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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 7 (8) Sa 287/05
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 2
KSchG § 4
ZPO § 81
BGB § 174
1. Die Prozessvollmacht im laufenden Änderungskündigungsschutzprozess ermächtigt den Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers auch dazu, gerichtlich oder außergerichtlich die Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt zu erklären.

2. Auf rechtsgeschäftliche Willenserklärungen eines Anwalts, die durch eine Prozessvollmacht gem. § 81 ZPO gedeckt sind, findet das Zurückweisungsrecht des § 174 BGB keine Anwendung.

3. Die Grundsätze über die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung gelten entsprechend auch für Änderungskündigungen, mit denen die Erhöhung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich erreicht werden soll.

4. Eine Änderungskündigung zur Erhöhung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich führt zwar auf Seiten des Arbeitgebers zu einer Verbesserung des arbeitsvertraglichen "Preis-Leistungs-Verhältnisses", aber nicht per se auch zu einer Senkung der Personalkosten in absoluten Zahlen. Wird die Änderungskündigung daher mit dem Ziel einer Senkung der Personalkosten gerechtfertigt, hat der Arbeitgeber im einzelnen substantiiert darzulegen, aufgrund welcher weiteren Zwischenschritte er dieses Ziel erreichen will und inwiefern dafür eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich unerlässlich ist.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.01.2005 in Sachen 7 Ca 2227/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch eine arbeitgeberseitige Änderungskündigung vom 16.04.2004 wirksam beendet worden ist bzw. ob die Änderungskündigung rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen wurde und eine Erhühung der vertraglichen Arbeitszeit der Klägerin ohne Lohnausgleich bewirkt hat.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen dazu bewogen haben festzustellen, dass die arbeitgeberseitige Änderungskündigung vom 16.04.2004 unwirksam ist und daher das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat und auch nicht ändern konnte, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 06.01.2005 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 15.02.2005 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 24.02.2005 Berufung einlegen und diese am 15.04.2005 begründen lassen.

Die Beklagte stimmt dem arbeitsgerichtlichen Urteil nur insoweit zu, als dieses zu dem Ergebnis gelangt ist, die Klägerin habe die streitgegenständliche Änderungskündigung nicht rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen, so dass die Änderungskündigung den Charakter einer reinen Änderungskündigung angenommen habe.

Im übrigen vertritt die Beklagte aber weiterhin entgegen den arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründen die Auffassung, dass die Änderungskündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt gewesen sei. Das von ihr, der Beklagten verfolgte Ziel sei die Erwirtschaftung von Gewinnen. Eine Analyse der Bilanzen aus den Jahren 2002 bis 2004 weise Verluste auf, die insbesondere auch auf überdurchschnittlich hohe Personalkosten zurückzuführen seien. Der Verlust für das Geschäftsjahr 2003/2004 habe 55.020,49 € betragen. Hinzuzurechnen sei jedoch noch der Verzicht des geschäftsführenden Gesellschafters R auf die diesem zustehenden Jahresvergütung in Hühe von 102.000,00 €. Effektiv habe der Verlust 2003/2004 für die Gesellschafter daher 157.020,49 € betragen.

Die Verlängerung der Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten von bisher 37,5 Wochenstunden auf künftig 40 Wochenstunden bedeute eine Erhühung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um 6,67 %. Gemessen an den per Stand 01.03.2004 mit 1.881.128,- € zu veranschlagenden Personalkosten bedeute dies eine Senkung um 6,67 % oder 125.471,23 €. Im Rahmen des aufgestellten Sanierungskonzepts sei die endgültige Verlängerung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich für alle Mitarbeiter die letzte unerledigte Maßnahme. Die übrigen Maßnahmen, als da seien Reduzierung der Kosten für Vertrieb und Werbung um ca. 30.000,00 €; Verzicht des Vermieters auf Mieterhühungen nach entsprechenden Verhandlungen; keine Erhühung der Sachkosten; Streichung der Sonderzahlungen 2002/2003; Verzicht auf Gehaltserhühungen; Nichtvornahme von Neueinstellungen; Verzicht der geschäftsführenden Gesellschafter auf ihre Bezüge in den letzten drei Wirtschaftsjahren seien bereits umgesetzt. Weitere Maßnahmen schieden aus.

