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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: 7 Sa 1003/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 123
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 613 a
BGB § 622
BGB § 623
1. Jede Art von Auslegung einer Willenserklärung oder eines Vertragswerks setzt voraus, dass eine Auslegungsbedürftigkeit besteht. Hat die Willenserklärung bzw. der Vertrag nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt, ist für eine Auslegung kein Raum.

2. Sollen bei der Auslegung einer Vertragsurkunde Umstände außerhalb der Urkunde mit herangezogen werden, gilt die sog. Andeutungstheorie: Sie verlangt, dass der aus Umständen außerhalb der Urkunde ermittelte rechtsgeschäftliche Wille in der Urkunde einen irgendwie gearteten, wenn auch unvollkommenen, Ausdruck gefunden haben muss.

3. Eine sog. ergänzende Vertragsauslegung kommt nur in Betracht, wenn der Vertrag eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.05.2008 in Sachen 5 Ca 1043/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Abfindungsanspruch des Klägers aus einem Aufhebungsvertrag.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Klage in vollem Umfang stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 09.05.2008 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 25.07.2008 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 21.08.2008 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 27.10.2008 - am 27.10.2008 begründen lassen.

Die Beklagte behauptet weiterhin, ihr Geschäftsführer habe sich zu der Zusage einer Abfindung, wie in Ziffer 2.1 des Aufhebungsvertrags vom 17./18.12.2007 geschehen, nur deshalb bereit erklärt, weil der Kläger sich im Gegenzug im Rahmen der Vertragsverhandlungen mündlich bereit erklärt habe, nach Übergabe der Niederlassung H an den avisierten Betriebserwerber noch zum Zwecke einer geordneten Übergabe der dortigen Geschäfte sechs Monate weiter zu arbeiten. Intern habe sich die Beklagte der Betriebserwerberin gegenüber zu einer entsprechenden Regelung verpflichtet gehabt. Der Kläger sei hierüber nicht nur informiert, sondern unmittelbar eingebunden gewesen. Der Geschäftsführer B habe dem Kläger mitgeteilt, dass er als Honorierung für die Übergabe der Geschäfte an die Betriebserwerberin eine Abfindung gemäß des alten Sozialplans erhalten werde, wobei auch die Zeitdauer von sechs Monaten noch einmal genannt worden sei.

Die Beklagte und Berufungsklägerin meint, das Arbeitsgericht habe diese außerhalb des Erklärungsaktes des schriftlichen Aufhebungsvertrages liegenden Begleitumstände in eine Auslegung des Vertrags einbeziehen und den Vertrag entsprechend ergänzend auslegen müssen.

Dessen ungeachtet habe sie, die Beklagte, den Aufhebungsvertrag auch nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten. Die Täuschung sei darin zu sehen, dass der Kläger es entgegen einer ihn treffenden Aufklärungspflicht unterlassen habe, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass er im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages bereits einem anderen Arbeitgeber die Zusage für die Zeit ab dem 01.02.2008 gegeben habe und somit nicht mehr bereit gewesen sei, sich an die Bedingung für die Vereinbarung einer Abfindung, nämlich eine mindestens sechsmonatige Weiterarbeit bei dem Betriebserwerber, zu halten.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründung und des weiteren Schriftsatzes der Berufungsklägerin vom 16.01.2009 sowie den Inhalt des von dieser nochmals ausdrücklich herangezogenen erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 18.04.2008 wird ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.05.2008, 5 Ca 1043/08, teilweise abzuändern, soweit es unter Ziffer 1 des Tenors die Beklagte zur Zahlung von 68.000,00 € brutto nebst Zinsen aus einem Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2008 gegenüber dem Kläger verpflichtet hat und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte bestreitet, dass die Vereinbarung der Zahlung einer Abfindung im Aufhebungsvertrag vom 17./18.12.2007 einen anderen Sinn gehabt habe als den, ihm eine Gegenleistung für die Beendigung des seit 18 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnisses und einen Ausgleich für den dadurch bedingten Verlust seines sozialen Besitzstandes zu gewähren. Ein übereinstimmender Wille der Parteien zu einem anderweitigen Zweck der Abfindungsvereinbarung habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Auch in der von der Berufungsklägerin selbst formulierten Aufhebungsvereinbarung sei kein Wort darüber verloren worden, was er, der Berufungsbeklagte, nach dem 31.12.2007 zu tun oder zu lassen habe. Ganz im Gegenteil widersprächen die in Ziffer 6 und 4 des Aufhebungsvertrages enthaltenen Regelungen in eklatantem Maße einer angeblich gewollten Verpflichtung zur nahtlosen Weiterbeschäftigung ab dem 01.01.2008.

