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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 7 Sa 380/01
Rechtsgebiete: BGB, MTV Ang. d. Bundesanst. f. Arbeit


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
MTV Ang. d. Bundesanst. f. Arbeit § 54
1. Zur außerordentlichen Kündigung wegen des dringenden Verdachts, mehrfach nach Vornahme technischer Manipulationen von einem Dienstanschluss während der Arbeitszeit mit sog. Sex-Hotlines telefoniert zu haben.

2. Zu den Anforderungen an die Einhaltung der Frist des § 626 II BGB.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 7 Sa 380/01

Verkündet am: 13.03.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 13.03.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Seifert und Bauer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.01.2001 - 17 Ca 6754/00 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung.

Der am 11.08.1968 geborene, ledige Kläger war seit dem 28.06.1991 bei der Beklagten als angestellter Bürosachbearbeiter für dezentrale Datenverarbeitung/Maschinenbedienung beschäftigt. In der Zeit vom 01.09.1988 bis 31.08.1991 hatte der Kläger bei der Beklagten eine Ausbildung absolviert. Er verdiente zuletzt 4.184,58 DM brutto monatlich.

Der Kläger war im dezentralen IT-Service (DITS) des A tätig. Der DITS befindet sich in einem abgeschlossenen Bereich einer Außenstelle des A . Zu diesem Bereich hatten außer dem Hausmeister und dem Abschnittsleiter Allgemeine und Sachverwaltung nur die Leiterin des DITS sowie der Kläger und seine drei Kollegen K , K und C Zugang. Diese Personen verfügten auch außerhalb der Dienstzeit über einen Schlüssel. Den fünf Mitarbeitern des DITS einschließlich des Klägers sowie dem Abschnittsleiter war außerdem das Kennwort bekannt, mit dem bei der menügesteuerten Telekommunikationsanlage die Ebene des Systemadministrators erreicht werden kann. Das Systemterminal der Telekommunikationsanlage befindet sich im abgeschlossenen Bereich des DITS. Über die Sperrliste der Telefonanlage waren 0 190-Telefonnummern gesperrt.

Am 24.01.2000 ging dem A die Rechnung des von ihm beauftragten Providers, der Firma M für den Berechnungszeitraum 01.12. bis 31.12.1999 zu, aus der sich ergab, dass vom DITS aus 14 Verbindungen über insgesamt 200 Minuten mit Sex-Hotlines der "Service 0 190"-Nummern zum Preise von 350,53 DM geführt worden waren, und zwar am 28.12.1999 vier Anrufe von der Nebenstelle 425, am 29.12.1999 weitere fünf Anrufe von der Nebenstelle 425 und am 31.12.1999 weitere fünf Anrufe von der Nebenstelle 453. Bei der Nebenstelle 425 handelt es sich um einen Anschluss, der intern als Verbindung für Störungsnachrichten mit dem Zentralamt in Nürnberg genutzt wird. Bei der Nebenstelle 453 handelt es sich um einen allgemeinen Anschluss für das DITS.

Am 08.02.2000 wurden der zuständige Abschnittsleiter und die Mitarbeiter des DITS über den Sachverhalt informiert. Alle Mitarbeiter erklärten, solche Telefongespräche nicht geführt zu haben.

Es wurde gemeinsam beschlossen, über die Telekom (DT-System) zu klären, um welche Uhrzeit jeweils die Gespräche geführt worden seien. Dies ergibt sich nämlich nicht schon aus den Telefonrechnungen des Providers. Ferner sollte ggf. geklärt werden, ob und, falls ja, wie es technisch möglich sei, die Nebenstellen des DITS von außen zu manipulieren.

Aus der Telefonrechnung vom 25.02.2000 für den Monat Januar 2000 ergab sich, dass unter dem 04.01.2000 wiederum von der Nebenstelle 453 vier 0 190-Gespräche zum Gesamtpreis von 114,36 DM geführt wurden. Die Rechnung vom 30.03.2000 für den Monat Februar 2000 weist ein weiteres solches Gespräch für den 03.02.2000 zum Preis von 6,51 DM aus. Schließlich beinhaltete die Rechnung vom 24.05.2000 für den Monat März 2000 ein letztes Gespräch am 13.03.2000 zum Preis von 49,90 DM.

