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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 1646/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 615
1. Kann der Arbeitnehmer, der nach einer 2,5-jährigen ununterbrochenen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitskraft wieder anbietet, auf eine ärztliche Bescheinigung verweisen, die ihm attestiert, aktuell wieder arbeitsfähig zu sein, so ist das durch die vorangegangene extrem langwierige Arbeitsunfähigkeitsperiode begründete Indiz für eine fortdauernde gesundheitlich bedingte Arbeitsunfähigkeit ausreichend erschüttert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das die wiedererlangte Arbeitsfähigkeit bestätigende ärztliche Attest erkennen lässt, dass sich der ausstellende Arzt mit der Art der zuvor gegebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich befasst hat.

2. Nimmt der Arbeitgeber in einem solchen Fall das Arbeitsangebot nicht an, so gerät er in Annahmeverzug, es sei denn, er kann darlegen und nachweisen, dass der Arbeitnehmer entgegen dem von ihm vorgelegten Attest weiter arbeitsunfähig ist.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 27.10.2005 in Sachen 1 Ca 1070/05 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des für erledigt erklärten Teils werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren zuletzt noch um Annahmeverzugsansprüche für die Zeit vom 21.01. bis 30.04.2005.

Der am 22.11.1954 geborene Kläger ist seit dem 01.10.1990 bei der beklagten Stadt als Bauingenieur in den Bereichen Wasserbau und Kanalbau beschäftigt. Er ist in die Vergütungsgruppe BAT III eingruppiert und verdiente zuletzt 3.787,20 € brutto monatlich. Bei dem Kläger wurde ein Grad der Behinderung von 40 % anerkannt. Er ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden.

Seit dem 04.07.2002 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Im August/September 2003 blieb ein Wiedereingliederungsversuch erfolglos. Im Oktober 2003 stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente, den er aber später wegen fehlender Erfolgsaussichten wieder zurücknahm.

Unter dem 12.01.2005 bescheinigte seine Hausärztin, eine Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie, dem Kläger folgendes:

"Der o. g. Patient ist aus medizinischer Sicht derzeit mit bestimmten Einschränkungen wieder vollschichtig arbeitsfähig. Als Einschränkung gilt das Heben und Tragen schwerer Lasten ohne Hilfsmittel, Vermeiden von Zeitdruck wie Akkordarbeit, und keine besonderen Anforderungen an Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit (besonderer psychovegetativer Stress)." (Bl. 4 d. A.).

Zum 21.01.2005 bot der Kläger der Beklagten unter Vorlage des Attestes seiner Hausärztin seine Arbeitskraft wiederum an. Die Beklagte wünschte vor Wiederaufnahme der Tätigkeit durch den Kläger dessen amtsärztliche Untersuchung. Eine solche kam jedoch jedenfalls in dem für das vorliegende Verfahren relevanten Zeitraum nicht zustande, weil mehrere Einladungsschreiben des Gesundheitsamtes zur amtsärztlichen Untersuchung den Kläger nicht erreichten. Wie sich im Nachhinein herausstellte, hatte das Gesundheitsamt das erste Einladungsschreiben fälschlich an die frühere Adresse des Klägers gerichtet, welcher im Laufe des Jahres 2004 umgezogen war und seine neue Adresse "P str. in B " der Beklagten auch mitgeteilt hatte (vgl. Zustellungsniederschrift vom 19.01.2005, Bl. 114 d. A.). Bei dem zweiten vergeblichen Einladungsschreiben hatte das Gesundheitsamt eine falsche Postfachnummer des Klägers benutzt (" " statt richtig " ").

Am 08.04.2005 machte der Kläger das vorliegende Verfahren anhängig, in welchem er neben seinen Annahmeverzugsansprüchen ab dem 21.01.2005 zunächst auch seine tatsächliche Beschäftigung in seiner früheren Tätigkeit als Diplom-Ingenieur geltend machte. Der Kläger hat ausgeführt, er sei ab dem 21.01.2005 - lediglich mit dem im Attest der Ärztin Z vom 12.01.2005 erwähnten Einschränkungen - vollschichtig arbeitsfähig gewesen. Er habe daher einen Anspruch auf Beschäftigung und, weil die Beklagte zu Unrecht das Angebot seiner Arbeitskraft nicht angenommen habe, auch einen Vergütungsanspruch.

