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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 06.11.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 786/08
Rechtsgebiete: BGB, KSchG
Vorschriften:
BGB § 626 | |
KSchG § 9 |
2.) Zu den Voraussetzungen eines arbeitnehmerseitigen Auflösungsantrags.
Tenor:
Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.01.2008 in Sachen 16 Ca 6848/07 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufungsinstanz haben die Beklagte 2/3, der Kläger 1/3 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am 27.01.1959 geborene Kläger ist verheiratet und hat drei Kinder. Er ist seit dem 10.11.1998 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, einer Einzelfirma des jetzigen Geschäftsführers, als Bauarbeiter beschäftigt und verdiente ca. 3.000,00 € brutto monatlich.
Am Abend des 22.07.2007 gegen 22:00 Uhr trafen der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf die bevorstehende Nachtschicht im Betrieb zusammen. Es entwickelte sich zwischen den beiden Personen unter vier Augen ein Streitgespräch, in dessen Verlauf der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger schließlich ein Hausverbot erteilte. Ob im Rahmen dieses Gespräches der Kläger den Beklagten grundlos anbrüllte und mit Gesten körperlich bedrohte, oder ob es der Geschäftsführer der Beklagten war, der den Kläger grundlos anbrüllte und ihm überdies neben dem unstreitigen Hausverbot auch eine mündliche fristlose Kündigung aussprach, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Beide Parteien befinden sich insoweit eingestandermaßen in Beweisnot.
Jedenfalls verließ der Kläger im Hinblick auf das ausgesprochene Hausverbot den Betrieb, ohne die Arbeit anzutreten. Mit Schreiben vom 24.07.2007 übermittelte der Kläger der Beklagten eine am Vortag ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit bis zum 27.07., übersandte der Beklagten den noch in seinem Besitz befindlichen elektronischen Toröffner, bot seine Arbeitskraft für die Zeit nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit an und wies darauf hin, dass ihm eine schriftliche Kündigung bislang nicht zugegangen sei (Schreiben des Klägers vom 24.07.2007, Bl. 13 d. A.).
Am Montag, den 30.07.2007, erschien der Kläger im Betrieb und es kam erneut unter vier Augen zu einem Gespräch zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Beklagten. Auch der Inhalt dieser Unterredung ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Der Kläger hat hierzu behauptet, er sei auf Rat seines Anwalts im Betrieb erschienen, um in persona seine Arbeitskraft anzubieten, vom Geschäftsführer der Beklagten jedoch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das erteilte Hausverbot heimgeschickt worden. Die Beklagte wiederum hat vortragen lassen, der Kläger sei im Betrieb erschienen, weil der Geschäftsführer der Beklagten ihn zu einem klärenden Gespräch einbestellt habe. Der Kläger habe jedoch erneut den Geschäftsführer beschimpft, er und seine Leute würden den Kläger wegen seiner schwarzen Hautfarbe benachteiligen, und den Betrieb sodann von sich aus wieder verlassen, ohne ein Arbeitsangebot gemacht zu haben.
Am 31.07.2007 erhielt der Kläger sodann eine schriftliche fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung der Beklagten, gegen die er am 17.08.2007 die vorliegende Kündigungsschutzklage erhob.
Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits entschloss sich die Beklagte nach anwaltlicher Beratung dazu, die streitigen Kündigungen vom 31.07.2007 "zurückzunehmen". Mit Schreiben vom 02.10.2007 teilte sie dem Kläger mit, dass sie sich auf die Kündigungen vom 31.07.2007 nicht mehr berufen werde und ihm anbiete, das Arbeitsverhältnis als ungekündigt und ununterbrochen fortzusetzen. Die Beklagte forderte den Kläger auf, am 04.10.2007 die Arbeit wieder aufzunehmen. Dem kam der Kläger jedoch nicht nach und reagierte auf die von der Beklagten dem Arbeitsgericht mitgeteilte "Rücknahme" der streitigen Kündigungen mit der Stellung eines Auflösungsantrages.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, dem Kündigungsschutzantrag des Klägers stattzugeben, den Auflösungsantrag jedoch zurückzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 22.01.2008 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 04.07.2008, der Beklagten am 14.07.2008 zugestellt. Die so genannte Fünf-Monats-Frist des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist am 22.06.2008 abgelaufen.
