger macht geltend, es treffe nicht zu, dass er grundsätzlich jeden Einsatz in der Kaserne B abgelehnt habe, dies erst recht nicht, nachdem das Kasernenverbot für die Tomburg-Kaserne bekannt geworden sei. Eine Einteilung in den Dienstplan der Kaserne B und damit eine Anweisung zur Arbeitsaufnahme dort sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Durch die fristlose Kündigung habe die Beklagte dokumentiert, dass seine weitere Beschäftigung - auch in der Kaserne B - für sie nicht mehr in Betracht komme. Er sei somit nicht mehr gehalten gewesen, seine Arbeitskraft nochmals anzubieten. Zur Höhe seiner Forderung behauptet der Kläger, nach dem Dienstplan für den Monat März 2003 habe er in diesem Monat 216 Stunden leisten müssen, wovon ihm tatsächlich nur 10,25 Stunden bezahlt worden seien. Für den Monat April sei eine durchschnittliche monatliche Arbeitszeit im Umfang von 230 Stunden zugrunde zu legen. Der Kläger und Berufungskläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 11.08.2004 - 6 Ca 1107/04 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.339,30 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.603,00 € seit dem 15.04.2004 und weiteren 1.736,30 € seit dem 15.05.2004 zu zahlen. Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt die vom Arbeitsgericht für die Ablehnung des klägerischen Zahlungsantrags dargelegten Gründe. Nach Ausspruch des Kasernenverbots habe in der T Kaserne keine Einsatzmöglichkeiten mehr für den Kläger bestanden. Im Vorfeld habe der Kläger aber mehrfach eine Versetzung in die Kaserne B strikt abgelehnt und auch in Kenntnis des Kasernenverbots und der Ankündigung seiner Entlassung nicht angeboten, dort arbeiten zu wollen. Zur Höhe der klägerischen Forderung macht die Beklagte geltend, dass dem Kläger für den Monat März 2004 ausweislich der Lohnabrechnung 11,75 Stunden vergütet worden seien und dass ausweislich der Abrechnungen für die Monate August 2003 bis Februar 2004 einschließlich von einer durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit von 215,12 Stunden auszugehen sei. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet. II. Die Berufung des Klägers ist auch überwiegend begründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte für den Zeitraum vom 04.03. bis 30.04.2004 gemäß § 615 BGB Lohnansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu. Lediglich bei der Höhe der geltend gemachten Ansprüche waren geringfügige Abstriche vorzunehmen.

1. Aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 11.08.2004, die die Parteien insoweit nicht angegriffen haben, steht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zwar durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 03.03.2004, dem Kläger zugegangen am 04.03.2004, nicht fristlos aufgelöst worden ist, wohl aber durch die zugleich hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist am 30.04.2004 sein Ende gefunden hat. Es steht somit rechtskräftig fest, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 03.03.2004 als solche rechtswidrig war. a. Nach sorgfältiger Sachverhaltsaufklärung ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass es der Beklagten zuzumuten gewesen wäre, den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen; denn die Beklagte traf, wie das Arbeitsgericht überzeugend begründet hat, an der Eskalation des Geschehens, die zu den verbalen Drohungen des Klägers im Hinblick auf die Person des Kasernenkommandanten und damit letztlich zu dem Kasernenverbot führten, ein erhebliches Mitverschulden. Wie sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem eigenen Sachvortrag der Beklagten ableiten