Nachdem die Beklagte nach Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes unter dem 28.09.2005 eine krankheitsbedingte ordentliche Kündigung zum 31.03.2006 ausgesprochen und in dem dagegen vom Kläger angestrengten Kündigungsschutzprozess Arbeitsgericht Bonn 1 (6) Ca 2963/05 überdies einen Auflösungsantrag gestellt hatte, hat der Kläger im vorliegenden Verfahren erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab dem 21.01.2005 in seiner früheren Tätigkeit als Diplomingenieur mit der Vergütungsgruppe III BAT bis zum 31.03.2006 (Beendigung der Kündigungsfrist aufgrund der Kündigung vom 28.09.2005) zu beschäftigen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 12.705,45 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 1.343,84 € brutto seit dem 01.02.2005, aus 3.787,20 € brutto seit dem 01.03.2005, aus 3.787,20 € brutto seit dem 01.04.2005 sowie aus 3.787,20 € brutto seit dem 01.05.2005 abzüglich erhaltener Arbeitslosengeldleistungen in Höhe von 3.915,77 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund der langandauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers vor dem 21.01.2005 und den dabei zu Tage getretenen gesundheitlichen Einschränkungen indiziell von fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auszugehen gewesen sei. Hieran könne das Attest der Ärztin Z nichts ändern, zumal diese keine Fachärztin auf denjenigen medizinischen Gebieten sei, in denen der Kläger erkrankt sei. Der tariflich vorgesehenen amtsärztlichen Untersuchung habe sich der Kläger entzogen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens des K Zentrums für Arbeitsmedizin. Auf das arbeitsmedizinische Sachverständigengutachten vom 01.08.2005, welches u. a. auf einer Untersuchung des Klägers vom 11.07.2005 beruhte, wird Bezug genommen (Bl. 31 - 51 d. A.).

Mit Urteil vom 27.10.2005 hat das Arbeitsgericht Bonn der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 02.12.05 zugestellt. Sie hat hiergegen am 27.12.05 Berufung einlegen und diese am 30.01.06 begründen lassen.

Die Beklage macht geltend, das Gutachten vom 01.08.2005 enthalte keinerlei Aussage bzgl. der Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 21.01.2005. Diese Ungewissheit gehe zu Lasten des Klägers. Aufgrund der langen vorherigen Fehlzeit könne ohne eine entsprechende fachärztliche Bescheinigung eben nicht von einer über Nacht wiederhergestellten Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden. Die gebotene amtsärztliche Untersuchung sei schließlich wegen der fehlenden Mitwirkungshandlungen des Klägers vereitelt worden.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 27.10.2005, 1 Ca 1070/05, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger meint, aufgrund des vom Arbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens stehe fest, dass er ab dem 21.01.2005 arbeitsfähig und im Hinblick auf seine Tätigkeit vollschichtig einsetzbar gewesen sei. Nach dem 20.01.05 seien auch weder psychologisch/psychiatrische, noch orthopädische Behandlungen erforderlich gewesen. Der Kläger weist darauf hin, dass auch die ärztliche Bescheinigung des Dr. S vom 06.09.2005 (Bl. 64 d. A.), das ärztliche Attest der Ärztin Z vom 08.09.2005 (Bl. 65 d. A.) sowie das ärztliche Attest des Orthopäden Dr. K vom 05.09.2005 (Bl. 66 d. A.) ebenso wie das arbeitsmedizinische Gutachten des T R (Dr. V ) vom 20.09.2005 (Bl. 72 - 76 d. A.) seine Arbeitsfähigkeit bestätigt hätten.