Im Übrigen macht der Kläger und Berufungsbeklagte geltend, er habe der Beklagten noch im Dezember 2007 angeboten, der Betriebserwerberin im Laufe des Monats Januar 2008 für eine geordnete Übergabe der Niederlassung H zur Verfügung zu stehen und eine entsprechende Vereinbarung darüber zu treffen. Er sei dementsprechend auch tätig geworden und habe der Betriebserwerberin aufgrund einer einvernehmlichen Regelung mit dieser sämtliche von ihr angeforderten Unterlagen und Informationen unverzüglich besorgt. Aus diesen und vom Kläger näher erläuterten weiteren Gründen kämen Schadensersatzansprüche von vornherein nicht in Frage.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.05.2008 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Beklagten musste jedoch in der Sache erfolglos bleiben. Das Arbeitsgericht Köln hat dem Kläger die in Ziffer 2.1 der Aufhebungsvereinbarung vom 17./18.12.2007 vereinbarte Abfindung in Höhe von 68.000,00 € brutto zu Recht zugesprochen. Der Kläger hat aufgrund des Aufhebungsvertrages einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Abfindung. Weder stand die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Abfindung unter einer - ungeschriebenen - Bedingung, die der Kläger nicht erfüllt hätte, noch hat die Beklagte den Aufhebungsvertrag wirksam angefochten. Erst recht kommt eine wirksame Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen nicht in Betracht.

Im Einzelnen:

1. Der Kläger hat nach Ziffer 2.1 des Aufhebungsvertrages vom 17./18.12.2007 einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 68.000,00 € brutto. Aus dem Inhalt des Aufhebungsvertrages ergibt sich als einziger Zweck dieser Abfindung, dass es sich um eine Gegenleistung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den damit verbundenen Verlust des sozialen Besitzstandes des Klägers handeln sollte. Dies folgt zum Einen aus dem systematischen, für derartige Aufhebungsverträge typischen Zusammenhang zwischen Ziffer 1 und 2, aber auch aus dem ausdrücklichen Hinweis auf eine "entsprechende Anwendung der §§ 9, 10 KSchG" in Ziffer 2.1.

2. Auch die im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages für die vertragsschließenden Parteien erkennbare gegenseitige Interessenlage lässt bei objektiver Betrachtung keinen anderen Zweck der Abfindung als den einer Gegenleistung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkennen.

a. Der Kläger lässt sich in dem am 17./18.12.2007 unterzeichneten Aufhebungsvertrag auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2007, also eine quasi fristlose Beendigung ein. Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB stand nicht im Raum.

b. Bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung hätte die Beklagte zunächst aufgrund der 18-jährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses eine gesetzliche Mindestkündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende einhalten müssen, § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB. Abgesehen davon bestand aber auch kein Grund für eine ordentliche Kündigung, auch nicht für eine solche betriebsbedingter Art. Es war den vertragsschließenden Parteien klar, dass sich die Beklagte zum 31.12.2007 aus der Niederlassung H , in welcher der Kläger bis dahin tätig war, zurückziehen würde. Schon mit Schreiben von 03.12.2007 hatte die Beklagte den Kläger darüber informiert, dass die Firma A GmbH & Co KG die bisherige Niederlassung H der Beklagten zum 01.01.2008 im Sinne eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB übernehmen werde. Zwischen den Parteien ist auch im gesamten vorliegenden Rechtsstreit unstreitig geblieben, dass es sich bei der Übernahme der Niederlassung H durch die Firma A um einen Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB gehandelt hat. Die gesetzliche Rechtsfolge eines Betriebsübergangs besteht jedoch nach § 613 a BGB darin, dass die Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen unverändert und unbefristet (!) nahtlos auf den Betriebserwerber übergehen. Eine etwaige betriebsbedingte Kündigung der Beklagten wäre somit ohne Weiteres gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam gewesen.