Am 23.03.2000 erfuhr die Leiterin des DITS von der Telekom telefonisch, dass sich der Anrufer der 0 190-Nummern in der Anlage so angemeldet gehabt habe, wie dies üblicherweise im DITS geschehe, dann auf normalem Weg die Sperrliste aufgerufen, die dort aufgeführte 0 190 mit vier Nullen überschrieben und diesen Vorgang später nach den jeweils geführten Telefonaten wieder rückgängig gemacht habe. Anhaltspunkte dafür, dass die Telefonate in Wirklichkeit von extern geführt worden seien könnten, ließen sich aus der Protokolldatei nicht nachvollziehen. Mit Schreiben vom 19.04.2000 teilte die Telekom das Vorstehende dem Landesarbeitsamt NRW schriftlich mit. Außerdem wurden mit diesem Schreiben die Logbuchdateien für den 28. und 29.12.1999 übersandt, aus denen sich erstmals auch die Uhrzeiten der Manipulationen ergaben. Mit ergänzendem Schreiben vom 19.05.2000 übersandte die Telekom die Logbuchauszüge für den 31.12.1999, den 04.01.2000, den 03.02.2000 und den 13.03.2000.

Die Beklagte überprüfte nunmehr die Gleitzeitnachweise der Mitarbeiter des DITS. Dabei stellte sich heraus, dass jeweils zu den Uhrzeiten, an denen am 28.12.1999, am 29.12.1999, am 31.12.1999, am 03.02.2000 und am 13.03.2000 die 0 190-Nummern angerufen worden waren, jedes Mal immer der Kläger im DITS anwesend war, außer ihm aber kein einziger anderer Mitarbeiter. Für den 04.01.2000 ergab sich, dass der Kläger an diesem Tag Urlaub hatte, dass aber auch kein anderer Mitarbeiter Dienst im DITS hatte.

Nunmehr wurde unter dem 07.06.2000 der Kläger zu dem bisher ermittelten Sachverhalt angehört. Der Kläger bestritt, die 0 190-Telefonate geführt zu haben. Er räumte jedoch ausdrücklich ein, zu den fraglichen Zeiten mit Ausnahme nur des 4.1.2000 jeweils im DITS anwesend gewesen zu sein, und zwar allein. Auch der Hausmeister habe allenfalls kurz die Post gebracht, sei aber nicht an der TK-Anlage gewesen. Am 04.01.2000 sei er, der Kläger jedoch nicht nur nicht im Dienst, sondern auch nicht in Brühl gewesen. Vielmehr sei er bereits am 03.01.2000 um 21:00 Uhr mit acht Freunden zu einem Urlaub nach Österreich aufgebrochen. Hierfür wurde der Kläger von der Beklagten um einen Nachweis gebeten.

Mit Schreiben vom 08.06.2000 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er sich bei seinen Angaben über die Urlaubsreise geirrt habe. Er habe diese Reise in Wirklichkeit nicht am 03.01., sondern erst am 08.01.2000 angetreten. Seine Eltern könnten aber bestätigen, dass er am 04.01.2000 ganztägig zu Hause gewesen sei.

Am 13.06.2000 fragte die Beklagte bei der Telekom an, unter welchen Voraussetzungen Gespräche von extern über eine Nebenstelle des Arbeitsamtes geführt werden könnten. Am 15.06.2000 wurde der Kläger mit seinem Einverständnis umgesetzt. Er wurde darüber informiert, dass noch ein Gutachten über die Möglichkeiten der Fernmanipulation erwartet werde und die Telefonrechnungen für April und Mai abgewartet werden sollten. Mit Schreiben vom 03.07.2000 (Bl. 119 f. d. A.) teilte die Telekom dem Landesarbeitsamt NRW mit, unter welchen Voraussetzungen Gespräche von extern über eine Nebenstelle des Arbeitsamtes geführt werden könnten und dass solche Programmierarbeiten "im Zusammenhang der Manipulation der Sperrliste nicht entdeckt werden konnten". Weiter heißt es in dem Schreiben vom 03.07.2000: "Die Administration müsste somit schon Tage vorher geschehen und unentdeckt geblieben seien". Die Beklagte bat daraufhin die Telekom nochmals, diese Aussage zu präzisieren, und erhielt daraufhin am 17.07.2000 folgende Antwort: "Unsere Überprüfungen haben ergeben, dass drei Tage vor den Terminen 28.12.1999, 29.12.1999, 31.12.1999, 04.01.2000, 03.02.2000, 13.03.2000 keine Programmierarbeiten an den Nebenstellen 425 und 453 vorgenommen worden sind, die es möglich gemacht hätten, Gespräche über diese Nebenstellen von extern zu führen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Gespräche von den Nebenstellen 425 und 453 vor Ort geführt worden sind" (Bl. 121 d. A.).

