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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 21.05.2003
Aktenzeichen: 7 Sa 819/02
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BetrVG § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 819/02

Verkündet am: 21.05.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 21.05.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Winnen und die ehrenamtliche Richterin Zensen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.05.2002 in Sachen 5 Ca 1150/02 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in erster Linie um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, den erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträgen und der Gründe, die das Arbeitsgericht dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 03.05.2002 Bezug genommen.

Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 29.07.2002 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 09.08.2002 Berufung einlegen und diese am 20.09.2002 begründen lassen.

Der Kläger bestreitet nach wie vor, den Versuch unternommen zu haben, die Firma K zu Zahlungen an jemand anderen als nur die Beklagte selbst zu veranlassen. Es sei im Wirtschaftsverkehr alles andere als lebensfremd, derartige Erstattungsansprüche zunächst telefonisch geltend zu machen. Das Arbeitsgericht habe aber auch nicht dahingestellt bleiben lassen dürfen, ob in dem Telefonat mit dem Zeugen K von einer Abwicklung der Angelegenheit über die Firma seines, des Klägers Sohnes die Rede gewesen sei. Hiervon sei nämlich in dem ersten Schreiben des Zeugen K vom 05.12.2001 nicht die Rede gewesen. Vor allem habe das Arbeitsgericht nicht ohne Beweisaufnahme entscheiden dürfen.

Schließlich sei auch die ordentliche Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu rügen. Die Beklagte habe den Betriebsrat zu einer sogenannten Verdachtskündigung angehört. Bei der Kündigungserklärung vom 29.01.2002 habe die Beklagte jedoch nicht auf den Verdacht, sondern auf die angebliche konkrete Vertragsverletzung abgestellt. Hierzu habe sie den Betriebsrat nicht angehört. Zu rügen sei weiter, dass dem Betriebsrat das Schreiben des Zeugen K vom 25.01.2002 nicht vorgelegt worden sei.

Schließlich habe die Beklagte auch die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB verletzt. Das Schreiben des Zeugen K vom 05.12.2001, welches gemäß Mitteilung an den Betriebsrat am 10.12.2001 zugegangen sei, sei dem Kläger erst am 22.01.2002 vorgelegt worden und die Kündigung sei erst am 29.01.2002 ausgesprochen worden.

Weiter behauptet der Kläger, er habe in der Angelegenheit der Auspuffadapter ein einziges Telefongespräch mit dem Zeugen K geführt, und zwar im Juni/Juli 2001. Weitere Versuche der telefonischen Ansprache seien erfolglos geblieben, weshalb er, der Kläger den Kollegen F gebeten habe, bei einem nächsten Gespräch mit dem Zeugen K diesen an die noch nicht abgeschlossene Preisgestaltung der Adapter zu erinnern.

Weiter rügt der Kläger, dass die Beklagte das Schreiben des Zeugen K vom 05.12.2001 überhaupt geöffnet habe, obwohl es an ihn, den Kläger adressiert gewesen sei. Schließlich meint der Kläger unter Bezugnahme auf § 314 BGB n. F., dass in jedem Fall vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre.

Zuletzt hat der Kläger der Annahme Ausdruck verliehen, dass die Beklagte gegen ihn im Zusammenspiel mit dem Zeugen K ein Intrigenspiel übelster Art und Weise ausgeführt habe. Er beruft sich hierzu auf eine Äußerung eines Zeugen R , der ihm, dem Kläger gegenüber von einem Gespräch mit dem Zeugen K berichtet und hierzu ausgeführt habe: "In diesem Zusammenhang bemerkte Herr K , dass er nach wie vor mit dem Hause C gute Geschäfte macht. Lediglich durch eine clevere Maßnahme wurde Herr K aus dem Geschäft genommen."