Die Erhühung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich habe zur Folge, dass Überstunden, wenn überhaupt, nur noch in geringerem Ausmaß anfallen würden. Diese würden bei der Beklagten angesammelt und abgefeiert. Die Vergütung für Überstunden entspreche der allgemein vereinbarten Vergütung. Als Folge führe die Erhühung der Wochenarbeitszeit aller Mitarbeiter um insgesamt 6,67 % zu einer Reduktion der Personalkosten um 6,67 %, da in diesem Umfang regelmäßig Überstunden anfielen. Die Personalkosten seien, wie sich aus ihrem Verhältnis zum Umsatz ergebe, der entscheidende Faktor für die stetig anfallenden Verluste. Anderweitiges Einsparpotential fehle. Die Verluste hätten bereits dazu geführt, dass gegenüber den kreditgebenden Banken weitere Sicherheiten hätten geleistet werden müssen sowie Rangrücktritte zu erklären gewesen seien.

Mit Schriftsatz vom 08.11.2005 lässt die Beklagte vortragen, dass sich aus der Aufstellung der Personalkosten für den Zeitraum April 2004 bis Februar 2005 hochgerechnet auf das Wirtschaftsjahr eine Ersparnis von 105.539,18 € realisiert habe. Die Diskrepanz zwischen der prognostizierten Einsparung von 125.471,23 € und der nun realen Einsparung beruhe unter anderem darauf, dass einige Mitarbeiter der Beklagten zwischenzeitlich ausgeschieden seien.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 06.01.2005 - 7 Ca 2227/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte vertritt die Auffassung, dass sie entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts die streitige Änderungskündigung der Beklagten bereits durch das Anwaltsschreiben vom 06.05.2004 wirksam unter Vorbehalt angenommen habe. Der Vorlage einer Vollmacht habe es dabei nicht bedurft, da der Beklagten bereits aus einem umfangreichen vorherigen Schriftverkehr mit dem Prozessbevollmächtigten, aber auch durch Zustellung der Kündigungsschutzklage vom 21.04.2004 bekannt gewesen sei, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Angelegenheit umfassend bevollmächtigt gewesen sei, zumal bereits auf Seite 3 der Klageschrift die Frage der Abgabe der Vorbehaltserklärung nach § 2 KSchG angesprochen sei.

Im Übrigen verteidigt die Klägerin und Berufungsbeklagte jedoch die Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils, soweit dieses ausgeführt hat, dass die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt sei. Auch in der Berufungsinstanz habe die Beklagte kein dringendes betriebliches Erfordernis zu der beabsichtigten Erhühung der Arbeitszeit noch ein sonstiges dringendes betriebliches Erfordernis schlüssig vorgetragen, das sie zum Ausspruch der Kündigung hätte berechtigen künnen. Die Klägerin bestreitet die von der Beklagten vorgetragenen Verlustzahlen und meint, der Beklagten sei es nicht gelungen, ein Sanierungskonzept schlüssig vorzutragen, dessen notwendiger Bestandteil die streitgegenständlichen Änderungskündigungen hätten sein künnen.

Auf die weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründungsschrift, der Berufungserwiderungsschrift, des Schriftsatzes der Berufungsklägerin vom 08.11.2005 sowie die erst- und zweitinstanzlich zu den Akten gereichten Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Beklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben.

1. Vorab ist festzuhalten, dass die Klägerin und Berufungsbeklagte die streitige Änderungskündigung vom 16.04.2004 gemäß § 2 KSchG wirksam und rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen hat. Die in diesem Punkt gegenteilige Auffassung des Arbeitsgerichts vermag das Berufungsgericht nicht zu teilen.

a. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Klägerin das Kündigungsschreiben bereits am 16.04.2004 ausgehändigt wurde oder ob es ihr, wie sie zuletzt behauptet hat, erst am 17.04.2004 zugegangen ist. Denn die Vorbehaltserklärung des anwaltlichen Klägervertreters vom 06.05.2004 ist der Beklagten unstreitig am 07.05.2004 zugegangen. Am 07.05.2004 war die dreiwüchige Frist für die Annahme unter Vorbehalt auch dann noch nicht abgelaufen, wenn von einem Zugang am 16.04.2004 ausgegangen werden muss.

b. Die anwaltliche Vorbehaltserklärung vom 06.05.2004 ist auch rechtswirksam. Der Vorlage einer besonderen Vollmacht bedurfte es hierbei nicht. Dies resultiert daraus, dass die Erklärung der Vorbehaltsannahme während des bereits laufenden Kündigungsschutzprozesses erfolgte und der anwaltliche Klägervertreter der Beklagten im Zeitpunkt des Zugangs des Schriftstücks vom 06.05.2004 bereits als Prozessbevollmächtigter der Klägerin in dem Kündigungsschutzprozess bekannt war. Die von dem anwaltlichen Klägervertreter verfasste Kündigungsschutzklage ging der Beklagten ausweislich einer bei der Akte befindlichen Zustellungsurkunde am 28.04.2004 zu.

