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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.04.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 1232/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
1. Verschafft sich ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes unter einem Vorwand einen dienstlichen Kleintransporter, um damit eine unerlaubte Privatfahrt durchzuführen, so ist ein solches Verhalten grundsätzlich geeignet, auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es kommt jedoch stets auf die Umstände des Einzelfalls an.

2. Offenbart der Arbeitnehmer zu Beginn des nächsten Arbeitstages sein Fehlverhalten, noch bevor es vom Arbeitgeber entdeckt werden konnte, so ist ihm dieses Geständnis im Rahmen der Interessenabwägung zugutezuhalten, auch wenn es unter dem Eindruck eines von ihm bei der Rückkehr auf dem Betriebsgelände verursachten Blechschadens an dem Fahrzeug erfolgte.


Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.06.2006 in Sachen 13 Ca 2890/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 13. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu veranlasst haben festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die streitige fristlose Kündigung der Beklagten vom 03.04.2006 nicht aufgelöst worden ist, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 13.06.2006 Bezug genommen. Ergänzend wird wegen aller Einzelheiten des erstinstanzlichen Beklagtenvortrages auf den Inhalt der beklagtenseitigen Klageerwiderungsschrift vom 23.05.2006 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 13.06.2006 wurde dem beklagten Land am 04.10.2006 zugestellt. Das beklagte Land hat am 02.11.2006 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 04.01.2007 am 04.01.2007 begründen lassen.

Das beklagte Land hält an seiner Auffassung fest, dass die streitige Kündigung rechtswirksam gewesen sei. Es macht geltend, das Arbeitsgericht habe wesentliche und zudem unstreitige Teile des Sachverhalts außer Acht gelassen und bei der Gewichtung des Fehlverhaltens des Klägers nicht ausreichend gewürdigt. So habe der Kläger bereits einige Tage vor dem 17.03.2006 versucht, seinen Kollegen F dazu zu bewegen, ihm die Durchführung einer verbotenen Privatfahrt mit dem Dienstfahrzeug zu ermöglichen. Selbst die daraufhin erfolgte Mahnung seitens des Kollegen F , der Kläger solle an eine unerlaubte Privatfahrt "nicht einmal denken", habe ihn aber von seiner Tat am 17.03.2006 nicht abgehalten.

Des weiteren habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger durch seine Eintragungen im Fahrtenbuch eine Dienstfahrt vorgespiegelt habe, wobei die Funktion eines Fahrtenbuches nicht nur darin liege, die Laufwege des Dienstfahrzeuges wiederzugeben, sondern auch zur Erfassung der Arbeitszeit des jeweiligen Fahrers diene, ferner steuerlichen Zwecken und dem Nachweis für den Fahrzeughalter im Falle von Feststellungen und Nachforschungen in Bezug auf Ordnungswidrigkeiten.

Zu Unrecht, so die Meinung des beklagten Landes, habe das Arbeitsgericht dem Kläger zugute gehalten, dass dieser die unerlaubte Privatfahrt und den von ihm angerichteten Schaden freiwillig gemeldet habe. Es verbiete sich von einer "freiwilligen Offenbarung" zu sprechen, da das Verhalten des Klägers aufgrund des am Fahrzeug angerichteten Schadens ohnehin entdeckt worden wäre. Bezeichnenderweise habe der Kläger bei seiner Befragung durch die Kanzlerin am 24.03.2006 offen eingeräumt, dass er ohne den von ihm verursachten Unfall die von ihm durchgeführte Privatfahrt nicht gemeldet hätte.

Aus alledem folge entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts, dass die Gefahr, dass der Kläger sich auch in Zukunft ähnliche Pflichtverletzungen zu Schulden kommen lassen werde, keinesfalls ausgeräumt sei. Auch seien bei der Gesamtbeurteilung die Abmahnung vom Januar 2002 und die Rüge aus dem Jahre 2004 nicht außer Acht zu lassen.

