Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 761/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte


Vorschriften:

TV für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte)
Eine Eingruppierung als Oberarzt im Sinne der Vergütungsgruppe Ä 3, erste Alternative, des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 1.11.2006 ("Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist") setzt voraus, dass der Oberarzt gegenüber einem oder mehreren anderen Ärzten aufsichts- und weisungsbefugt ist.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.04.2008 in Sachen 2 Ca 2305/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) vom 01.11.2006 als Oberarzt in die Entgeltgruppe Ä 3 einzugruppieren ist.

Der am 08.11.1943 geborene Kläger ist seit 1972 an der Universitätsklinik B , Klinik für Neurochirurgie, als Arzt beschäftigt. Seit 1983 ist er Facharzt für Neurochirurgie.

Der Kläger ist innerhalb der neurochirurgischen Klinik für die sog. Poliklinik zuständig. Hierbei handelt es sich um eine offene Ambulanz. Es ist Aufgabe des Klägers zu entscheiden, ob die Patienten, die sich in der neurochirurgischen Ambulanz vorstellen, zum Zwecke der Durchführung einer Operation stationär aufgenommen werden (ca. 20 % der Patienten), ob sie in der Klinik ambulant behandelt werden (ca. 20 %) oder ob sie mit einem entsprechendem Arztbrief versehen in die Obhut des überweisenden Arztes zurücküberstellt werden (ca. 60 % der Patienten). Vom Kläger erstellte Arztbriefe werden dabei von einem sog. leitenden Oberarzt gegengelesen und mitunterzeichnet. Personalverantwortung im Sinne von Weisungs- und Aufsichtsrechten gegenüber ärztlichem und/oder nicht-ärztlichem medizinischen Personal übt der Kläger unstreitig nicht aus.

Beide Parteien sind tarifgebunden. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-Ärzte am 01.11.2006 war der Kläger aufgrund eines Zeitaufstiegs aus der Vergütungsgruppe I b Fallgruppe 7 BAT in die Vergütungsgruppe I a Fallgruppe 4 BAT eingruppiert. Nach der Überleitung auf das Eingruppierungssystem des TV-Ärzte führt die Beklagte den Kläger nunmehr in der Entgeltgruppe Ä 2.

Klinikintern ist der Kläger seit dem Jahre 1984 berechtigt, die Bezeichnung Oberarzt zu führen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei nach dem TV-Ärzte in die Entgeltgruppe Ä 3 als Oberarzt einzugruppieren. Seine Tätigkeit in der Ambulanz der neurochirurgischen Universitätsklinik erfülle die Merkmale der ersten Alternative der tarifvertraglichen Definition ("Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist"). Der damalige Leiter der neurochirurgischen Universitätsklinik Prof. Dr. W habe ihm im Jahre 1984 die entsprechende Position des Oberarztes als Leiter der sog. Poliklinik offiziell übertragen. Dass ihm, dem Kläger, keine weiteren Ärzte zugeordnet seien, sei unerheblich, da der TV-Ärzte die Anwendbarkeit der Entgeltgruppe Ä 3 nicht von einer bestimmten Mindestgröße des vom Oberarzt medizinisch verantworteten Teil- oder Funktionsbereichs abhängig mache. Die Mitunterzeichnung der Befunde und Arztbriefe durch den leitenden Oberarzt bzw. Chefarzt beinhalte allenfalls eine Plausibilitätsprüfung und habe nur eine formale Bedeutung.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.11.2006 Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) zu zahlen und den Nettodifferenzbetrag monatlich mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, bei dem Kläger handele es sich um einen sog. Titularoberarzt, der die Tarifmerkmale der Entgeltgruppe Ä 3 des TV-Ärzte jedoch in Wirklichkeit nicht erfülle.

So sei der Kläger zwar, wie jeder Fach- und sogar Assistenzarzt, für die von ihm selbst vorgenommenen ärztlichen Behandlungen, Diagnosen und Therapien medizinisch verantwortlich, trage jedoch darüber hinaus keine medizinische Verantwortung im Tarifsinne für einen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik. Die Leitung der Ambulanz werde vom Klinikdirektor selbst verantwortet, die Personalverantwortung im Sinne der Weisungsrechte liege bei diesem und den in der neurochirurgischen Klinik tätigen Tarifoberärzten.