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.05.2002, Aktenzeichen - 5 Ca 1150/02 -, abzuändern und

- festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.01.2002 nicht aufgelöst worden ist;

- festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis auch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.01.2002 nicht aufgelöst worden ist;

- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger in der Position als kaufmännischen Bezirksleiter zu unveränderten vertraglichen Bedingungen (bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Sache) weiterzubeschäftigen;

- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 8.425,29 zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der LZB aus € 263,29 seit dem 01.02.2002, aus € 4.081,00 seit dem 01.03.2002 sowie aus € 4.081,00 seit dem 01.04.2002.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils und tritt den Ausführungen des Klägers im Einzelnen entgegen. Insbesondere wendet sie sich gegen den Vorwurf, gegen den Kläger eine Intrige inszeniert zu haben. In Wahrheit habe sie im Vorfeld der Kündigung bis zuletzt gehofft, dass sich die seitens des Zeugen K gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe als unzutreffend erweisen würden.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung des Zeugen P K . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.05.2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.

II. In der Sache konnte die Berufung des Klägers jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.01.2002 aus einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist. Mit der Vernehmung des Zeugen P K in der Berufungsinstanz ist erwiesen, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer es der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht mehr zugemutet werden konnte, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aufrecht zu erhalten.

1. Nach dem Ergebnis der in der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme besteht nach Überzeugung des Berufungsgerichts kein Anlass zur vernünftigen Zweifeln mehr daran, dass der Kläger versucht hat, unter Ausnutzung seiner früheren Funktion als Einkäufer im Ersatzteilwesen die Zulieferfirma K zu veranlassen, zu seinem eigenen persönlichen Vorteil eine Zahlung in der Größenordnung von mehreren Tausend DM vorzunehmen.

a. Ein derartiger Vorwurf ist geeignet, die außerordentliche Kündigung auch eines sehr langfristig bestehenden Arbeitsverhältnisses wie dasjenigen des Klägers zu rechtfertigen. Dies wird letztlich auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt, der selbst die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als "sehr schwerwiegend" bezeichnet hat. In seiner früheren Position als Sachgebietsleiter Einkauf Teile und Zubehör eines international tätigen Automobilproduktionsunternehmens hatte der Kläger eine äußerst sensible Funktion inne, die bekanntermaßen im Wirtschaftsleben im Hinblick auf die Problemfelder Korruption, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme als besonders gefährdet gilt. Es liegt daher im ureigenen Interesse der Beklagten, jedem begründeten Verdacht in dieser Hinsicht von vorneherein entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite muss jedem in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer klar sein, dass jeder Missbrauch in dieser Hinsicht die Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses unwiederbringlich entzieht, auch wenn das Arbeitsverhältnis bereits lange Jahre Bestand gehabt hat.

b. Der Zeuge P K hat die in seinen Schreiben an den Kläger vom 05.12.2001 und an die Beklagte vom 25.01.2002 gemachten Angaben klar, präzise und glaubhaft bestätigt.

aa. Danach hat der Kläger zu einem Zeitpunkt, als er längst nicht mehr in der Funktion eines Sachgebietsleiters Einkauf Teile und Zubehör tätig war, hartnäckig diverse Versuche unternommen, den Zeugen K in der Angelegenheit der Auspuffadapter zu kontaktieren. Zunächst ging es dabei, dem Zeugen zu Folge, um die Nachfrage, "wie das denn mit den Adaptern so liefe, ob wie vorgesehen beliefert würde usw." Zu Recht musste dem Zeugen diese Art der Nachfrage bereits merkwürdig erscheinen, wäre es doch für den Kläger, wenn es ihm ernsthaft um die Sache selbst gegangen wäre, ein leichtes gewesen, sich die entsprechenden Daten auch bei der Beklagten selbst zu beschaffen.