c. Gemäß § 81 ZPO ermächtigt die Prozessvollmacht zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, nach allgemeiner Meinung aber auch zur Abgabe und Entgegennahme rechtsgeschäftlicher empfangsbedürftiger Willenserklärungen materiellrechtlichen Inhalts, soweit sie sich im Rahmen des Streitgegenstands halten und der Erreichung des Prozesszieles dienen (BGH NJW 2003, 964; BGH NJW 92 1964; Züller/Vollkommer, ZPO, § 81 Rn. 10 f.). So ermächtigt die Prozessvollmacht im Rahmen eines Zivilprozesses z. B. zur Abgabe einer Anfechtungserklärung nach §§ 119 ff. BGB (RGZ 48 218), zur Abgabe einer Aufrechnungserklärung (RGZ 50 426) oder zur Erklärung des Rücktritts von einem Vertrag (RGZ 50, 138). Speziell im arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozess ermächtigt die Prozessvollmacht zur Erklärung und zur Entgegennahme weiterer Kündigungen (BAG BB 78, 207; BAG NJW 88, 2693; Weidemann NZA 89, 246; Züller/Vollkommer, ZPO, § 81 Rn. 10 f.). Dabei ist es gleichgültig, ob diese Erklärung im Prozess selbst oder außerhalb abgegeben wird (BAG BB 78, 207).

d. Wenn aber die Prozessvollmacht in einem Kündigungsschutzprozess sogar zur rechtswirksamen Erklärung einer weiteren Beendigungskündigung bevollmächtigt, so muss dies erst recht für die Erklärung der Annahme einer Änderungskündigung unter Vorbehalt im Sinne des § 2 KSchG gelten, wenn diese den Streitgegenstand des fraglichen Kündigungsschutzprozesses bildet. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als der Klägervertreter im letzten Absatz der Klageschrift vom 21.04.2004 ausdrücklich auf die noch ausstehende Abgabe der Vorbehaltserklärung hingewiesen hat.

e. Auf rechtsgeschäftliche Willenserklärungen eines anwaltlichen Prozessbevollmächtigten, die durch die Prozessvollmacht gemäß § 81 ZPO gedeckt sind, findet das Zurückweisungsrecht des § 174 BGB keine Anwendung (BGH NJW 2003, 963; Züller/Vollkommer, ZPO, § 81, Rn. 10).

f. Wie in den Parallelverfahren so geht es somit auch im vorliegenden Verfahren nicht darum, ob das zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis durch eine in der Änderungskündigung vom 16.04.2004 enthaltene Beendigungskündigung sein Ende gefunden hat, sondern (nur) darum, ob es zu unveränderten Bedingungen fortbesteht oder zu den geänderten Bedingungen, die die Beklagte der Klägerin in der Änderungskündigung angeboten und die diese unter Vorbehalt angenommen hat.

2. Die Änderungskündigung der Beklagten vom 16.04.2004 ist jedoch nicht sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Insoweit besteht volle Übereinstimmung mit der entsprechenden Feststellung des Arbeitsgerichts. Der Beklagten ist es auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen, schlüssig darzulegen, dass die streitige Änderungskündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt ist, die einer unveränderten Weiterbeschäftigung der Klägerin in dem Betrieb der Beklagten entgegenstünden.

a. Durch die streitgegenständliche Änderungskündigung will die Beklagte erreichen, dass die Klägerin künftig für eine Vergütung in gleicher Hühe wie bisher eine um 6,67 % hühere Arbeitsleistung zu erbringen hat. Der darin liegende Eingriff in den Kernbereich des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses von Leistung und Gegenleistung entspricht spiegelbildlich demjenigen, der sich ergäbe, wenn die Klägerin bei unverändert bleibendem Arbeitsumfang eine um einen entsprechenden Prozentsatz reduzierte Vergütung erhalten sollte. Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dem Fragenkomplex, unter welchen Voraussetzungen eine betriebsbedingte Änderungskündigung mit dem Ziel einer Entgeltreduzierung sozial gerechtfertigt ist, kann daher auf die vorliegende Fallkonstellation entsprechend angewandt werden.

b. Für eine betriebsbedingte Änderungskündigung nach § 2 Satz 1 KSchG müssen hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigung die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3 KSchG vorliegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nach einer betriebsbedingten Änderungskündigung das Änderungsangebot daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedingen und ob sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG NZA 2003, 147; BAG NZA 2002 750 ff.).