Das Berufungsgericht hat das K Zentrum für Arbeitsmedizin beauftragt, sein arbeitsmedizinisches Gutachten vom 01.08.2005 zu ergänzen, was durch das Zusatzgutachten vom 23.08.2006 (Bl. 129 ff. d. A.) geschehen ist. Auf den vollständigen Wortlaut des Zusatzgutachtens wird Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2006 haben die Parteien im Hinblick auf den zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablauf den Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung übereinstimmend für erledigt erklärt und insoweit wechselseitig Kostenanträge gestellt.

Auf die weiteren Einzelheiten der von den Parteien erst- und zweitinstanzlich zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst ihren Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 27.10.2005 erweist sich als unbegründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger für den Anspruchszeitraum vom 21.01. bis 30.04.2005 die vertragliche Vergütung nach Maßgabe der Vergütungsgruppe BAT III, deren Höhe zwischen den Parteien unstreitig ist, unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges nach § 615 BGB.

1. Der Kläger befand sich während des Anspruchszeitraums in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat seine Arbeitskraft für die von ihm vertraglich geschuldete Tätigkeit eines Bau-Ingenieurs im Bereich Wasserbau bzw. Kanalbau auch unstreitig angeboten, indem er mit dem Willen, seine Arbeit zu verrichten, an seinem Arbeitsplatz erschienen ist.

Unstreitig hat die Beklagte das Angebot des Klägers, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, zunächst nicht angenommen, weil sie Zweifel an der Wiedergenesung des Klägers hegte und das Ergebnis einer amtsärztlichen Untersuchung abwarten wollte. Bis zum Ablauf des für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Anspruchszeitraums am 30.04.2005 kam es jedoch nicht zu der amtsärztlichen Untersuchung, so dass es dabei verblieb, dass die Beklagte die Arbeitskraft des Klägers nicht in Anspruch nahm.

Der Streitpunkt der Parteien besteht ausschließlich darin, ob der Kläger im Anspruchszeitraum 21.01. bis 30.04.2005 aus gesundheitlichen Gründen überhaupt in der Lage war, seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen, oder ob er, wie die Beklagte vermutete, in Wirklichkeit weiter arbeitsunfähig war.

2. Ansprüche eines Arbeitnehmers aus Annahmeverzug setzen voraus, dass der Arbeitnehmer nicht nur Willens, sondern auch in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Für die Frage der Arbeitsfähigkeit kommt es dabei auf die objektiv vorliegenden Verhältnisse an: Ist ein Arbeitnehmer objektiv aus gesundheitlichen Gründen außerstande, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, so kann sein fehlendes Leistungsvermögen nicht allein durch seine subjektive Einschätzung ersetzt werden, er sei trotzdem gesundheitlich in der Lage, einen Arbeitsversuch zu unternehmen (BAG - 2 AZR 666/97 - vom 29.10.1998).

3. Beruft sich der Arbeitnehmer darauf, auch nach objektiven Maßstäben arbeitsfähig zu sein, so trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Unvermögen des Arbeitnehmers, im Annahmeverzugszeitraum die Arbeitsleistung erbringen zu können, der Arbeitgeber (BAG, 5 AZR 562/02, vom 05.11.2003). Dazu reicht es zunächst aus, dass der Arbeitgeber Indizien vorträgt, aus denen auf Arbeitsunfähigkeit geschlossen werden kann. In Betracht kommen insbesondere Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vor und nach dem Verzugszeitraum. Hat der Arbeitgeber solche Indizien vorgetragen, ist es Sache des Arbeitnehmers die Indizwirkung zu erschüttern (BAG a. a. O.). Gelingt ihm dies, ist es wiederum Sache des Arbeitgebers, den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit zu führen.

a. Die Beklagte begründet ihre Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Klägers im Anspruchszeitraum in erster Linie mit der Krankheitsvorgeschichte des Klägers. Sie verweist darauf, dass der Kläger vor dem 21.01.2005 für einen außergewöhnlich langen Zeitraum von mehr als 2,5 Jahren durchgehend arbeitsunfähig krank geschrieben war.