In einem erneuten Personalgespräch vom 20.07.2000 wurde dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, bis zum 24.07.2000 einem Aufhebungsvertrag zuzustimmen. Nachdem der Kläger hiervon keinen Gebrauch machte, informierte die Beklagte am 24.07.2000 den Personalrat über die Absicht, eine außerordentliche Verdachtskündigung auszusprechen.

Nachdem der Personalrat am 26.07.2000 Stellung genommen hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 27.07.2000, dem Kläger zugegangen am 28.07.2000, außerordentlich und fristlos.

Gegen die Kündigung reichte der Kläger am 11.08.2000 Klage ein. Hierin berief sich der Kläger nunmehr darauf, sich am 04.01.2000 bei seiner Freundin in Mettmann aufgehalten zu haben.

Der Kläger hat bestritten, für die 0 190-Telefonate verantwortlich zu sein und unter anderem die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gerügt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 27.07.2000 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat unter anderem geltend gemacht, dass die Anhörung des Klägers vom 07.06.2000 zu weiteren Ermittlungen geführt habe, die das Ergebnis erbracht hätten, dass eine Manipulation der Telefonanlage von außen ausgeschlossen werden könne. Erst am 17.07.2000 habe sich der Verdacht gegenüber dem Kläger so erhärtet, dass er allein als Urheber der Manipulation und Telefonierender in Frage gekommen sei. Auf Grund dieses dringenden Verdachts gegenüber dem Kläger sei eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr zuzumuten.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 09.01.2001 (17 Ca 6754/00) der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Beklagte nichts Hinreichendes zur Frage der Ausschlussfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB vorgetragen habe.

Die technischen Überprüfungsmaßnahmen in dem Zeitraum zwischen dem 07.06.2000 und dem 17.07.2000 seien, was den Zeitaufwand angehe, womöglich noch hinnehmbar. Nicht hinnehmbar erscheine jedoch der Zeitaufwand zwischen Februar 2000 und Anfang Juni 2000.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 16.03.2001 zugestellt. Sie hat hiergegen am 11.04.2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11.06.2001 am 06.06.2001 begründet.

Die Beklagte macht geltend, dass sie erst mit Zugang des Telefaxes der Sachverständigen der DT-System vom 17.07.2000 ausreichend sichere Kenntnis davon erlangt habe, dass der Verdacht gegenüber dem Kläger dringend sei. Auch die vorherigen Ermittlungen nach der erstmaligen Kenntnis der Manipulationen seien - nicht zuletzt in Anbetracht des technisch komplizierten Sachverhalts - zügig durchgeführt worden. Das Entlastungsvorbringen des Klägers bezüglich des 04.01.2000 sei auch schon auf Grund seines widersprüchlichen Vorbringens nicht erheblich.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.01.2001 - 17 Ca 6754/00 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte hält die streitgegenständliche Kündigung weiterhin für verfristet. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB habe spätestens mit Zugang des Schreibens der Firma DT-System vom 03.07.2000 zu laufen begonnen. Im Übrigen hält der Kläger und Berufungsbeklagte auch sein Alibivorbringen für den 04.01.2000 für erheblich.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG a. F. statthaft. Sie wurde auch gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG a. F. fristgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Beklagten ist auch erfolgreich. Sie führt zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 09.01.2001 und zur Abweisung der Kündigungsschutzklage des Klägers und Berufungsbeklagten.