c. In Anbetracht dieser Sach- und Rechtslage bestand somit für den Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages der Parteien kein nachvollziehbarer Grund, sich freiwillig auf eine quasi fristlose Beendigung seines seit 18 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnisses einzulassen, es sei denn, ihm würde dafür eine attraktive Gegenleistung angeboten. Dies geschieht in Aufhebungsverträgen typischerweise durch die Zusage einer vom Arbeitgeber zu zahlenden Abfindung.

d. Diese Beurteilung der beiderseitigen Interessenlage wird noch dadurch bestärkt, dass die Beklagte selbst das mögliche Interesse der Betriebserwerberin ins Spiel gebracht hat, die in einem unbefristeten Fortbestand bestehender Arbeitsverhältnisse liegende Rechtsfolge des § 613 a BGB gegenüber dem Kläger zu vermeiden; denn wie sie bereits erstinstanzlich ausgeführt hat, habe für den Kläger "in seiner exponierten Position als Betriebsleiter das nachvollziehbare Risiko" bestanden, dass er "nach Übergabe der Geschäfte und Einführung der neuen Geschäftsführung in die Kundenbeziehungen nicht mehr benötigt würde". Insoweit als Sachwalterin der Belange der Betriebserwerberin fungierend war daher erkennbar auch der Beklagten daran gelegen, eine einvernehmliche - und somit rechtlich kaum angreifbare - Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeizuführen.

e. Die Regelungen des Aufhebungsvertrages selbst und die seinerzeit erkennbare beiderseitige Interessenlage belegen somit die Darstellung des Klägers, Zweck der in Ziffer 2.1. Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung sei es gewesen, dem Kläger eine Gegenleistung für die freiwillige Aufgabe des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2007 zu bieten.

3. Dem gegenüber findet sich für den von der Beklagten behaupteten "wahren" Zweck der Abfindungszusage, nämlich den Kläger dafür zu honorieren, dass er über den 01.01.2008 hinaus noch mindestens sechs Monate für die Betriebserwerberin arbeitet, um ihr in dieser Zeit die Geschäfte der Niederlassung umfassend und ordnungsgemäß übergeben zu können, in den Regeln der Aufhebungsvereinbarung nicht der geringste Anhaltspunkt.

a. Dies überrascht um so mehr, als der Beklagten nach ihrer eigenen Darstellung das Ziel, den Kläger zu einer mindestens sechsmonatigen Weiterarbeit über den 31.12.2007 hinaus zu bewegen, so wichtig gewesen sein soll, dass es ihr die Zahlung von immerhin 68.000,00 € wert gewesen wäre.

b. Andererseits wäre es für die Beklagte auch ein Leichtes gewesen, dieses Ziel einfach dadurch zu erreichen, dass sie bei der Gestaltung des Aufhebungsvertrages die für das Arbeitsverhältnis an sich ohnehin geltende sechsmonatige Kündigungsfrist eingehalten hätte.

c. Zwar ist der Beklagten darin Recht zu geben, dass bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen nach §§ 133, 157 BGB der bloße Wortlaut einer schriftlichen Vereinbarung nicht alleinentscheidend sein kann, sondern, wie § 133 BGB bestimmt, "der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften" ist.

aa. Dies führt anerkanntermaßen dazu, dass selbst bei formbedürftigen Erklärungen auch Umstände außerhalb der Urkunde bei der Auslegung zu berücksichtigen sind.