b. Dieser objektive Hinweis darauf, dass beim Kläger in seiner Krankheitsvorgeschichte offenbar sehr schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen vorgelegen haben, wäre ggf. dann geeignet gewesen, durchgreifende Zweifel an der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zu begründen, wenn der Kläger im Januar 2005 quasi aus eigenem Gutdünken bei der Beklagten erschienen wäre, um seine Arbeit wiederaufzunehmen. So liegt der vorliegende Fall jedoch nicht. Vielmehr konnte der Kläger, als er im Januar 2005 sein Wiedererscheinen am Arbeitplatz ankündigte und am 21.01.2005 auch wahr machte, auf ein ärztliches Attest der Fachärztin Z vom 12.01.2005 verweisen, wonach der Kläger "aus medizinischer Sicht derzeit mit bestimmten Einschränkungen wieder vollschichtig arbeitsfähig" sei. Kann der Arbeitnehmer, der seine Arbeitskraft wieder anbietet, auf eine ärztliche Bescheinigung verweisen, die ihm attestiert, dass seine Arbeitsfähigkeit aktuell gegeben ist, so ist damit das durch die vorangegangene langwierige Arbeitsunfähigkeitsperiode begründete Indiz für eine fortdauernde gesundheitlich bedingte Arbeitsunfähigkeit ausreichend erschüttert.

c. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das die wiedererlangte Arbeitsfähigkeit bestätigende ärztliche Attest erkennen lässt, dass sich der ausstellende Arzt mit der Art der zuvor gegebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich befasst hat. Dies ist vorliegend ohne weiteres der Fall; denn die ärztliche Bescheinigung vom 12.01.2005 enthält auch differenzierte Aussagen darüber, dass und inwiefern die Arbeitskraft des Klägers gesundheitsbedingt bestimmten Einschränkungen unterliegt. Diese Einschränkungen betreffen ausweislich der ärztlichen Bescheinigung vom 12.01.2005 zum einen das orthopädische Fachgebiet, zum anderen den psychovegetativen Bereich. Gerade auf diesen beiden Gebieten lagen jedoch die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsprobleme, wie in dem später vom Arbeitsgericht eingeholten Gerichtsgutachten vom 01.08.2005 ausführlich erläutert wird, zwischen den Parteien letztlich aber auch unstreitig ist. Die Aussagen über die Einschränkungen der Arbeitskraft des Klägers belegen somit, dass sich die Ärztin Z mit den beim Kläger bestehenden Gesundheitsproblemen tatsächlich auseinandergesetzt hat. Sie stehen überdies auch dem Eindruck entgegen, dass es sich bei der Bescheinigung vom 12.01.2005 um eine reine Gefälligkeitsbescheinigung handeln könnte; denn solche Aussagen über die notwendige Rücksichtnahme bei der Inanspruchnahme der Arbeitskraft des Arbeitnehmers können eine Belastung des Arbeitsverhältnisses hervorrufen, die ohne diese Einschränkungen nicht gegeben wäre.

d. Andererseits stellen die in dem Attest bescheinigten Einschränkungen die generelle Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht in Frage. Darauf hat sich die Beklagte in der Berufungsinstanz auch selbst nicht berufen und im übrigen folgt die Verpflichtung, weitestmöglich auf gesundheitliche Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen, auch schon aus der Anerkennung des Klägers als ein einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellter Arbeitnehmer.

4. Im Folgenden ist es der Beklagen nicht gelungen, den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung vom 12.01.2005 zu widerlegen bzw. entgegen dieser Bescheinigung die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Zeitraum 21.01. bis 30.04.2005 nachzuweisen.

a. Das vom Arbeitsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten lässt keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Frage zu, ob der Kläger im Anspruchszeitraum arbeitsfähig war oder nicht. Dies wird in dem vom Berufungsgericht eingeholten Zusatzgutachten vom 23.08.2006 ausdrücklich bestätigt. Der Gutachter hat den Kläger am 11.07.2005 untersucht. Auf diesen Zeitpunkt bezieht sich die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit.

b. Bereits das Gutachten vom 01.08.2005 führt aus, dass bei dem Kläger zwei große Gesundheitsproblematiken angelegt sind, nämlich zum einen auf orthopädischem Gebiet, zum anderen im psychovegetativen/psychosomatischen Bereich.