lässt, hatte die Beklagte nämlich dem Kläger gegenüber den Eindruck erweckt, dass für die beabsichtigte Versetzung des Klägers an den Standort B Beschwerden des R Kasernenkommandanten Bückmann ausschlaggebend gewesen seien oder die beabsichtigte Versetzung gar auf dessen Forderung beruht hätte. In Wirklichkeit war dies jedoch eindeutig nicht der Fall. Vielmehr beruhte die Versetzungsentscheidung auf eigenen - für sich betrachtet im übrigen durchaus nachvollziehbaren - Überlegungen der Beklagten. b. In dem die Beklagte dem Kläger gleichwohl eine außerordentliche, fristlose Kündigung zukommen ließ, hat sie sich demnach nicht an die bestehende Rechtslage gehalten und zugleich dem Kläger gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass sie ab sofort auf seine Arbeitsleistung keinen Wert mehr legte. Indem sie den Kläger ab sofort nicht mehr zum Dienst einteilte, hat sie es unterlassen, dem Kläger einen funktionsfähigen Arbeitsplatz bereit zu stellen und zuzuweisen. Sie hat damit die notwendige Mitwirkungshandlung unterlassen, die es dem Kläger überhaupt erst ermöglicht hätte, während der Kündigungsfrist seiner Arbeitspflicht nachzukommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei dieser Sachlage in Anwendung von § 296 BGB selbst ein wörtliches Arbeitsangebot des Arbeitnehmers nicht erforderlich, um die Voraussetzungen des Annahmeverzuges zu erfüllen (BAG AP § 615 BGB Nr. 34, Nr. 35, Nr. 53, Nr. 79; Erfurter Kommentar/Preis, § 615 BGB Rz. 40). Hat der Arbeitgeber in diesem Sinne eine rechtswidrige Kündigung ausgesprochen, so ist es seine Sache, aktiv zu werden und dem Arbeitnehmer gegenüber zu verdeutlichen, dass er trotz ausgesprochener Kündigung die Wiederaufnahme bzw. Fortsetzung der Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer erwartet. 2. Dem kann die Beklagte auch nicht entgegen halten, dass es ihr aufgrund des für die T Kaserne in R bestehenden Kasernenverbotes nicht mehr möglich gewesen sei, den Kläger an seiner bisherigen Einsatzstelle zu beschäftigen, dass der Kläger sich aber im Vorfeld der Kündigung gegen eine Versetzung an den Standort B zur Wehr gesetzt und diese abgelehnt habe. a. Abgesehen davon, dass, wie bereits das Arbeitsgericht im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ausgeführt hat, die Beklagte eine Mitschuld an dem Geschehen trägt, das letztlich zum Ausspruch des Kasernenverbots geführt hat, wäre es der Beklagten unstreitig möglich gewesen, den Kläger am Standort B zu beschäftigen. Hätte die Beklagte den Konsequenzen des Annahmeverzuges entgehen wollen, so wäre sie gehalten gewesen, den Kläger konkret aufzufordern, zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Arbeitseinsatz in der Kaserne B anzutreten. b. Die Beklagte hat nicht ausreichend belegt, dass der Kläger in Folge fehlender Leistungsbereitschaft einer solchen Aufforderung nicht nachgekommen wäre. aa. In den Fällen des § 296 BGB, in denen selbst ein wörtliches Arbeitsangebot des Arbeitnehmers entbehrlich ist, muss der Arbeitnehmer seine Leistungsbereitschaft nicht nachweisen (HWK/Krause, § 615 BGB Rz. 46). Es ist vielmehr Sache des Arbeitgebers, den fehlenden Leistungswillen darzutun (a. a. O.). bb. Es ist zwar richtig, dass der Kläger sich wiederholt verbal entschieden gegen eine Versetzung an den Standort B ausgesprochen hat. Im Vorfeld der Kündigung hatte die Beklagte den Kläger aber unstreitig noch zu keinem Zeitpunkt bereits für eine Arbeitsleistung in B eingeplant und ihn zur dortigen Arbeitsaufnahme aufgefordert. Stattdessen war der Kläger bis zuletzt den arbeitgeberseitigen Weisungen entsprechend seiner Arbeit in der R Kaserne nachgekommen. Dieser