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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 27.04.2005
Aktenzeichen: 7 Sa 1282/04
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 615
KSchG § 11
KSchG § 12
ZPO § 377
ZPO § 395
Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im unbestritten fortbestehenden Arbeitsverhältnis einseitig von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, so scheidet gegenüber den Annahmeverzugsansprüchen des Arbeitnehmers der Einwand des böswilligen Unterlassens von Zwischenverdienst regelmäßig von vornherein aus.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.06.2004 in Sachen 9 Ca 4475/02 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für den Zeitraum 01.12.2001 bis 30.04.2003. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Klage stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 30.06.2004 Bezug genommen. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Beklagten am 11.10.2004 zugestellt. Die Beklagte hat dagegen am 25.10.2004 Berufung einlegen und diese am Montag, dem 13.12.2004 begründen lassen. Die Beklagte beanstandet an dem arbeitsgerichtlichen Urteil nur, dass das Arbeitsgericht den dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Forderungen des Klägers in vollem Umfang stattgegeben hat, ohne einen monatlichen Abzug wegen des böswilligen Unterlassens eines Zwischenverdienstes vorzunehmen. Hierzu wiederholt die Beklagte und Berufungsklägerin ihre Behauptung, dass der Kläger böswillig im Sinne von § 615 S. 2 BGB das Angebot einer Firma S ausgeschlagen habe, zu einem monatlichen Salär von 6.000,00 DM, bzw. 3067,75 € als Außendienstmitarbeiter tätig zu werden. Die Beklagte wiederholt hierzu ihre bereits in dem Vorverfahren Arbeitsgericht Köln 9 Ca 9182/01 = LAG Köln 2 Sa 550/02 wegen der Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum 01.04.2000 bis 30.11.2001 ausgebrachten Anträge auf Zeugenvernehmung. Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr, das Urteil des Arbeitsgerichts vom 30.06.2004, 9 Ca 4475/02, teilweise abzuändern und wie folgt zu fassen: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 44.433,28 € brutto abzüglich 7.767,91 € netto zu zahlen, ferner 12.896,84 € sowie 4.259,76 € netto. Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Der Kläger und Berufungsbeklagte bestreitet unter Hinweis auf die vom LAG Köln in dem Verfahren 2 Sa 550/02 durchgeführte Beweisaufnahme durch schriftliche Vernehmung des Zeugen S weiterhin, seinerzeit von der Firma S ein annahmefähiges Arbeitsvertragsangebot erhalten zu haben. Der Kläger und Berufungsbeklagte verweist auf die schriftliche Zeugenaussage des Zeugen S in dem Verfahren 2 Sa 550/02. Außerdem macht der Kläger geltend, dass sich die Beklagte für den im vorliegenden Verfahren streitigen Anspruchszeitraum ohnehin nicht mehr auf böswilliges Unterlassen eines Zwischenverdienstes berufen könne, da schon zu Beginn des Anspruchszeitraums der vorangegangene Kündigungsschutzprozess längst zu seinen, des Klägers Gunsten rechtskräftig entschieden gewesen sei und er, der Kläger seine Arbeitskraft bei der Beklagten ausdrücklich angeboten gehabt habe. Er, der Kläger habe zu dieser Zeit ohnehin keine Arbeitsverpflichtung in einem anderweitigen Beschäftigungsverhältnis mehr eingehen können, da er jederzeit damit habe rechnen können und müssen, von der Beklagten zur Arbeitsleistung aufgefordert zu werden. Auf das in dem Vorprozess ergangene Urteil des LAG Köln vom 10.11.2003, 2 Sa 550/02, und den Wortlaut der in diesem Verfahren eingeholten Aussage des Zeugen S wird Bezug genommen. Entscheidungsgründe: I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde im Rahmen der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet. II. Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht in ungeschmälertem Umfang stattgegeben. Dem Begehren der Beklagten, monatliche Abzüge wegen eines böswilligen Unterlassens von Zwischenverdienst seitens des Klägers gemäß § 615 S. 2 BGB vorzunehmen, ist das Arbeitsgericht zu Recht nicht nachgekommen. 1. Bereits im Vorprozess um die Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum 01.04.2000 bis 30.11.2001 ist die Beklagte mit ihrem jetzt wiederholten Einwand, der Kläger habe jedenfalls seit Sommer 2000 böswillig die Gelegenheit ausgeschlagen bei einer Firma S 6.000.00 DM brutto monatlich zu verdienen, nicht durchgedrungen. Die Beklagte hat diese ihre Behauptung nicht beweisen können. Dass der Kläger sich unter dem Gesichtspunkt des böswilligen Unterlassens von Zwischenverdienst keine Abzüge von seinen Annahmeverzugsansprüchen gefallen lassen muss, stellt mittlerweile für den Zeitraum bis einschließlich 30.11.2001 rechtskräftig fest. 2. Wenn der Kläger schon für die Zeit bis 30.11.2003 nicht verpflichtet war, sich potentiellen Zwischenverdienst anrechnen zu lassen, so ist dies für den im vorliegenden Verfahren streitigen Anschlusszeitraum ab dem 01.12.2001 erst recht nicht der Fall. a. Während im Anspruchszeitraum des Vorprozesses der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien wegen des zunächst noch fortdauernden Kündigungsschutzprozesses lange Zeit noch im Streit stand, stand bei Beginn des im vorliegenden Verfahrens zu prüfenden Anspruchszeitraums längst fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht, wie von der Beklagten behauptet, durch eine Eigenkündigung des Klägers aufgelöst worden war, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht. Dies wurde mit Urteil des LAG Köln vom 03.04.2001 in Sachen 3 Sa 1471/00 rechtskräftig festgestellt. b. Für Zeiträume, in denen der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht in Frage steht, sind nach allgemeiner Meinung an den Zumutbarkeitsmaßstab besonders restriktive Anforderungen zu stellen, unabhängig davon, ob man auf § 615 S. 2 BGB oder auf § 11 Ziff. 2 KSchG abstellt (HWK - Krause, § 615 BGB Rz. 94). Für den Fall der einvernehmlichen Arbeitsfreistellung wird zu Recht die Ansicht vertreten, dass gegenüber den Vergütungsansprüchen des Arbeitnehmers zwar der Einwand der Anrechnung tatsächlich erzielten Zwischenverdienstes zulässig ist, derjenige eine Anrechnung sog. böswillig unterlassenen Zwischenerwerbs aber von vornherein ausscheidet (HWK - Krause, § 615 BGB Rz. 86). Erst recht muss dies dann bei der einseitigen Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung im fortbestehenden Arbeitsverhältnis gelten, zumal dann, wenn diese wie im vorliegenden Fall dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers widerspricht, also rechtswidrig erfolgt. c. Wie aus § 12 KSchG hervorgeht, hat derjenige Arbeitnehmer, der während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen ist, nach rechtskräftigem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess die freie Wahl, ob er das neu begründete anderweitige Arbeitsverhältnis fortsetzen oder zu seinem alten Arbeitgeber zurückkehren will. Es ließe sich aber mit dem § 12 KSchG zugrunde liegenden Grundgedanken nicht vereinbaren, wenn demjenigen Arbeitnehmer, der sich in einer solchen Situation zu einer Rückkehr zu seinem alten Arbeitgeber entschließt, die Aufgabe des zwischenzeitlich neu begründeten Arbeitsverhältnisses als böswilliges Unterlassen von Zwischenverdienst angelastet werden könnte. d. Für den im vorliegenden Verfahren allein relevanten Anspruchszeitraum ab dem 01.12.2001 konnte die Beklagte die auch weiterhin fortlaufende Nichtbeschäftigung des Klägers nicht mehr mit dem Argument rechtfertigen, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Kündigungsschutzprozesses noch ungewiss sei. Welche sonstigen Gründe der Annahme einer Beschäftigungspflicht seitens der Beklagten im hier interessierenden Anspruchszeitraum hätten entgegen stehen können, ist auch nicht ansatzweise ersichtlich. Es stellte jedoch eine wirtschaftlich effiziente, aber rechtlich durch nichts gerechtfertigte Umgehung jeglichen Kündigungsschutzrechts dar, wenn der Arbeitgeber, der während eines in seinem Bestand nicht (mehr) in Frage gestellten Arbeitsverhältnisses rechtswidrig seiner Beschäftigungspflicht nicht nachkommt, den vergütungsrechtlichen Folgen dieses Verhaltens aber ganz oder zu einem wesentlichen Teil dadurch entgehen könnte, indem er den Arbeitnehmer darauf verweist, er hätte ja anderswo arbeiten gehen können. 3. Mit anderen Worten: a. Wie bereits in dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozess um die Annahmeverzugsansprüche für die Zeit bis zum 30.11.2001 festzustellen war, kann die Beklagte ihre Behauptung, es sei im Jahre 2000 vom Willen des Klägers abhängig gewesen, ein verbindliches und annahmefähiges Arbeitsplatzangebot der Firma S anzunehmen, nicht beweisen. Die vom Landesarbeitsgericht seinerzeit durch schriftliche Vernehmung des Zeugen S durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass es im Gegenteil ein verbindliches Arbeitsvertragsangebot seitens der Firma S nie gegeben hat. Die Art und Weise der Tatsachenfeststellung in dem Vorprozess ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Wie die Beklagte selbst einräumt, stellt eine möglicherweise unterbliebene Belehrung des Zeugen gemäß § 395 Abs. 1 ZPO lediglich einen folgenlosen Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift dar. Das Gericht hat auch von dem ihm nach § 377 Abs. 2 ZPO eingeräumten Ermessen, die schriftliche Beantwortung einer Beweisfrage anzuordnen, sachgerecht Gebrauch gemacht. Es hat zu Recht mangels beweisrechtlicher Erheblichkeit keine Zeugen vom Hören-Sagen vernommen, dies umso mehr in Anbetracht des eindeutigen und unmissverständlichen Inhalts der schriftlichen Aussage des Zeugen S . b. Selbst wenn der Kläger jedoch ursprünglich die Möglichkeit gehabt haben sollte, bei der Firma S anderweitigen Zwischenverdienst zu erzielen, so hätte dies auch noch ca. 1 1/2 Jahre später in dem hier allein interessierenden, am 01.12.2001 beginnenden Anspruchszeitraum der Fall sein müssen. Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses wäre es dem Kläger jedoch rechtlich nicht vorzuwerfen gewesen, ein zuvor eventuell mit der Firma S begründbares Arbeitsverhältnis nunmehr mit dem Ziel einer Rückkehr zu der Beklagten wiederaufzukündigen. 4. Aus alledem folgt: Der im vorliegenden Berufungsverfahren allein verbliebene Einwand der Beklagten geht ins Leere. III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 ZPO. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben. Gegen das vorliegende Urteil ist daher ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben.

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