bb. Im weiteren deckt sich die Aussage des Zeugen K mit der Sachdarstellung des Klägers insofern, als es mehrere telefonische Kontaktversuche des Klägers gegeben hatte, die aufgrund Abwesenheit des Zeugen K nicht zum Erfolg geführt hatten. Allerdings entlastet es den Kläger in diesem Zusammenhang in keiner Weise, dass er den Mitarbeiter F gebeten habe, bei dem nächsten Gespräch mit dem Zeugen K diesen an die noch nicht abgeschlossene Preisgestaltung der Adapter zu erinnern. Wie der Kläger bereits erstinstanzlich (Schriftsatz vom 20.03.2002, Seite 2) präzisiert hatte, ging es dabei nämlich lediglich darum, dass der Mitarbeiter F den Zeugen K bitten sollte, den Kläger in dieser Angelegenheit zurückzurufen. Schon nach seinem eigenen Sachvortrag hatte der Kläger den Zeugen F nicht etwa in einer Weise instruiert, die diesen in die Lage versetzt hätte, die Angelegenheit der Preisgestaltung der Adapter in eigener Regie weiter zu verfolgen.

cc. Sodann hat der Zeuge K ohne Wenn und Aber bestätigt, dass es unmittelbar vor dem 05.12.2001 zu einem Telefonat zwischen dem Kläger und ihm gekommen sei, in dem der Kläger ihn aufgefordert habe, den zuvor vorgenommenen Aufschlag von 50 Pfennig pro geliefertem Auspuffadapter zurückzuzahlen. Dabei gab der Kläger gegenüber dem Zeugen K an, dass das zurückzuzahlende Geld für eine Weihnachtsfeier des Personals in dem zuständigen Geschäftsbereich verwendet werden würde. Wäre es dem Kläger darum gegangen, einen unberechtigten Preisaufschlag der Zuliefererfirma K zugunsten der Beklagten zurückzufordern, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, der Firma K hierüber eine offizielle Rechnung der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Entscheidend ist somit, dass nach der klaren und eindeutigen Aussage des Zeugen K der Kläger sich definitiv weigerte, dem Zeugen K hierüber eine Rechnung der Beklagten zukommen zu lassen. Statt dessen wies der Kläger den Zeugen auf die Möglichkeit hin, eine Rechnung über die Firma seines, des Klägers Sohnes auszustellen. An dieser Stelle musste nicht nur für den Zeugen K , sondern für jeden objektiven Dritten klar sein, dass der Kläger die fragliche Rückzahlung nicht namens der Beklagten, sondern für sich selbst verlangte.

dd. Im weiteren hat der Zeuge K ausgeführt, im Rahmen der Preisverhandlungen über die Lieferung der Auspuffadapter sei es der Kläger selbst gewesen, der vorgeschlagen habe, dass man "weitere 50 Pfennig darauf legen könne, da man ja nicht wisse was noch komme". Dies erscheint der Berufungskammer als ein weiterer bemerkenswerter Umstand, der den gegen den Kläger bestehenden Verdacht verstärkt: Normalerweise gehört es zu den Aufgaben des Einkäufers eines Produktionsbetriebes, gegenüber den Zuliefererbetrieben möglichst günstige Einkaufspreise zu erzielen. Von daher erscheint der Tatbestand, dass der Einkäufer von sich aus einen nicht unerheblichen Preisaufschlag für die einzukaufenden Waren vorschlägt, ungewöhnlich. Es begründet in Anbetracht der übrigen Umstände des Einzelfalls den zusätzlichen Verdacht, dass der Kläger möglicherweise schon in diesem Stadium der Ereignisse den Plan verfolgte, später für sich persönliche Vorteile zu erzielen.

