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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 16.03.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 1260/04
Rechtsgebiete: BetrAVG, EU-Richtlinie 80/987/EWG


Vorschriften:

BetrAVG § 7 Abs. 1 a
EU-Richtlinie 80/987/EWG
1. Gemäß § 7 Abs. 1 a S. 3 BetrAVG haftet der Pensionssicherungsverein nicht für rückständige Ansprüche auf eine betriebliche Invalidenrente, die früher als sechs Monate vor dem Eintritt der regulären Einstandspflicht des Pensionssicherungsvereins nach § 7 Abs. 1 a S. 1 BetrAVG entstanden sind.

2. Das gilt auch dann, wenn die Betriebsrentenordnung vorsieht, dass der Tatbestand der Erwerbsunfähigkeit u. a. durch eine entsprechende Anerkennung seitens des Sozialversicherungsträgers nachgewiesen werden kann und diese Anerkennung erst innerhalb eines Sozialgerichtsverfahrens innerhalb von 6 Monate vor Eintritt der Insolvenz des Arbeitgebers erfolgt.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.08.2004 in Sachen 1 Ca 1263/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe der Beklagte rückwirkend für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die dem Kläger zustehenden Betriebsrentenansprüche einzustehen hat. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und wegen der Gründe, die die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 26.08.2004 Bezug genommen. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde in einer mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Ausfertigung dem Kläger erstmals am 15.10.2004 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 19.10.2004 Berufung einlegen und diese zugleich begründen lassen. Der Kläger hält an seiner Ansicht fest, dass § 7 Abs. 1 a S. 3 BetrAVG so auszulegen sei, dass die Ansprüche, die der Anspruchsberechtigte innerhalb des Sechsmonatszeitraums erwerbe, von dieser Vorschrift erfasst seien. Letztlich komme es aber nicht darauf an, ob die Ansprüche innerhalb des Sechsmonatszeitraums im rechtlichen Sinne entstanden seien, sondern darauf, ob sie in diesem Zeitraum fällig geworden seien. Die hinter § 7 Abs. 1 a S. 3 BetrAVG stehende Intention des Gesetzgebers, den Beklagten finanziell nicht zu überfordern, werde durch diese Auslegung nicht gefährdet, da Fallkonstellationen wie die vorliegende in der Praxis sehr selten seien. Der Kläger hält daran fest, dass sich seine Rechtsauffassung auch auf die Richtlinie 80/987/EWG stützen lasse. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger seine Berufung insoweit zurückgenommen, als sich die geltend gemachten Ansprüche auf den Zeitraum bis zum 30.09.1999 beziehen. Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.08.2004 - 1 Ca 1263/04 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.516,90 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Er führt aus, dass die streitgegenständlichen Ansprüche schon nicht erst innerhalb von sechs Monaten vor Beginn seiner Eintrittspflicht fällig geworden seien. Selbst darauf komme es aber nicht an, weil der insoweit nicht auslegungsfähige Gesetzeswortlaut darauf abstellt, wann die Ansprüche entstanden seien. Der Gesetzgeber habe die Eintrittspflicht der Insolvenzversicherung auf die typischen Insolvenzrisiken beschränken wollen, wobei es im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld einer Insolvenz in Folge wirtschaftlicher Schwäche des Arbeitgebers häufig zu Rentenausfällen komme. Allgemeine Verzögerungen bei der Auszahlung einer Betriebsrente, die, wie hier, z. B. auf ein laufendes Sozialgerichtsverfahren zurückzuführen sind, stellten aber kein typisches Insolvenzrisiko dar. Auch aus der Richtlinie 80/987/EWG könne der Kläger nichts für sich herleiten, da der deutsche Gesetzgeber mit der Begründung einer für sechs Monate rückwirkenden Einstandspflicht schon über die EU- Vorgaben hinaus gegangen sei. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.08.2004 ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begründet. II. Die Berufung des Klägers konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat die vom Kläger gegen den Pensionssicherungsverein als gesetzlichen Insolvenzversicherer für Betriebsrenten geltend gemachten Ansprüche zu Recht abgewiesen und seine Entscheidung überzeugend begründet. Das Berufungsgericht kann an die Ausführungen in den arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründen anknüpfen. Zusammenfassend und ergänzend gilt Folgendes: 1. Dem Kläger stand gegenüber der Gemeinschuldnerin bzw. deren Unterstützungskasse seit dem 01.10.1999 ein Anspruch auf eine betriebliche Invalidenrente in Höhe von 117,23 € monatlich zu. Darüber besteht zwischen den Parteien des hiesigen Verfahrens kein Streit. 2. Der Kläger konnte die für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis 31.03.2002 rückständigen betrieblichen Invalidenrentenbeträge im Umfang der Klageforderung nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend machen, nicht jedoch gegen den Beklagten als den gesetzlichen Insolvenzsicherer. a. Die gesetzliche Insolvenzsicherung für bestimmte betriebliche Versorgungsansprüche, die aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Arbeitgeber nicht mehr erfüllt werden, beruht auf § 7 BetrAVG und ist zugleich auf den dort normierten Umfang beschränkt. Grundsätzlich entsteht der Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung erst mit dem Beginn desjenigen Kalendermonats, der auf den Eintritt des Sicherungsfalles folgt (§ 7 Abs. 1 a S. 1 BetrAVG). Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Einstandspflicht des Beklagten grundsätzlich erst ab 01.10.2002 begann, nachdem am 01.09.2002 über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. b. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass Arbeitgeber, deren Insolvenz unmittelbar bevorsteht, sich häufig schon in den Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens derart in Zahlungsschwierigkeiten befinden, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die den Arbeitnehmern zustehenden Vergütungen, aber auch die den Betriebsrentnern zustehenden betrieblichen Rentenleistungen zu erfüllen. Diesem typischen mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einhergehenden Sachverhalt hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, in dem er in § 7 Abs. 1 a S. 3 BetrAVG angeordnet hat, dass der Träger der Insolvenzversicherung auch Ansprüche auf rückständige Versorgungsleistungen zu erfüllen hat, "soweit diese bis zu sechs Monate vor Entstehung der Leistungspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung entstanden sind". Mit dieser Anordnung ist der deutsche Gesetzgeber bereits deutlich über die diesbezüglichen Mindestanforderungen hinaus gegangen, die die EU- Richtlinie 80/987/EWG in Art. 4 Abs. 2 aufstellt. c. Der Beklagte hat sich auch im vorliegenden Fall an seine Verpflichtung aus § 7 Abs. 1 a S. 3 BetrAVG gehalten: Er hat die dem Kläger zustehenden Beträge aus der laufenden betrieblichen Invalidenrente nicht erst mit Wirkung ab 01.10.2002, sondern bereits ab 01.04.2002 übernommen und erfüllt. d. Die streitgegenständlichen Ansprüche, die der Kläger im vorliegenden Verfahren gegen den Beklagten geltend macht, sind jedoch kontinuierlich jeden Monat in der Zeit zwischen dem 01.10.1999 und dem 31.01.2002 entstanden, nicht also erst innerhalb der letzten sechs Monate vor Entstehen der Leistungspflicht des Beklagten. Nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 1 a S. 3 BetrAVG kommt es aber allein darauf an, wann die jeweiligen rückständigen Versorgungsansprüche entstanden sind. Diese Vorschrift ist insoweit in der Tat nicht auslegungsfähig. e. Dies gilt um so mehr, als § 7 Abs. 1 a S.3 BetrAVG die Funktion einer Begrenzung der Einstandspflicht des Beklagten für die Zeit vor Eintritt des Sicherungsfalls, also für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezweckt. Wenn die Vorschrift darauf abstellt, wann die rückständigen Betriebsrentenansprüche, für die der Beklagte noch einstandspflichtig sein soll, entstanden sind, will sie bewirken, dass der Beklagte damit kalkulieren kann, für nicht mehr als sechs rückständige Monatsbeträge einstehen zu müssen. Das Begehren des Klägers übersteigt diese gesetzliche Vorstellung um ein Vielfaches. Im Ergebnis verlangt der Kläger, dass der Beklagte - einschließlich der für den Zeitraum vom 01.04. bis 30.09.2002 bereits gezahlten unstreitigen Beträge - Rückstände für insgesamt 36 Monate vor Eintritt des Sicherungsfalls aufbringen soll. f. Die Ansprüche des Klägers, welche Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, sind letztlich deshalb rückständig geworden, weil der Kläger den Weg gewählt hat, die Rentenvoraussetzung der Erwerbsunfähigkeit durch einen entsprechenden Rentenbescheid der zuständigen Landesversicherungsanstalt nachzuweisen - anstatt, was auch möglich gewesen wäre, durch Vorlage eines amtsärztlichen Attestes -, ferner dadurch, dass der Kläger den Rentenbescheid erst in einem langwierigen Sozialgerichtsverfahren erstreiten musste und dass schließlich die nachträgliche rückwirkende Anerkennung seiner Erwerbsunfähigkeit zufällig zu einem Zeitpunkt erfolgte, in welchem die Insolvenz der Arbeitgeberin kurz bevorstand. Einmal unterstellt, dass die rückständigen Ansprüche dann von der Unterstützungskasse der Gemeinschuldnerin gerade wegen der bevorstehenden Insolvenz nicht mehr erfüllt werden konnten, so hat sich dabei dennoch ein zufälliges und untypisches Insolvenzrisiko verwirklicht. Derartige Risiken fallen nicht mehr in den Schutzbereich, für dessen Absicherung der Beklagte gemäß § 7 Abs. 1 a BetrAVG zuständig ist. 3. Inwiefern sich im übrigen aus der EU-Richtlinie 80/987/EWG eine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren ergeben soll, obwohl die vom deutschen Staat in § 7 Abs. 1 a BetrAVG geschaffene rückwirkende Einstandspflicht des Beklagten bereits über die Mindestanforderung des EU- Rechts deutlich hinausgehen, vermag auch das Berufungsgericht nicht nachzuvollziehen. In Ermangelung einer Anspruchsgrundlage kann der Beklagte daher für die Betriebsrentenrückstände aus der Zeit vor dem 01.04.2002 nicht haftbar gemacht werden. III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

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