Die Unrentabilität des Betriebes kann einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrages entgegenstehen und ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen sein, wenn durch die Senkung der Personalkosten die Stilllegung des Betriebes oder die Reduzierung der Belegschaft verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind. Dass die betriebsbedingten Erfordernisse dringend sein müssen, bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung in solchen Fällen so lange warten muss, bis sein Ruin unmittelbar bevorsteht (BAG NZA 2002, 750 ff.). Andererseits ist bei der betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltsenkung zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nachhaltig in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, wenn er die vereinbarte Vergütung reduziert oder - wie im vorliegenden Fall - bei gleichbleibender Vergütung die vom Arbeitnehmer zu erbringende Gegenleistung erhüht. Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Es ist allgemein anerkannt, dass Geldmangel den Schuldner nicht entlastet. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge ist deshalb nur dann begründet, wenn bei Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen müssten. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschüpft (BAG NZA 2002, 750 ff.; BAG NZA 2003, 147 ff.).

3. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, lässt der Sachvortrag der Beklagten in keiner Weise erkennen, dass diese Voraussetzungen einer betriebsbedingten Änderungskündigung, die verschlechternd in das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, erfüllt sind.

a. Die Beklagte hat als Anlass ihrer Maßnahme dargestellt, dass sie in ihrem Geschäftsbetrieb in den letzten drei Geschäftsjahren vor der hier streitigen Maßnahme stets erhebliche Verluste erlitten habe. Es mag zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die von ihr dargestellte Verlustsituation, vorausgesetzt, die genannten Zahlen erwiesen sich als zutreffend, für sich genommen als hinreichend dringlich im Sinne der vorzitierten BAG-Rechtsprechung gewertet werden künnten, um im Rahmen eines umfassenden Sanierungsplanes auch einseitige Eingriffe in die arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisse zu rechtfertigen.

b. Die konkret zu beurteilende Maßnahme muss aber zunächst darauf hin überprüft werden, ob sie auch geeignet und erforderlich ist, um das vom Arbeitgeber verfolgte betriebswirtschaftliche Ziel zu erreichen, und ob dafür keine gleichwertigen milderen Mittel zur Verfügung stehen. Hierzu findet sich keinerlei schlüssiger Sachvortrag der Beklagten.

Wenn die Beklagte einer von ihr festgestellten betriebswirtschaftlichen Verlustsituation entgegentreten will, so kann dies grundsätzlich auf zweierlei Weise geschehen: Entweder es werden die Einnahmen erhüht oder es werden die Ausgaben vermindert. Die Beklagte gibt an, die hier streitigen Änderungskündigungen sollten einer Senkung der von ihr als zu hoch angesehenen Personalkosten dienen. Wie die Beklagte dieses Ziel mit Hilfe der hier streitigen Änderungskündigungen jedoch erreichen will, ist aus ihrem Sachvortrag schlechthin nicht erkennbar.

aa. Wenn die Beklagte ihre Mitarbeiter für eine Vergütung in der gleichen Hühe wie bisher in vermehrten Umfang zur Arbeitsleistung heranziehen will, so verbessert sich zwar zu ihren Gunsten das arbeitsvertragliche "Preis-Leistungs-Verhältnis". Die Hühe der von ihr aufzuwendenden Lühne und Gehälter bleibt jedoch in absoluten Zahlen genau gleich. Die Beklagte muss Geldmittel in gleicher Hühe wie bisher aufwenden, um ihr Personal bezahlen zu künnen. Wenn die Beklagte demgegenüber ausführt, da ihre Mitarbeiter künftig 6,67 % mehr arbeiten müssten, ergebe sich zu ihren Gunsten eine Senkung der Personalkosten in Hühe von ebenfalls 6,67 %, so handelt es sich dabei um eine rein virtuelle Betrachtungsweise, die zunächst an der betriebswirtschaftlichen Wirklichkeit nichts ändert, dass sich die Menge der liquiden Geldmittel, die die Beklagte benütigt, um ihr Personal zu bezahlen, um keinen Cent vermindert. Davon, dass eine Änderungskündigung der hier vorliegenden Art eine Personalkosteneinsparung zur unmittelbaren Folge hätte, kann somit keine Rede sein. Die kuriose Konsequenz der von der Beklagten bevorzugten Betrachtungsweise besteht vielmehr darin, dass diese den Umstand, dass sich im Geschäftsjahr 2004/2005 eine Personalkosteneinsparung von nur 105.539,18 € gegenüber zuvor prognostizierten 125.471,23 € ergeben haben soll, damit erklärt, dass einige Mitarbeiter der Beklagten unvorhergesehen zwischenzeitlich ausgeschieden seien (!).