Dem Kläger sei auch niemals im heutigen Tarifsinne die medizinische Verantwortung für die Ambulanz "übertragen" worden, schon gar nicht nach Inkrafttreten der neuen Tarifwerke.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird ergänzend auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.04.2008 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 23.04.2008 hat das Arbeitsgericht Bonn die Eingruppierungsklage abgewiesen. Es hat angenommen, dass der Kläger die Eingruppierungsvoraussetzungen der ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 des TV-Ärzte nicht erfülle. Das Arbeitsgericht hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass ein Oberarzt im Tarifsinne auch Aufsichtsfunktionen über ärztliches und/oder nicht-ärztliches Personal wahrzunehmen habe. Dies ergebe sich insbesondere aus der tariflichen Eingruppierungssystematik. Unerheblich sei, wie sich aus der Niederschriftserklärung zum TV-Ü/Ärzte, § 4 ergebe, dass der Kläger seit geraumer Zeit befugt sei, die Bezeichnung Oberarzt zu führen. Auf die vollständigen Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 23.04.2008 wird ergänzend Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 23.05.2008 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 12.06.2008 Berufung einlegen und diese am 18.06.2008 begründen lassen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Eingruppierungsregelungen der Entgeltgruppen Ä 1 bis Ä 3 des TV-Ärzte ergäben keinen Anhalt dafür, dass bei der Eingruppierung das Vorhandensein von Personalverantwortung eine Rolle spielen solle.

Vielmehr werde in der Entgeltgruppe Ä 3 die erhöhte fachliche Qualifikation tarifiert.

Dies entspreche auch dem bisherigen Verständnis des Oberarztes, dem gegenüber dem Facharzt eine besondere, auch durch Erfahrung gewonnene Qualifikation zukomme. Eine Tätigkeit, wie sie er, der Kläger, in der Ambulanz der neurochirurgischen Universitätsklinik ausübe, sei nur von einem erfahrenen und in der Neurochirurgie versierten Facharzt verlässlich zu leisten.

Der Kläger wiederholt, dass ihm die Oberarztfunktion im Jahre 1984 vom damaligen Direktor der neurochirurgischen Universitätsklinik übertragen worden sei. Auch dann, wenn man eine solche förmliche Übertragung heute nicht mehr feststellen könne, sei eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe Ä 3 begründet, da er, der Kläger, mehr als zwei Jahrzehnte als Oberarzt und Leiter der Poliklinik fungiert habe. Insofern bedürfe es keiner förmlichen Ernennung oder Bestellung.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.04.2008, 2 Ca 2305/07, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.11.2006 Vergütungsgruppe nach der Entgeltgruppe Ä 3 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) zu zahlen und den Nettodifferenzbetrag monatlich mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, allein schon aus der tariflichen Systematik heraus sei jedenfalls für die erste Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 zu verlangen, dass der Oberarzt auch Aufsichtsfunktionen über nicht-ärztliches und ärztliches Personal wahrnehmen müsse, weil er sonst nicht im Tarifsinne die medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. einer Abteilung zu tragen habe. Für seine eigene ärztliche Tätigkeit müsse jeder (Fach-)Arzt die Verantwortung übernehmen und für Behandlungsfehler geradestehen. Die Eingruppierung als Oberarzt setze voraus, dass eine Vorgesetztenfunktion wahrgenommen werde. Abgesehen davon fehle es auch an einer "Übertragung" einer solchen medizinischen Verantwortung seitens der Beklagten. Sie, die Beklagte, vermute, dass Herr Prof. W dem Kläger seinerzeit "erlaubt" habe, sich Oberarzt zu nennen, weil der Kläger ein sehr guter Arzt sei. Es sei jedoch nicht so, dass der Kläger seit 1984 für sie, die Beklagte, medizinisch verantwortlich im Sinne der tariflichen Entgeltgruppe Ä 3 tätig geworden wäre.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründung des Klägers und der Berufungserwiderung der Beklagten wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.04.2008 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat nach Überzeugung des Berufungsgerichts den Rechtsstreit richtig entschieden und seine Entscheidung auch zutreffend begründet. Aus der Sicht der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gilt, anknüpfend an die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils, zusammenfassend und ergänzend das Folgende:

1. Für die Eingruppierung des Klägers als Oberarzt im Sinne der Entgeltgruppe Ä 3 des TV-Ärzte vom 01.11.2006 ist nicht maßgebend, dass der Kläger seit dem Jahre 1984 mit Billigung oder zumindest Duldung der Beklagten bei seiner beruflichen Tätigkeit für diese die Bezeichnung "Oberarzt" führt.

a. Vor Inkrafttreten der Eingruppierungsregeln des TV-Ärzte war die Bezeichnung eines Klinikarztes als "Oberarzt" eingruppierungsrechtlich irrelevant. Wie aus der Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien zu § 4 TV-Ü/Ärzte unmissverständlich hervorgeht, war den Tarifvertragsparteien bei Abschluss der neuen Eingruppierungsregeln bewusst, dass es bei Inkrafttreten des neuen Tarifvertrages Ärzte geben würde, "die am 31.10.2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin bzw. Oberarzt nach § 12 TV-Ärzte zu erfüllen". Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien sollten diese Personen "die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren". Aber: "Eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe Ä 3 ist hiermit nicht verbunden".

b. Ausschlaggebend für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist somit ausschließlich, ob die vom Kläger nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübende Tätigkeit derjenigen eines Arztes entspricht, "dem die medizinische Verantwortung für Teil- und/oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber übertragen worden ist" (Entgeltgruppe Ä 3, erste Alternative, zu § 12 Eingruppierung TV-Ärzte).