Das beklagte Land als Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.06.2006, 13 Ca 2890/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

Die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts an und meint, dieses habe richtig entschieden.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des beklagten Landes konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht die streitige außerordentliche Kündigung vom 03.04.2006 für rechtsunwirksam erklärt hat. Das Berufungsgericht hält die vom Arbeitsgericht für seine Entscheidung angeführten Gründe in ihrem Kern für überzeugend. Das beklagte Land hat in der Berufungsinstanz keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere rechtliche Beurteilung des Falles rechfertigen könnten.

Aus der Sicht des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist zusammenfassend und ergänzend das Folgende auszuführen:

1. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das hier zu beurteilende Fehlverhalten des Klägers seiner Art nach grundsätzlich geeignet sein kann, als ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

a. Dieses Fehlverhalten besteht im Wesentlichen darin, dass der Kläger sich den Besitz des Dienstfahrzeuges verschafft hat, um damit entgegen einem ihm bekannten ausdrücklichen Verbot, dieses Dienstfahrzeug zu außerdienstlichen Zwecken zu nutzen, eine private Transportfahrt durchführen zu können.

b. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass der Kläger bereits wenige Tage vor dem 17.03.2006 einen fehlgeschlagenen Versuch unternommen hatte, sich zu dem besagten Zweck den Besitz des Dienstfahrzeugs zu verschaffen, und dabei versucht hatte, den Kollegen Fraundorf dazu zu bewegen, zu der geplanten Dienstpflichtverletzung Beihilfe zu leisten. Auch wenn somit dem beklagten Land einzuräumen ist, dass dieser Aspekt nicht außer Betracht bleiben darf, so handelt es sich andererseits dennoch insgesamt um einen einheitlichen Lebenssachverhalt; denn beides Mal ging es dem Kläger darum, mit dem Dienstfahrzeug einen Transport durchführen zu können, wie er ihn am 17.03.2006 dann offenbar tatsächlich durchgeführt hat.

c. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ist dem Kläger dagegen nicht zusätzlich auch noch der Tatbestand des Arbeitszeitbetruges - auch nicht in Form des Versuchs - vorzuwerfen.

aa. Der Kläger hat die Tatsache, dass er die fragliche Fahrt durchgeführt hat, deren zeitliche Dauer und die dabei zurückgelegten Kilometer wahrheitsgemäß im Fahrtenbuch eingetragen. Er hat es damit dem beklagten Land als Halter des Fahrzeugs ermöglicht, den Einsatz des Dienstfahrzeugs nachzuvollziehen.

bb. Zwar ist nicht zu leugnen, dass die kommentarlose Eintragung des Klägers in das Fahrtenbuch den Eindruck erweckt, als habe der Kläger zu der fraglichen Zeit eine reine Dienstfahrt vorgenommen. Wäre die Eintragung des Klägers im Fahrtenbuch im konkreten Fall auch für die Erfassung der Arbeitszeit - und damit letztendlich auch für die Abrechnung der Vergütung - relevant geworden, hätte sich der Kläger allerdings auch offen dem Rechtfertigungszwang ausgesetzt, welche dienstliche Notwendigkeit ihn am 17.03.2006 dazu bewogen hätte, seine üblicherweise um 15.00 Uhr endende Arbeitszeit in dem dokumentierten Umfang zu überschreiten. Indessen hat aber das beklagte Land auch in der Berufungsinstanz über allgemeine Ausführungen zur "Funktion eines Fahrtenbuches" hinaus in keiner Weise dargelegt, dass das hier in Rede stehende Fahrtenbuch tatsächlich - und auch im Bezug auf den Kläger - der Zweckbestimmung unterlag, Grundlage für die Arbeitszeitabrechnung zu sein.