1. Keine Meinungsverschiedenheit besteht darüber, dass das der streitigen Kündigung vom 27.07.2000 zu Grunde liegende Fehlverhalten grundsätzlich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB und § 54 Abs. 1 Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit zu rechtfertigen. Das Verhalten ist in mehrfacher Hinsicht geeignet, den Arbeitgeber zu schädigen. Zum einen entsteht ein wirtschaftlicher Schaden dadurch, dass dem Telefonanbieter durch die inkriminierten Telefonate ein Gebührenanspruch erwächst. Zum zweiten entsteht ein wirtschaftlicher Schaden dadurch, dass an fünf der sechs betroffenen Tage in nicht unerheblichem Umfang Arbeitszeit für private Vergnügungen zweckentfremdet wurde. Weiterhin entsteht ein immaterieller Schaden der Beklagten dadurch, dass der Missbrauch von Arbeitszeit zum Führen derartiger spezieller Telefonate das Ansehen der beklagten Bundesanstalt in der Öffentlichkeit beeinträchtigt.

Der Missbrauch von Arbeitszeit sowie von wirtschaftlichen Mitteln und technischen Einrichtungen der Beklagten zum Führen privater Sex-Telefonate begründet eine schwerwiegende Störung im Vertrauensbereich, die geeignet ist, auch dann eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB zu rechtfertigen, wenn die Täterschaft eines bestimmten Arbeitnehmers noch nicht mit letzter Sicherheit feststeht, jedoch ein sehr dringender Verdacht gegen ihn gegeben ist.

2. Der Kläger steht auch in dringendem Verdacht, derjenige gewesen zu sein, welcher die hier in Rede stehenden Telefonate mit den verschiedenen Sex-Hotlines geführt hat. Die Dringlichkeit des gegenüber dem Kläger bestehenden Verdachts erreicht diejenige Intensität, die erforderlich ist, im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Verdachtskündigung rechtfertigen zu können.

a. Hat man davon auszugehen, dass die fraglichen Telefonate vor Ort aus den Räumlichkeiten des DITS heraus geführt worden sind, so kommt jedenfalls für die Telefonate vom 28.12.1999, 29.12.1999, 31.12.1999, 03.02.2000 und 13.03.2000 kein anderer Täter als der Kläger in Betracht. An allen fünf Tagen hat sich der Kläger unstreitig jeweils zu den Zeitpunkten, an denen die Telefonate geführt wurden, im DITS aufgehalten. Ebenso unstreitig befand er sich zu den Zeiten dieser Telefonate allein im DITS. Der Kläger hat in der Anhörung vom 07.06.2000 wie auch in der Folgezeit eingeräumt, dass zu den fraglichen Zeiten kein anderer Mitarbeiter des DITS, bzw. des A im DITS anwesend war und dass auch der Hausmeister der Nebenstelle, in welcher das DITS untergebracht ist, allenfalls nur kurz Post vorbeigebracht und sich jedenfalls nicht an der Telekommunikationsanlage zu schaffen gemacht hat. War zu den fraglichen Zeiten keine andere Person anwesend, so kann auch niemand anders als der anwesende Kläger die fraglichen Telefonate geführt haben, wobei es dann noch nicht einmal darauf ankommt, dass - ebenfalls unstreitig - zu dem abgeschlossenen Bereich des DITS außer den fünf dort beschäftigten Angestellten und dem zuständigen Abschnittsleiter sowie dem Hausmeister niemand anders Zugang hat.

b. Wurden die Telefonate vor Ort aus dem DITS heraus geführt und kann an fünf der sechs Tage, an denen die Hotline 0 190 entsperrt und benutzt wurde, nur der Kläger der Täter gewesen sein, kommt es ersichtlich auch nicht darauf an, wer am 04.01.2000 telefoniert hat.