aa. Im psychovegetativen/psychosomatischen Bereich sieht das Gutachten vom 01.08.05 zwar eine weitere Behandlungsbedürftigkeit des Klägers, stellt aber auch fest, dass "diesbezüglich aktuell aus meiner Sicht aber volle Arbeitsfähigkeit gegeben" ist.

bb. Zu dem orthopädischen Ursachenkomplex heißt es in der Zusammenfassung des Gutachtens vom 01.08.2005: "Herr S ist aufgrund einer akuten Lumboischialgie z. Z. nicht arbeitsfähig. Diese Einschätzung gilt als befristet und ist abhängig von adäquaten orthopädischen und krankengymnastischen Therapiemaßnahmen. Ansonsten ist Herr S als vollschichtig einsatzfähig zu betrachten." In seinem Zusatzgutachten vom 23.08.2006 betont der Gutachter: "Der Gutachter möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich bei dem Wirbelsäulenleiden um ein chronisch degeneratives Leiden handelt, dass in seiner Ausprägung einen durchaus wechselhaften Verlauf annehmen kann. So können diesbezüglich Einschätzungen der Arbeitsfähigkeit vom Juli oder September 2005 eben nicht als Bezugsgröße für eine retrospektive Einschätzung für den 21.01.2005 dienen."

cc. Aus dem Umstand, dass der Gutachter bei seiner Untersuchung am 11.07.05 akute Rückenprobleme des Klägers festgestellt hat, die aktuell zur Arbeitsunfähigkeit geführt hatten, kann somit nicht auf eine zwischen dem 21.01. und 30.04.2005 bestehende Arbeitsunfähigkeit aufgrund der orthopädischen Krankheitsproblematik rückgeschlossen werden. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Gutachter aus dem bei dem Kläger bestehenden orthopädischen Problemkomplex gerade keine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit bzw. keine dauerhafte Unfähigkeit, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit leisten zu können, abgeleitet hat.

c. Die Einschätzung des Gutachters, dass es sich bei der orthopädisch bedingten Arbeitsunfähigkeit am 11.07.05 um eine akute, befristete und ihrer Natur nach vorübergehende Arbeitsunfähigkeit handelte, wird auch durch das Attest des Orthopäden Dr. K vom 05.09.2005 bestätigt, der den Kläger zu diesem Zeitpunkt "nach aktueller durchgeführter orthopädischer Untersuchung" als wieder vollschichtig arbeitsfähig ansah, eine Einschätzung, zu der ausdrücklich auch der arbeitsmedizinische Dienst des T R in dem Gutachten der Frau Dr. V vom 20.09.2005 gelangt, und zwar unter Berücksichtigung sowohl der orthopädischen als auch der psychovegetativ/psychosomatischen Problematik.

d. Die Einschätzung aus der ärztlichen Bescheinigung der Fachärztin Z vom 12.01.2005 bleibt somit als die zeitnächste ärztliche Einschätzung unwiderlegt. Dabei ist auch von Bedeutung, dass der vom Gericht eingesetzte Gutachter in seinem Zusatzgutachten vom 23.08.2006 ausdrücklich folgendes ausführt: "Es darf durchaus auch von einer Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie erwartet werden, die Arbeitsfähigkeit anhand eines orthopädischen oder psychosomatischen/psychiatrischen Krankheitsbildes einschätzen zu können."

5. Die von der Beklagten angestrebte amtsärztliche Untersuchung des Klägers hätte u. U. zeitnah die in der ärztlichen Bescheinigung der Ärztin Z vom 12.01.2005 attestierte Arbeitsfähigkeit widerlegen oder auch bestätigen können. Dass es zu dieser amtsärztlichen Untersuchung letztlich nicht gekommen ist, kann jedoch nicht dem Kläger angelastet werden. Der insoweit von der Beklagten erhobene Vorwurf der fehlenden Mitwirkungshandlung geht fehl.