cc. Letztendlich kann dies aber auch dahinstehen; denn selbst wenn in der vom Kläger vorgenommenen Eintragung im Fahrtenbuch (auch) der Versuch eines Arbeitszeitbetruges gesehen werden könnte - wobei keinerlei Anhaltspunkt dafür spricht, dass es dem Kläger gerade darauf angekommen wäre, da seine Eintragung nicht von dem Willen diktiert war, Überstundenvergütung zu erschleichen, sondern der Notwendigkeit geschuldet war, jedwede Fahrt mit dem Dienstfahrzeug zu dokumentieren -, so ist der Kläger jedenfalls von diesem Versuch noch rechtzeitig vor vollendeter Tat zurückgetreten. Der Kläger hat nämlich unstreitig sofort zu Beginn des nächsten Arbeitstages die Umstände der Fahrt vom 17.03.2006 gegenüber dem beklagten Land offen gelegt und somit auch klargestellt, dass es sich bei der Fahrt schwerpunktmäßig um eine Privatfahrt gehandelt hat. Diese Offenbarung erfolgte auch zu einem Zeitpunkt noch bevor der Kläger damit hätte rechnen müssen, dass ein für die Feststellung des Umfangs der erbrachten Arbeitszeiten zuständiger Mitarbeiter schon Kenntnis von den Eintragungen im Fahrtenbuch erlangt haben könnte und noch bevor ein solcher Mitarbeiter tatsächlich Kenntnis erlangt hatte.

2. § 626 Abs. 1 BGB schreibt vor, dass bei der Würdigung eines als wichtiger Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung geeigneten Sachverhalts die Interessen beider Vertragsteile gegeneinander abzuwägen sind und dabei alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen. Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht darin, dass die Abwägung der beiderseitigen Interessen im vorliegenden Fall ergibt, dass dem beklagten Land eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger über den Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung hinaus zuzumuten gewesen wäre.

Das Arbeitsgericht referiert zutreffend, dass der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung als das schärfste im Arbeitsvertragsverhältnis überhaupt zur Verfügung stehende Sanktionsmittel nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur als ultima ratio in Betracht kommt, wenn keine anderen weniger schwerwiegend in das Vertragsverhältnis eingreifenden Sanktionen mehr geeignet sind, die berechtigten Interessen der die Kündigung in Erwägung ziehenden Vertragspartei zu wahren. Das Berufungsgericht teilt die Einschätzung des Arbeitsgerichts, dass es dem beklagten Land im vorliegenden Fall zumutbar gewesen wäre, es als Reaktion auf das unstreitige arbeitsvertragliche Fehlverhalten des Klägers bei einer weniger scharfen Reaktion zu belassen als sie der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung darstellt. Nach Überzeugung des Berufungsgerichts hätte das beklagte Land seine berechtigten Interessen auch durch Ausspruch einer deutlichen Abmahnung und dadurch wahren können, dass es den Kläger ggf. zur Leistung von Schadensersatz für den von ihm verursachten Fahrzeugschaden herangezogen hätte.

a. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist zunächst noch über die bereits diskutierten Gesichtspunkte hinaus zu berücksichtigen, dass der Kläger anlässlich der von ihm durchgeführten verbotenen Privatfahrt mit dem Dienstfahrzeug - offensichtlich durch Unachtsamkeit - einen nicht unerheblichen Schaden verursacht hat.

b. Dieser auf dem Dienstgelände der Arbeitsstätte des Klägers sich ereignende Unfall steht seiner Art nach allerdings in keinem spezifischen Zusammenhang zu der Art der vom Kläger durchgeführten Privatfahrt und hätte sich in der gleichen Weise und an der gleichen Stelle ohne weiteres auch anlässlich einer Dienstfahrt ereignen können.

c. Das Arbeitsgericht hat bei der Interessenabwägung dem Kläger zu Recht zugute gehalten, dass er den von ihm verursachten Unfall zum Anlass genommen hat, bei aus seiner Sicht nächst bereiter Gelegenheit sein Fehlverhalten zu offenbaren und seine Bereitschaft zu zeigen, für die Schadensfolgen des Unfalls auch einzustehen.