Der Kläger hat gegen das arbeitsgerichtliche Urteil am 19.06.2008, die Beklagte am 21.07.2008 Berufung eingelegt. Beide Parteien haben ihre Berufungen am 21.08.2008 begründet.
Der Kläger hält das arbeitsgerichtliche Urteil für richtig, soweit es die Kündigungen der Beklagten vom 31.07.2007 für unwirksam erklärt hat. Dagegen ist der Kläger der Ansicht, das Arbeitsgericht habe seinen Auflösungsantrag zu Unrecht zurückgewiesen. Wegen der vom Kläger hierfür angeführten Gründe wird auf die Berufungsbegründungsschrift des Klägers vom 21.08.2008 Bezug genommen.
Der Kläger und Berufungskläger zu 1) beantragt nunmehr,
unter Abänderung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, gemäß §§ 9 und 10 KSchG zum 31.10.2007 aufzulösen.
Die Beklagte, Berufungsbeklagte zu 1) und Berufungsklägerin zu 2) beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 22.01.2008, 16 Ca 6848/07, die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin zu 2) macht geltend, die "Rücknahme" der streitigen Kündigungen vom 31.07.2007 habe nicht den Stellenwert eines prozessualen Anerkenntnisses, sondern sei rechtlich nur als Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu interpretieren. Durch die Ablehnung dieses Angebots sei die "Rücknahme" der Kündigungen damit gegenstandslos. Dies gelte um so mehr, als sie, die Beklagte, zu keinem Zeitpunkt Abstand von den Kündigungsvorwürfen genommen, sondern lediglich auf Beweisprobleme hingewiesen habe. Erst nach Ausspruch der Kündigungen sei dem Geschäftsführer bekannt geworden, dass der Kläger bereits vor dem Vorfall vom 22.07.2007 erheblich aggressive Verhaltensweisen mit Beschimpfungen und Bedrohungen gezeigt habe, und zwar am 24.04.2007 gegenüber dem Vorarbeiter H und am 18.10.2006 gegenüber einem anderen Vorgesetzten des Klägers, dem Diplomingenieur H . Diese Tatsachen seien schon für sich allein geeignet, die Kündigung zu begründen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte zu 2) beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Insbesondere wurden sie auch in Betracht des Umstands, dass das mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehene erstinstanzliche Urteil den Parteien erst nach Ablauf von fünf Monaten ab Verkündung zugestellt wurde, innerhalb der für diesen Fall in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgesehenen Fristen eingelegt und begründet.
II. Die Berufungen beider Parteien konnten jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit richtig entschieden und seine Entscheidung tragfähig und weitestgehend überzeugend begründet.
Aus der Sicht der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bleibt zusammenfassend und ergänzend das Folgende auszuführen:
A. Die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil vom 22.01.2008 ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 31.07.2007 und ebenso wenig durch die an diesem Tage hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten beendet worden.
1. Die Beklagte konnte nämlich nicht darlegen und beweisen, dass die außerordentliche Kündigung vom 31.07.2007 durch einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist, d. h. dass Tatsachen vorlagen, aufgrund derer es der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Ebenso wenig konnte die Beklagte ausreichende Gründe darlegen und beweisen, denen zufolge die Kündigung vom 31.07.2007 als ordentliche Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt wäre.
a. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die dem erstinstanzlichen Gericht gegenüber mit Schriftsatz vom 22.10.2007 mitgeteilte "Zurücknahme" der streitgegenständlichen Kündigungen gegenüber dem Kläger in prozessualer Hinsicht der Stellenwert einer Art Anerkenntnis des klägerischen Kündigungsschutzantrages zukommt.