c. Zunächst bleibt festzuhalten, dass auch für den 04.01.2000 der Kläger grundsätzlich als Täter in Betracht kommt, auch wenn er an diesem Tage sich unstreitig nicht dienstlich im DITS aufgehalten hat. Immerhin war an diesem Tage auch kein anderer Mitarbeiter mit Zugang zum DITS dort dienstlich anwesend. Auch hätte sich der Kläger unstreitig mit Hilfe des ihm zur Verfügung stehenden Schlüssels jederzeit auch während seines Urlaubs Zugang verschaffen können. Auch der Einwand, es sei widersinnig, während seines Urlaubs nur zum Zwecke des Telefonierens den Arbeitsplatz aufzusuchen, relativiert sich, wenn man bedenkt, dass derjenige, der ausgiebig mit Sex-Hotlines zu telefonieren beabsichtigt, dabei typischerweise gerne ungestört ist. Diese Voraussetzung, verbunden mit dem Umstand, auf Kosten eines anderen telefonieren zu können, war am Arbeitsplatz des Klägers gewährleistet. Immerhin sind am 04.01.2000 vier Gespräche zu insgesamt 88 Minuten in einem Gebührenwert von 111,36 DM geführt worden. Dabei hat der Kläger auch selbst dazu beigetragen, die gegen ihn auch bezüglich des 04.01.2000 bestehenden Verdachtsmomente noch dadurch zu verstärken, dass er gegenüber der Beklagten im Laufe der Zeit drei verschiedene und sich gegenseitig ausschließende Versionen über seinen Aufenthalt am 04.01.2000 geliefert hat.

d. Hat man davon auszugehen, dass die 0 190-Telefonate vor Ort aus den Räumlichkeiten des DITS heraus geführt wurden, so wäre aber die Täterschaft des Klägers für die Tage 28. und 29.12.1999, 31.12.1999, 03.02.2000 und 13.03.2000 selbst dann nicht in Frage gestellt, wenn feststünde, dass sich am 04.01.2000 zur Tatzeit nicht der Kläger, sondern jemand anders im DITS aufgehalten hätte. Es wäre dann eben von zwei verschiedenen Tätern auszugehen, ohne dass sich an der Intensität des Kündigungsvorwurfs oder der Verdachtsintensität bezüglich der anderen fünf Tage etwas änderte.

e. Die Dringlichkeit des gegenüber dem Kläger bestehenden Verdachtes könnte somit allenfalls dann in Frage gestellt werden, wenn die Möglichkeit bestünde, dass die fraglichen Telefonate nicht vor Ort aus den Räumen des DITS heraus geführt wurden, sondern die Telefonanlage des DITS von außerhalb hätte manipuliert worden seien können. In Anbetracht des Ergebnisses der sorgfältigen Ermittlungen der Beklagten erscheint diese Möglichkeit zur Überzeugung der Berufungskammer jedoch nur theoretischer Natur und vermag nach Lage der Dinge den gegen den Kläger vorliegenden dringenden Tatverdacht ebenfalls nicht entscheidend zu entkräften.

aa. Die Beklagte hat mit Hilfe der Firma D ermittelt, welche technischen Schritte in der im DITS vorhandenen Telekommunikationsanlage hätten vorgenommen werden müssen, um sich von außen in diese Anlage einloggen, bzw. die in der Telekommunikationsanlage des DITS vorhandenen Anschlüsse zur Führung oder zur Tarnung derartiger Telefonate missbrauchen zu können. Danach ist eine derartige Manipulation der Anlage von außen zwar grundsätzlich möglich, hinterlässt jedoch Spuren und bleibt auf Grund der automatisch erfolgenden Protokollierung der in der Anlage vorgenommenen Programmierschritte im Nachhinein rekonstruierbar. Die Beklagte hat die Firma D sodann weitere Überprüfungen vornehmen lassen mit dem Ergebnis, dass an den sechs ermittelten Tattagen und jeweils bis zu drei Tage vorher die für eine Manipulation von außen notwendigen Schritte nicht vorgenommen wurden.