bb. Andererseits setzt jedoch jede Art von Auslegung einer Willenserklärung oder eines Vertragswerks voraus, dass eine Auslegungsbedürftigkeit besteht. Hat die Willenserklärung, bzw. der Vertrag nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt, ist für eine Auslegung kein Raum (BGHZ 80, 250; BGHZ 25, 319; BayObLG 81, 34; Palandt/Heinrichs, BGB, § 133 Rdnr. 6).

cc. Ferner wird bei der Heranziehung von Umständen außerhalb einer Vertragsurkunde von der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofs wie auch des Bundesarbeitsgerichts seit jeher zu Recht die sog. Andeutungstheorie vertreten. Sie verlangt, dass der aus Umständen außerhalb der Urkunde ermittelte rechtsgeschäftliche Wille in der Urkunde einen irgendwie gearteten, wenn auch unvollkommenen, Ausdruck gefunden haben muss (BAG ZIP 2005, 366; BGHZ 87, 154; BGHZ 80, 250; BGHZ 63, 362; BGH NJW 2000, 1569; BGH NJW 1996, 2793).

dd. Wie bereits ausgeführt sprechen die Regelungen des von den Parteien unterzeichneten schriftlichen Aufhebungsvertrages - im Einklang mit einer objektiven Beurteilung der damaligen Interessenlage - eindeutig und unmissverständlich für den gewollten Zweck der Abfindung als Gegenleistung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Für den von der Beklagten behaupteten "wahren" Zweck der Abfindungsvereinbarung findet sich dagegen im Wortlaut der Vertragsurkunde nicht der geringste Anhaltspunkt, auch nicht ein durch konkludente Wortinterpretation ermittelbarer.

d. Zwar gilt die sog. Andeutungstheorie nach herrschender Meinung dann nicht, wenn eine ergänzende Vertragsauslegung geboten ist, wie sie auch von der Beklagten im vorliegenden Verfahren verlangt wird. Auch für eine ergänzende Auslegung des Aufhebungsvertrages im Sinne des Abfindungszwecks der Beklagten bleibt vorliegend jedoch kein Raum.

aa. Die Anwendung einer ergänzenden Vertragsauslegung kommt nämlich nur in Betracht, wenn der Vertrag eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BGH NJW-RR 2005, 690; BGHZ 127, 142; BGH NJW 2002, 2310; BGHZ 125, 17; Palandt/Heinrichs, BGB, § 157 Rdnr. 3). Die ergänzende Vertragsauslegung knüpft an den im Vertrag enthaltenen Regelungsplan der Parteien an und versteht diesen als eine Rechtsquelle, aus der unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte Regelungen für offen gebliebene Punkte abgeleitet werden können (vgl. Palandt/Heinrichs, § 157 BGB, Rdnr. 2).

bb. Der Aufhebungsvertrag der Parteien vom 17./18.12.2007 enthält aber keine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich der Frage, welche Pflichten den Kläger für die Zeit nach dem 31.12.2007 treffen sollten. Ganz im Gegenteil erklären die Regelungen des Aufhebungsvertrages die gegenseitigen arbeitsrechtlichen Pflichten mit kaum zu überbietender Eindeutigkeit per 31.12.2007 für endgültig beendet.

aaa. So bestimmt Ziffer 1.1 das Ende des Arbeitsverhältnisses auf den 31.12.2007.

bbb. Gemäß Ziffer 1.2 ist das Anstellungsverhältnis von beiden Parteien "bis zum Beendigungszeitpunkt" ordnungsgemäß abzuwickeln.

ccc. Gemäß Ziffer 6 wird jeglicher Anspruch des Klägers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den vereinbarten Beendigungszeitpunkt oder ein Wiedereinstellungsanspruch und selbst ein Fortsetzungs- oder Wiedereinstellungsanspruch im Falle eines Betriebsübergangs sowohl gegenüber der Arbeitgeberin, als auch gegenüber dem Betriebserwerber ausgeschlossen.