d. Zu Unrecht hält das beklagte Land dem Kläger vor, den Unfall nicht schon am Freitagabend gemeldet zu haben, sondern damit bis zum Beginn des nächsten Arbeitstages, also des darauf folgenden Montags gewartet zu haben. Objektiv betrachtet konnte der Kläger schlechterdings nicht damit rechnen, an einem Freitag nach 17.30 Uhr noch einen Vorgesetzten in der Arbeitsstätte anzutreffen, der zur Entgegennahme einer entsprechenden Schadensmeldung zuständig und in der Lage gewesen wäre. Dass die Kanzlerin der Musikhochschule zu der fraglichen Zeit noch in der Musikhochschule anwesend war, beruhte auf einem reinen Zufall. Das beklagte Land hat nichts Konkretes dafür vorgetragen, warum der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt noch mit der Anwesenheit der Kanzlerin oder eines anderen gegebenenfalls zuständigen Vorgesetzten hätte rechnen müssen.

e. Durch die Offenbarung seines Fehlverhaltens zu dem aus seiner nachvollziehbaren Sicht frühest möglichen Zeitpunkt ist der Kläger - gerade noch rechtzeitig - zu einem redlichen Verhalten zurückgekehrt, welches es dem beklagten Land als Arbeitgeber ermöglicht, in zumutbarer Weise weiter an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten.

aa. Entgegen der Argumentation des beklagten Landes wird das Geständnis des Klägers nicht entscheidend dadurch entwertet, dass er durch den Unfall in der Garage der Musikhochschule in einen gewissen Zugzwang geraten sein mag. Die streitige Kündigung kann nicht maßgeblich darauf gestützt werden, dass der Kläger sein Fehlverhalten möglicherweise nicht zugegeben hätte, wenn es nicht zu dem Unfall gekommen wäre, weil es sich dabei um ein rein hypothetisches, nicht den wirklichen Tatsachen entsprechendes Geschehen handelt. Die auch in der Berufungsinstanz wiederholte Behauptung der Beklagten, der Kläger habe "bei seiner Befragung ganz offen zugegeben, ohne den Schadeneintritt hätte er die von ihm durchgeführte Privatfahrt selbstverständlich nicht offenbart", ist in dieser Form durch die vom beklagten Land selbst vorgelegten einschlägigen Unterlagen nicht verifiziert. In dem von der Kanzlerin der Musikhochschule selbst angefertigten Vermerk über den Ablauf der Befragung des Klägers vom 24.03.2006 heißt es nämlich hierzu lediglich: "Auf Nachfrage räumte Herr B ein, dass ohne den entstandenen Schaden am Transit niemand etwas von der Fahrt bemerkt hätte."

bb. Diese erst durch gezielte Nachfrage erhaltene Aussage des Klägers steht in offenem Widerspruch zu den sonstigen Tatsachen, auf die auch die Beklagte abstellt; denn unstreitig hat der Kläger die Tatsache, am Freitagnachmittag eine Fahrt im Umfang von 20 Km durchgeführt zu haben, im Fahrtenbuch dokumentiert. Wenn die Eintragungen im Fahrtenbuch überhaupt zur Kenntnis genommen und kontrolliert werden - wovon in Anbetracht der Einlassung des beklagten Landes auszugehen ist -, so wäre die Tatsache der Fahrt als solche keinesfalls unbemerkt geblieben.