Umstand hat bereits das Arbeitsgericht zu Recht dazu veranlasst festzustellen, dass dem Kläger bis zum Zeitpunkt der Kündigung trotz seiner verbalen Vorbehalte gegen eine Versetzung nicht der Vorwurf einer Arbeitsverweigerung gemacht werden konnte (vgl. S. 7 der arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe). cc. Jeder Arbeitnehmer ist berechtigt, gegenüber dem Arbeitgeber gesprächsweise ablehnende Einwände gegenüber einer ihm angekündigten Veränderung seiner Arbeitsbedingungen zu erheben. Den die Versetzung ablehnenden Äußerungen des Klägers kann somit zunächst nur der Stellenwert beigemessen werden, dass er - jedenfalls im Zeitraum bis zum Ausspruch der Kündigung - keine Bereitschaft zu einer einvernehmlichen freiwilligen Versetzung nach B aufbrachte. Dies hätte dann lediglich zur Folge gehabt, dass die Beklagte, wenn sie dazu arbeitsvertraglich autorisiert war, von ihrem Direktionsrecht hätte Gebrauch machen müssen, anderenfalls eine Änderungskündigung hätte aussprechen müssen. Dies hat die Beklagte zunächst offensichtlich auch selbst so gesehen; denn wie aus der Vernehmung der Zeugin H hervorgeht, hatte die Beklagte die schon im Vorfeld der letztlich zur Kündigung führenden Ereignisse erfolgten ablehnenden Äußerungen des Klägers gegenüber einer Versetzung lediglich zum Anlass genommen, "dann die Versetzung schriftlich" zu fertigen. Nach Zugang dieser schriftlichen Versetzung ist es aufgrund der danach folgenden Kündigung zu keinem Arbeitseinsatz des Klägers mehr gekommen. dd. Es stellt einen erheblichen Unterschied dar, ob jemand - und sei es auch vehement - gegen eine geplante Veränderung seines Arbeitseinsatzes verbal protestiert, oder ob er sich einer konkreten Weisung, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Platz seine Arbeit aufzunehmen, widersetzt, indem er nicht zur Arbeit erscheint. Auch die vom Kläger in diesem Zusammenhang dann geäußerten unflätigen Drohungen gegenüber dem Kasernenkommandanten führen schon deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung, da die Beklagte, wie nunmehr bereits mehrfach ausgeführt, am Entstehen dieser Eskalation ein nicht unerhebliches Mitverschulden trifft. ee. Hinzu kommt, dass der Kläger durch die alsbaldige Erhebung der Kündigungsschutzklage sogar aktiv, wenn auch konkludent, zum Ausdruck gebracht hat, dass er grundsätzlich zur Weiterarbeit bereit war. c. Bei alledem erscheint es nicht ausreichend dargetan, dass den durch die rechtswidrige außerordentliche Kündigung der Beklagten entstandenen Ansprüchen des Klägers aus Annahmeverzug für die Dauer der Kündigungsfrist eine fehlende Leistungsbereitschaft des Klägers entgegen stand. 3. Der Höhe nach muss sich der Kläger jedoch von seinen Forderungen geringfügige Abstriche gefallen lassen. a. So konnte die Beklagte durch Vorlage der entsprechenden Abrechnungen darlegen, dass dem Kläger für den Monat März 2004 insgesamt 11,75 Arbeitsstunden bezahlt worden sind. b. Darüber hinaus hat die Beklagte im einzelnen darlegen können, dass der Kläger im Zeitraum August 2003 bis einschließlich Februar 2004 eine durchschnittliche Arbeitsleistung im Umfang von 215,12 Stunden im Monat geleistet hat. c. Danach ergeben sich folgende Ansprüche: Für März 2004: 216 Stunden aus Dienstplaneinteilung zu dem vom Kläger geltend gemachten; von der Beklagten nicht bestrittenen Satz von 7,81 € abzüglich geleisteter 11,75 Stunden; für April 2004: 215,12 Stunden x 7, 81 €. III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision liegen bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung nicht vor.

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