ddd. Gemäß Ziffer 7 sind sich die Parteien darüber einig, dass mit Erfüllung dieses Aufhebungsvertrages alle wechselseitigen Ansprüche abgegolten und erledigt sind.

eee. Schließlich verpflichtet Ziffer 4 der Aufhebungsvereinbarung den Kläger, "sämtliche in seinem Besitz befindlichen Arbeitsmittel an seinem letzten Arbeitstag an seinen Vorgesetzten herauszugeben."

fff. Bei einer solchen Vertragsgestaltung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Verpflichtung des Klägers in die Vereinbarung hinein zu interpretieren, nach dem 31.12.2007 noch für mindestens sechs Monate auf seinem alten Arbeitsplatz zum Zwecke der Geschäftsübergabe für den Betriebserwerber weiterzuarbeiten, bedeutete nicht, eine vermeintliche Regelungslücke zu schließen, sondern würde weite Teile des erklärten Vertragsinhalts in ihr Gegenteil verkehren.

e. Zu guter Letzt ist auf den Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung hinzuweisen. Auch dieser spricht im vorliegenden Fall für den Kläger.

aa. Nach dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung gebührt derjenigen Auslegung im Zweifel der Vorzug, die zu einem Regelungsinhalt führt, der rechtmäßig und gesetzeskonform ist.

bb. Die Beklagte selbst führt aus: "Wenn die Beklagte den Aufhebungsvertrag dahingehend ergänzt hätte, dass die Abfindung unter der Bedingung steht, dass der Mitarbeiter die Geschäfte an die Betriebserwerberin übergibt, dann wäre die Abfindung von der Finanzverwaltung nicht als Entlassungsentschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1 EStG anerkannt worden, sondern vielmehr als voll zu versteuernde Bonuszahlung" (Schriftsatz vom 18.4.2008, Seite 9). Zu ergänzen bleibt, dass die zugesagte Zahlung in einem solchen Fall im Zweifel auch als sozialversicherungspflichtig angesehen worden wäre.

cc. Gewollt und angestrebt war von den Parteien aber eine Behandlung im Sinne von § 24 Nr.1 EStG. Der von der Beklagten befürwortete Regelungsinhalt implizierte somit den Versuch einer rechtswidrigen Umgehung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Grundsätze. Bei der vom Kläger befürworteten Auslegung wäre dies nicht der Fall.

4. Die Beklagte hat den Aufhebungsvertrag vom 17./18.12.2007 auch nicht erfolgreich gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten. Ein derartiger Anfechtungstatbestand liegt nicht vor. Der Kläger hat die Beklagte im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht arglistig getäuscht.

a. Wie aus den vorstehenden Erwägungen folgt, wurde keine rechtswirksame Bedingung für die Zahlung der Abfindung vereinbart, die darin bestanden hätte, in der Zeit nach dem 31.12.2007 noch für mindestens sechs Monate für die Betriebserwerberin tätig zu sein. Die Aufhebungsvereinbarung enthält keine solche Verpflichtung.

b. Kraft gesetzlicher Verpflichtung in § 623 BGB bedürfen Auflösungsverträge zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies war den Parteien auch bekannt.

c. Dementsprechend war von vornherein der schriftliche Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorgesehen.

d. Ist für eine Vereinbarung von den Parteien ein schriftlicher Vertrag vorgesehen und im Übrigen auch gesetzlich geboten, so kommt es für den maßgeblichen Inhalt der getroffenen Vereinbarung auf den Inhalt des schriftlichen Vertrages an.

e. Selbst wenn man somit zugunsten der Beklagten einmal unterstellt, dass ihr Geschäftsführer in den vorangegangenen Vertragsverhandlungen mit dem Kläger den Standpunkt eingenommen hatte, eine Abfindung solle nur gezahlt werden, wenn der Kläger noch mindestens sechs Monate lang für die Betriebserwerberin weiterarbeite, so konnte der Kläger mit Erhalt des schriftlichen Vertragsentwurfs davon ausgehen, dass in der rechtsverbindlichen schriftlichen Vertragsfassung an einem solchen Junktim seitens der Beklagten nicht mehr festgehalten würde.

f. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte selbst den Vertrag formuliert und erst einen Tag später als der Kläger mit dem von ihr ausgefertigten Inhalt auch selbst unterzeichnet hat.

g. Hinzukommt, dass dem Kläger im Zeitpunkt, als er den Aufhebungsvertrag unterschrieb, auch noch kein unterschriftsreifes Vertragsangebot seitens der Betriebserwerberin für ein Anschlussarbeitsverhältnis vorlag.

aa. Die von der Beklagten selbst in den Prozess eingeführte, letztlich nicht unterschriebene Arbeitsvertragsurkunde über ein befristetes Anschlussarbeitsverhältnis mit der Betriebserwerberin stammt vom 20.12.2007 (Bl. 67 d. A.), kann dem Kläger bei seiner Unterschriftsleistung am 17.12.2007 also noch nicht vorgelegen haben.

bb. Im Übrigen wäre es dem Kläger auch nicht zumutbar gewesen, einen solchen Vertrag zu unterzeichnen, in welchem u. a. folgende Regelung enthalten war: "Sollte der Arbeitnehmer aus welchem Grund auch immer, eine Abfindungsforderung gegenüber dem Arbeitgeber erheben oder Rechte aus dem Arbeitsverhältnis mit J GmbH geltend machen, so ist er verpflichtet, die Einmalzahlung/Abfindung, die er bei Ausscheiden aus den Diensten der J GmbH erhalten hat, an den Arbeitgeber zu zahlen. Gleiches gilt auch für den Fall, dass trotz der Beendigung des Anstellungsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und der J GmbH zum 31.12.2007 ein Betriebsübergang i. S. v. § 613 a BGB zum Arbeitgeber vorliegen sollte [Hervorhebung nur hier]." (vgl. Anstellungsvertragsentwurf wie Anlage B2 Ziffer 2 Abs. 3, Bl. 64 d. A.). Da zwischen allen Beteiligten unstreitig war und ist, dass zum 01.01.2008 ein Betriebsübergang der Niederlassung H der Beklagten auf die Firma A stattfinden sollte und dann auch stattgefunden hat, bedeutete die Regelung in Ziffer 2 Abs. 3, 2. Unterabsatz des Anstellungsvertragsentwurfs zumindest ihrem Wortlaut nach, dass der Kläger die Abfindung, die er ausweislich des Aufhebungsvertrages mit der Beklagten hätte beanspruchen können, sogleich an die Betriebserwerberin hätte zurückzahlen müssen.

h. Da der Kläger sich in der Aufhebungsvereinbarung nicht zu einer mindestens sechsmonatigen Weiterarbeit bei der Betriebserwerberin verpflichtet hat, bestand schon deshalb für ihn auch keine Verpflichtung, die Beklagte, noch bevor diese den Aufhebungsvertrag unterzeichnete, darüber zu informieren, dass er nunmehr den Plan gefasst hatte, ab dem 01.02.2008 ein anderweitiges Arbeitsverhältnis einzugehen.

i. Die Unterschriftsleistung der Beklagten unter die Aufhebungsvereinbarung vom 17./18.12.2007 beruht somit nicht auf einer arglistigen Täuschung durch den Kläger, sondern allenfalls auf einem Motivirrtum ihrerseits. Ein solcher Motivirrtum ist jedoch rechtlich unbeachtlich.

