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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 09.05.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 1363/06
Rechtsgebiete: BGB, SGB IX, AGG


Vorschriften:

BGB § 611
SGB IX § 81 Abs. 2
AGG § 2 Abs. 1 Nr. 2
AGG § 7 Abs. 1
Stellt der Betreiber eines Krankenhauses einer in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkten Pflegekraft einen speziell auf ihre gesundheitlichen Bedürfnisse zugeschnittenen Arbeitsplatz zusammen, den es in dieser Form im Krankenhaus nur einmal gibt, so stellt es keine Diskriminierung der Pflegekraft dar, wenn der Arbeitgeber zum Zwecke der Koordination der Arbeit mit dem übrigen Personal den genauen Tagesarbeitsablauf dieser Pflegekraft im Dienstzimmer der Station aushängt.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.10.2006 in Sachen 7 Ca 10276/05 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im bestehenden Arbeitsverhältnis um einen Unterlassungsanspruch der Klägerin.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu veranlasst haben, den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Teilurteils vom 04.10.2006 Bezug genommen.

Das Teil-Urteil wurde der Klägerin am 16.11.2006 zugestellt. Sie hat hiergegen am 11.12.2006 Berufung einlegen und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 16.02.2007 - am 16.02.2007 begründen lassen.

Die Klägerin macht geltend, das Arbeitsgericht Köln sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Grund für den Aushang der Tätigkeitsbeschreibung als Servicekraft der Umstand sei, dass sie, die Klägerin, die ihr aufgetragenen Arbeiten nicht bzw. ordnungsgemäß erledigt und die Arbeitsabläufe gestört hätte. Dem stehe schon entgegen, dass die Klägerin bereits die erste einschlägige Arbeitsanordnung aus Oktober 2003 ausgehängt gehabt habe. Vielmehr sei der Aushang der Arbeitsanordnung als Maßregelung der Klägerin zu verstehen, weil diese gegen die Versetzung zur Station M und die damit verbundene Neuordnung ihrer Tätigkeit und ihrer Arbeitszeit protestiert habe.

Fälschlich habe das Arbeitsgericht weiterhin in den Entscheidungsgründen die gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Abmahnungen als zutreffend und berechtigt erachtet.

Auch habe das Arbeitsgericht als richtig unterstellt, dass es zwischen der Klägerin und ihrem Vorgesetzten ständige Diskussionen und Auseinandersetzungen über Inhalt und Art der Arbeitsleistung gegeben hätte. Dies sei von ihr, der Klägerin, jedoch bestritten worden. Der streitbefangene Aushang verstoße, was das Arbeitsgericht verkannt habe, zum einen gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB, zum anderen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und schließlich gegen § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Köln in Sachen 7 Ca 10276/05 vom 04.10.2006 abzuändern und

a) die Beklagte zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, die sich auf das Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin erstreckende Arbeitsanweisung/Tätigkeitsbeschreibung in ihrem Betrieb, insbesondere auf der Station M , aufzuhängen sowie

b) der Beklagten für den Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbeklagte macht geltend, der fragliche streitbefangene Aushang stelle weder eine Maßregelung noch eine Diskriminierung dar. Er sei vielmehr dem Umstand geschuldet, dass sie, die Beklagte, der Klägerin, um deren gesundheitlichen Beeinträchtigungen gerecht werden zu können, aus dem Spektrum der Tätigkeiten einer Pflegediensthelferin einen gesundheitsgerechten Arbeitsplatz zusammengestellt habe, der in dieser Form in ihrem Krankenhaus einen Solitärarbeitsplatz darstelle und ansonsten nicht vorkomme. Der Aushang sei daher aus organisatorischen Gründen erforderlich, um die Tätigkeit der Klägerin mit denjenigen der anderen Pflegediensthelferinnen und -helfer koordinieren zu können und Überschneidungen zu vermeiden. Beispielsweise finde sich am selben schwarzen Brett auch ein Aushang über den Tätigkeitsablauf im Nachtdienst.

Ergänzend wird auf die Einzelheiten der Berufungsbegründung, der Berufungserwiderung und des weiteren Schriftsatzes der Klägerin vom 27.04.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.10.2006 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 BGB eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Klägerin gegen das streitgegenständliche Teil-Urteil konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das angegriffene Teil-Urteil vom 04.10.2006 hat die Rechtslage zutreffend beurteilt. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, den Aushang der Arbeitsanweisung/Tätigkeitsbeschreibung auf der Station M zu unterlassen.

1. Eine Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren ist nicht gegeben.

a. Die Klägerin leidet - wie bei einer Pflegedienstkraft, die ihre Arbeit bereits seit so langer Zeit verrichtet wie sie, nicht ungewöhnlich - an erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die auch als Berufskrankheit anerkannt sind und zu einem anerkannten Grad der Behinderung von immerhin 40 % geführt haben. Die Beklagte ist daher gehalten, auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin besondere Rücksicht zu nehmen.

b. Die Beklagte versucht seit Oktober 2003 dieser ihrer Verpflichtung dadurch gerecht zu werden, dass sie aus dem Spektrum der zum Berufsbild einer Pflegediensthelferin gehörenden Tätigkeiten einen Vollzeitarbeitsplatz zusammengestellt hat, der den spezifischen gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin besonders gerecht werden soll und dessen Arbeitszeitgestaltung überdies die durch die im Pflegedienst üblichen Schichtdienste hervorgerufenen zusätzlichen Belastungen vermeiden soll.

c. Die Klägerin hat, insbesondere in der Berufungsinstanz, mehrfach ausdrücklich anerkannt, dass die ihr von der Beklagten zugewiesenen Servicearbeiten zum Aufgabenfeld einer Krankenpflegehelferin gehören (vgl. Schriftsatz vom 27.04.2007, Seite 2 und 4).