2. Die zweite Alternative der tariflichen Definition "Oberärztin/Oberarzt" der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte kommt nach dem Vortrag beider Parteien im vorliegenden Fall unstreitig nicht in Betracht.

3. Die seit dem 01.11.2006 in Kraft befindliche tarifliche Definition einer Oberärztin/eines Oberarztes im Sinne der ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte wird vom Kläger nicht erfüllt. Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach eine "medizinische Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung" nur in Betracht kommt, wenn der betreffende Arzt eine mit Weisungsbefugnissen verbundene Aufsichtsfunktion gegenüber anderem ärztlichen Personal auszuüben hat. Hierfür sprechen nicht nur die bereits vom Arbeitsgericht hervorgehobenen Aspekte einer systematischen Auslegung der tariflichen Eingruppierungsdefinitionen für Ärzte Ä 1 bis Ä 3. Zur Überzeugung des Berufungsgerichts ergibt sich das Erfordernis einer Verantwortung für das Handeln anderen ärztlichen Personals in diesem Sinne auch bereits unmittelbar aus dem aus dem Wortlaut der ersten Alternative der Definition eines Oberarztes herzuleitenden Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.

a. Der tarifliche Schlüsselbegriff der ersten Alternative der Definition eines Oberarztes der Entgeltgruppe Ä 3 ist derjenige der "medizinischen Verantwortung". Diese muss überdies "vom Arbeitgeber übertragen worden sein" und sich auf "Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung" beziehen.

b. Indem die Tarifvertragsparteien somit entscheidend auf eine vom Arbeitgeber übertragene Verantwortung abstellen, ist bereits die zentrale Auffassung des Klägers widerlegt, wonach in der Entgeltgruppe Ä 3 erste Alternative des TV-Ärzte "die erhöhte fachliche Qualifikation tarifiert" werden sollte. Die erste Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte stellt gerade nicht auf persönliche Eigenschaften eines Arztes, wie etwa dessen Qualifikation, seine Erfahrung oder Ähnliches ab, sondern auf einen ihm zugewiesenen Verantwortungsbereich. Maßgeblich sind somit nicht die Eigenschaften der Person, sondern die Eigenart des ihr übertragenen Aufgabenkreises.

c. Wenn die Tarifvertragsparteien nicht auf die Eigenschaften der Person, sondern auf den Aufgabenkreis abstellen, so lässt sich dies nur mit einem Streben nach einer gewissen "Objektivierung" erklären: Die tarifliche Eingruppierung als Oberarzt ist nicht dazu gedacht, ein besonderes Können, eine besondere Erfahrung oder andere medizinische Verdienste der Person des Arztes zu honorieren, sondern bezieht sich auf herausgehobene Positionen mit erhöhter Verantwortung innerhalb der Aufgabenverteilung einer Klinik.

d. Bei der weiteren Eingrenzung des tieferen Sinnes, welchen die Tarifvertragsparteien dem Begriff der "medizinischen Verantwortung" im Sinne der ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte beimessen wollten, ist von der Feststellung auszugehen, dass zunächst grundsätzlich jeder Arzt die medizinische Verantwortung für sein eigenes ärztliches Handeln zu tragen hat. Jeder Arzt kann für die im Rahmen seiner eigenen medizinischen Tätigkeit vorkommenden Fehler und Unzulänglichkeiten "zur Verantwortung gezogen" werden. Diese allgemeine medizinische Verantwortung, die jeder Arzt für sein eigenes medizinisches Handeln zu tragen hat, kann in der ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 aber nicht gemeint sein; denn die tarifliche Definition des Begriffs "Oberarzt" in der ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 soll gerade beschreiben, warum und wodurch sich der "Oberarzt" von einem "Facharzt" der Entgeltgruppe Ä 2 und - erst recht - von einem Arzt der Entgeltgruppe Ä 1 hervorhebt. Die in Ä 3 gemeinte "medizinische Verantwortung" muss somit über diejenige hinausgehen, die jeder Arzt für sein eigenes medizinisches Handeln ohnehin zu tragen hat.