b. Jedenfalls dokumentiert die nach anwaltlicher Beratung aus freien Stücken erfolgte Zurücknahme der streitigen Kündigungen durch die Beklagte mit nicht zu steigernder Deutlichkeit, dass es für die Beklagte zumutbar erscheint, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger weiter fortzusetzen, und zwar nicht nur bis zum Ablauf der bei einer Kündigung vom 31.07.2007 einzuhaltenden Kündigungsfrist, sondern darüber hinaus auf unbestimmte Zeit. Die Beklagte hat dem Kläger in dem Schreiben vom 02.10.2007 ausdrücklich angeboten, "das Arbeitsverhältnis als ungekündigt und ununterbrochen fortzusetzen" und den Kläger zugleich aufgefordert, die Arbeit am Morgen des 04.10.2007 wieder aufzunehmen. Klarer kann ein Arbeitgeber nicht zum Ausdruck bringen, dass er sich auch in Anbetracht der Kenntnis der vorangegangenen Geschichte des Arbeitsverhältnisses in der Lage sieht, dieses ungekündigt fortzusetzen und dementsprechend eine solche Fortsetzung auch für zumutbar hält.
c. Unabhängig von der "Rücknahme" der Kündigung gemäß Schreiben vom 02.10.2007 steht dabei die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 31.07.2007 ohnehin außer Frage. Zwar hat die Beklagte zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung einen Sachverhalt - Beleidigung und Bedrohung des Geschäftsführers - behauptet, der, wenn er in tatsächlicher Hinsicht zuträfe, je nach den Umständen des Einzelfalles durchaus geeignet sein könnte, auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die Beklagte musste jedoch freimütig einräumen, dass sie nicht in der Lage ist, die vom Kläger dezidiert bestrittenen Vorwürfe nachzuweisen.
d. Kann die Beklagte aber das von ihr behauptete Fehlverhalten des Klägers vom 22.07.2007 - und im Übrigen auch den Verlauf des Gesprächs vom 30.07.2007 - nach eigenem Eingeständnis nicht nachweisen, so kann letztendlich auch eine hierauf gestützte ordentliche Kündigung nicht rechtsbeständig sein.
2. Der von der Beklagten nunmehr in der Berufungsinstanz unternommene Versuch, die Kündigungen vom 31.07.2007 doch noch zu rechtfertigen, ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
a. Zunächst übersieht die Beklagte, dass sie in ihrem Schreiben vom 02.10.2007 an den Kläger nicht nur das Angebot unterbreitet hat, das Arbeitsverhältnis ungekündigt und ununterbrochen fortzusetzen. Vielmehr hat sie ausdrücklich auch die Erklärung abgegeben, dass sie sich "auf die Kündigungen vom 31.07.2007 nicht mehr berufen wird". An dieser Erklärung muss sich die Beklagte festhalten lassen. Sie ist nicht davon abhängig, ob der Kläger das nachfolgend unterbreitete Fortsetzungsangebot annimmt oder nicht und wird somit durch Nichtannahme des Angebots auch nicht gegenstandslos.
b. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte ihre Erklärungen gemäß Schreiben vom 02.10.2007 in voller Kenntnis und vollem Bewusstsein der von ihr jetzt behaupteten Vorfälle vom 18.10.2006 und 24.04.2007 abgegeben hat, auf die sie nunmehr nachträglich noch die Kündigungen vom 31.07.2007 stützen will.
aa. Zwar hat sich die Beklagte in keiner Weise dazu geäußert, wann genau ihr Geschäftsführer von diesen Vorfällen Kenntnis erlangt haben will. Sie hat sich nur darauf beschränkt zu behaupten, dass die Kenntniserlangung erst nach Ausspruch der Kündigung vom 31.07.2007 erfolgt sei.
bb. Schon wegen § 626 Abs. 2 BGB kann in Anbetracht des unsubstantiierten Vortrags zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung keine außerordentliche Kündigung auf die Vorfälle vom 18.10.2006 und 24.04.2007 mehr gestützt werden.
cc. Feststeht aber jedenfalls, dass der Geschäftsführer der Beklagten im Zeitpunkt, als er die Erklärung abgeben ließ, sich nicht mehr auf die Kündigungen vom 31.07.2007 berufen zu wollen, volle Kenntnis der jetzt nachgeschobenen vermeintlichen Kündigungsgründe hatte. Dies geht unmissverständlich bereits aus der erstinstanzlichen Sachdarstellung der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 27.12.2007 hervor. Nachdem die Beklagte dort nämlich die Vorfälle vom 24.04.2007 und 18.10.2006 im Einzelnen unter Beweisantritt geschildert hatte, ließ sie ausführen:
"Im Hinblick auf die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers und die Tatsache, dass der eigentliche Kündigungsgrund unter vier Augen stattgefunden hatte, haben die Unterzeichnerin und der Geschäftsführer der Beklagten dennoch entschieden, die ursprüngliche Kündigung zurückzunehmen, auch wenn sie von der Sache hier durchaus gerechtfertigt gewesen wäre, und dem Kläger nach einem eindringlichen Gespräch und einer entsprechenden Abmahnung bei Wiedererscheinen noch einmal eine Chance zu geben." (Bl. 45/46 d. A.)