Diese Ermittlungsergebnisse sind in sich stimmig und nachvollziehbar und schließen bereits für sich betrachtet mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, dass eine Manipulation der Anlage von außen tatsächlich stattgefunden hat. Inhaltlich stichhaltige Einwände gegen dieses Ermittlungsergebnis konnte der Kläger nicht vorbringen.

bb. Für die Berufungskammer kommt jedoch noch folgender Gesichtspunkt entscheidend hinzu: Stellt man sich vor, dass ein Dritter die theoretische Möglichkeit einer technischen Manipulation von außen genutzt hätte, um unerkannt die 0 190-Telefonate führen zu können, so ändert dies doch nichts an dem Umstand, dass dies in fünf von sechs Fällen immer gerade dann erfolgte, wenn ausschließlich der Kläger und zwar der Kläger allein im DITS dienstlich anwesend war, und auch an dem sechsten Tag, dem 04.01.2000, war nachweisbar jedenfalls kein anderer dienstlich anwesend. Schließt man einmal die Möglichkeit aus, dass ein Dritter, der dann auch genauestens mit den dienstlichen Verhältnissen hätte vertraut sein müssen, den Kläger gezielt hätte in Verruf bringen wollen, wofür nicht die geringsten Anhaltspunkte ersichtlich sind, so erscheint ein solcher Zufall dermaßen unwahrscheinlich, dass er vollends dazu führen muss, die vom Kläger ins Spiel gebrachte Möglichkeit einer Manipulation von außen als vernachlässigenswert anzusehen.

cc. Der dringende Verdacht gegenüber dem Kläger ist somit zu bejahen, ohne dass es auf eine Beweisaufnahme über das vom Kläger für den 04.01.2000 vorgebrachte Alibi in seiner letzten Version ankäme.

f. Bei alledem ist der weitere Einwand des Klägers, er sei technisch gar nicht in der Lage gewesen, die 0 190-Nummern in der Telekommunikationsanlage des DITS zu entsperren, zur Überzeugung der Berufungskammer als Schutzbehauptung zu werten. Die Beklagte hat dargelegt, mit wie wenigen Schritten ein Mitarbeiter wie der Kläger, der über das nötige Passwort verfügt, die Entsperrung vornehmen konnte. Es ist unglaubhaft, dass der Kläger, welcher hauptberuflich als Bürosachbearbeiter für dezentrale Datenverarbeitung/Maschinenbedienung tätig war, zu diesen Schritten in der menügesteuerten Telekommunikationsanlage nicht in der Lage gewesen seien sollte.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers, aber auch des Arbeitsgerichts kann nach Überzeugung der Berufungskammer der Beklagten im Ergebnis auch nicht der Vorwurf gemacht werden, die streitgegenständliche Kündigung erst außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen zu haben. Die Ausschlussfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

a. Zwar ist dem Arbeitsgericht grundsätzlich darin Recht zu geben, dass der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts zügig durchzuführen hat, aber andererseits ist, wie das Arbeitsgericht ebenfalls festgestellt hat, eine möglichst sichere und vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen wünschenswert und die Gefahr eines voreiligen Kündigungsentschlusses auf Grund in hektischer Eile durchgeführter Aufklärungsmaßnahmen nach Möglichkeit zu vermeiden.

b. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, im vorliegenden Fall die notwendigen Aufklärungen übergebühr verzögert zu haben.

aa. Das Berufungsgericht tritt dem Arbeitsgericht bei, wenn dieses ausführt, dass der in der Zeit vom 07.06.2000 bis 17.07.2000 erfolgte Zeitaufwand für substantielle technische Abklärungen noch hinnehmbar sei. Die in dieser Zeit vorgenommenen Abklärungen dienten gerade der Überprüfung des klägerischen Einwands, dass die Telekommunikationsanlage des DITS von außen manipuliert worden sein müsse. Auch hatte es einen guten Grund, dass sich die Beklagte nicht bereits mit der Auskunft der D vom 03.07.2000 zufrieden gab; denn mit dieser Auskunft waren zwar die technischen Manipulationsmöglichkeiten als solche geklärt, jedoch noch nicht die wesentliche Feststellung getroffen, ob in der Telekommunikationsanlage zu den fraglichen Zeitpunkten tatsächlich Manipulationsspuren erkennbar waren. Diese Aufklärung erfolgte erst mit dem weiteren Schreiben der D vom 17.07.2000. Erst von diesem Zeitpunkt ab begann somit nach Auffassung des Berufungsgerichts die 14-Tagefrist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen.