c. Der Zeuge K hat seine Aussage vor dem Berufungsgericht unaufgeregt, sachlich, klar und ohne jede erkennbare einseitige Belastungstendenz gegenüber dem Kläger abgegeben. Die Motive, die der Kläger dem Zeugen im Rahmen seiner "Verschwörungstheorie" unterstellt, haben dabei in tatsächlicher Hinsicht keinerlei Stütze gefunden. Unmittelbare wirtschaftliche Motive, bezogen auf die Geschäftsbeziehungen zur Beklagten, konnte der Zeuge K schon deshalb nicht mehr haben, weil der Kläger ja bekanntlich bereits geraume Zeit vor den hier in Rede stehenden Ereignissen von der Funktion eines Einkäufers der Abteilung Teile und Zubehör abberufen worden war. Für die zukünftige Gestaltung der Geschäftsbeziehungen des Zeugen zur Beklagten spielte der Kläger somit erkennbar keine Rolle mehr. Hätte sich die Preisgestaltung für die Auspuffadapter im übrigen objektiv nachvollziehbar im nachhinein aus sachlichen Gründen als ungerechtfertigt erwiesen, hätte der Zeuge K damit rechnen müssen, dass dies auch jedem anderen Funktionsnachfolger des Klägers aufgefallen wäre.

d. Auf der anderen Seite erscheint der Sachvortrag des Klägers, mit dem dieser zu rechtfertigen versucht, warum er auch nach seiner Abberufung als Sachgebietsleiter des Einkaufs Teile und Zubehör so hartnäckig versuchte, die Preisgestaltung im Bereich Auspuffadapter gegenüber der Firma K zu revidieren, alles andere als überzeugend. Zum Zeitpunkt der hier interessierenden Ereignisse war der Kläger bekanntlich längst nicht mehr in der Funktion eines Sachgebietsleiters Einkauf Teile und Zubehör tätig. Wenn er geraume Zeit nach Abberufung von dieser Funktion der Auffassung gewesen wäre, dass in punkto Preisgestaltung bei den Auspuffadaptern Handlungsbedarf gegeben sei, hätte es nahegelegen, seinen Funktionsnachfolger bei der Beklagten entsprechend zu instruieren und/oder einen entsprechenden Aktenvermerk niederzulegen. Auf jeden Fall wäre es vorrangig gewesen, intern darauf hinzuwirken, dass bei den laufenden und zukünftigen Lieferungen der Firma K keine - aus Sicht des Klägers - überhöhten Preise mehr gezahlt würden. In dieser Hinsicht hat der Kläger augenscheinlich jedoch nichts unternommen, wie der Umstand belegt, dass er noch zuletzt vorgetragen hat, die Firma K liefere nach wie vor zu weit überhöhten Preisen ihre Auspuffadapter an die Beklagte.

e. Vor allem aber hätte nicht der geringste erkennbare Grund bestanden, der Firma K eine offizielle Rechnung der Beklagten zu verweigern, wenn es zu der angeblich vom Kläger angestrebten Rückzahlung unberechtigter Kaufpreisanteile gekommen wäre.

f. Alles in allem hat die Berufungskammer keine Anhaltspunkte dafür gewinnen können, dass an der Redlichkeit der Aussage des Zeugen K Zweifel angebracht wären.

g. Die Angaben des Klägers, die Einlassungen des Zeugen R ihm gegenüber betreffend, sind demgegenüber derart allgemein gehalten und letztlich nichtssagend, dass sie auf die Einholung eines im Zivilprozess verbotenen sogenannten Ausforschungsbeweises hinausgelaufen wären.

h. Der Vertrauensbruch im Arbeitsverhältnis, den der Kläger begangen hat, wenn man der Aussage des Zeugen K Glauben schenkt, ist von so elementarer Bedeutung für das Arbeitsverhältnis, dass es keinerlei Abmahnung bedurfte, um dem Kläger - oder irgend einem anderen Arbeitnehmer in seiner Funktion - vor Augen zu führen, dass ein solches Fehlverhalten den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ausschloss. Daran ändert auch der neu eingeführte § 314 Abs. 2 BGB nichts. § 626 BGB und die im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Abmahnung dazu entwickelten Grundsätze der höchst- richterlichen Rechtsprechung sind insoweit als lex specialis anzusehen (Palandt-Heinrichs, BGB, 62.Aufl., § 314 Rdnr.4 m.w.N.).