bb. Zwar wäre es gedanklich nachvollziehbar gewesen, dass die Maßnahme einer Erhühung der Arbeitszeit bei gleichbleibender Vergütungshühe mittelbar mit dem Ziel einer Senkung der Personalkosten in Verbindung gestanden hätte, wenn nämlich die Erhühung der Arbeitszeit gerade dazu hätte dienen sollen, eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen ganz einzusparen. Ob eine solche Zielrichtung der Maßnahme indessen dazu hätte führen künnen, sie als sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG anzusehen, mag dahingestellt bleiben, soll doch die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sozial gerechtfertigte Änderungskündigung gerade dazu dienen, einen Personalabbau müglichst zu vermeiden. Diese Frage bedarf jedoch keiner Vertiefung, da die Beklagte sich auf eine derartige Zielrichtung hier nicht berufen hat.

cc. Eine andere gedanklich nachvollziehbare Zielrichtung der Maßnahme, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich zu erhühen, hätte darin bestehen künnen, durch Erhühung der Arbeitskapazität eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit zu ermüglichen, die wiederum ihrerseits zu einer Umsatz- und letztendlich zu einer Erlüssteigerung hätte führen künnen.

Hierzu hätte jedoch konkret vorgetragen werden müssen, in welchem Umfang die Geschäftstätigkeit - etwa durch Verlängerung der Ladenüffnungszeiten - hätte ausgedehnt werden sollen, inwieweit dafür eine erhühte manpower erforderlich gewesen wäre und ferner, worauf die Erwartung hätte gründen künnen, dass z. B. längere Ladenüffnungszeiten zu einem erhühten Umsatz und der erhühte Umsatz zu einem besseren Erlüs führen künnten. Dies gilt um so mehr, als in der üffentlichen Diskussion um die Änderung des Ladenschlussgesetzes gerade von Seiten der Einzelhandelsbranche immer wieder kritisch vorgebracht wurde, dass eine Ausdehnung der Ladenüffnungszeiten keineswegs zu einer Steigerung des Umsatzes führe oder führen müsse. Auch zeigen die von der Beklagten selbst vorgetragenen Geschäftszahlen für die letzten drei Geschäftsjahre vor Ausspruch der streitigen Änderungskündigung, dass eine Steigerung der Umsatzerlüse keineswegs automatisch zu einer Verbesserung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses führen muss. Nach den von der Beklagten vorgelegten Zahlen verschlechterte sich ihr betriebswirtschaftliches Ergebnis im Geschäftsjahr 2002/2003 gegenüber dem Vorjahr um rund 150.000,00 €, obwohl die Umsätze gleichzeitig um rund 250.000,00 € gestiegen waren.

dd. Die Beklagte hat jedoch auch dazu, dass der Inhalt der Änderungskündigung im Dienste einer Steigerung ihrer Geschäftstätigkeit stünde, auch nicht ansatzweise etwas Konkretes vorgetragen. Vielmehr spricht der Vortrag der Beklagten, Ziel ihrer Maßnahme sei eine Senkung der Kosten gewesen, gerade gegen eine solche Intention.

c. Schließlich ergibt sich auch aus dem Vortrag der Beklagten, durch die Erweiterung der Arbeitszeit hätten Überstunden eingespart werden sollen, keine schlüssige Begründung dafür, dass die hier streitigen Kündigungen geeignet und erforderlich dafür hätten sein künnen, Personalkosten zu senken.