e. Eine höhere medizinische Verantwortung als diejenige, die jeder Arzt für sein eigenes ärztliches Handeln ohnehin zu tragen hat, kann aber nur dem Arzt zukommen, der über sein eigenes ärztliches Handeln hinaus auch noch für das ärztlich-medizinische Handeln anderer einzustehen hat. Die Verantwortung für das medizinische Handeln anderer übernehmen zu müssen, setzt jedoch regelmäßig ein Über-Unter-Ordnungsverhältnis voraus. Die Verantwortung für das medizinische Handeln anderer kann nur übernehmen, wem auch die entsprechenden Aufsichts- und Weisungsbefugnisse zustehen.

f. Die Tarifvertragsparteien haben die in der Entgeltgruppe Ä 3 vorauszusetzende Erweiterung des medizinischen Verantwortungsbereichs - wiederum in dem augenscheinlichen Bestreben nach Objektivierung - auf eine solche "für Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung" konkretisiert. Dabei ist vorausgesetzt, dass in diesen "Teil- oder Funktionsbereichen" medizinisches Handeln dort auch durch weiteres Fachpersonal ausgeübt wird. Nur wenn, wie bereits ausgeführt, die medizinische Verantwortung über diejenige für das eigene ärztliche Handeln hinausgeht, ist der Begriff als Heraushebungsmerkmal aus den unteren Entgeltgruppen Ä 1 und Ä 2 geeignet. Die medizinische Verantwortung für eine "Ein-Mann-Abteilung" reicht somit nicht aus.

g. Wie bereits aus der systematischen Argumentation des Arbeitsgerichts hervorgeht und durch den Umstand nahegelegt wird, dass es bei den Entgeltgruppen Ä 1 bis Ä 3 um die medizinische Verantwortung und das medizinische Handeln von Ärzten geht, ist somit letztendlich für die erste Alternative der tariflichen Definition des Oberarztes in der Entgeltgruppe Ä 3 vorauszusetzen, dass der Oberarzt gegenüber einem oder mehreren anderen Ärzten aufsichts- und weisungsbefugt ist. Die Ausübung medizinscher Verantwortung nur gegenüber Mitgliedern des nicht-ärztlichen Klinikpersonals erscheint dagegen als eingruppierungsrechtliches Heraushebungsmerkmal für einen Oberarzt von vornherein nicht geeignet und kann daher in der ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 von den Tarifvertragsparteien nicht gemeint sein; denn die Aufsichts- und Weisungsbefugnis gegenüber nicht-ärztlichem Personal ist ärztlichem Handeln grundsätzlich auf allen ärztlichen Hierarchiestufen immanent.

h. In der bisherigen Rechtsprechung nicht geklärt ist die Frage, ob es sich bei dem dem Oberarzt unterstellten Arzt sogar um einen Facharzt der Entgeltgruppe Ä 2 handeln muss oder ob auch die Unterstellung von einem oder mehreren Ärzten der Entgeltgruppe Ä 1 ausreicht. Das Berufungsgericht neigt dazu, dass es für die Entgeltgruppe Ä 3 erste Alternative auch ausreicht, wenn dem Oberarzt ein oder mehrere Ärzte der Entgeltgruppe Ä 1 zugeordnet sind; denn für das Erfordernis, dass es sich bei dem unterstellten Arzt um einen Facharzt der Entgeltgruppe Ä 2 handeln muss, finden sich nach Auffassung des Berufungsgerichts in den Tarifmerkmalen der Entgeltgruppe Ä 3 nicht genügend Anhaltspunkte. Die Frage kann jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da dem Kläger unstreitig weder fachärztliches, noch ärztliches, noch auch nur nicht-ärztliches Personal unterstellt ist.

i. Abschließend bleibt anzumerken, dass entgegen der Auffassung des Klägers die hier vertretene Ansicht, wonach Oberarzt im Tarifsinne nur sein kann, wem mindestens ein anderer Arzt unterstellt ist, auch eher dem herkömmlichen Sprachverständnis des Begriffes Oberarzt entspricht, als die vom Kläger für richtig gehaltene Ansicht. Der allgemeine Sprachgebrauch hat auch früher schon unter einem "Oberarzt" eher einen Krankenhausarzt mit leitender Funktion und besonderen Befugnissen verstanden und nicht so sehr einen Arzt, der sich durch besonderes Können oder besondere Erfahrung auszeichnet. So heißt es zum Beispiel in einem vor Inkrafttreten des TV-Ärzte erschienenen Wörterbuch der deutschen Sprache zum Begriff ,Oberarzt': "Arzt, der an einem Krankenhaus den Chefarzt vertritt oder eine spezielle Abteilung leitet" (ZEIT - Lexikon, Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 18, 2005).

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG war die Revision zuzulassen, da die Auslegung der tariflichen Eingruppierungsmerkmale des TV-Ärzte zur Tarifgruppe Ä 3 "Oberärztin/Oberarzt" bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist.

Ende der Entscheidung

Zurück