a. Zu der Untersuchung des Klägers durch das Gesundheitsamt der Stadt B ist es bekanntlich deshalb nicht gekommen, weil das Gesundheitsamt zwei vergebliche Versuche unternommen hat, den Kläger zu einem Untersuchungstermin zu laden. Die Einladungen kamen jeweils mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" an das absendende Amt zurück. Wie der Kläger im Rahmen seiner Berufungserwiderung vom 02.03.2006 belegt hat, beruhte dies jedoch darauf, dass das Gesundheitsamt, bei dem Versuch, den Kläger zu laden, eine falsche Anschrift des Klägers und - bei dem zweiten Versuch - eine falsche Postfachnummer verwendet hat. Dass die Beklage indessen im Januar 2005 bereits Kenntnis von der aktuellen zutreffenden Anschrift des Klägers hatte, belegt wiederum die vom Kläger als Anlage 15 zur Akte gereichte Zustellungsniederschrift der Beklagten vom 19.01.2005 (Bl. 114 d. A.). Dieses Dokument belegt, dass die Behauptung des Klägers richtig ist, er habe die Beklagte rechtzeitig über die infolge seines Umzuges im Jahre 2004 erfolgte Adressenänderung informiert. Entsprechendes muss für die unwidersprochen gebliebene Behauptung des Klägers gelten, er habe die Beklagte ebenfalls beizeiten über seine zutreffende Postfachnummer informiert. Wenn dem Gesundheitsamt sodann bei dem zweiten Versuch, den Kläger zu laden, ein Schreibfehler in Form der Auslassung einer Ziffer der Postfachnummer des Klägers unterlaufen ist, so handelt es sich insoweit um eine Verkettung unglücklicher Umstände, die aber ursächlich nicht dem Kläger anzulasten ist.

b. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang schließlich die Einlassung der Beklagten, sie habe im März 2005 auch durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers keinen Aufschluss über dessen Erreichbarkeit erlangen können. Nur wenn die Beklagte den Prozessbevollmächtigten detailliert und präzise darüber informiert gehabt hätte, unter welchen Adressierungen ihre Versuche gelaufen waren, den Kläger zum Untersuchungstermin zu laden, hätte der Prozessbevollmächtigte überhaupt die Möglichkeit gehabt, die Beklagte über ihre Irrtümer aufzuklären. Entsprechende Einzelheiten hat die Beklagte jedoch nicht vorgetragen.

6. War und ist somit nach Maßgabe der ärztlichen Bescheinigung vom 12.01.2005 weiterhin davon auszugehen, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 21.01. bis 30.04.05 arbeitsfähig war, so schuldet die Beklagte die eingeklagten Gehälter unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Die auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Teilansprüche hat der Kläger sich pflichtgemäß abziehen lassen. Die Verzinsungspflicht folgt aus dem Gesichtpunkte des Verzuges.

7. Des Weiteren hat die Beklagte die Kosten des beiderseits für erledigt erklärten Weiterbeschäftigungsanspruchs des Klägers zu tragen. Der für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der neuerlich von der Beklagten ausgesprochenen krankheitsbedingten Kündigung gestellte Weiterbeschäftigungsantrag war im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, nämlich des Ablaufes der Kündigungsfrist, sowohl zulässig als auch begründet.

a. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand mindestens bis zum 31.03.2006 fort.

b. Der Kläger war auch nicht generell arbeitsunfähig. Für die Zeit vom 21.01. bis 30.04.05 ergibt sich dies bereits aus dem oben zum Thema des Annahmeverzugs Gesagten. Für die Zeit ab September 2005 ergibt sich dies aus dem T -Gutachten Dr. V vom 20.09.05, aus der ärztlichen Bescheinigung Dr. K vom 05.09.05, aus der ärztlichen Bescheinigung Dr S vom 06.09.05 und schließlich auch aus der ärztlichen Bescheinigung Z vom 08.09.05. Schließlich führt auch das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten vom 01.08.05 aus, dass der vom Gutachter am 11.07.05 festgestellte Zustand akuter Arbeitsunfähigkeit ein vorübergehender und befristeter war. Gründe, die dem Beschäftigungsanspruch des Klägers hätten entgegenstehen können, waren im Zeitpunkt des den Beschäftigungsantrag erledigenden Ereignisses somit nicht erkennbar.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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