aa. Der Vortrag der Beklagten auch zur Einsparung von Überstunden ist bereits so unklar, dass er unbeachtlich bleiben muss. So erscheint bereits nicht nachvollziehbar, was es mit der von der Beklagten benannten Zahl von 2.583,07 Überstunden per 28.02.2004 auf sich hat. Handelt es sich dabei um eine Momentaufnahme des Standes der laufenden Überstundenkonten aller Mitarbeiter am Stichtag 28.02.2004, so ist diese Zahl für die Frage, wie viele Überstunden im Geschäftsjahr 2003/04 tatsächlich geleistet wurden, ohne Aussagekraft. Allenfalls künnte aus einem Vergleich mit der entsprechenden Zahl zum Stichtag 28.02.2003 geschlossen werden, dass im Geschäftsjahr 2003/04 mindestens 397,85 Überstunden geleistet worden sein müssen; denn um diesen Wert übersteigt die Zahl für den 28.02.2004 diejenige für den 28.02.2003.

bb. Versteht man die von der Beklagten genannte Zahl zu ihren Gunsten jedoch so, dass im Laufe des Geschäftsjahres 2003/04 insgesamt 2.583,07 Überstunden geleistet wurden, so handelte es sich dabei um einen Wert von ca. 2,6 % der im Betrieb der Beklagten am 01.03.2004 vorhandenen Gesamtarbeitskapazität, wie sie sich aus der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 08.11.2005 vorgelegten Einzelaufstellung der (bisherigen) Arbeitszeiten der einzelnen Mitarbeiter errechnen lässt. Selbst wenn man des weiteren zu Gunsten der Beklagten unterstellte, dass die Anzahl der Überstunden automatisch bei ihr zu einer entsprechenden finanziellen Mehrbelastung im Vergütungsaufwand führte, so würde die Erhühung der Arbeitszeit um 6,67 % allein zum Zwecke der Kompensation der Überstunden bereits weit über das Maß des Erforderlichen hinausschießen. Bezeichnenderweise spricht die Beklagte selbst davon, dass sie zuletzt eine jährliche Rückstellung für Überstunden in der Grüßenordnung von 50.925,12 € gebildet habe, während sie das von ihr mit der Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich angestrebte Einsparpotential auf das ca. Zweieinhalbfache dieses Betrages beziffert.

cc. Hinzukommt, dass in einem grüßeren Geschäftsbetrieb wie dem der Beklagten der Anfall von Überstunden nie vüllig ausgeschlossen werden kann, da sie mitunter das einzige Mittel darstellen, um unvorhergesehene Ereignisse organisatorisch zu bewältigen. So hat die Beklagte letztlich auch nicht in Abrede gestellt, dass auch in ihrem Geschäftsbetrieb Überstunden weiterhin - in welchem Umfang auch immer - vorkommen.

dd. Schließlich hat die Beklagte auch nicht einmal substantiiert vorgetragen, dass die in der Vergangenheit angefallenen Überstunden tatsächlich zu einer finanziellen Mehrbelastung geführt haben. Wenn die Beklagte nämlich ausführt, dass bei ihr Überstunden generell nur "abgefeiert", also in Freizeit ausgeglichen werden, so kann eine daraus resultierende finanzielle Mehrbelastung allenfalls in der Zahlung von Überstundenzuschlägen gelegen haben, wozu die Beklagte aber wiederum nichts ausgeführt hat.

d. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass das Zahlenmaterial der Beklagten auch an anderer Stelle zumindest teilweise unstimmig erscheint. So geht die Beklagte bei ihrem für das Geschäftsjahr 2004/2005 prognostizierten Personalkostenaufwand von einer Summen in Hühe von 1.881.128,00 € aus. Hierin ist jedoch eine Position über 60.550,00 € mit der Bezeichnung "Prämien" enthalten. Hierzu hatte die Klägerin bereits erstinstanzlich ausgeführt, dass das Prämiensystem der Beklagten im Verkauf schon seit längerer Zeit abgeschafft worden sei. Demgegenüber hat die Beklagte nicht erläutert, was es mit der gleichwohl in die Personalkostenprognose aufgenommene Position der Prämien auf sich hat.

e. Bei alledem hat die Beklagte somit in keiner Weise nachvollziehbar dargelegt, dass und inwiefern die streitige einseitige Erhühung der Arbeitszeit bei gleichbleibender Vergütungshühe tatsächlich geeignet und erforderlich ist, um eine reale Senkung der Personalkosten herbeiführen zu künnen oder das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Beklagten ggf. auf andere Weise real zu verbessern.

Damit fehlte es aber bereits an der Grundvoraussetzung einer sozialen Rechtfertigung der streitigen Änderungskündigung.

Ist die streitige Änderungskündigung somit gemäß § 1 Abs. 2 KSchG rechtsunwirksam, so führt dies auch im Falle der Klägerin dazu, dass ihr Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus einstweilen zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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