i. Nach der Überzeugung des Berufungsgerichts spielte auch das vom Kläger ins Spiel gebrachte Motiv einer persönlichen Rache des Zeugen K bei seiner Aussage keine Rolle. Der Zeuge K hat sich glaubhaft als nüchterner, sachlich denkender Geschäftsmann geriert. Dass allerdings auch der Geschäftsführer eines Zuliefererunternehmens sensibel auf Versuche reagiert, unberechtigte "Bestechungszahlungen" an Entscheidungsträger des Geschäftspartners erbringen zu sollen, erscheint ohne weiteres nachvollziehbar.

k. Dabei spricht der Umstand, dass der Brief des Zeugen K vom 05.12.2001 nominell an den Kläger als Funktionsträger der Beklagten, nicht aber etwa an die Personalabteilung oder Geschäftsleitung der Beklagten selbst adressiert war, eher zu Ungunsten des Klägers als zu seinen Gunsten. Dieser Umstand belegt nämlich, dass es dem Zeugen K keineswegs darum ging, den Kläger bei seinem Arbeitgeber anzuschwärzen, sondern vielmehr darum, ihn selbst nachhaltig darauf hinzuweisen, dass man seitens der Firma K nicht bereit sei, sich auf derartige Forderungen des Klägers einzulassen. Wäre es dem Zeugen K darum gegangen, den Kläger "aus dem Verkehr zu ziehen", hätte nichts näher gelegen, als sich bei der Geschäftsleitung oder der Personalleitung der Beklagten selbst zu beschweren.

l. Auf der anderen Seite kann der Kläger aber auch aus dem Umstand, dass die Beklagte von dem vordergründig an den Kläger selbst adressierten Brief des Zeugen K Kenntnis genommen hat, nicht die Folge herleiten, dass die daraus erlangten Kenntnisse nicht mehr als Kündigungsgrund verwertbar seien. Der Brief des Zeugen K vom 05.12.2001 war zwar an die Person des Klägers adressiert, andererseits jedoch an dessen Arbeitsplatzanschrift gerichtet ("c/o C D A , N 8 - 9 , D-5 K "). Die Adressierung enthielt weder den Vermerk "persönlich" noch "vertraulich". In Anbetracht der Absenderangaben des Briefes, die einen bei der Beklagten bekannten Zuliefererbetrieb auswiesen, konnte die Beklagte somit davon ausgehen, dass der Brief den Kläger in seiner Eigenschaft als Funktionsträger der Beklagten betraf, der bis zu seiner Abberufung als Sachgebietsleiter Einkauf Teile und Zubehör die ständigen Geschäftsbeziehungen der Beklagten mit der Firma K betreute. Insofern stellt es keinen Hinweis auf eine gegen den Kläger gerichtete intrigante Absicht der Beklagten dar, wenn sie von dem Inhalt des Briefes Kenntnis nahm, ohne zuvor den Kläger um Erlaubnis gefragt zu haben.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers scheitert die Rechtswirksamkeit der streitigen Kündigung auch nicht daran, dass die Beklagte entgegen § 626 Abs. 2 BGB im Zeitpunkt der Kündigung länger als zwei Wochen Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen gehabt hätte.

Es ist zwar richtig, dass die Beklagte bereits in der ersten Dezemberhälfte 2001 von dem Schreiben des Zeugen K vom 05.12.2001 Kenntnis erlangt hatte. Der Beklagten kann aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie nicht schon allein das Schreiben vom 05.12.2001 zum Anlass für den Ausspruch einer Kündigung genommen, sondern erst Anstrengungen unternommen hat, den Sachverhalt weiter aufzuklären und mit dem Zeugen K Rücksprache zu nehmen. Wie sich aus dem durch die Einvernahme des Zeugen K bestätigten Sachvortrag der Beklagten ergibt, war es jedoch erst Mitte Januar 2002 möglich, bei dem Zeugen K persönlich weitere Informationen über das Tatgeschehen zu erhalten. Sodann war die Beklagte pflichtgemäß gehalten, den Kläger zu dem Sachverhalt anzuhören, was sie am 22.01.2002 getan hat. Die 14-Tage-Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann somit frühestens am 22.01.2002 und wurde somit mit der dem Kläger am 30.01.2002 zugegangenen Kündigung ohne weiteres eingehalten.