cc. Da die Fahrt außerdem im Wesentlichen außerhalb der regulären Arbeitszeit des Klägers stattgefunden hat und das beklagte Land selbst die These in den Raum stellt, dass "ein Fahrtenbuch" grundsätzlich auch zur Erfassung der Arbeitszeit des Kraftfahrers dienen soll, so hätte der Kläger schon aufgrund seiner Eintragung der Fahrt im Fahrtenbuch damit rechnen müssen, dass ihm Rückfragen wegen der Notwendigkeit einer Dienstfahrt außerhalb der Arbeitszeit gestellt werden würden. Es wäre dem Kläger dann zwar in Anbetracht seiner eigenen Eintragungen im Fahrtenbuch nicht möglich gewesen, die Fahrt als solche zu leugnen. Wohl aber hätte für ihn theoretisch die Möglichkeit bestanden, einen ausschließlich dienstlichen Charakter der Fahrt vorzutäuschen. Daran wäre er auch in Anbetracht des geschehenen Unfalls nicht gehindert gewesen. Dies gilt um so mehr, als er über das sich an den fraglichen Freitag anschließende Wochenende hin ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, sich ein möglichst plausibel erscheinendes Szenario zurechtzulegen. Allein der Umstand, dass ihm während einer Dienstfahrt aus Fahrlässigkeit ein Unfall mit Blechschaden unterlaufen wäre, hätte ihn auch nicht ansatzweise in die Gefahr einer Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bringen können.

dd. Wenn der Kläger somit an dem auf den Unfalltag folgenden Montagmorgen nicht nur den Unfall sogleich gemeldet hat, sondern auch die Tatsache eingeräumt hat, dass dieser sich zum Abschluss einer schwerpunktmäßig aus privaten Gründen durchgeführten Fahrt ereignet hat, so ist ihm dies somit sehr wohl zugute zu halten. Der Kläger hat dadurch die Voraussetzung dafür geschaffen, die durch sein vorangegangenes schwerwiegendes Fehlverhalten in Frage gestellte Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses jedenfalls insoweit wieder herzustellen, dass es dem Arbeitgeber nunmehr zugemutet werden kann, ihn "auf Bewährung" weiter zu beschäftigen.

f. Im Rahmen der Interessenabwägung ist darüber hinaus zu beachten, dass der Kläger sich in einem bereits seit über zehn Jahren bestehenden Arbeitsverhältnis einen beträchtlichen sozialen Besitzstand erworben hat.

g. Es liegt auch keine einschlägige frühere Abmahnung vor, die den Kläger als Wiederholungstäter kennzeichnet. Die Abmahnung vom Januar 2002 war im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung schon wegen des erheblichen Zeitablaufs irrelevant und überdies inhaltlich nicht einschlägig. Die sog. schriftliche Rüge aus dem Jahre 2004 erreicht nicht einmal das Gewicht einer Abmahnung und betrifft überdies ebenfalls einen inhaltlich nicht einschlägigen Sachverhalt.

h. Auf der anderen Seite ist auch zu bedenken, dass der Kläger sich im fraglichen Zeitpunkt aufgrund der soeben erst erfolgten Trennung von seiner Ehefrau in einer privaten Ausnahmesituation befand, die zu dem konkreten Anlass für die fragliche Privatfahrt beitrug und insofern das hier in Rede stehende Fehlverhalten unmittelbar mitverursacht hat.

aa. Zwar ist der Arbeitnehmer gehalten dafür zu sorgen, dass seine privaten Probleme sein Arbeitsverhältnis nicht beeinträchtigen.

bb. Der Umstand, dass bei dem hier in Rede stehenden konkreten Fehlverhalten des Klägers eine akute private Problemsituation eine mitursächliche Rolle gespielt hat, unterstützt jedoch die Einschätzung, dass nicht von einer generellen Neigung des Klägers zu derartigem Fehlverhalten ausgegangen werden kann. Gerade auch der durch den am Ende der verbotenen Privatfahrt erfolgten Unfall ungewöhnliche und für den Kläger besonders einschneidende Verlauf der Ereignisse spricht in Anbetracht des anschließend vom Kläger gezeigten Verhaltens dafür, dass sich der Kläger diese Ereignisse in Zukunft "eine Lehre sein lässt".

i. Hierauf bauend war es dem beklagten Land als Arbeitgeber nochmals zuzumuten, diesmal noch nicht zu der einschneidendsten Sanktion einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu greifen, erst recht nicht zu einer Beendigung durch außerordentliche, fristlose Kündigung.

III. Die Kostenfolge beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Bei der Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls liegt ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision nicht vor.

Ende der Entscheidung

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