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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 16.03.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 1189/04
Rechtsgebiete: BetrVG, GG, SGB IX


Vorschriften:

BetrVG § 112
GG Art. 3
SGB IX § 123
1. Ein Schwerbehinderter Mensch, der mit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersrente ohne Rentenabschläge in Anspruch nehmen kann, hat keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen, die ein Sozialplan für den Fall vorsieht, dass der vorgezogene Bezug von Altersrente mit Rentenabschlägen verbunden ist.

2. Etwas anders folgt auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder aus § 123 I SGB IX.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.08.2004 in Sachen 11 Ca 13032/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um vermeintliche Ansprüche des Klägers aus einem Sozialplan vom 17.02.2000. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und der Gründe, die die 11. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 04.08.2004 Bezug genommen. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 09.09.2004 zugestellt. Er hat hiergegen am 05.10.2004 Berufung einlegen und diese am 09.11.2004 begründen lassen. Der Kläger räumt zwar ein, dass im Rahmen eines Sozialplans eine Ungleichbehandlung zwischen solchen Arbeitnehmergruppen, die in absehbarer Zeit Rente beziehen, und denjenigen, die vom Rentenbezug zeitlich weiter entfernt sind, sachlich gerechtfertigt sei. Sachlich nicht gerechtfertigt sei es jedoch, behinderte Arbeitnehmer deshalb von der Zahlung eines Rentenabschlags durch die Beklagte auszunehmen, nur weil sie aufgrund ihrer Behinderung Leistungen der öffentlichen Sozialversicherungsträger erhielten. Gemäß § 123 Abs. 1 SGB IX sei es unzulässig, Renten oder vergleichbare Leistungen, die wegen der Behinderung bezogen würden, ganz oder teilweise auf das Arbeitsentgelt anzurechnen. Dies müsse in der hiesigen Konstellation in gleicher Weise gelten. Wie sich aus dem Rentenbescheid der Seekasse vom 10.01.2003 ergebe, sei ihm, dem Kläger aus Gründen des Vertrauensschutzes eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne Rentenabschlag gewährt worden. Diese Sonderregelung gelte für schwerbehinderte Menschen, da sie erfahrungsgemäß im Arbeitsleben mit Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr vermittelbar seien und sie andererseits regelmäßig höhere Lebenshaltungskosten aufgrund ihrer Behinderung aufzuwenden hätten. Diese gesetzliche Intention würde leer laufen, wenn die Sozialplanregelung der Beklagten in deren Sinne ausgelegt würde. Zwar seien bei den Regelungen in § 2 des Sozialplanes bei den Mitarbeitern ab 57 Jahre oder älter Behinderte nicht besonders erwähnt, die fehlende Differenzierung zwischen nichtbehinderten und schwerbehinderten Menschen könne jedoch nur so verstanden werden, dass die Beklagte einen Ausgleich bis höchstens 14,4 Prozentpunkte Rentenabschlag an den Arbeitnehmer zahlen würde, der diesem durch Inanspruchnahme der Altersrente nach dem 60. Lebensjahr entstehe. Der Kläger und Berufungskläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einen fiktiven Ausgleich von 14,4 Prozentpunkten Rentenabschlag, der durch die vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres entstanden ist, maximal jedoch einen Betrag von 15.338,76 € an den Kläger zu zahlen. Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte verteidigt die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils. Darüber hinaus wiederholt sie ihre Rechtsauffassung, dass etwaige Ansprüche des Klägers aus dem Sozialplan auch gemäß § 19 Ziff. 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie NRW vom 24.08./11.09.2001 verfallen seien. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet. II. Die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 04.08.2004 ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da eine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren nicht existiert. Das Berufungsgericht macht sich insoweit die überzeugenden Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils zu eigen. Da es bereits an einer Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die Ansprüche des Klägers nicht auch auf Grund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist des § 19 Ziff. 2 MTV verfallen sind. Aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz kann zusammenfassend und ergänzend Folgendes festgestellt werden. 1. Nach dem Wortlaut des Sozialplans vom 17.02.2000 scheidet der vom Kläger begehrte Anspruch von vornherein aus. § 3 Ziff. 2 des Sozialplans sieht einen Ausgleich der in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehenen Abschläge bei der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente nach dem 60. Lebensjahr nämlich ausdrücklich nur dann vor, sofern und solange solche Abschläge tatsächlich vorgenommen werden. Der Kläger konnte die gesetzliche Altersrente jedoch mit Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch nehmen ohne dass bei ihm Abschläge wegen vorzeitigen Rentenbezugs vorgenommen worden wären. Der Nachteil, der durch § 3 Ziff. 2 des Sozialplans ausgeglichen werden sollte, trat beim Kläger somit von vornherein überhaupt nicht ein. 2. Der Kläger meint hingegen, dass er nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz so gestellt werden müsse, als wenn bei ihm - entgegen den tatsächlichen Verhältnissen - der Nachteil, der durch die Regelung in § 3 Ziff. 2 des Sozialplanes ausgeglichen werden sollte, tatsächlich eingetreten wäre. Der Kläger stellt darauf ab, dass er nur deshalb keinen Rentenabschlag habe hinnehmen müssen, weil er - nachträglich - als schwerbehinderter Mensch mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % anerkannt worden sei. Die Auffassung des Klägers geht fehl. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet keineswegs, dass die Sozialpartner bei Abschluss des Sozialplanes vom 17.02.2000 hätten vorsehen müssen, dass schwerbehinderte Menschen wie der Kläger einen Ausgleich für Rentenabschläge bei der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente auch dann erhielten, wenn sie von diesen Abschlägen gar nicht betroffen würden. a. Der Kläger verkennt grundlegend, dass der Sinn und Zweck der Sozialplanregelungen darin besteht, die Nachteile auszugleichen bzw. abzumildern, die die Mitarbeiter der Beklagten seinerzeit aufgrund der sie treffenden betriebsbedingten Kündigungen hinnehmen mussten. Wie der Kläger selbst einräumt, stellt die Frage, ob die betroffenen Arbeitnehmer in absehbarer Zeit die gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen können, einen maßgeblichen Gesichtspunkt für die Bestimmung der durch die betriebsbedingten Kündigungen zu erwartenden Nachteile dar. Auch der Kläger stellt nicht in Abrede, dass Mitarbeiter, für die die Option des Altersrentenbezuges bei Auslaufen der Kündigungsfrist noch in weiter Ferne ist, in grundlegend anderer Weise von einer betriebsbedingten Kündigung betroffen werden als solche Mitarbeiter, die unter Inanspruchnahme der ihnen zustehenden sozialrechtlichen Leistungen in den Altersruhegeldbezug übergehen können. b. Mitarbeiter, für die aufgrund ihres Alters ein alsbaldiger Rentenbezug noch nicht in Frage kommt, sind in der Regel darauf angewiesen, sich auf dem Arbeitsmarkt nach einer Anschlussbeschäftigung umzusehen. Menschen, die von einer Behinderung betroffen sind, haben dabei mit besonderen Erschwernissen zu kämpfen. Ihre Vermittlungschancen sind typischerweise schlechter als die bei nicht behinderten Arbeitsplatzkonkurrenten. Von daher rechtfertigt sich die in § 2 Ziff. 2 des Sozialplans vom 17.02.2000 aufgenommene Regel, wonach Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Personen unter 57 Jahren eine um zwei Bruttomonatsgehälter erhöhte Abfindung zusteht. c. Für die Gruppe der Mitarbeiter über 57 Jahre stellt sich die Frage nach der Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt jedoch nicht in gleicher Weise, da bei ihnen davon ausgegangen werden konnte, dass nach den im Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans geltenden sozialrechtlichen Regelungen diese Mitarbeiter nach der betriebsbedingten Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses unter Inanspruchnahme der sozialrechtlichen Möglichkeiten nahtlos in die Altersrente übergehen konnten. d. Nicht behinderte Mitarbeiter konnten die Option des vorzeitigen Rentenbezugs jedoch nur in Anspruch nehmen, wenn sie gleichzeitig in der Regel erhebliche Rentenabschläge in Kauf nehmen mussten. Diese Nachteile bei der Höhe des zu erwartenden Rentenbezuges waren somit ebenfalls durch die betriebsbedingte Kündigung verursacht. Von daher erscheint es sachgerecht, dass die Sozialpartner bei Abschluss des Sozialplans vom 17.02.2000 in § 3 Ziff. 2 Ausgleichsleistungen für die tatsächlich erfolgenden Rentenabschläge vorgesehen haben. e. Der Kläger hat jedoch diesen Nachteil eines Rentenabschlags nicht erleiden müssen. Wer einen Nachteil nicht erleidet, bedarf auch keines Ausgleichs dieses Nachteils. f. Mit der Frage, ob schwerbehinderte Menschen aufgrund ihrer Schwerbehinderung regelmäßig höhere Lebenshaltungskosten aufzuweisen haben, hat all dies entgegen der Auffassung des Klägers nichts zu tun. Der Kläger erhält als schwerbehinderter Mensch dieselbe Altersrente, die er sonst zu einem späteren Zeitpunkt beziehen würde, bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres ohne Abschlag. Anders als bei nichtbehinderten Kollegen führt die betriebsbedingte Kündigung bei dem Kläger somit nicht dazu, dass er bei Inanspruchnahme der Altersrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres rentenrechtliche Nachteile zu befürchten hat. Der berechtigte Sinn und Zweck, der die Sozialpartner zum Abschluss der Regelung in § 3 Ziff. 2 des Sozialplans veranlasst hat, liegt beim Kläger somit nicht vor. Soweit der Kläger somit vordergründig "ungleich" behandelt wird, hat diese Ungleichbehandlung einen sachlichen Grund. 3. Das Argument des Klägers schließlich, letztlich würden bei ihm Leistungen, die er wegen seiner Behinderung beziehe - damit meint der Kläger wohl die Möglichkeit des vorzeitigen Altersrentenbezugs ohne Rentenabschlag -, auf das "Arbeitsentgelt" bzw. auf seine Ansprüche aus dem Sozialplan angerechnet, liegt ersichtlich neben der Sache. Der Anspruch, der in § 3 Ziff. 2 des Sozialplans vorgesehen ist, setzt bereits in seiner Entstehung voraus, dass überhaupt Rentenabschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgenommen werden. Wo solche Abschläge dagegen nicht vorgenommen werden, existiert ein Anspruch nach § 3 Ziff. 2 des Sozialplans von vornherein nicht. Auf einen nichtexistierenden Anspruch kann aber auch nichts angerechnet werden. III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist vorliegend nicht gegeben.

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