d. Ist dies unstreitig der Fall, so gehen die von der Klägerin auch im Rahmen des Berufungsverfahrens geäußerten Einwände gegen die Gestaltung ihrer Arbeitstätigkeit seit Oktober 2003 von vorneherein fehl, abgesehen davon, dass sie ohnehin allenfalls mittelbar mit dem zur Entscheidung gestellten Rechtsbegehren zu tun haben. Im Rahmen des anerkannten Spektrums von Tätigkeiten einer Krankenpflegehelferin ist es Sache des Arbeitgebers, im Wege des ihm zukommenden Direktionsrechts die Einzeltätigkeiten nach seinen organisatorischen Bedürfnissen konkret zusammen zu stellen. Dies gilt um so mehr, als im vorliegenden Fall die Beklagte den jetzigen Zuschnitt des Arbeitsplatzes der Klägerin gerade deshalb in dieser Form zusammengestellt hat, um in erster Linie den gesundheitlichen Belangen der Klägerin gerecht werden zu können.

e. Der individuell auf die Belange der Klägerin zugeschnittene Arbeitsplatz in der Station M findet sich in dieser Zusammenstellung sonst nicht im Krankenhaus der Beklagten. Von daher liegt es geradezu auf der Hand, dass zwischen den Tätigkeiten der Klägerin einerseits, dem konkreten Arbeitseinsatz der anderen Pflege- und Pflegehilfskräfte andererseits ein erhöhter und besonderer Abstimmungsbedarf besteht. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte den Tätigkeitsablauf des klägerischen Arbeitsplatzes an geeigneter Stelle zur Kenntnis des übrigen Personals intern veröffentlicht, um auf diese Weise die notwendige Koordination zu gewährleisten. Gerade in Anbetracht des unstreitigen Umstands, dass die Tätigkeitszusammenstellung für die Klägerin einen berufsbildadäquaten Inhalt hat, ist nicht feststellbar, dass der Aushang dieses Tätigkeitsablaufs einen diskriminierenden Charakter haben soll. Eine Diskriminierung der Klägerin im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG ist nicht zu erkennen.

f. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Aushang mit dem Namen der Klägerin gekennzeichnet ist. Da die Klägerin als einzige im Krankenhaus der Beklagten über gerade dieses spezifisch für sie zusammengestellte Aufgabenspektrum verfügt, handelte es sich um eine reine Förmelei, der Beklagten zu untersagen, auf dem Aushang der Tätigkeitsbeschreibung den Namen der Klägerin zu entfernen. Die in der Station M entsprechend eingesetzte Klägerin wäre auch ohne namentliche Nennung auf dem Aushang ohne Weiteres als die entsprechende Arbeitsplatzinhaberin zu identifizieren. Andererseits befindet sich der Aushang auch an einer Stelle, die nur für das Personal und nicht für die allgemeine Öffentlichkeit gedacht ist.

g. Handelt es sich, wie ausdrücklich unstreitig ist, bei den der Klägerin seit Oktober 2003 übertragenen Tätigkeiten sämtlich um Tätigkeiten, die zu dem üblichen und typischen Berufsspektrum einer Krankenpflegehelferin gehören, so kann die Übertragung dieser Tätigkeiten nicht ehrenrührig sein. Wenn die Übertragung der Tätigkeiten selbst nicht ehrenrührig ist, kann es auch ein entsprechender Aushang nicht sein, der das übrige Personal über den Inhalt dieses Arbeitsplatzes der Klägerin informiert.

h. Beruht der anerkannte Grad der Behinderung der Klägerin auf deren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und hat die Beklagte den jetzigen Arbeitsplatz der Klägerin auf der Station M - nach eigenem Bekunden - gerade deshalb so zugeschnitten wie geschehen, um den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin möglichst gerecht zu werden und sie dennoch weiter als Krankenpflegehelferin mit den spezifischen Tätigkeiten einer solchen einsetzen zu können, so ist ein Zusammenhang des konkreten Arbeitsplatzzuschnittes mit der teilweise bestehenden Behinderung der Klägerin nicht zu leugnen. Allerdings verpflichtet das Arbeits- und Sozialrecht den Arbeitgeber in zahlreichen Vorschriften dazu, auf die spezifischen persönlichen Beeinträchtigungen im Leistungsvermögen eines ganz oder teilweise als behindert anerkannten Mitarbeiters besondere Rücksicht zu nehmen. Jede Art der Arbeitsplatzgestaltung, die dieser gesetzlichen Vorgabe gerecht zu werden versucht, steht somit im Zusammenhang mit der Behinderung.

i. Es bedeutete jedoch, die gesetzlichen Verpflichtungen zur Rücksichtnahme auf behinderte Menschen und die gesetzlichen Antidiskriminierungsregeln geradezu in ihr Gegenteil zu verkehren, wenn der Versuch des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz so zu gestalten, dass er den speziellen Beeinträchtigungen des behinderten oder teilweise behinderten Menschen gerecht wird, als Diskriminierung desselben zu kennzeichnen wäre, obwohl sich der Zuschnitt des Aufgabenbereichs voll und ganz im Rahmen des einschlägigen Berufsbildes und damit auch der auf dieses Berufungsbild abstellenden arbeitsvertraglichen Vereinbarungen hält und in der gleichen Zusammenstellung demnach jederzeit auch einem nicht behinderten Mitarbeiter übertragen werden könnte.

2. Bei alledem konnte die Berufung der Klägerin gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts vom 04.10.2006 keinen Erfolg haben.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision gegen die vorliegende Einzelfallbeurteilung ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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