dd. Nur am Rande sei ergänzt: Wenn der Geschäftsführer der Beklagten nach deren eigenem Bekunden erst nach dem 31.07.2007 von den behaupteten Ereignissen vom 18.10.2006 und 24.04.2007 erfahren haben will, können die nach der Behauptung der Beklagten von den Vorfällen unmittelbar betroffenen Vorgesetzten des Klägers diese Vorfälle nicht als allzu gravierend empfunden haben, da ansonsten zu erwarten gewesen wäre, dass sie die Geschäftsführung zeitnah informiert hätten.
B. Wie die Berufung der Beklagten, so musste aber auch die Berufung des Klägers erfolglos bleiben. Das Arbeitsgericht hat auch den arbeitnehmerseitigen Auflösungsantrag im Ergebnis zutreffend und mit überzeugender Begründung zurückgewiesen.
1. Zunächst betont das Arbeitsgericht zu Recht, dass es sich bei dem Kündigungsschutzgesetz in erster Linie um ein Bestandsschutzgesetz und nicht um ein Abfindungsgesetz handelt. Die in § 9 KSchG vorgesehene Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Gerichtsurteil gegen Festsetzung einer an den Arbeitnehmer zu zahlenden Abfindung steht nicht im Belieben der Parteien. Das Gesetz knüpft den Abfindungsanspruch nach § 9 KSchG vielmehr - beim arbeitnehmerseitigen Auflösungsantrag - an die Voraussetzung, dass dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Hierzu sind objektiv nachvollziehbare Tatsachen darzulegen und nachzuweisen. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt bei einem Auflösungsantrag nach § 9 KSchG dabei derjenigen Partei, die den Auflösungsantrag stellt, im vorliegenden Falle also dem Kläger.
a. Zwar könnte die Behauptung des Klägers, der Geschäftsführer habe ihn bei dem Vier-Augen-Gespräch vom 22.07.2007 grundlos angebrüllt und ihn mit einer unberechtigten mündlichen fristlosen Kündigung nebst Hausverbot überzogen, nur weil er es gewagt habe, in sachlicher Form seine arbeitsvertraglichen Rechte zu verteidigen, je nach den Umständen des Einzelfalls grundsätzlich geeignet sein, einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG zu rechtfertigen.
b. Ebenso wenig, wie umgekehrt die Beklagte in der Lage ist, etwaige am 22.07.2007 vom Kläger verwirklichte Kündigungsgründe nachzuweisen, ist jedoch der Kläger seinerseits in der Lage, diese seine Behauptungen zu einem am 22.07.2007 verwirklichten Auflösungstatbestand nachzuweisen. Das hinsichtlich der Ereignisse vom 22.07.2007 somit gegebene so genannte Non Liquet führt zur Unbegründetheit des Auflösungsantrags.
2. Auch die übrigen vom Kläger ins Feld geführten Auflösungsgründe vermögen eine Unzumutbarkeit im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht zu begründen.
a. Klarstellend ist voran zu schicken, dass der Umstand, dass ein Arbeitgeber eine sich als ungerechtfertigt erweisende Kündigung ausgesprochen hat, für sich allein nicht geeignet ist, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf arbeitnehmerseitigen Antrag nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG zu rechtfertigen. Das Kündigungsschutzgesetz sieht gerade nicht vor, dass der Arbeitnehmer im Falle einer unwirksamen arbeitgeberseitigen Kündigung ein Wahlrecht zwischen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und Anspruch auf eine Abfindung geltend machen könnte. Dies gilt erst recht, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung nicht darauf beruht, dass der Arbeitgeber von vorneherein ungeeignete Kündigungsgründe anführt, sondern wenn sie in erster Linie durch Beweisprobleme bedingt ist.