bb. Bei der Beurteilung ist auch zu beachten, dass die Beklagte bei der Aufklärung des Sachverhalts auf die technische Mithilfe fremder Stellen angewiesen war. Für die Dauer der Beantwortung ihrer Anfragen insbesondere bei der Firma D kann die Beklagte somit nicht verantwortlich gemacht werden. Von dem Sinn und Zweck des § 626 Abs. 2 BGB her erschiene es auch unangemessen, denjenigen Arbeitgeber zu benachteiligen, der, statt voreilige Kündigungsentschlüsse zu fassen, gerade auch die potenziell den Arbeitnehmer entlastenden Momente einer sorgfältigen Aufklärung unterzieht.

c. Während der Kläger selbst - wenn auch nach Auffassung des Berufungsgerichts, wie aufgezeigt, zu Unrecht - lediglich die Meinung vertreten hat, dass die 14-Tage-Frist "spätestens am 03.07.2000" zu laufen begonnen habe, hat das Arbeitsgericht der Beklagten gerade den Zeitaufwand zwischen Februar 2000 und Anfang Juni 2000 als nicht hinnehmbar vorgeworfen.

aa. Dabei ist jedoch zunächst zu bedenken, dass es vorliegend um einen aus mehreren Einzelakten zusammengesetzten einheitlichen Kündigungsvorwurf geht. In solchen Fällen kann die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB keinesfalls zu laufen beginnen, bevor dem Arbeitgeber der letzte der maßgeblichen Einzelakte bekannt geworden ist. Die 0 190-Telefonate vom 13.03.2000 sind der Beklagten jedoch erst durch die Telefonrechnung vom 24.05.2000, frühestens durch die schriftliche Mitteilung der Firma D vom 19.05.2000 bekannt geworden.

bb. Mit dem Schreiben vom 19.05.2000 wurde die Beklagte auch erst in die Lage versetzt, mögliche Verdachtsmomente gegen einzelne konkrete Personen zu überprüfen, da ihr jetzt erst die vollständigen Uhrzeiten der fraglichen Telefonate bekannt gegeben wurden. Nach zwischenzeitlich erfolgter Auswertung der Gleitzeitnachweise erfolgte dann bereits am 07.06.2000 die erste Anhörung des Klägers.

d. Die Beklagte hat somit insgesamt kontinuierlich und folgerichtig ermittelt und große Sorgfalt auf die Abklärung möglicher Entlastungsmomente zu Gunsten der Beschäftigten des DITS verwandt. Es ist bei alledem nicht erkennbar, dass zu irgendeinem Zeitpunkt bei den in Frage kommenden Betroffenen einschließlich des Klägers der Eindruck entstehen konnte, als würde die Beklagte die den Arbeitnehmern bereits im Februar 2000 eröffnete Problematik der 0 190-Anrufe auf sich beruhen lassen und daraus insbesondere keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr ziehen wollen.

4. Auch die abschließende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Klägers aus. Zu seinen Gunsten spricht zwar sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes und die einschließlich der Ausbildungszeit im Zeitpunkt der Kündigung knapp 12-jährige Betriebszugehörigkeit. Gegen ihn spricht jedoch die Schwere des Vorwurfs, wie sie bereits eingangs angesprochen wurde, und der Umstand, dass die Art des Vorwurfs geeignet ist, die Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses nachhaltig zu zerstören. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht etwa in impulsiver Gemütsregung ein einmaliges Fehlverhalten an den Tag gelegt hat, sondern seinen Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt und gezielt hintergangen hat. Schon auf Grund der Tatsache, dass die 0 190-Nummern durch technische Vorkehrungen gesperrt waren, konnte nicht der geringste Zweifel daran aufkommen, dass die Benutzung dieser Nummern einem strengen Verbot unterlag und vom Arbeitgeber nicht geduldet werden würde. Gleichwohl muss die Beklagte den berechtigten und dringenden Verdacht hegen, dass der Kläger sich hierüber immer wieder manipulativ hinweggesetzt hat.

In Anbetracht der Eindeutigkeit des Verbots einer derartigen Handlungsweise war auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich.

Bei alledem kann nach Überzeugung des Berufungsgerichts der streitigen außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 27.07.2000 die Rechtswirksamkeit nicht versagt bleiben.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung Revision ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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