3. Bei der abschließenden Interessenabwägung fällt zwar die extrem lange Beschäftigungsdauer des Klägers erheblich zu seinen Gunsten ins Gewicht, ebenso wie sein grundlegendes Interesse an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. Andererseits hat der Kläger jedoch durch sein durch die die Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht bestätigten Fehlverhalten die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses derart nachhaltig zerstört, dass dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung der Vorrang einzuräumen ist.

4. Die Rechtswirksamkeit der streitigen Kündigung scheitert schließlich auch nicht an einer nicht ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung im Sinne des § 102 Abs. 2 BetrVG.

a. Das Schreiben des Zeugen K vom 05.12.01 ist dem Betriebsrat unstreitig zur Kenntnis gegeben worden. Das weitere Schreiben des Zeugen vom 25.01.02 konnte schon deshalb nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung vom 22.01.02 sein, weil es im Zeitpunkt der Betriebsratsanhörung noch nicht existierte. Dies ist aber auch deshalb unschädlich, weil die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass sie den Betriebsrat über den Inhalt des Telefonats der Zeugin Dr. T mit dem Zeugen K vom 17.01.02 informiert hat. Das Schreiben des Zeugen vom 25.01.02 diente lediglich der schriftlichen Zusammenfassung des Inhalts jenes Telefonates.

b. Unerheblich ist schließlich auch der Umstand, dass die Beklagte dem Betriebsrat gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, dass sie gegenüber dem Kläger eine sogenannte Verdachtskündigung auszusprechen gedenkt.

aa. Es trifft schon nicht zu, dass sich die Beklagte bei Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 29.01.2002 nicht an diese Vorgabe gehalten hätte. Der Text des Kündigungsschreibens enthält keinerlei Aussage darüber, ob es sich um eine Kündigung wegen eines Verdachtes oder ob es sich um eine sogenannte Tatkündigung handelt. Es ist lediglich von "verhaltensbedingten Gründen" die Rede. Noch in der Berufungsinstanz hat die Beklagte ausgeführt, dass es um den "Verdacht einer unberechtigten Vorteilsannahme" gehe.

bb. Selbst wenn jedoch die Beklagte im nachhinein die Überzeugung gewonnen hätte, dass aus dem zunächst bestehenden dringenden Verdacht aus ihrer Sicht Gewissheit geworden wäre, würde dies die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung zur Verdachtskündigung nicht in Zweifel ziehen. Wird der Betriebsrat zu einer Kündigung wegen eines dringenden Tatverdachts angehört, spielt es keine Rolle, wenn der Arbeitgeber im Nachhinein die subjektive Überzeugung gewinnt, dass aus dem Verdacht Gewissheit geworden ist. Lediglich im umgekehrten Fall - Anhörung zu einer Tatkündigung, dann aber Ausspruch einer Verdachtskündigung - bestehen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG (DB 86, 2187) Bedenken gegen die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung .

5. Gründe für die Unwirksamkeit der streitigen außerordentlichen Kündigung sind somit im Ergebnis nicht anzuerkennen.

War die Kündigung der Beklagten vom 29.01.02 als außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB rechtswirksam, so können auch die weiteren Klageanträge, die sich gegen eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung, auf Weiterbeschäftigung und auf Nachzahlung der Vergütung nach Ausspruch der Kündigung richten, keinen Erfolg haben.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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