b. Soweit der Kläger das Hausverbot als Auflösungsgrund heranzieht, übersieht er, dass dessen Berechtigung ebenfalls im Wesentlichen davon abhängt, was zwischen den Parteien am 22.07.2007 passiert ist. Träfe nämlich die Behauptung der Beklagten zu, die diese zwar nicht nachweisen, der Kläger seinerseits aber auch nicht widerlegen kann, dass der Kläger den Geschäftsführer damals lautstark beschimpft und körperlich bedroht hat, wäre gegen die Berechtigung des zunächst ausgesprochenen Hausverbotes im Zweifel wenig einzuwenden. Ob der Geschäftsführer der Beklagten das Hausverbot in dem weiteren Vier-Augen-Gespräch der Parteien am 30.07.2007 nochmals bekräftigt hat, kann vom Kläger ebenfalls nicht bewiesen werden. Unzutreffend ist jedenfalls die Einlassung des Klägers in der Berufungsinstanz, die Beklagte habe das Hausverbot "nie zurückgenommen". Spätestens als die Beklagte - nach anwaltlicher Beratung - eingesehen hat, dass sie ihre streitige Kündigung nicht würde aufrecht erhalten können, hat sie dem Kläger nicht nur die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angeboten, sondern ihn auch konkret aufgefordert, am Donnerstag, dem 04.10.2007, die Arbeit wieder aufzunehmen. Spätestens darin liegt die konkludente Aufhebung des Hausverbots.
c. Die weiteren vom Kläger in seiner Berufungsbegründung angeführten Gründe für die Rechtfertigung des Auflösungsantrags erscheinen bereits unschlüssig.
aa. Wieso die Vorgänge, die sich Anfang 2006 abgespielt haben, nämlich die Probleme im Zusammenhang mit dem damaligen Betriebsübergang und die Diskussionen um eine Änderung der Lohnbedingungen, geeignet sein sollen, einen im November 2007 gestellten Auflösungsantrag zu rechtfertigen, ist für das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar. Immerhin hat der Kläger nach den Ereignissen von Anfang 2006 das Arbeitsverhältnis seinerseits noch über weit mehr als ein Jahr bis in den Juli 2007 hinein fortgesetzt und damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass für ihn trotz der rechtlichen Meinungsverschiedenheiten zu Beginn des Jahres 2006 die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich und zumutbar war.
bb. Geradezu fernliegend erscheint schließlich die Ansicht des Klägers, dass die Erteilung schwer verständlicher Lohnabrechnungen geeignet sein sollte, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar anzusehen. Zum einen liegt es ein Stück weit in der Natur der Sache, dass in einer Branche, in der die Lohn- und Gehaltsabrechnungen in vielfacher Weise durch teilweise komplizierte tarifliche Vorgaben beeinflusst werden, komplexer ausfallen als in anderen Branchen. Bleiben Verständnisprobleme, besteht die Möglichkeit der Nachfrage bei Lohnbuchhaltung oder Steuerberater. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Kläger niemals auf derartige Verständnisprobleme hingewiesen und um Erläuterungen gebeten habe.
cc. Unabhängig von alledem bleibt festzuhalten: Die so genannten Baulohnabrechnungen für die Monate Mai und Juni 2007, die der Kläger erstinstanzlich beispielhaft vorgelegt hat (vgl. Bl. 36/38 d. A.), erscheinen klar und übersichtlich gegliedert. Inwiefern diese Art der Abrechnungen augenfällige Verständnisprobleme provozieren sollen, wird nicht deutlich. Ob die klar gegliederten Angaben inhaltlich den Tatsachen entsprechen, ist eine andere Frage, die das Gericht naturgemäß nicht beurteilen kann. Der Kläger war dazu anscheinend aber sehr wohl in der Lage, wie seine erstinstanzliche Einlassung erkennen lässt, er habe festgestellt, "dass das geldliche Ergebnis der Gehaltsabrechnungen jedenfalls im Wesentlichen auch den tatsächlichen Gehaltsansprüchen entspricht".
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Verhältnis des beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens.
Bei der Beurteilung des vorliegenden Einzelfalls ist ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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