5. Ebenso wenig kann die Beklagte gegen den Anspruch des Klägers auf Zahlung der vereinbarten Abfindung erfolgreich aufrechnen. Aufrechenbare Schadensersatzansprüche sind nicht erkennbar.

a. Dies gilt in erster Linie zunächst für die angeblichen Ansprüche, die die Beklagte meint aus dem Schreiben der Betriebserwerberin an sie vom 18.02.2008 herleiten zu können.

aa. Die Betriebserwerberin stellt in diesem Schreiben angeblich "durch das Verhalten von Herrn W " entstandene, in jeder Hinsicht unsubstantiierte und in keiner Weise objektiv nachvollziehbare sog. "Mehrkosten" in den Raum und schließt mit der Bitte an die Beklagte: "Bitte unterbreiten Sie uns Vorschläge, wie wir weiter verfahren wollen."

bb. Wie die Beklagte meint, aus einem solchen Vorgang gegen eine fällige Abfindungsforderung des Klägers aufrechnen zu können, bleibt für das Berufungsgericht schlechthin unerfindlich.

cc. Dies gilt des Weiteren auch deshalb, weil die Betriebserwerberin im Januar 2008 tatsächlich gewisse Übergabeleistungen des Klägers entgegen genommen und auf eine weitere vollschichtige Mitarbeit des Klägers für die Zeit ab 15.01.2008 durch Abschluss eines vorsorglichen Aufhebungsvertrages mit ihm verzichtet hat.

dd. Ferner übersieht die Betriebserwerberin in dem fraglichen Schreiben, dass auch der Kläger von ihr in der Zeit bis zum 30.06.2008 sein monatliches Gehalt in Höhe von 5.000,00 € brutto zzgl. vertraglicher Nebenleistungen hätte beanspruchen können, wenn er das nach ihrer und der Beklagten Meinung gebotene rechtmäßige Alternativverhalten gezeigt hätte.

b. Auch einen eigenen ersatzfähigen und aufrechenbaren Gegenanspruch auf Schadensersatz hat die Beklagte nicht schlüssig dargelegt.

aa. Es ist nochmals zu wiederholen, dass der Kläger zu Arbeitsleistungen nach dem 31.12.2007 grundsätzlich nicht mehr verpflichtet war. Eine entsprechende gesonderte Vereinbarung ist nicht zustande gekommen.

bb. Zwar kann auch die Beendigung seines früheren Arbeitsverhältnisses zur Beklagten die vertragliche Nebenpflicht auslösen, den Arbeitsplatz und die damit verbundenen Geschäfte ordnungsgemäß zu hinterlassen bzw. an einen Nachfolger zu übergeben. Für solche Aufgaben ist jedoch grundsätzlich die bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen normalerweise einzuräumende Kündigungsfrist gedacht.

cc. Wenn der Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer einen quasi fristlosen Aufhebungsvertrag schließt, nimmt er einerseits den Vorteil für sich in Anspruch, alsbald u. a. aus der Vergütungszahlungspflicht entlassen zu werden. Auf der anderen Seite muss der Arbeitgeber dann aber im Zweifel in Kauf nehmen, dass Arbeiten, die sonst noch während der Kündigungsfrist von dem ausscheidenden Mitarbeiter hätten bewältigt werden können und müssen, liegen bleiben.

dd. Selbst wenn man aber zugunsten der Beklagten in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch von einer nachvertraglichen Verpflichtung des Klägers zur Vornahme gewisser Übergabearbeiten ausgeht, so hat der Kläger im Januar tatsächlich in einem im einzelnen nicht näher geklärten Umfang für derartige Arbeiten zur Verfügung gestanden. Zum Anderen hat die Betriebserwerberin bereits am 15.01.2008 auf eine über Auskunfts- und Informationspflichten hinausgehende weitere Mitarbeit des Klägers freiwillig verzichtet.

ee. Aus dem Sachvortrag der Beklagten geht somit nicht hervor, dass und inwiefern die von ihr geltend gemachten "Schadenspositionen" durch ein vertragswidriges Verhalten des Klägers verursacht wurden, dass die Aufwendungen sonst nicht angefallen wären und ebenso wenig, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt vorliegend "Besprechungstermine" ihres Geschäftsführers gesondert zu vergüten gewesen wären.

6. Bei alledem konnte die Berufung der Beklagten gegen das zutreffende Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.05.2008 keinen Erfolg haben.

III. Die Kosten der erfolglosen Berufung fallen gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten zur Last.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist bei der Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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